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Die Gründung des Staates Israel

AutorValeria Nadel
VerlagGRIN Verlag
Erscheinungsjahr2010
Seitenanzahl87 Seiten
ISBN9783640622542
FormatePUB/PDF
Kopierschutzkein Kopierschutz/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis27,99 EUR
Magisterarbeit aus dem Jahr 2008 im Fachbereich Geschichte - Asien, Universität Osnabrück (Fachbereich Kultur- und Geowissenschaften), Sprache: Deutsch, Abstract: Der Nahostkonflikt ist der Dauerkonflikt schlechthin, der Nahe Osten die Krisenregion. Das Interesse der deutschen Öffentlichkeit an dieser Problematik scheint, gemessen an der Fülle von Literatur und medialen Angeboten, ziemlich hoch zu sein. So überrascht es nicht, dass im Mai dieses Jahres, als der Staat Israel sein 60- jähriges Bestehen feierte, die Medien von unterschiedlichsten Beiträgen zu diesem Thema regelrecht überflutet wurden. Dabei fällt auf, dass der Nahost- Konflikt selbst ziemlich detailliert dargestellt wird, nicht jedoch seine Ursachen. Diese werden, wenn überhaupt, nur am Rande erwähnt. Es ist allgemein bekannt, dass die Wurzeln der Gewalt im historisch begründeten Anspruch sowohl der Juden als auch der Palästinenser auf das Heilige Land liegen. Beide Parteien verbindet mit dem seit 3.000 Jahren umkämpften Palästina nicht weniger, als die Geschichte ihres Volkes. Schon ca. 1.000 v.Ch. beherrschten israelische Stämme erst unter König Saul, dann unter David und Salomo das Gebiet. Doch das Zepter der Macht wechselte ständig den Besitzer. Nach den Assyrern kamen die Babylonier, die Perser, dann Alexander der Große, die Ptolemäer, die Seleukiden und schließlich die Römer. Um 600 n.Ch. kamen muslimische Araber, 400 Jahre später christliche Kreuzritter, danach die Türken. Vor diesem Hintergrund ist die Frage, ob Israelis oder Palästinenser zuerst im Heiligen Land waren, kaum zu beantworten, die Urahnen beider Völker kaum zu finden. Und doch wird oft versucht, gerade hier nach Legitimität und Anrecht zu graben. Dabei sind für den Nahost- Konflikt und die arabisch- israelischen Kriege, für die Terroranschläge und die Vergeltungspolitik weniger die jahrtausendealten Konstellationen, sondern vielmehr die Ereignisse zu Beginn des 20. Jahrhunderts entscheidend. Diese Ereignisse, die in der Entstehungsgeschichte Israels zu finden sind, sollen den Schwerpunkt dieser Arbeit bilden. Ihr Ziel ist es, einen kleinen Beitrag zum besseren Verständnis des Nahostkonflikts, und insbesondere auch seines Ursprungs, zu leisten. Die Phase, in der die Keime für die nicht enden wollenden Auseinandersetzungen zwischen Israelis und Palästinensern gesät wurden, beginnt mit der Entstehung des politischen Zionismus und endet mit dem ersten Arabisch- Israelischen Krieg. Deshalb wird diesen beiden Themen im Folgenden besondere Aufmerksamkeit geschenkt. Wegen der stark polarisierenden Thematik soll in dieser Arbeit auch auf den Forschungsstand eingegangen werden.

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Leseprobe

3. Die Geburt des politischen Zionismus

 

3.1 »Der Judenstaat« von Theodor Herzl

 

Im Dezember 1894 wurde Alfred Dreyfus, ein jüdischer Hauptmann des französischen Generalstabes, der Spionage für das Deutsche Reich bezichtigt und von einem französischen Militärgericht zu lebenslänglicher Verbannung auf die Teufelsinsel in Französisch- Guyana verurteilt. Das regelwidrige Verfahren und seine antisemitischen Tendenzen werden in der Fachliteratur als ein Wendepunkt der Geschichte der Juden in Europa bezeichnet. Die Dreyfus- Affäre soll Theodor Herzl, der als Korrespondent der „Wiener Neuen Presse“ in Paris tätig war und Augenzeuge und Berichterstatter der folgenschweren Ereignisse wurde, zutiefst erschüttert haben. Sie wird als Auslöser für seine zionistische Tätigkeit angesehen.[14]    

 

Herzl erkannte, „dass es hier nicht um die Verurteilung eines x- beliebigen Offiziers, sondern um die Schuldzuweisung gegenüber einem »Juden« ging.“[15] Aufgrund dessen sah er ein weiteres Zusammenleben von Juden und Nichtjuden in Europa als unmöglich an, da seiner Meinung nach eine Basis des gegenseitigen Verständnisses und gegenseitiger Duldung fehlte. Und wenn es in Frankreich, dem Land der Menschenrechte so war, dann würde eine Koexistenz in anderen europäischen Ländern erst recht nicht möglich sein.[16]

 

Zwei Jahre später, 1896, veröffentlichte Herzl den »Judenstaat« – eine programmatische Schrift, in der er die Entstehung eines jüdischen Staates beschrieb und die ideelle Grundlage für den politischen Zionismus schuf. Obwohl die Schrift in Fachkreisen als utopisch bezeichnet wird, sah Herzl selbst sie nicht als eine Utopie an, sondern als ein durchaus realistisches, weil von allen Beteiligten erwünschtes, Grundkonzept zur endgültigen Lösung der »Judenfrage«: „Der Judenstaat ist ein Weltbedürfniss, folglich wird er entstehen.“[17]

 

Dabei war Herzls Bindung an das Judentum eher schwach und sein Wissen darüber gering. Beides bestand überwiegend aus seinen Kindheitserinnerungen. Im Grunde war er ein Europäer, sodass auch seine Philosophie im Kern europäisch, säkular und liberal war.[18] 

 

Herzl hoffte auf die Unterstützung seines Planes durch Deutschland. Und tatsächlich konnte sich Wilhelm II. zunächst für diese Idee begeistern, denn eine „baldige Abwanderung gewisser deutscher Juden (aufrührerischer Sozialisten und arroganter Intellektueller) lag durchaus in seinem Interesse“.[19] Doch dann zerschlug das Projekt des deutschen Protektorats am Widerstand des Sultan und der kaiserlichen Berater. Stattdessen erwiesen sich Jahre später die Briten als mächtige Gönner der zionistischen Idee.[20]

 

Die zionistische Idee war alles andere als neu. Andere, wie z. B. Moses Hess 1862 oder der bereits erwähnte Leon Pinsker 1881, hatten schon vor Herzl mehr oder weniger einen eigenen jüdischen Staat gefordert, allerdings eher in Form eines geistigen und spirituellen Zentrums im biblischen Land Israel. Es sollte, ähnlich wie der Vatikan den Katholiken, den Juden in der Diaspora wesentliche geistige Impulse und eine Identität verleihen, ohne dabei auf Souveränität und Masseneinwanderung zu setzen. Erst durch Herzl wurde aus diesem Kulturzionismus eine politische Bewegung.[21]

 

Denn der »Judenstaat« erwies sich sowohl als ein ideologisches Konzept, als auch als ein politisches Programm. Durch ihn gelang es Herzl, den bisherigen geistigen Bestrebungen und zaghaften Migrationsimpulsen einen tragfähigen organisatorischen Rahmen zu verleihen.[22]

 

Laut Herzl war ein Judenstaat die einzige Möglichkeit, das Problem der Juden in Europa und der ganzen Welt zu lösen. Insbesondere im Hinblick auf den weltweit vorhandenen und immer wieder erstarkenden Antisemitismus sei er erforderlich.

 

Die Assimilation der Juden sei hingegen keine Lösung, denn sie ändere nichts am Antisemitismus, sondern trage vielmehr dazu bei, dass die jüdische Religion ihren identitäts- stiftenden Charakter verliere. „Wir haben überall ehrlich versucht, in der uns umgebenden Volksgemeinschaft unterzugehen und nur den Glauben unserer Väter zu bewahren. Man lässt es nicht zu. Vergebens sind wir treue und an manchen Orten sogar überschwängliche Patrioten, vergebens bringen wir dieselben Opfer an Gut und Blut wie unsere Mitbürger, vergebens bemühen wir uns den Ruhm unserer Vaterländer in Künsten und Wissenschaften, ihren Reichtum durch Handel und Verkehr zu erhöhen. In unseren Vaterländern, in denen wir ja auch schon seit Jahrhunderten wohnen, werden wir als Fremdlinge ausgeschrieen;“[23]

 

Allerdings waren nicht alle europäischen Juden mit Herzl einer Meinung, insbesondere für die Assimilierten war das Judentum keine Nationalität, sondern lediglich eine Religion. Sie sahen in Herzls Idee ein „Hirngespinst“, sodass die Reaktion auf den „Judenstaat“ zunächst nicht überwältigend war. Erst durch weitere politische Aktivitäten, von denen im Folgenden noch die Rede sein wird, gewannen Herzl und seine Bewegung immer mehr Anhänger.[24]

 

Im allgemeinen Teil seiner Schrift widmet sich Herzl der „Judenfrage“, erläutert frühere Lösungsversuche, die Gründe für den Antisemitismus sowie seine Wirkung, und stellt seinen Plan zur Lösung des Problems vor. 

 

Die damalige Situation der Juden in Europa und der ganzen Welt stellte Herzl so dar: „Die Nothlage der Juden wird niemand leugnen. In allen Ländern, wo sie in merklicher Zahl leben, werden sie mehr oder weniger verfolgt. Die Gleichberechtigung ist zu ihren Ungunsten fast überall tatsächlich aufgehoben, wenn sie im Gesetze auch existiert. Schon die mittelhohen Stellen im Heer, in öffentlichen und privaten Aemtern sind ihnen unzugänglich. Man versucht sie aus dem Geschäftsverkehr hinauszudrängen: ‚Kauft nicht bei Juden!’“[25] Damit verdeutlicht er, dass die Judenfrage nach wie vor existiert und nach einer neuen, wirkungsvollen Lösung verlangt, die sich von den bisherigen Lösungsversuchen unterscheidet.   

 

Schon oft habe man erfolglos versucht, die Judenfrage, und somit auch das Problem des Antisemitismus, zu lösen. Die bisherigen Kolonisierungsversuche seien zu kleinlich gewesen, denn wenn man ein paar Tausend Juden in eine andere Gegend bringt, gehen sie entweder gleich unter, oder sie gedeihen und erzeugen damit wiederum Antisemitismus. Der Versuch, aus Juden Bauern zu machen, sei ebenso erfolglos, denn der Bauer gehöre, im Zeitalter der Maschinen, zu einer aussterbenden Spezies, somit wäre auch das Judentum dem Untergang geweiht. Und auch die Assimilierung sei ebenfalls ein Misserfolg gewesen, denn sie könne den Antisemitismus nicht aus der Welt schaffen, berge in sich stattdessen die Gefahr, dass das Judentum in der ihn umgebenden Gesellschaft aufgeht und zu existieren aufhört. Die Volkspersönlichkeit der Juden sei aber laut Herzl „geschichtlich zu berühmt und trotz aller Erniedrigungen zu hoch, als dass ihr Untergang zu wünschen wäre.“[26]

 

Außerdem müssten die Juden zwei Generationen hindurch in Ruhe gelassen werden, um in einem anderen Volk untergehen zu können. Laut Herzl sei dies jedoch unmöglich, denn sobald es den Juden gut gehen würde, würde die Feindseligkeit neu entflammen, da ihr Wohlergehen etwas Aufreizendes zu enthalten scheint. Und falls doch einmal eine Phase des Wohlergehens eintreten sollte, sei es gefährlich für das Judentum, denn dadurch werde es geschwächt und seine Besonderheit ausgelöscht.[27] Herzl sah also die Judenfeindschaft als eine mittelfristig oder gar überhaupt nicht behebbare gesellschaftliche Tatsache. Die einzige Lösung lag für ihn in einem Exodus der bedrohten Juden in ein ungefährdetes, selbst regiertes Territorium. Dieses sollte seiner Meinung nach am Rande der Einflusszonen der Großmächte liegen, wie z. B. in Argentinien, Ostafrika, oder eben im Osmanischen Reich.[28]   

 

Herzls Plan lag eine Forderung zugrunde, die sich in einem Satz zusammenfassen lässt: „Man gebe uns die Souveränität eines für unsere gerechten Volksbedürfnisse genügenden Stückes der Erdoberfläche, alles andere werden wir selbst besorgen.“[29] Das geeignete „Stück Erdoberfläche“ sieht Herzl vor allem in Palästina, das damals zum Osmanischen Reich gehört. Denn obwohl die Juden seit Jahrhunderten in der ganzen Welt verstreut leben, ist diese historische Heimat in den Köpfen frommer Juden immer präsent geblieben, die täglich um die Rückkehr ins Gelobte Land beteten.[30]

 

Der Kern des Plans ist die gesicherte Souveränität der Juden. Sie ist die Grundlage der jüdischen Auswanderung, die in Herzls Vision, von vielen Zionisten schnell vergessen, nicht von heute auf morgen stattfinden sollte: „Den Abzug der Juden darf man sich (…) nicht als einen plötzlichen vorstellen. Es wird ein allmäliger sein und Jahrzehnte...

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