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E-Book

Afrika, mein Leben

Erinnerungen einer Unbeugsamen

AutorWangari Maathai
VerlagDUMONT Buchverlag
Erscheinungsjahr2018
Seitenanzahl384 Seiten
ISBN9783832184193
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis8,99 EUR
»Unmittelbar, aufrichtig und wunderschön.« Bill Clinton Als Wangari Maathai mit dem Friedensnobelpreis geehrt wurde, feierte ganz Nairobi. 2006 schrieb sie dann die außergewöhnliche Geschichte ihres Lebens auf. 1940 in einem Kikuyu-Dorf am Fuße des Mount Kenya geboren, ergriff sie die Chance, in den USA und Deutschland zu studieren. Zurück in Kenia wurde sie die erste Professorin des Landes und die erste grüne Politikerin Afrikas. Sie gründete das Umweltschutzprogramm »Green Belt Movement«, das zu einer panafrikanischen Bewegung wurde. Doch ihr Engagement brachte ihr nicht nur Zustimmung ein. Präsident Arap Moi ließ sie viele Male verhaften, schickte seine Polizisten, wenn sie sich schützend vor den Regenwald stellte. Die Frauenverbände beschimpften sie, weil sie ihre Auflehnung gegen die Männer ungehörig fanden, und ihr Ehemann verließ sie und ihre drei Kinder, weil sie »zu eigensinnig und zu schwer zu kontrollieren« gewesen sei. >Afrika, mein Leben< erzählt bildhaft und anekdotenreich die Lebensgeschichte einer charismatischen Frau, die Hoffnung in die Welt trug. Wangari Maathai wurde 1940 im Nyeri District, Kenia, geboren und starb 2011 in Nairobi. Sie studierte Biologie in den USA und Deutschland und gründete 1977 das Aufforstungsprojekt »Green Belt Movement«. Im Jahr 2002 wurde sie bei den ersten freien Wahlen Kenias ins Parlament gewählt, 2003 ernannte Präsident Mwai Kibaki sie zur stellvertretenden Ministerin für Umwelt. 2004 wurde sie als erste afrikanische Frau mit dem Friedensnobelpreis geehrt.

Wangari Maathai wurde 1940 in Nyeri, Kenia, geboren. Sie studierte Biologie in den USA und Deutschland und gründete 1977 das Aufforstungsprojekt Green Belt Movement. Sie ist Gründerin der Green Party of Kenya. Im Jahr 2002 wurde sie bei den ersten freien Wahlen Kenias ins Parlament gewählt, seit 2003 ist sie stellvertretende Ministerin für Umwelt. 2004 wurde sie mit dem Friedensnobelpreis geehrt. Wangari Maathai ist im September 2011 in Nairobi gestorben.

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Leseprobe

Kapitel 1

Erste Jahre

Ich kam am 1. April 1940 in Ihithe zur Welt, einem kleinen Dorf im zentralen Hochland der damaligen britischen Kronkolonie Kenia. Schon meine Eltern und Großeltern stammten aus dieser Gegend in der Nähe der Provinzhauptstadt Nyeri, im Vorgebirge des Aberdare Mountain Range. Im Norden ragt der Mount Kenya in den Himmel.

Ich war das dritte von sechs Kindern, die erste Tochter nach zwei Söhnen. Zwei Wochen nach Beginn der mbura ya njahĩ, der Zeit des langen Regens, setzten bei meiner Mutter die Wehen ein, und sie brachte mich in einem traditionellen Lehmhaus zur Welt, in dem es weder Strom noch fließend Wasser gab. Zur Seite standen ihr die Dorf-Hebamme und mehrere weibliche Familienangehörige und Freundinnen. Meine Eltern waren Bauern und gehörten zur Gemeinschaft der Kikuyu, einer der zweiundvierzig Ethnien Kenias und zahlenmäßig nach wie vor der größten. Sie lebten vom Ackerbau und hielten außerdem Rinder, Ziegen und Schafe.

Zu der Zeit war das Land rund um Ihithe üppig, grün und fruchtbar. Die Jahreszeiten kamen mit großer Regelmäßigkeit, man konnte fast mit Sicherheit vorhersagen, dass Mitte März der lange Monsunregen einsetzen würde, und wusste, im Juli würde es so neblig sein, dass man keine vier Meter weit sehen konnte, und morgens so kalt, dass das Gras vor Raureif silbrig-weiß glitzerte. Auf Kikuyu heißt der Monat Juli mworia nyoni, der Monat, in dem Vögel verfaulen, weil sie erfroren von den Bäumen fallen.

Wir lebten in einer Gegend, in der es jede Menge Sträucher, Kletterpflanzen, Farne und Bäume gab wie etwa mĩtũndũ, mĩkeu und mĩgumo, die zum Teil Beeren oder Nüsse tragen. Da regelmäßig reichlich Regen fiel, gab es überall sauberes Trinkwasser. Auf den großen Feldern wurden Mais, Bohnen, Weizen und Gemüse angebaut. Hunger war so gut wie unbekannt. Der Boden war fett und feucht und von einem dunklen Rotbraun.

Zur Geburt eines Kindes wurde ein schönes und sinnvolles Ritual begangen, mit dem das Neugeborene in das Land seiner Vorfahren eingeführt werden sollte, in eine Welt der Fülle und des Guten, die dieser Boden hervorbrachte. Kurz nach der Geburt ernteten einige der Frauen, die der werdenden Mutter beigestanden hatten, auf ihren Feldern jeweils eine ganze große Traube grüner Bananen. Wenn auch nur eine Banane schon reif war und die Vögel davon gefressen hatten, mussten die Frauen eine andere Traube finden. Deren Fülle bedeutete Ganzheit und Wohlbefinden – Eigenschaften, die in der Gemeinschaft einen hohen Stellenwert hatten. Außer Bananen brachten die Frauen der jungen Mutter auch Süßkartoffeln aus deren und ihrem eigenen Garten und dazu blau-lila Zuckerrohr (kĩgwa kĩa nyamũirũ). Normales Zuckerrohr kam nicht in Frage.

Zur Vorbereitung auf die Geburt mästete die schwangere Frau ein Lamm, das sie bei sich im Haus hielt. Während dann die anderen Frauen die rituellen Nahrungsmittel zusammensuchten, opferte der Vater des Kindes das Lamm und briet ein Stück davon, dazu die Bananen und Süßkartoffeln. Das alles wurde zusammen mit dem rohen Zuckerrohr der Mutter gebracht. Sie biss von jeder Speise ein Stückchen ab, kaute es und träufelte etwas von dem Saft in den Mund des Neugeborenen. Das muss also meine erste Mahlzeit gewesen sein: Noch bevor ich Milch saugte, habe ich den Saft von grünen Bananen, blau-lila Zuckerrohr, Süßkartoffeln und gemästetem Lamm geschluckt – alles Gaben unseres Landes. Ich bin ebenso ein Kind meines Heimatbodens, wie ich ein Kind meines Vaters Muta Njugi und meiner Mutter Wanjiru Kibicho bin, die allgemein unter ihrem christlichen Namen Lydia bekannt war. Der Kikuyu-Tradition entsprechend gaben meine Eltern mir den Namen meiner Großmutter väterlicherseits: Wangari, ein alter Kikuyu-Name.

Nach der Schöpfungsgeschichte der Kikuyu schuf Gott die Ureltern Gikuyu und Mumbi und zeigte ihnen vom Mount Kenya aus das Land, das sie besiedeln sollten: im Westen bis zu den Aberdares, den Ngong Hills und Kilimambogo und im Norden bis nach Garbatula. Gikuyu und Mumbi hatten zehn Töchter – Wanjiru, Wambui, Wangari, Wanjiku, Wangui, Wangeci, Wanjeri, Nyambura, Wairimu und Wamuyu –, aber keinen Sohn. Als für Gikuyus Töchter die Zeit zu heiraten kam, so heißt es in der Legende, setzte er sich, wie es seine Gewohnheit war, unter den heiligen Feigenbaum mũgumo und betete, Gott möge ihm Schwiegersöhne schicken. Gott trug ihm auf, neun seiner Töchter – die zehnte war noch zu jung zum Heiraten – in den Wald zu schicken, wo jede einen Stock schneiden sollte, der ebenso lang war wie sie selbst groß. Als die Töchter heimkehrten, baute Gukuyu aus diesen Stöcken unter dem mũgumo-Baum einen Altar, auf dem er ein Lamm opferte. Und als die Flammen das Lamm verzehrten, traten neun Männer aus dem Feuer hervor.

Gikuyu ging mit ihnen nach Hause, und jede Tochter heiratete den Mann, der ebenso groß war wie sie. Aus diesen Ehen gingen die zehn Sippen hervor, zu der alle Kikuyu gehören. (Auch wenn die jüngste Tochter Wamuyu nicht heiratete, bekam sie doch Kinder.) Jede Sippe zeichnet sich durch ein bestimmtes Handwerk oder eine besondere Fähigkeit aus; so wird meine Sippe Anjirũ mit Führerschaft in Verbindung gebracht. Wegen der Töchter waren die Sippen ursprünglich matrilinear, aber allmählich gingen viele Privilegien wie etwa das Erbrecht und der Besitz von Land, Vieh und mehrjährigen Feldfrüchten auf die Männer über. Wie die Frauen ihre Rechte und Privilegien verloren, ist nicht überliefert.

Den Kikuyu ist der Mount Kenya heilig, und sie nennen ihn kirinyaga, »Ort der Helligkeit«. Er ist der zweithöchste Berg Afrikas, und ihm haben die Kikuyu alles Gute zu verdanken: reichlich Regen, Flüsse, Bäche, sauberes Trinkwasser. Ob die Kikuyu beteten, ihre Toten bestatteten oder ein Opfer darbrachten, immer taten sie es mit dem Gesicht zum Mount Kenya, und wenn sie ein Haus bauten, mussten die Türen selbstverständlich auf ihn ausgerichtet sein. Solange der Berg stand, so glaubte man, war Gott mit den Menschen, und es würde ihnen an nichts mangeln. Wolken, die den Mount Kenya umhüllten, brachten häufig Regen. Und solange es regelmäßig regnete, gab es reichlich zu essen, mehr als genug Vieh, und Frieden.

Leider sind diese Mythen und Traditionen mittlerweile fast vergessen. Sie waren bereits bei meiner Geburt im Untergehen begriffen. Die europäischen Missionare, die Ende des 19. Jahrhunderts ins zentrale Hochland gelangten, erklärten der einheimischen Bevölkerung, Gott lebe nicht auf dem Mount Kenya, sondern im Himmel über dem Berg. Der richtige Ort, um ihn anzubeten, sei sonntags in der Kirche – ein Konzept, das den Kikuyu völlig fremd war. Dennoch übernahmen viele die Weltsicht der Missionare, und innerhalb von zwei Generationen verloren sie den Respekt vor ihren eigenen religiösen und kulturellen Traditionen. Auf die Missionare folgten Kaufleute und Beamte, die neue Methoden einführten, um unsere vielen Ressourcen auszubeuten: Bäume wurden gefällt, Urwälder gerodet, Plantagen mit importierten Baumarten angelegt, wilde Tiere gejagt, die Landwirtschaft wurde nun großflächig und unter kommerziellen Gesichtspunkten betrieben. Geheiligte Landstriche verloren ihren Nimbus und wurden ausgebeutet und zerstört, was die Einheimischen als Zeichen des Fortschritts deuteten.

Mit gut 5.000 Metern über dem Meeresspiegel thront der Mount Kenya über dem zentralen Hochland. Zwar liegt er direkt auf dem Äquator, doch der Gipfel ist das ganze Jahr über von Gletschern bedeckt. Für die Kikuyu und die anderen Sippen, die rund um den Berg lebten – die Kamba, die Meru und die Embu –, muss der Anblick des Berges ehrfurchterregend gewesen sein. Es heißt, dass die Forscher Johann Ludwig Krapf und Johannes Rebmann, als sie ihn 1849 das erste Mal sahen, ihren Führer, der zur Sippe der Kamba gehörte und einen Flaschenkürbis bei sich trug, fragten: »Wie heißt der?« Der Führer glaubte, die beiden sprächen von seinem Kürbis, und antwortete: »Kĩĩ-nyaa«, was wie »Kenya« auf Englisch ausgesprochen wird. So kam der Berg zu seinem englischen Namen, der später auf das gesamte Land übertragen wurde.

In ganz Afrika benannten die Europäer alles um, was ihnen begegnete. Dadurch verursachten sie im Denken vieler Afrikaner eine Spaltung, und wir mühen uns noch heute, uns in dieser dualen Welt zurechtzufinden. Zu Hause lernten wir die Namen der Berge, Flüsse und Regionen von unseren Eltern, aber in der Schule wurden uns die Kolonialnamen beigebracht, die als die »richtigen« Namen galten und in allen Prüfungen verwendet werden mussten. So heißen die Aberdares wegen ihrer Gestalt bei uns nyandarua, »trocknende Tierhaut«. Ihren englischen Namen erhielten sie 1884 nach Lord Aberdare, dem damaligen Direktor der Royal Geographical Society.

Natürlich verstand ich die komplexen Zusammenhänge jener Epoche erst sehr viel später. Bei meiner Geburt ging die alte Welt langsam unter. Die ersten Europäer waren zur Zeit meiner Großeltern, Ende des 19. Jahrhunderts, nach Kenia gekommen. 1884/85 trafen sich Großbritannien und die anderen europäischen »Großmächte« in Berlin zur Kongokonferenz, um die als »Wettlauf um Afrika« bezeichnete Aufteilung des Kontinents zu...

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