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Begrenzte Abhängigkeit

Wirtschaft' und 'Politik' im 20. Jahrhundert

AutorStefan Scholl
VerlagCampus Verlag
Erscheinungsjahr2015
Seitenanzahl444 Seiten
ISBN9783593430607
FormatPDF
KopierschutzWasserzeichen/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis59,99 EUR
Über kaum ein gesellschaftliches Verhältnis wird so viel und so heftig gestritten wie über jenes zwischen Wirtschaft und Politik. Dies hat nicht zuletzt die jüngste Finanzkrise wieder belegt. Wie viele und welche politischen Eingriffe verträgt die Wirtschaft? Gibt es einen »Primat der Ökonomie« über die Politik? Wie lässt sich das richtige Verhältnis der beiden Bereiche zueinander festlegen? Das Buch unternimmt einen kritischen, historisch gesättigten Einblick in diesen Diskurs und zeigt, wie sich vom 19. Jahrhundert bis in die 1970er Jahre im Sprachgebrauch von Unternehmerverbänden und liberalen Ökonomen und Politikern ein Grundmuster der »begrenzten Abhängigkeit« von Wirtschaft und Politik herausbildete.

Stefan Scholl lehrt Neuere und Neueste Geschichte an der Universität Siegen.

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Leseprobe
I. Einleitung
'[W]hat is at stake is not the degree of effectiveness of a fully constituted object - the economy - on the rest of the social development, but to determine the extent to which the economy is constituted as an autonomous object, separated by a boundary of essence from its factual conditions of existence.'
'More fundamentally, political economy requires analysis of the way in which ideas about what constitutes the political and the economic have emerged historically.'
Als die Finanz- und Wirtschaftskrise im Herbst 2008 erstmals verstärkt medial thematisiert wurde, kam es geradezu explosionsartig zu einer Verdichtung der Überlegungen und Äußerungen zum Verhältnis von Wirtschaft und Politik: 'Die Botschaft heißt: Wir haben das Sagen! Die Politik hat sich ermannt. Sie hat in dieser Krise zu neuem Selbstbewusstsein gegenüber der Wirtschaft gefunden.' Die Politik 'reiß[e] das Gesetz des Handelns nun wieder an sich', denn 'die Krise ist generell der Augenblick des Politischen, und das Politische ist der Ort demokratisch legitimierter Entscheidung. Den wiederzugewinnen, darauf kommt es an.' IG-Metall-Vorsitzender Berthold Huber forderte den 'Primat der Politik über die Ökonomie' ebenso wie Franz Müntefering oder Jürgen Rüttgers. Nach dem jahrelangen Vorherrschen einer ?naiven Marktgläubigkeit? wurde nun weithin die ?Rückkehr der Politik? diagnostiziert.
Ungeachtet der relativen Unbestimmtheit dieser Äußerungen trafen sie schnell auf konkurrierende Deutungsmuster. 'Politik' habe zwar 'verantwortungsbewusst gehandelt, als sie mit erheblichen Staatseingriffen das Finanzsystem stabilisierte', doch sie befinde sich in der Gefahr, 'jene Maßlosigkeit an den Tag zu legen, die sie zu Recht Teilen der Bankelite vorwirft.' Man befürworte zwar ausdrücklich den 'Primat der Politik', so der Chefsvolkswirt der Deutschen Bank, Thomas Mayer, allerdings müsse die Politik sich diesen Primat gegenüber den Märkten durch Nachhaltigkeit erst verdienen. Die Rede von einer ?Rückkehr der Politik? wurde deshalb teilweise heftig kritisiert: 'Politik als Retter - Wer rettet uns vor der Politik?', fragte etwa Frank Schirrmacher. Der Vorsitzende der Ludwig-Erhard-Stiftung, Hans Dieter Barbier, wies in Bezug auf das erste Konjunkturprogramm der deutschen Bundesregierung darauf hin, dieses sei 'mal wieder ganz und gar politisch geraten', und gab zu bedenken, dass '?das Politische? so gut wie immer seinen ökonomischen Preis' habe. Überhaupt, so der Präsident des Arbeitgeberverbandes Gesamtmetall, Martin Kannegiesser, habe man das Gefühl, 'als ob alle Dämme brechen, eine Inflationierung des Denkens einsetzt. Es scheint eine Politisierung in die Wirtschaft einzuziehen, die letztlich wirtschaftliche Maßstäbe aushöhlt.' Sehr schnell kam im Verlauf der Krisendiskussionen zudem die Rede von der politischen Alternativlosigkeit gegenüber den Kräften der Märkte wieder auf. Speziell am Beispiel der Hilfe für die besonders krisengeplagten EU-Länder wurde darauf insistiert, 'dass sich die Marktkräfte langfristig durch politisch verordnete Notoperationen nicht domestizieren lassen. Die Politik hat keine Chance gegen den Markt.' Als Korrektiv (besonders umverteilungs-)?politischer? Auswüchse galten die Märkte manchen gar schon länger als 'fünfte Gewalt' in der Demokratie. Angela Merkels auf einer Pressekonferenz im September 2011 geäußerte Hoffung, 'die parlamentarische Mitbestimmung so zu gestalten, dass sie trotzdem auch marktkonform ist', ist daher nur ein prominentes Beispiel eines Politikbegriffs, dem es in erster Linie darum geht, das Vertrauen der Märkte zu erlangen.
1. Fragestellung
Diese wenigen aktuellen Belegstellen deuten an, dass die Frage nach dem richtigen Verhältnis von Wirtschaft und Politik Bestandteil heftiger Deutungskämpfe und Auseinandersetzungen ist. Dass dies auch in der Vergangenheit der Fall war, bildet den Ausgangspunkt der vorliegenden Untersuchung: Es soll danach gefragt werden, auf welche Weise, in welchen Debatten und von wem das Verhältnis von Wirtschaft und Politik durch sprachliche Abgrenzungen, Bedeutungszuschreibungen und Hierarchisierungen hervorgebracht und aktualisiert wurde. Die Äußerungen, die im Laufe des 20. Jahrhunderts zum Verhältnis von Politik und Wirtschaft getroffen wurden, werden als Akte politischer Kommunikation analysiert, da sie Teil eines Deutungskampfes über die Grenzen des Politischen und des Ökonomischen waren: Deutungsmuster wurden geprägt und reproduziert, die zu definieren versuchten, was ?politisch? und was ?ökonomisch? ist, Argumentationsmuster wurden entwickelt und abgerufen, um die Abgrenzung zwischen Politischem und Ökonomischem zu begründen und zu plausibilisieren. Die Grenze zwischen Wirtschaft und Politik wird aus dieser Perspektive als kontingent, prekär und somit politisch umkämpft, abhängig von historischen Konstruktionen betrachtet.
Mit der Konzentration auf Abgrenzungsbeschreibungen und -semantiken zwischen Wirtschaft und Politik gerät schwerpunktmäßig ein spezifisch liberal-ökonomischer Diskurs in den Blick. Dessen Grundannahme einer Trennung der beiden ?Bereiche? kann allerdings als hegemonial bezeichnet werden. Selbst Diskurse, die auf eine Überwindung der Trennung zielten, mussten sich im abgesteckten Rahmen der Unterschiedlichkeit und ihrer Semantiken bewegen oder wurden für schädliche Grenzüberschreitungen kritisiert, wie an mehreren Stellen der Arbeit belegt wird.
Im Rahmen der Untersuchung wird davon ausgegangen, dass speziell sprachliche Artikulationen einen großen Anteil an der fortlaufenden Grenzziehungsarbeit zwischen dem Politischen und dem Ökonomischen haben. Damit sei zugleich einschränkend darauf hingewiesen, dass der Grenzziehungsdiskurs keineswegs exklusiv sprachlicher Art ist. Die Grenzziehung zwischen Wirtschaft und Politik kann sich beispielsweise in der geografischen Anordnung von Regierungs- und Finanzvierteln ebenso materialisieren wie im Aufeinandertreffen von Josef Ackermann und Angela Merkel im Kanzleramt. Es bleibt aber zu fragen, wie diese architektonischen oder personalisierten Anordnungen als ?politisch? und ?ökonomisch? sprachlich markiert und gedeutet werden. Gleichzeitig muss betont werden, dass der Fokus auf Sprache nicht impliziert, dass es sich bei den untersuchten Gegenständen um bloßes sprachliches Beiwerk im Sinne einer außerhalb der ?eigentlich? wichtigen Verschiebungen im Gefüge von Wirtschaft und Politik liegenden Begleitung handelt. Vielmehr wird davon ausgegangen - und hierhin liegt der genuin wirtschaftshistorische Beitrag der Arbeit -, dass die zeitgenössischen Grenzziehungen zwischen Wirtschaft und Politik den Rahmen für wirtschaftspolitische Äußerungs- und Handlungsmöglichkeiten darstellten und mithin konkrete Gesetze und Institutionsbildungen beeinflussten, wie an mehreren Stellen gezeigt wird. Zudem wird mit der diskursiv vermittelten Trennung von Wirtschaft und Politik eine grundlegende gesellschaftliche Strukturierung vorgenommen, die auf einer allgemeineren Ebene extrem dauerhaft und strukturell wirkmächtig ist. Denn wie beispielsweise die amerikanische Politikwissenschaftlerin Jacinda Swanson betont, sind konzeptuelle und praktische Depolitisierung des Ökonomischen untrennbar miteinander verbunden: 'Once issues or phenomena are portrayed as ?economic? [...], political control or regulation is deemed more or less inappropriate. The ways in which the boundary between ?the economic? and ?the political? is drawn therefore have enormous implications for politics, democracy, and justice.' Den Konstruktcharakter der Trennung von Wirtschaft und Politik zu analysieren, impliziert also nicht, deren Wirklichkeit zu verleugnen und als Schein abzutun, sondern zu betrachten, wie diese Wirklichkeit entsteht.
Der zeitliche und räumliche Fokus der Studie liegt auf dem deutschsprachigen Raum vom ausgehenden 19. Jahrhundert bis in die 1970er Jahre. Die zeitlichen Eingrenzungen folgen Einteilungen, die sich auf ver-schiedenen Ebenen als historische Umbruchsphasen erwiesen haben. Dies gilt im Speziellen für gängige historiografische Großnarrative zum sich wandelnden Verhältnis von Wirtschaft und Politik (oft auch: Markt und Staat). Grob wiedergegeben seien laut diesen Erzählungen auf eine Phase der Ausdifferenzierung und relativen Eigenständigkeit der Wirtschaft in den ersten beiden Dritteln verstärkte staatliche Eingriffe in das Marktgeschehen im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts gefolgt. Während das Verhältnis der beiden Bereiche zueinander seitdem spannungsgeladen geblieben sei, habe besonders die Weltwirtschaftskrise von 1929/33 zu einer nochmals intensivierten staatlichen Lenkung des ökonomischen Geschehens unter zunehmend keynesianischen Vorzeichen geführt. In den als krisenhaft wahrgenommenen strukturellen Umbruchsprozessen der 1970er Jahre sei es dann allerdings zu einem neoliberalen Paradigmenwechsel gekommen, innherhalb dessen der Markt wieder an Autonomie gegenüber dem Staat gewann und zunehmend dessen Handlungsmöglichkeiten definierte.
Für die hier angestrebte Diskursgeschichte der Grenzziehungen zwischen Wirtschaft und Politik ist diese ?Meistererzählung? zum Verhältnis von Wirtschaft und Politik natürlich von großer Bedeutung, suggeriert sie doch klar erkennbare Zäsuren, die sich auch im Sprachgebrauch niederschlagen müssten. Der Frage, ob dies tatsächlich so ist, wird in den einzelnen Kapiteln nachgegangen, und sie wird in der Schlussbetrachtung noch einmal aufgenommen. Obgleich das Verhältnis von Wirtschaft und Politik in diesen Begriffen in Deutschland bereits seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert verstärkt thematisiert wurde, lässt sich im Zuge der Etablierung der Weimarer Republik eine quantitative wie qualitative ?Explosion? von Äußerungen feststellen, die es berechtigt erscheinen lässt, diesen Zeitraum als prägende Phase an den Anfang des engeren Untersuchungszeitraums zu stellen. Am Ende steht mit den 1970er Jahren erneut ein Zeitraum, dessen Charakter als Vorgeschichte der Gegenwart in historischen und sozialwissenschaftlichen Untersuchungen nicht zuletzt im Hinblick auf die konstatierten Umbrüche im Verhältnis von Ökonomie und Politik betont wird.
Es erscheint evident, dass der Grenzziehungsdiskurs über nationalsprachliche und geographische Grenzen hinweg verlief, insbesondere im Zuge der zunehmenden Homogenisierung der Wirtschaftswissenschaften nach dem Zweiten Weltkrieg. Ein systematischer Ländervergleich, der über präzisierende oder kontrastierende Hinweise hinausgeht, oder gar eine transnationale Diskursgeschichte, ist gleichwohl im Rahmen dieser Arbeit nicht zu leisten, bevor nicht ähnliche Studien wie die vorliegende für weitere nationale Diskurstraditionen vorliegen. Um die verschiedenen Debatten und Diskursstränge tiefgehend zu analysieren, begrenzt sich die Untersuchung daher auf deutschsprachige Quellen. Dennoch wird der räumliche Kontext ausgeweitet, wenn die untersuchten Debatten internationale Bezüge aufwiesen, wie es beispielsweise innerhalb der Diskussionen über den Versailler Vertrag oder die europäische Integration der Fall war.
Das Quellenkorpus setzt sich innerhalb des Untersuchungszeitraums aus einem heterogenen Set verschiedener Textgattungen zusammen. Dahinter verbirgt sich die Annahme, dass ein Diskurs eine 'Menge von Aussagen' bildet, die dem gleichen Formationssystem angehören und deren 'Streuung' über unterschiedliche Texte hinweg reicht. Im Zentrum der Arbeit steht also weniger eine spezielle Sprechergruppe oder wissenschaftliche Disziplin, sondern die Ziehung der Grenze zwischen Wirtschaft und Politik, die in unterschiedlichen Kontexten und von unterschiedlichen Sprechern vorgenommen wurde. Wie Jan-Otmar Hesse am Beispiel des Marktdiskurses hervorgehoben hat, ist 'für die Produktion des Diskurses über den Markt [...] gerade das Zusammenspiel von einer Spezialisierung des wirtschaftswissenschaftlichen Wissens einerseits und seiner alltagssprachlichen Plausibilisierung [...] zentral.' Obgleich Abstufungen zwischen Erscheinungsorten und unterschiedliche Produktionsregeln zu beachten sind, erschließen sich 'Struktur', 'Regelhaftigkeit' und 'Problematik des Diskurses [...] nur aus der Betrachtung ganz unterschiedlicher ?Textgattungen?.' Dasselbe gilt auch für den hier untersuchten Diskurs, der auf der Akteursebene sowohl Wirtschaftswissenschaftler als auch Wirtschaftsverbände, -journalisten und -politiker als Diskursteilnehmer be-trachtet. Gemeinsam ist diesen Gruppen ihre Berufung auf ein berechtigtes Sprechen im Namen der Ökonomie, sei es qua gesichertem ?wissenschaftlichen? Wissen oder qua ?fachlich-praktischer? Erfahrung. Als Vertreter einer eigenen ökonomischen ?Rationalität? sorgen sie für eine Verknappung des Diskurses, insofern sich jede Äußerung im Wahren des Diskurses bewegen muss oder ansonsten Gefahr läuft, von diesem ausgeschlossen zu werden. Die Abgrenzung von ?Politik?, dies wird im Laufe der Untersuchung deutlich, war dabei oftmals ein Element der Berechtigungsargumentation, das heißt, die herausgehobene Sprecherposition soll hier selbst als ein Teil des Grenzziehungsdiskurses betrachtet werden. Dass eine solche professionelle Abgrenzungsbewegung von ?Politik? symptomatisch für verschiedene Disziplinen in deren Verwissenschaftli-chungsprozess war, hat Tobias Weidner bereits am Beispiel der Mediziner untersucht. Mit Foucault lässt sich dies als 'zweifache Unterwerfung' beschreiben: einerseits der 'Unterwerfung der sprechenden Subjekte unter die Diskurse', andererseits der 'Unterwerfung der Diskurse unter die Gruppe der sprechenden Individuen.' Auch wenn die Äußerungen nicht einfach auf die soziale Position eines Sprechers zurückzuführen sind, der bewusst über die Sprache verfügt, so lassen sich doch feste diskursive Verknüpfungen von behaupten Sprecherpositionen (zum Beispiel ?wir, die Wirtschaft? oder ?wir Sachverständigen?) mit bestimmten Argumenten ausmachen. Mit dem Fokus auf wissenschaftliche Ökonomen und Unternehmer geht zudem eine Perspektivenverengung einher, da die Annahme beziehungsweise Verarbeitung der Ansprüche des liberal-ökonomischen Diskurses, beispielsweise auf Seiten der offziellen Politik, nur am Rande auftaucht.
Die verschiedenen Quellenebenen der vorliegenden Untersuchung bilden Monografien, wirtschaftswissenschaftliche Fachzeitschriften, ein breiteres Publikum adressierende Wirtschaftszeitungen, Publikationen wirtschaftlicher Interessenverbände (für den Zeitraum nach 1945 speziell deren Jahresberichte) und Institute sowie verstreute Äußerungen von Politikern und ökonomischen Beratern. In Anbetracht dieser Quellenbreite stellt die Konzentration auf das Politik- und Wirtschaftsvokabular als Aufmerk-samkeitskriterium eine wichtige weitere Eingrenzung dar. Die Quellenauswertung und -analyse orientiert sich strikt an den Bedeutungskonjunkturen des Politikvokabulars im Kontext der jeweiligen Oppositions- und Nachbarbegriffe des Ökonomischen. Obwohl der Grenzziehungsdiskurs sich keineswegs in diesen beiden Begriffen erschöpft, kann doch davon ausgegangen werden, dass sich die wichtigsten Stränge in diesen bündeln. Ein spezielles Augenmerk gilt ferner dem Begriff ?Staat?, wurde dieser doch oftmals synonym zum Politikbegriff verwendet, in vielen Fällen jedoch als positiver Bezugspunkt oberhalb der Trennung von Wirtschaft und Politik installiert. Auf dieses Merkmal des liberal-ökonomischen Grenzziehungsdiskurses wird an mehreren Stellen der Untersuchung eingegangen.
Insgesamt geht es nicht darum, jede im Untersuchungszeitraum getätigte Äußerung zum Verhältnis von Wirtschaft und Politik zu erfassen, sondern der Anspruch der Untersuchung ist es, die wichtigsten und prägenden Aussage- und Deutungsmuster zu rekonstruieren und in Debatten zu verorten. Es wird außerdem kein systematischer Unterschied zwischen expliziten und ausführlichen Thematisierungen des Verhältnisses von Wirtschaft und Politik, zum Beispiel in einem mehrseitigen Zeitschriftenaufsatz mit dem Titel 'Wirtschaft und Politik', und eher beiläufigen Äußerungen gemacht. Vielmehr kann gerade das Fehlen einer expliziten Thematisierung oder die nicht weiter ausgeführte Verwendung von Deutungsmustern und Semantiken oftmals als Merkmal der Selbstverständlichkeit oder allgemeinen Anerkennung interpretiert werden. Auch wenn in der Analyse der einzelne Sprecher und dessen Intention hinter das Interesse für übergeordnete Deutungs- und Argumentationsmuster zurücktritt, ist ferner dennoch zu konstatieren, dass es einzelne Personen gibt, die sich besonders intensiv und ausführlich zum Verhältnis von Wirtschaft und Politik oder einzelnen hier behandelten Themenkomplexen geäußert haben und die dementsprechend häufiger zitiert werden.
Blick ins Buch
Inhaltsverzeichnis
Inhalt6
I. Einleitung10
1. Fragestellung12
2. Diskursanalyse und Historische Semantik18
3. Forschungsstände und Anknüpfungspunkte23
4. Gang der Untersuchung33
II. Historische Grenzziehungen zwischen ›Wirtschaft‹ und ›Politik‹ – ein einführender Überblick36
1. ›Oikos‹ und ›Polis‹ in der Antike37
2. Grenzen der Erlaubtheit des Ökonomischen im Mittelalter40
3. ›Ökonomie‹ im Namen des Staates – 17./18. Jahrhundert41
4. Die Einführung der »Herrschaft der politischen Ökonomie« – 18./19. Jahrhundert46
5. Ökonomen und ökonomische Diskurse im 19. Jahrhundert54
5.1. Bewahrungen des Politischen in der deutschen Nationalökonomie54
5.2. Depolitisierungsversuche: ›Wissenschaft‹ und ›Politik‹61
5.3. Grenzverschiebungen: Beobachtungen zum Verhältnis von Wirtschaft und Politik um die Jahrhundertwende71
III. ›Wirtschaft‹ und ›Politik‹ als Antipoden in der Weimarer Republik80
1. Neue Verknüpfungen und alte Trennungsversuche: Bestimmungen des Wandels von Wirtschaft und Politik82
1.1. Dominanz des Ökonomischen als Hoffnung und Gefahr84
1.2. Trennung von Ökonomie und Politik?89
1.3. Was ist das Schicksal: Wirtschaft oder Politik?94
1.4. Pejorative Semantiken: ›Politisierung‹, ›Parteipolitik‹ und ›Politiker‹101
2. Nationalökonomie und Wirtschaftsverbände als Fürsprecher ›der Wirtschaft‹ gegenüber ›der Politik‹107
2.1. Die akademische Nationalökonomie: ›Wirtschaft‹, ›Wissenschaft‹ und ›Politik‹107
2.2. Unternehmerschaft und ›Politik‹113
3. Debattenschwerpunkte120
3.1. ›Politische‹ Diskussionen über die Wirtschaftsordnung: ›Gemeinwirtschaft‹, ›Sozialisierung‹, ›freie Wirtschaft‹121
3.2. Betriebsrätegesetz, ›Wirtschaftsdemokratie‹ und Reichswirtschaftsrat127
3.3. ›Politische Eingriffe‹: Finanz-, Sozial- und Lohnpolitik142
3.4. Internationale ›Politik‹ als Hindernis für eine Rückkehr zur Weltwirtschaft158
4. Die Weltwirtschaftskrise als Kulminationspunkt der Grenzziehungskämpfe165
4.1. Krisendeutungen: Wirtschaftsversagen oder Politikversagen?166
4.2. Entwicklungsnarrative zum Verhältnis von Wirtschaft und Politik172
IV. ›Primat der Politik‹ und ›Politisierung der Wirtschaft‹? Bestimmungen des Verhältnisses von Wirtschaft und Politik im Nationalsozialismus181
1. Vage wirtschaftspolitische Programmatik bis 1933186
2. Gegen die ›falsche‹ Ordnung von Wirtschaft und Politik: Kritik an Weimarer Republik und Liberalismus194
3. Proklamierte Neuordnung: Politikbegriffe und das Ökonomische198
3.1. Der ›Primat der Politik‹ vor ›der Wirtschaft‹198
3.2. Der nationalsozialistische Politikbegriff202
3.3. Die Stellung ›der Wirtschaft‹ im Verhältnis zur ›Politik‹206
4. Entwürfe einer ›politischen‹ Wirtschaftslehre213
5. Einschränkungen: Eigendynamik des Ökonomischen und Beibehaltung liberaler Wirtschaftssemantiken220
V. ›Wirtschaft‹ und ›Politik‹ im »Goldenen Zeitalter«: Zwischen Interdependenz, Harmonie und gegenseitiger Gefährdung228
1. Interdependenz und gegenseitige Beeinflussung231
1.1. Wirtschaftliche Freiheit als Fundament politischer Demokratie: Das Interdependenzpostulat des Ordoliberalismus232
1.2. Diagnostizierte Wechselwirkungen und postulierte Notwendigkeiten der Zusammenarbeit aus Unternehmersicht244
2. Internationale Verknüpfungen: Europäische Integration und Ost-West-Handel267
2.1. Europa als ›politische‹ Union oder als Wirtschaftsraum?267
2.2. ›Politisierung‹ des internationalen Handels im Zeichen des Kalten Krieges?277
3. Gefährdungspotenziale ›der Politik‹ gegenüber dem Ökonomischen282
3.1. Bedeutungszunahme des Politischen und Politisierungsanzeigen283
3.2. ›Politische‹ Fehltritte auf ›ökonomischen‹ Bereichen292
3.3. Ausgemachte Verursacher der ›Politisierung‹: Gewerkschaften, Sozialdemokratie und Mitbestimmung304
3.4. Konjunktursteuerung und Planung – möglichst ohne ›Politik‹317
VI. Ausblick: Problematisierungen des Verhältnisses von Wirtschaft und Politik »nach dem Boom«337
1. Niedergangsnarrative und Problemdeutungen von ›Wohlfahrtsstaat‹ und ›Demokratie‹339
2. Ausrichtung von Politik an ›wirtschaftlichen‹ Imperativen und aufkommende Kritik an der ›Ökonomisierung des Politischen‹352
VII. Schlussbetrachtung360
VIII. Quellen- und Literaturverzeichnis368
1. Seriell ausgewertete Periodika368
2. Gedruckte Quellen369
3. Literatur415
Danksagung445

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