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Der Islam in Europa

Eine kulturhistorische Analyse zum Verhältnis von Religion und Politik im 21. Jahrhundert

AutorGordon Wagner
VerlagStudylab
Erscheinungsjahr2016
Seitenanzahl119 Seiten
ISBN9783668168336
FormatPDF/ePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis34,99 EUR
This MA thesis is analyzing the relationship between religion and politics influenced by Islam in 21st century Europe, following more than a decade of troubles, assassinations, rampages and also confusion, irritation and misunderstanding of the nature of the incidents. It is hereby argued first that in most occasions, starting with Samuel P. Huntington's 'Clash of Civilizations', the focus point still lies on a conflict between a democratic and modern West being Judeo-Christian in origin and an old-fashioned Islamic East, even though the fault lines rather seem to be set between an enlightened, humanist and universal conception on one hand and mostly conservative religious traditions on the other, therefore pointing out that Judaism, Christianity and Islam are much more closer related to each other than generally perceived. It is secondly argued that it is not enough to simply call in a more liberal approach to theological exegesis, but to rather apply far more fundamental alternatives, e.g. the evolutionary humanist perspective, emphasized by Dr. Michael Schmidt Salomon. Aus dem Inhalt: - Aufklärung - Demokratie - Religionsfreiheit - Kulturgeschichte - Werteverständnis - Glaubensvorstellungen

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Leseprobe

1. Einleitung


 

Wir leben in einer „Zeit der Ungleichzeitigkeit“[1], die von Gegensätzen und Widersprüchlichkeiten geprägt ist, welche sich unmittelbar auf die Gesellschaftsordnung und das Alltagsleben (nicht nur) der Europäer im 21. Jahrhundert auswirken. Der von Samuel Huntington ab 1993 vorausgesagte Zusammenprall der Zivilisationen verwandelte sich in den darauf folgenden Jahren zu teilweise erstaunlich präziser und äußerst bitterer Realität, obwohl Huntington für sein Werk zugleich viel Kritik erntete und heute als extrem umstritten gilt.[2]

 

Nach diversen Terrorangriffen auf westliche Botschaften und Symbolbauten der Ökonomie seit den 1990er Jahren kam es mit den Anschlägen von New York und Washington am 11. September 2001 zu einer Zäsur, die viele Kritiker an Huntingtons Thesen aufhorchen ließ. In den vierzehn Jahren danach folgten militärische Interventionen – „Kriege gegen den Terror“ – und damit verbundene Flüchtlingsströme nicht nur in die unmittelbaren Nachbarländer, sondern auch in die Frieden und Wohlstand versprechende westliche Welt: in die Vereinigten Staaten und ein stetig weiter zusammenwachsendes Europa. Den sich mittlerweile häufenden terroristischen Anschlägen islamischer Fundamentalisten – etwa auf Synagogen in Djerba, Tunesien (2002) und Istanbul, Türkei (2003), einen vor allem von westlichen Touristen besuchten Nachtclub auf Bali, Indonesien (2002) sowie auf jüdische Einrichtungen und solche westlichen Lebensstils in Casablanca, Marokko (2003)[3] – folgten schließlich Attentate auf westeuropäische Städte. Hier seien u.a. die Anschläge auf Personenzüge nahe Madrid im März 2004 sowie auf die Londoner Tube vom Juli 2005 erwähnt; weitere versuchte Terroranschläge in London und Glasgow im Sommer 2007 konnten verhindert werden. Im Juli 2011 geriet Norwegen in die Schlagzeilen, als ein rechtsextremer christlicher Fundamentalist[4] mit einem Bombenanschlag zunächst die Hauptstadt Oslo zum Erliegen brachte und im Anschluss daran auf der nahe liegenden Insel Utøya bei einem Amoklauf 69 Menschen tötete, darunter ausschließlich Mitglieder und Sympathisanten der Jugendorganisation der sozialdemokratischen Arbeiderpartiet Norwegens. Bei der Gerichtsverhandlung gab der Täter islamfeindliche Motive an und forderte seine „sofortige Freilassung“, da er „in Notwehr im Namen meines Volkes, meiner Kultur, meiner Religion, meiner Stadt und meines Landes gehandelt habe“ und die Angriffe gegen das Regierungsviertel sowie die Arbeiterpartei seien „vorbeugend gegen diese Landesverräter“[5] geschehen; zudem erkenne er norwegische Gerichte nicht an, da diese „den Multikulturalismus unterstützen.“[6]

 

Zu einem vorläufigen Höhepunkt des ideologischen Terrors auf europäischem Boden kam es schließlich zu Beginn des Jahres 2015, als zwei Islamisten die Pariser Redaktionsräume der gesellschafts- wie religionskritischen Satirezeitung „Charlie Hebdo“ stürmten und dabei zwölf Mitarbeiter und Polizisten erschossen. Ein dritter Täter, der sich zum sogenannten Islamischen Staat[7] bekannte, attackierte am Folgetag einen jüdischen Supermarkt und tötete vier Geiseln. Während sich die große Mehrheit der Europäer (und anderer „Westler“, etwa in den Vereinigten Staaten, Kanada, Australien und Neuseeland) mit den ermordeten Zeichnern solidarisierte, um ausdrücklich sogenannte „westliche“ Werte wie Meinungs- und Pressefreiheit zu verteidigen, war die Reaktion unter vielen Muslimen (in Europa und weltweit) sowie Vertretern christlich-fundamentalistischer und rechtspopulistischer Parteien eine andere: Während der türkische Premierminister Davutoglu die angebliche Pressefreiheit attackierte (diese bedeute „nicht die Freiheit zur Beleidigung […]. In diesem Land erlauben wir keine Beleidigung des heiligen Propheten. Das ist eine sehr klare und grundsätzliche Haltung“), weitere muslimische Staaten wie der Senegal die Satirezeitung komplett verboten[8] und es in anderen muslimisch dominierten Regionen wie Tschetschenien zu Massendemonstrationen gegen die Beleidigung der islamischen Religion kam[9], propagierte Jean-Marie Le Pen, ehemaliger Vorsitzender der rechtsextremen französischen Partei Front National, medienwirksam: „Je ne suis pas Charlie.“[10]

 

Schließlich wurde in den ersten Wochen nach den Anschlägen von Paris in den Medien erneut die Frage diskutiert, ob und wenn ja, inwiefern „der Islam“ mit den Terroranschlägen verbunden sei. Giovanni di Lorenzo etwa äußerte in der Zeit Verwunderung über die stete Forderung,

 

„die Muslime in unseren westlichen Gesellschaften nicht unter Generalverdacht [zu] stellen. […] Als ob es einen vernünftigen Muslim geben könnte, der die Mordtaten […] gutheißen würde. Schon die Forderung, sich davon zu distanzieren [hätte] etwas Beleidigendes.“[11]

 

Zugleich stellt di Lorenzo aber auch fest, dass es in Deutschland „sehr wohl ein Problem [gäbe] mit einer kleinen, brandgefährlichen Gruppe von Menschen, die sich zum Islam bekennen“, dabei zumeist mit Migrationshintergrund, ob mit oder ohne deutschen Pass, „nie Personen […] etwa aus der sorbischen Minderheit in Sachsen oder aus der dänischen in Schleswig-Holstein.“ Weiterhin gäbe es „eine größere Gruppe Muslime, die die Gewalt nicht gutheißt, aber Verständnis für die Motive der Mörder aufbringt, weil die Opfer mit den Karikaturen provoziert hätten.“ In der gleichen Ausgabe der Zeit schreibt eine muslimische Journalistin von „Resignation, Frustration und Wut angesichts dessen, was [sie] an Reaktionen befürchtete“, etwaige „Endlosdebatten“ über die „Terrorreligion Islam“, um sich schließlich zufrieden auf Thomas Oppermann[12] zu berufen, der politisch korrekt verlauten ließ, dass das, was in Paris geschehen sei, nichts mit dem Islam zu tun habe, denn „das seien Killer.“ Auch die Taten des oben erwähnten norwegischen Massenmörders werden von ihr angesprochen; so zitiert sie Claus Kleber[13] mit den Worten: „Meine muslimischen Kollegen haben von mir auch nicht verlangt, dass ich mich von Anders Breivik distanziere.“[14]

 

Trotz aller Harmonie-Beteuerungen stellt sich nach wie vor (oder jetzt umso dringlicher) die Frage nach der Kompatibilität „des Islams“ zum einen mit der Demokratie in seinen europäischen Heimatländern, zum anderen mit den in Europa gelebten sogenannten „westlichen“ (oder vielmehr: „universellen“) Werten. Diese Problematik ist dabei nicht neu und wurde bereits in zahlreichen wissenschaftlichen Arbeiten analysiert und bewertet, allerdings beinahe ausschließlich aus zwei Perspektiven: Zum einen von dem judeo-christlichen Standpunkt heraus, dass die in Europa gelebten Werte aus der (jüdischen wie christlichen) Religion selbst entstammten bzw. von dieser entscheidend geprägt wurden. Zum anderen vom Blickwinkel eines betont liberal-modernen Islams wie er (in Deutschland) etwa von Lamya Kaddor oder (in Ägypten) von Sayyid Al-Qemany und auch von Prof. Abdullahi Ahmed An-Na’im von der Emory University in Atlanta, Georgia vertreten wird. Beide Perspektiven halte ich jedoch für problematisch, werde sie daher im Laufe dieser Arbeit näher erläutern und stelle zugleich die These auf, dass letztlich nur ein weiterer, ein dritter Weg, aus dem Dilemma führt, aus dem die weiter oben beschriebenen Schreckenstaten resultieren. Deren Zusammenhänge gilt es aufzuzeigen und anhand einer kulturgeschichtlichen Analyse sollen einerseits die anfangs erwähnte „Ungleichzeitigkeit“ erläutert und andererseits historische Parallelen zum europäischen Christentum zur Zeit der Aufklärung (im 17. bis 19. Jahrhundert) gezogen werden.

 

Bei diesem dritten Weg handelt es sich um die Erörterung einer humanistisch-aufgeklärten Sichtweise, die insbesondere vom Philosophen und Autoren Dr. Michael Schmidt-Salomon vertreten wird. Nach jener sei es zwar unabdingbar, Kritik dort zu äußern, wo sie notwendig ist, allerdings sollte sich dabei nicht auf die eigene „christlich-jüdische Tradition“ berufen werden, da die zuvor angesprochenen „universellen“ Werte mit Beginn der Reformation im 16. Jahrhundert und schließlich vor allem im 18. Jahrhundert auch gegen den Widerstand der (christlichen) Kirchen in Europa erfolgten. Des Weiteren reiche es nicht aus, theologische Grundkonstanten (wie bspw. Koran-Suren) schlicht neu zu interpretieren – selbst dann nicht, wenn diese liberal und zeitgemäß ausfallen – vielmehr sei die Errichtung einer von jeglichen Religionen unabhängige säkularisierte Werteinstanz vonnöten.

 

Ziel dieser Arbeit ist es, eine historische Verbindung zwischen der judeo-christlichen Perspektive des 18. Jahrhunderts und der islamischen Sichtweise des 21. Jahrhunderts aufzuzeigen, die „weit weniger als das europäische Christentum gezwungen war, durch die Dompteurschule der Aufklärung zu gehen.“[15] Es geht hierbei ausdrücklich um „den Islam“ als religiöses bzw. ideologisches System – es soll nicht argumentiert werden, dass Muslime (genauso wenig wie Christen oder...

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