Der erste, der das Geschlecht der Schaunberger von einen Raffold herleitete, war der humanistische Gelehrte Wolfgang Lazius im 16. Jahrhundert[11]. Schon 1598 wies Wiguleus Hund darauf hin, dass Lazius keine Quellen dafür angab[12]. Die Legende geht dann so weit, dass dieser Raffold auch noch von Babo von Abensberg abgestammt habe, der mit über 50 Kindern gesegnet gewesen sei. Der Peuerbacher Dechant Joseph Weißenbacher[13] nannte um 1820 als Stammvater der Julbacher tatsächlich einen Raffoldo oder Rapoto de Jugilbahe, der vom Kaiser das Land als Lehen bekommen hatte, das man später Schaunberger Landl nannte. Jodokus Stülz verwarf diesen Ansatz, aber leider übernahm Rudolf Vierlinger, der Herausgeber und Autor der Festschrift über Julbach von 1984, ihn wieder mit dem Zitat: „Belegt allerdings ist Julbach erstmals im Jahre 1078. Ein ‚Raffolt von Jugilbach‘ soll in einer Urkunde des Klosters Ranshofen erwähnt worden sein“[14]. Um die Ableitung von einem Raffold zu verifizieren, muss man die Urkunden des Klosters Ranshofen, aber auch des Klosters Raitenhaslach heranziehen. Dazu bedient man sich des Monumenta-Boica-Bandes des entsprechenden Klosters. Die Monumenta-Boica-Bände stellen eine Sammlung von Urkunden und Traditionen aller bayerischen Klöster dar, die von der Bayerischen (Kurfürstlichen) Akademie der Wissenschaften herausgegeben wurde. Band III, welcher die Abschriften für Ranshofen aber auch für Raitenhaslach enthält, erschien 1764 in München. Mitarbeitern der Akademie war Zutritt zu den Klosterarchiven gewährt worden, um Kopien aller Urkunden und Traditionen anzufertigen, damit sie gedruckt erscheinen konnten. Die Archive hatten im Laufe der Geschichte durch Plünderungen oder Brände teilweise arg gelitten und waren oft nur unvollständig oder schlecht geordnet. So wurde Ranshofen in kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen 1242 und 1266 fünf Mal geplündert und stark zerstört. Ob die Mönche in ihren Schreibstuben in den folgenden Friedenszeiten vernichtete Urkunden neu anfertigten, kann ich nicht beurteilen. Die Datierungen der Urkunden in den MB-Bänden sind leider oftmals falsch, was in besonderem Maße für Ranshofen zutrifft. Wichtige Traditionen sind manchmal auch nicht in ihrer Bedeutung erkannt worden. Die meisten bayerischen Klosterarchive wurden nach 1803 während der Säkularisation nach München gebracht und werden seitdem im Bayerischen Hauptstaatsarchiv verwahrt. Google digitalisierte vor einigen Jahren die MB-Bände und in einem großangelegten Projekt werden auch Klosterurkunden digitalisiert, so dass man Originalurkunden zu Hause im Internet einsehen kann[15]. Will man die MB-Urkunden mit den Originalen vergleichen, trifft man gerade bei den Ranshofener Urkunden auf große Schwierigkeiten, denn bis 1779 war das Innviertel bayerisch. Danach kam es, also auch das Stift Ranshofen, an Österreich. In den napoleonischen Kriegen wurde das Innviertel im September 1810 wieder bayerisch, bis es 1816 endgültig an Österreich[16] fiel. Bis zur Übergabe an Bayern hatte im Innviertel, da es von den Franzosen besetzt war, eine französische Provinzialregierung mit Sitz in Ried fungiert. Diese Regierung von Napoleons Gnaden gab den Befehl zur Klosteraufhebung[17], so dass zunächst Archivmaterialien nach Salzburg kamen und von dort nach München. Da in Bayern Klöster bereits ab 1803 aufgehoben worden waren, wurde die Säkularisierung der Stifte der Augustiner Chorherren in Reichersberg und Ranshofen und des Schärdinger Kapuzinerklosters weitergeführt, so dass der Hauptteil des Stiftsarchivs Ranshofen heute im Bayerischen Hauptstaatsarchiv gelagert ist. Andere Teile gingen nach Linz oder sind gar verschollen, wie zum Beispiel das Traditionsbuch. Zum Glück hatte 1650 der Ranshofener Chorherr Hieronymus Mayr ein zweibändiges Werk über die Geschichte des Stiftes verfasst, betitelt mit „Antiquarium Ranshovianum“, in dem er auch sorgfältig auf Traditionen eingegangen war. Fast unverändert zur MB-Ausgabe wurden 1852 dann erst die Ranshofener Traditionen im Band 1 in der Reihe der Urkundenbücher des Landes ob der Enns veröffentlicht. 1908 fasste Konrad Schiffmann die Traditionen von Monumenta Boica, vom Urkundenbuch ob der Enns und von Antiquarium Ranshovianum zusammen, wobei er die Datierung der Monumenta häufig übernahm. Mit diesem Wissen ausgestattet, können wir uns auf die Suche nach unserem Raffold und dem ersten Julbacher machen.
Gleich in der ersten Ranshofener Tradition 1070[18] standen ein Raffold und sein Bruder Adalhard unter den Zeugen. Im selben Jahr machte Raffold von Scoempere[19] eine Vergabe und in der Tradition Nr. 37 wird er „procurator de Sconipere“ genannt. Im Abschnitt Diplomatarium Miscellum für Raitenhaslach finden wir dann jenen Raffold, auf den sich Lazius wohl bezogen hatte, denn Kaiser Heinrich III. belohnte seinen getreuen Diener Raffold mit einer Landvergabe aus dem königlichen Fiskalbesitz um 1050. Auf einer Urkunde unter Kaiser Heinrichs IV. von 1079 geht es wieder um die Vergabe dieses königlichen Besitzes. König Konrad III. bestätigte die Vergabe und nannte Raffold und damit seine Nachkommen „ministerialis Regni vir fidelis“[20]. Konkret genannt wurden Schönberg und Waltendorf. In der Urkunde Nummer 12, ausgestellt vom Notar Hartwig in der herzoglichen Kanzlei in Ranshofen, verzichtete Berthold von Löwenstein vor Herzog Heinrich dem Löwen auf das Predium in Schönberg und Waltendorf, das Raitenhaslach von seinem Mutteronkel Raffold gegeben worden war.
Aus den Traditionen von Ranshofen und Raitenhaslach lässt sich klar ableiten, dass es sich bei Raffold von Schönberg und seinen Nachkommen um königlich-herzogliche Ministeriale handelte, die nie in Beziehung zu Julbach genannt wurden. Die Nachkommen des Raffold waren wahrscheinlich die Ministerialenfamilien Schönberg, Blankenbach, Rohr, Hutte und Löwenstein, die erst im Laufe der Zeit in den Adelsstand aufstiegen. Die Schönberger Berthold, Heinrich, Hartwig und Gebhard traten auch als Zeugen in Aldersbach[21] auf, was zu Namensverwechslungen[22] mit den Schaunbergern[23] führte. Der erste Julbacher entstammte einer anderen gesellschaftlichen Schicht, deshalb ist Raffold als Stammvater der Julbacher auszuschließen. Wahrscheinlich ist er, wie gesagt, unter anderem der Stammvater der Schönberger.
An dieser Stelle möchte ich noch einmal auf Lazius zurückkommen, denn eine Quelle hat er doch angegeben, nämlich eine Urkunde König Konrads III., ausgestellt 1142, wo er dem Kloster Garsten 400 Mansen schenkt. Lazius erwähnt, dass darauf ein Raffold von Schaunberg zu finden sei. Diese Urkunde ist unter „monasterium.net“ digitalisiert. [24] Die letzten Zeugen der Reihe nach sind: Ulrich von Wilhering, Hartwig von Hagenau, Wernhard von Julbach, Friedrich von Haunsberg, Raffold von Sconeneberch, Otto von Ror. Eindeutig handelt es sich um den Herzogs-bzw. Königsministerialen Raffold von Schönberg. Als Titel hat Lazius den ersten dreien noch jeweils Graf vorangestellt. Diese Titel fehlen auf der Originalurkunde, da die genannten keine Grafen waren.
Ausschnitt der Urkunde von Garsten
Zu der, meiner Meinung nach, frühesten Nennung von Wernhard von Julbach und damit des Ortes Julbach, gehört eine Urkunde aus Göttweig[25]. Ita von Burghausen, eine Nachfahrin der Formbacher und Schwester Kaiser Lothars[26], wurde 1104 Witwe, nachdem ihr Mann Graf Sieghard in Regensburg während eines Aufstandes von Ministerialen und Bürgern gefangen genommen und enthauptet[27] worden war. Durch die Hand ihres Sohnes Heinrich gab sie zum treuen Gedenken ein Gut an das Stift Göttweig. An erster Stelle in der Zeugenreihe stehen Meginhard und Gumbold von Ering[28]. Darauf folgen Wernhard von Julbach und Alwin von Stein. Itas Sohn Heinrich wurde noch nicht Graf genannt. Itas nächstgeborener Sohn Sieghard war offensichtlich noch zu jung, um als Zeuge fungieren zu können. Bereits im Jahre 1127 verstarb Graf Heinrich von Burghausen. Demzufolge musste Ita die Schenkung nach der Ermordung ihres Ehemannes innerhalb eines Zeitraumes von 1104 bis deutlich vor 1127 vollzogen haben. Vorstellbar ist, dass sie, erschüttert von dem Schicksalsschlag, die Schenkung schon kurz nach der Ermordung ihres Mannes noch vor der Mündigkeit Heinrichs machte, da er nicht Graf genannt wurde und ihr Sohn Sieghard noch nicht testieren durfte. Mit solchen Schenkungen erwirkte man regelmäßige Gebete der Mönche zum Seelenheil des Verstorbenen, in der Hoffnung, dass die Zeit im Fegfeuer verkürzt werde und sich Gott seiner erinnere. Ich setze den Vorgang um 1105 an. Somit halte ich die Nennung Wernhards von Julbach auf dieser Tradition als den ältesten Nachweis für seine Existenz.
Zum ersten Mal auf einer Ranshofener Urkunde erschien der Name „Julbach“, als Herzog Welf II. auf Grund der Bitte des Presbyters Erembert zu seinem und seiner Eltern Seelenheil die Schenkung eines Lehens bei Handenberg an den Sankt-Pankraz-Altar in Ranshofen vollzogen wurde und auf der Wernhard...