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Der Albigenserkreuzzug im Spiegel der 'schönen' Literatur des 13. Jahrhunderts

AutorChristoph Hollergschwandner
VerlagGRIN Verlag
Erscheinungsjahr2009
Seitenanzahl65 Seiten
ISBN9783640279562
FormatPDF/ePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis29,99 EUR
Magisterarbeit aus dem Jahr 2005 im Fachbereich Geschichte Europas - Mittelalter, Frühe Neuzeit, Note: 3,0, Universität Konstanz, Sprache: Deutsch, Abstract: «Tan trop de rasos que dire, que non sai vas cal me vire. Mas chascus pes e conssire et en Tolosa se mire!» 1 Wenn man sich diesen Vers der Troubadoure Tomier und Palaizi vor Augen führt, so fällt es einem nicht schwer, diesen mit den Ereignissen des Kreuzzuges gegen die Albigenser zu verbinden. Die hier vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit einzelnen Ereignissen aus dieser Zeit, wobei genauer präzisiert werden muss: Es muss zu Beginn darauf hingewiesen werden, dass diese Arbeit keinen vollständigen Verlauf des Albigenserkreuzzuges präsentiert, sondern ihren Schwerpunkt vielmehr auf die Beschreibung einzelner Geschehnisse legt. Die Arbeit besteht aus zwei grösseren Teilen, da zum einen eine auf zeitgenössischer Geschichtsschreibung beruhende und zum anderen eine auf lyrischen Quellen beruhende Darstellung Gegenstand der Untersuchung ist. Was den ersten Teil betrifft, so habe ich als Grundlage die Historia von Peter von Vaux de Cernay, die Canso de la Crozada von Wilhelm von Tudela und seinem anonymen Fortsetzer sowie die Chronika des Wilhelm von Puylaurens. Hierbei muss erwähnt werden, dass die zeitgenössischen Darstellungen sehr verschieden und alles andere als neutral sind. Während Vaux de Cernay aus der Sicht der Kirche und der Nordfranzosen einen extrem religiösen Standpunkt vertritt, so finden wir bei Tudela und Puylaurens zwar auch einen religiösen, jedoch einen gemässigteren, südfranzösischen Standpunkt vor. Was den anonymen Fortsetzer der Canso betrifft, so stellt dieser das Gegenstück zu Vaux de Cernay dar, da er bei seinen Beschreibungen einen radikalen südfranzösischen Standpunkt vertritt, welcher konsequent das Handeln der Kreuzfahrer in Frage stellt. Der zweite Teil bezieht sich ebenfalls zum Teil auf die selben Ereignisse und zum Teil auf andere Ereignisse. Doch anders als bei Abschnitt II stehen diese nicht im Vordergrund. Vielmehr wurden sie als Gelegenheit genutzt, seine Meinung auf ein bestimmtes Ereignis beziehend zu formulieren und zu verbreiten. Das, was oben als Schicksal der Stadt Toulouse, welche hier für das gesamte Languedoc und seine Bevölkerung steht, beschrieben wurde, soll im Verlauf des ersten Teils dargestellt werden, so dass sich hier eine lückenhaft dargestellte Zeitspanne von mehr als 60 Jahren ergibt (1179 - 1244). Der zweite Teil hinterfragt nicht die Entstehung einzelner Ereignisse, sondern zeigt auf, wie diese in der zeitgenössischen, 'schönen' Literatur verarbeitet wurden.

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Leseprobe

III. Die „literarische“ Darstellung einzelner Ereignisse

 

1. Einleitung


 

Wie bereits erwähnt soll der folgende Teil dieser Arbeit gezielt ausgewählte Literatur aus dem 13. Jahrhundert vorstellen und auf die oben beschriebenen Ereignisse hin untersuchen. Als „schöne“ Literatur, in welcher wir auf Elemente des Albigenserkreuzzuges stoßen, findet ausschließlich das sirventes Anwendung, so dass auf literaturwissenschaftliche Diskussionen größtenteils verzichtet werden kann. Je nach Notwendigkeit finden wir das jeweilige sirventes entweder vollständig oder nur mit einzelnen Abschnitten zitiert vor, damit ein genauer Vergleich mit den geschichtlichen Ereignissen und deren Ursachen stattfinden kann.

 

Des Weiteren muss darauf hingewiesen werden, dass die Verfasser der vorzustellenden Literatur sowohl politisch als auch religiös - ähnlich wie jene der verwendeten Quellen im zweiten Teil dieser Arbeit - beeinflusst waren und dementsprechend Partei ergriffen haben.

 

1.1 Das sirventes

 

Das sirventes ist ein satirisches von den Troubadouren in Gedichtform vorgetragenes Lied, welches vor allem im südfranzösischen Raum weit verbreitet war. Inhaltlich unterscheidet man mehrere Arten von sirventes, je nach dem aus welchem Grund es entstanden ist. Während es eine Reihe politischer sirventes gibt, auf welche wir uns hier beziehen werden, entstanden ebenfalls u.a. Kriegssirventes, Liebessirventes persönliche und moralische sirventes.[126] Laut G. CREMIEUX gibt es noch 25 überlieferte sirventes, welche zwischen den Jahren 1209 und 1230 entstanden sind und in denen einzelne Ereignisse des Albigenserkreuzzuges den thematischen Hauptkern bilden.[127] Diese literarische Gattung konnte man somit auch als Möglichkeit ansehen, Neuigkeiten an ein bestimmtes Publikum zu übermitteln. Hierbei ist interessant zu beobachten, wie verschieden der historisch-dokumentarische Wert jener literarischen Gattung beurteilt wird. RIEGER und JEANROY, beides Literaturwissenschaftler, halten es für übertrieben, wenn den verschiedenen sirventes einerseits ein Ausdruck der öffentlichen Meinung und andererseits die Möglichkeit, historische Ereignisdarstellungen wiederzugeben, zugeschrieben werden können.[128] Gegenteiliges behaupten ROQUEBERT, der sich in seiner mehrbändigen Épopée cathare häufig verschiedener sirventes bedient, WAGNER und OBERSTE.[129]

 

Doch auch schon vor der eigentlichen militärischen Initiative gegen die adligen Beschützer der Katharer scheint es sirventes gegeben zu haben, welche zum Kreuzzug gegen die Häretiker aufriefen.[130] Dies bedeutet, dass eine solche Dichtung auch als propagandistisches Mittel eingesetzt und verbreitet werden konnte. Trotz dieser Diskussionen ist sich die Forschung einig, dass die sirventes oftmals keine eigens für sie komponierte Melodien besaßen, sondern diese von sehr bekannten, zeitgenössischen Liedern übernommen wurden. Ein weiteres Indiz dafür, dass der Inhalt bei dieser literarischen Gattung im Vordergrund steht. RAYNOUARD geht sogar soweit, dass er behauptet,

 

« le sirvente devint alors une arme redoutable avec laquelle ces poètes attaquaient leurs ennemis personnels, ou poursuivaient sans ménagement les rois, le clergé, la noblesse, les femmes, la bourgeoisie. » [131]

 

Diese Feststellungen SIBERRYS und RAYNOUARDS unterstützen den eben diskutierten Gedanken, auch die sirventes seien ein Träger historischen Guts.

 

Bei den folgenden, vorgestellten sirventes soll auch am Rande die Frage nach dem Publikum und somit auch die Frage, auf welcher Seite sich der Autor/Troubadour befand, diskutiert werden. Denn im eigentlichen Sinne konnten sich die Troubadoure gerade mit ihrer Neutralität gegenüber der Ereignisse rühmen. Doch diese von den Sirventesdichtern selbst hervorgehobene Neutralität ging laut RIEGER recht schnell verloren[132], was an unten aufgeführten Beispielen deutlich zu erkennen ist. Trotz dieser Kritik wird es uns ermöglicht, gerade die unterschiedlichen, zeitgenössischen Auffassungen der Autoren, welche zumindest einen Teil der Bevölkerung repräsentieren, genauer zu betrachten.

 

2. Roger-Raimund Trencavel, Béziers und Carcassonne


 

Der aus dem Dauphiné stammende Troubadour Guilhem Augier Novella beschreibt in diesem siebenstrophigen sirventes den für ihn tragischen Tod des Vizegrafen Raimund-Roger Trencavel, weshalb die Entstehung dieses Gesangs auf Ende des Jahres 1209 bzw. Anfang 1210 datiert werden kann.

 

In der ersten Strophe werden der Schmerz des Autors und die guten Eigenschaften des Besungenen beschrieben, so dass es dem Zuhörer nicht schwer fällt, den Verfasser als Verfechter des Kreuzzuges einzuordnen. Eine der Haupteigenschaften der sirventes, wie sich auch deutlich an den anderen, verwendeten Gedichten erkennen lässt. Zudem scheint der Verfasser für jeden der Untertanen (Quascus) des Besiegten zu sprechen, da diese ebenso seinen Verlust bedauerten. Die Hervorhebung der höfischen und persönlichen Eigenschaften des Vizegrafen (valent, prezat, pros, ardit, cortes) weisen darauf hin, dass diese Tat von der okzitanischen Bevölkerung als ungerecht betrachtet wurde, da alles Hervorragende in dieser Gestalt vereint gewesen zu sein schien. Wir können also feststellen, dass sich die Bewohner bereits zu einem frühen Zeitpunkt das Vorgehen der päpstlichen Legaten und des Simon von Montfort als eine territoriale Eroberungskampagne zu erklären versuchten.

 

I. Quascus plor e planh son dampnatge, sa malanansa e sa dolor mas ieu las ! n’ai en mon coratge tan gran ira et tan gran tristor, que ja mors jorns planh ni plorat non aurai lo valent prezat, lo pros Vescomte, que mortz es, de Bezers, l’ardit e’l cortes,, lo gai e’l mielhs adreg e’l blon, lo mellor cavallier del mon.

 

II. Mort l’an, et anc tan gran otrage no vi hom ni tan gran error fach mai ni tan gran estranhatge de dieu et a nostre senhor, cum an fag li can renegat del fals linhatge de Pilat que l’an mort ; e pus dieus mort pres per nos a salvar, semblans es de lui, qu’es passatz al sieu pon per los sieus estorser, l’aon.

 

Die zweite Strophe beweist sehr deutlich, dass Guillem Augier Novella kein Anhänger des Katharertums war und trotzdem die im Namen Roms Kämpfenden als ‚abtrünnige Hunde‘ (can renegat) bezeichnet. Die Ungerechtigkeit, welche an der Bevölkerung verübt wurde, wird auch durch den Vergleich Trencavels mit Jesus Christus hervorgehoben, was ihn dadurch zu einer Art Märtyrer macht.

 

III. Mil cavalhier de gran linhatge e mil dompnas de gran valor iran per la sua mort arratge, mil borzes e mil servidor, que totz foran gent heretat, s’el visques, e ric et honrat. Ar es mortz ! Ai dieus, quals etz ni quo’us es pres, ni selhs qui l’an mort, cui l’an mort, cui ni don, qu’eras no’us acuelh ni’us respon.

 

IV. A senhor ! ta fort deu salvatge esser al gran e al menor, quant del sieu honrat senhoratge nos membrara e de l’honor que’ns fetz et de la fezautat quan per nos l’agro mort jutgat. Er es mortz, ai dieus ! quals dans es, caitiu, cum em tug a mal mes ! Ves qual part tenrem, ni ves on penrem port ? Tot lo cor m’en fon.

 

V. Ric cavalier, ric de linhatge, ric per erguelh, ric per valor, ric de sen, ric per vassallatge, ric per dar e bon servidor, ric d’orguelh, ric d’umiliat, ric de sen e ric de foudat, belhs e bos, complitz de totz bes, anc no fo nulhs hom que’us valgues. Perdut avem en vos la fon don tug veniam jauzion.

 

VI. Selh dieu prec qui fetz trinitat de se mezeis en deitat qu’e’l cel, on lo major gaugz es meta l’arma, e non li pes, et a totz selhs qui pregatz son de son ben socorre et aon.

 

VII. Behs papaguais , anc tan vezat no4m tenc amors, c’ar plus trobat no’m tenga e’l dan que ai pres del melhor senhor c’anc nasques aitan can clau mar en redon, que m’an mort trachor, no sai don.[133]

 

Die Glorifizierung des Vizegrafen beschränkt sich jedoch in den restlichen Strophen immer wieder auf seine Charaktereigenschaften, so dass es schwer fällt, weitere Informationen aus der Dichtung zu erhalten. Es gibt lediglich in der dritten Strophe eine Anspielung auf den zukünftigen Herrn (Simon von Monfort), welcher sich aller Vorraussicht nach gegenüber seinen Untertanen nicht ehrenwert verhalten werde. Diese Anspielung spiegelt die niedrigen und negativen Erwartungen, die die Bevölkerung an Simon von Monfort stellte, wieder. Ein weiteres Indiz dafür kann auch die Verwendung des Ausdrucks gardatz quals etz ni quo‘us es pres (Strophe III) sein, welcher das Leben unter Trencavel mit gran linhatge, gran valor, ric et honrat in Kontrast zu dem nun folgenden Leben setzt. Als Schlusspunkt verwendet der Troubadour die sich auf die Kreuzfahrer beziehende, abfällig klingende Phrase no sai don. Dies hebt abermals das okzitanische Gemeinschaftsgefühl hervor und untermalt den Hass gegenüber den Angreifern.

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