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Der Alchemist Leonhard Thurneysser

Die Lebensgeschichte des Goldmachers von Berlin

VerlagBooks on Demand
Erscheinungsjahr2017
Seitenanzahl200 Seiten
ISBN9783744825962
FormatePUB
KopierschutzDRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis11,99 EUR
Der im Jahr 1531 geborene Leonhard Thurneysser erlernte als Sohn eines Goldschmieds in Basel die Kunst seines Vaters, übernahm aber bald die Stellung eines Famulus bei Dr. Huber, welchem er Arzneien bereiten und Schriften des Paracelsus vorlesen musste. Bereits mit 17 Jahren heiratete er eine Witwe. Mittellos und unerfahren, wie er war, geriet er Wucherern in die Hände. Notgedrungen verließ er heimlich seine Frau und seine Vaterstadt, um ein abenteuerliches Wanderleben zu führen. Jahre später kam er zur Ruhe, heiratete erneut nach der Auflösung seiner ersten Ehe und wandte sich dem Studium der Medizin, Alchemie und Astrologie im Sinne des Paracelsus zu. Nachdem er der leidenden Kurfürstin Sabina durch eine von ihm verordnete Kur Linderung verschafft hatte, begann für ihn eine Periode ungewöhnlicher Erfolge durch seine Tätigkeit als Heilkünstler, Alchemist, Astrologe, Naturforscher und vor allem als Geschäftsmann in Berlin. Nach langer Abwesenheit besuchte er wieder Basel und verheiratete sich zum dritten Mal. Diese Frau indes, die Tochter des Baseler Patriziers Herbrott, stürzte ihn ins Unglück ... Diese wahre und bewegende Lebensgeschichte basiert auf der Grundlage historischer Quellen.

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Leseprobe

WIRRNISSE DER JUGEND


Seit dem Tage, an dem Leonhard das Schifflein seines jungen Lebens wieder in den sicheren Hafen des Elternhauses zurückgesteuert hatte, war er nicht glücklicher geworden. Ein Tag verrann wie der andere im Gleichmaß der Arbeit, und die Dinge, die ihm bisher das Leben mit Freude und Spannung erfüllt hatten — die spielerische Beschäftigung mit Büchern und Laboratorium, der Umgang mit Dr. Huber und die beglückenden Ausflüge seiner Fantasie in eine abenteuerliche Zukunft —, lagen nun in selbst gewollter Ferne, unerreichbar und ängstlich gemieden. Schon nahte wieder einmal der Herbst, die Nebel zogen vom Rhein her durch die Gassen der Stadt, und der wilde Wein am väterlichen Haus begann sich zu röten.

Es war einer jener trüben Nachmittage, an denen die Menschen die Melancholie der Einsamkeit überfällt, an denen eine innere Unruhe sie aus dem unerträglich gewordenen Zimmer vertreibt und durch die Gassen der Stadt irren lässt, nur um andere Menschen zu sehen, die ebenso einsam sind wie sie ...

Leonhard hatte unlustig seine Arbeit beendet. Er hielt eine zierliche goldene Halskette in der Hand,

deren Schloss er in Ordnung gebracht hatte, hängte einen Zettel daran, auf dem der Name „Margarete Müllerin“ stand, und schickte sich an, die Werkstatt zu verlassen, in die schon der frühe Abend hinein dämmerte. Der Vater unterbrach seine Arbeit, prüfte die Kette mit anerkennendem Kopfnicken und sagte, zu seinem Sohn auf blickend:

„Wenn du schon in die Stadt gehen willst, nimm das Kettlein mit und bring’ es der Müllerin!“

Leonhard wickelte das Kettchen ein und ging.

Seine Stimmung war bedrückt, ebenso grau wie der Herbstabend, der ihn draußen empfing. Seine Gedanken wandten sich, so sehr er sich auch dagegen sträubte, der Zukunft zu. Er sah sein Leben sich nach unabänderlichem Plan abrollen; Tag für Tag würde er auf seinem Holzstuhl in der Werkstatt sitzen, mit sehnsüchtigem Blick von Zeit zu Zeit den weißen Wolken nachsehen, die draußen vorbei segelten, und sonntags in der Zunft mit gleichgültigen Menschen über gleichgültige Dinge sprechen. Immer im selben Trott, immer in derselben Stadt, immer mit denselben Menschen ... Und eines Tages würde er mit grauen Haaren immer noch an der gleichen Stelle sitzen und an goldenen Ketten und Ringen feilen und biegen und löten, genauso wie heute der alte Vater ... Nein, dachte er verzweifelt, ich kann es nicht!

Plötzlich musste er an seinen Bruder Alexander denken, den leichtsinnigen Burschen, den er bisher im Stillen eigentlich stets verachtet oder bedauert hatte. War Alexander nicht eigentlich besser dran als er? Der dachte nicht an die Zukunft, der lebte in der Gegenwart und packte das Leben am Schopfe, wo er es fand. Und er, Leonhard, ließ das Leben aus den Händen gleiten ...

Unter so unzufriedenen Selbstgesprächen war er am Hause der Witwe Müller angelangt. Er stieg die knarrende Treppe hinauf und klopfte an die Tür, die sich bald leicht öffnete. Am liebsten hätte er sein Päckchen mit wenig Worten in den schmalen Spalt der Tür hineingereicht. Aber da stand schon eine junge Frau vor ihm und bat ihn mit freundlichem Lächeln, einzutreten.

„Ihr seid der junge Thurneysser und bringt mir mein Kettlein?“ , fragte sie, indem sie ihm einen ermunternden Blick zuwarf; „so kommt doch herein und lasst sehen, ob Ihr’s gut gemacht habt!“

Ganz gegen seinen Vorsatz folgte ihr Leonhard durch den halbdunklen Vorraum in ein von zwei Kerzen behaglich erhelltes Zimmer. Es sah etwas unordentlich darin aus, auf einem breiten Bett lagen Kleidungsstücke verstreut, aus einem Nähkorb auf dem Tisch vor dem Fenster quollen Bänder und Fäden heraus, über der Stuhllehne hing eine Frauenhaube, und der Boden war mit bunten Stoffresten bedeckt. Ein wenig verwirrt von der Intimität des Raumes, von dem leichten Lavendelduft, der auf ihn einströmte, und von den strahlenden Augen der jungen Frau stand Leonhard stumm vor ihr und vergaß ganz, sein Päckchen abzugeben. Sie nahm es ihm lachend aus der Hand, und ihr übermütiger Blick glitt nicht ohne Wohlgefallen über die schlanke Gestalt des Jünglings. Als ihre Hand die seine berührte, schoss ihm eine Röte in die Wangen; sein Herz klopfte so laut, dass er glaubte, sie müsste es hören können.

Während sie den Schmuck aus der Umhüllung wickelte, brachte er immer noch kein Wort heraus. „Sehr höflich seid Ihr gerade nicht“, rief sie vom Spiegel her, der neben ihrem Bett hing, „wollt Ihr mir nicht helfen? Ich bringe das Schloss nicht auf.“

Schüchtern kam er näher.

„So, jetzt ist es doch aufgegangen“, sagte sie, „aber jetzt könnt Ihr mir eigentlich helfen, es wieder zuzumachen!“

Damit legte sie sich die Kette um den Hals und sah sich mit gut gespielter Hilflosigkeit nach ihm um. Er trat trotzig noch etwas näher und drückte das Schloss zu. Als seine Finger den warmen Nacken und das feine Gekräusel der Haare fühlten, durchrieselte ihn ein wohliger Schauer, und unwillkürlich schmiegte sich seine Hand an ihre Haut. Sie hielt, während er sie berührte, ganz still, und als er in dem Spiegel ihr Bild sah, trafen sich ihre Blicke.

Ihre Augen waren von einem unbestimmten Blau, das nach Violett hin schimmerte. Sie strich sich eine blonde Haarsträhne von der Stirn, zupfte an dem Ausschnitt ihres schwarzen Taftkleides und zog die goldene Halskette etwas tiefer herab, sodass sie sich weich an die Wölbungen ihrer runden Brüste legte. Plötzlich wendete sie ihm ihr Gesicht zu, griff in seine braunen Locken und küsste ihn auf den Mund ... Als Leonhard an diesem Abend — sehr spät — das Haus der jungen Witwe verließ, durchströmte ihn ein nie gekanntes Glücksgefühl. „Bin ich noch der gleiche Mensch“, dachte er, „der vor wenigen Stunden am Leben verzweifeln wollte?“ Jetzt lag die Zukunft im Zauberlicht einer neuen Wirklichkeit, vor der alle Träume der Kindheit verblassten . Die hochfliegenden Pläne, auf die er schweren Herzens verzichtet hatte, waren endgültig vergessen. Neue Aufgaben, neue Verheißungen tauchten auf; er fühlte sich stark und mutig, das Leben zu meistern und alle Widerstände zu brechen, die sich ihm entgegenstellen könnten. Das Ziel war des Kampfes wert: Margret, die schöne Margret, — Margret ganz und gar und für immer! Sein Entschluss stand fest: Er würde Margret heiraten ...

Für die junge Witwe war jenes abendliche Erlebnis nur ein kleines Abenteuer gewesen wie viele andere. Aber Leonhard nahm es ernster. Er sah sie jetzt jeden Tag, und sein Werben wurde immer stürmischer. Anfangs behandelte sie ihn wie einen verliebten Jungen, und als er ihr eines Tages von Ehe sprach, hielt sie sich laut lachend die Ohren zu. Sie hatte vor kaum einem Jahre ihren Mann verloren, der bedeutend älter gewesen war als sie. Er hatte ihr ein kleines Vermögen hinterlassen, das ihr Vormund Lorenz Uli verwaltete. Die knappe Rente, die sie erhielt, zwang sie zu Einschränkungen, die ihr wenig zusagten. "Wenn sie ihren verstorbenen Ehemann mit ihrem neuen jugendlichen Verehrer verglich, fiel dieser Vergleich allerdings sehr zugunsten des Letzteren aus. Kurz, es gab immerhin Gründe, die für eine Heirat mit dem hübschen Goldschmiedesohn sprachen. Schließlich schwand ihr Widerstand vor seinem ungestümen Drängen dahin.

Die Hochzeit des Siebzehnjährigen mit der fünf Jahre älteren Witwe gab den Klatschbasen beiderlei Geschlechts im ganzen Stadtviertel der St.-Leonhard-Pfarrei Gesprächsstoff für Monate. „Das kann nicht gut ausgehen!“, war die allgemeine Ansicht. Und in der Tat sickerte es nach einiger Zeit durch, dass auf den kurzen Frühling von Leonhard und Margrets Ehe die ersten Schatten gefallen waren.

Margrets Vormund fand sich öfters in der Wohnung der Neuvermählten ein, als es Leonhard lieb war. Trieb ihn wirklich die „väterliche Freundschaft“, auf die er sich gern zu berufen pflegte, zu diesen häufigen Besuchen bei seinem hübschen Mündel? Er war immerhin ein stattlicher Mann in den besten Jahren, und Leonhards Argwohn wuchs. Eines Tages — Leonhard war unvermutet früher aus der Werkstatt heimgekommen — gab es einen hässlichen Auftritt, der damit endete, dass er den unerwünschten Besucher die Treppe hinunterwarf. Margret hatte stumm, mit unschuldigen Kinderaugen, dieser Szene beigewohnt; als sie ihrem Mann schüchterne Vorwürfe wegen seiner Gewalttätigkeit machte, hatte er sie mit einem wütenden Blick, den sie noch nie an ihm gesehen hatte, angeblitzt und mit einem plötzlichen Griff ihr Handgelenk gepackt, sodass sie vor Schmerz aufschreien musste.

Der Vormund ließ sich nicht mehr sehen. Aber Leonhards Eifersucht war nun einmal geweckt und brannte weiter, wenn auch in raschem Wechsel von Hass und, Liebe die Eintracht notdürftig wiederhergestellt zu sein schien. Die junge, lebenslustige und verschwenderische Frau kam sich beaufsichtigt und eingesperrt vor und gab dies öfters ihrem misstrauisch gewordenen Mann zu erkennen. Er aber glaubte in ihrer...

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