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E-Book

Die kürzeste Geschichte Deutschlands

AutorJames Hawes
VerlagUllstein
Erscheinungsjahr2018
Seitenanzahl336 Seiten
ISBN9783843717380
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis9,99 EUR
Auf 250 Seiten einmal durch 2000 Jahre deutscher Geschichte: Überzeugend und souverän führt James Hawes von den alten Römern bis in die Gegenwart. Eine große Tour durch die Jahrhunderte, die in einer leidenschaftlichen Hommage an die Bundesrepublik endet. Der Sieg gegen die Römer im Teutoburger Wald, die barbarische Grausamkeit des Dreißigjährigen Kriegs, der Aufstieg des militaristischen Preußens im 18. Jahrhundert - wie Blitzlichter scheinen diese historischen Ereignisse in James Hawes' fulminantem Parforceritt durch die deutsche Geschichte auf. Die alles beherrschende Frage, die sich wie ein roter Faden durch die Seiten zieht: Gehört das Herzstück Europas zum Westen oder zum Osten? Für Hawes ist klar, dass dieses Land zum Westen zählt. Die Bundesrepublik, so wie wir sie kennen, sieht er in der Tradition des wahren, historischen Deutschlands, dem Staatshörigkeit, puritanischer Eifer und narben gesichtiger Militarismus stets fremd waren. Hawes ist sich sicher: Deutschland ist heute »Europas größte Hoffnung«.

James Hawes, geboren 1960 in der englischen Grafschaft Wiltshire, ist passionierter Schriftsteller und Universitätsdozent für kreatives Schreiben in Oxford. Der promovierte Germanist verfasste zahlreiche Romane und Drehbücher, auf Deutsch liegen von ihm vor »Ein weißer Mercedes mit Heckflossen« und »Ranziges Aluminium«. Bei Propyläen erschien sein Bestseller »Die kürzeste Geschichte Deutschlands«. 

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Leseprobe

CAESAR ERFINDET
DIE GERMANEN


Rom und Gallien vor Caesar

Im März des Jahres 60 v. Chr. war die Bedrohung durch barbarische Asylsuchende das wichtigste Gesprächsthema in Rom, wie der Philosoph, Anwalt und Politiker Cicero schrieb. Nachdem es weiter nördlich zu Unruhen und Kriegen gekommen war, überfluteten sie die bereits unterworfenen, romanisierten Gebiete Galliens – also im Wesentlichen das heutige Südfrankreich und Oberitalien. Es schien, als wäre im weiter nördlich gelegenen freien Gallien eine neue, Ärger verheißende Macht aufgetaucht. Gaius Julius Caesar, der als neuer Prokonsul der gallischen Provinzen mit einem Eroberungskrieg seinen Ruf steigern und seine Schulden tilgen wollte, gab ihr im Jahr 58 v. Chr. einen Namen: Germani.

Bereits mit der ersten Erwähnung auf Seite eins seines Bestsellers Der Gallische Krieg verbindet Caesar mit diesen Germani die Vorstellung, dass diese »das Gebiet jenseits des Rheins bewohnen«. Er füllt damit eine Landkarte, die für seine Leser genauso weiß gewesen sein muss wie Zentralafrika für das Publikum von Henry Morton Stanley und Carl Peters. Während sich Rom und Gallien geografisch und kulturell überschneiden, lebt jenseits des Rheins ein gänzlich verschiedenes Volk – diese Botschaft wird im Gallischen Krieg über viele Seiten unermüdlich wiedergekäut.

Caesar muss schon bald feststellen, dass er vor einer schwierigen Lage steht: Einige gallische Stämme haben fünfzehntausend kampferprobte Germanen bestochen, den Rhein zu überqueren und ihnen gegen die mächtigen Häduer beizustehen. Doch nach erfolgreicher Mission sendet der Germanenführer Ariovist weitere Männer über den Fluss und ist nun de facto Herrscher über das gesamte nichtrömische Gallien. Einhundertzwanzigtausend Germanen befinden sich bereits in Gallien; bald schon werden noch mehr kommen. Sie werden die Einheimischen vertreiben und zwingen, sich eine neue Heimat zu suchen.

Als echter Patriot erkennt Caesar die Gefahr sofort: Bald schon werden barbarische Migranten die gallischen Provinzen Roms vielleicht sogar Rom selbst – überfluten. Er spornt seine verzagten Legionäre mit einer glänzenden Rede an und dringt ins Feindesland vor, wobei er die gefürchteten engen Pfade und dichten Wälder geflissentlich meidet. Die Stämme, die er unter dem Wort Germani zusammenfasst, zwingt er im Jahr 58 v. Chr. in der Schlacht im Elsass zum Kampf gegen seine Truppen.

Die Germanen werden geschlagen. Ihre ohnehin schwere Niederlage geht, wie es in vormodernen Kriegen häufig vorkommt, in ein umfassendes Gemetzel über. Als die Überlebenden über den Fluss fliehen, will Caesar sie verfolgen. Die Ubier (Germanen zwar, aber Verbündete Roms) bieten ihm an, seine Truppen in Booten über den Rhein zu setzen. Doch Caesar ist der Ansicht, dass es römischer und zugleich sicherer sei, eine Brücke – wahrscheinlich in der Nähe des heutigen Bonn – über den Fluss zu bauen. Seine Legionen erledigen diese Aufgabe in zehn Tagen – eine erstaunliche Leistung.

Doch wie bewundernswert Roms Militärtechnik auch sein mag, am Ende entscheidet immer der Kampf im Gelände über Sieg und Niederlage. Und die Germanen kennen das Gelände. Sie fliehen in die Wälder, wo sie, wie Caesar herausfindet, ihre Kräfte bündeln und den römischen Angriff abwarten wollen. Daraufhin beschließt Caesar, der bereits tief ins Land vorgedrungen ist, »für Ruhm und Vorteil« (so sein eleganter Standpunkt) sei genug getan. Er kehrt nach Gallien zurück und zerstört die Brücke hinter sich.

Bis zum Ende des Gallischen Kriegs verbleiben die Germanen als potenzielle Verbündete all jener Gallier, die zur Rebellion bereit sind, in Lauerstellung. Es gibt nur eine Lösung: Sie sollen die ganze Macht Roms kennenlernen. Als sie nun im Jahr 55 v. Chr. versuchen, in Scharen über den Rhein nach Gallien einzuwandern, beschließt Caesar, »Krieg gegen die Germanen zu führen«.

Caesar prahlt damit, dass seine Truppen »nicht einen Mann« verloren hätten und sicher aus der Schlacht zurückgekehrt seien, nachdem sie vierhundertdreißigtausend Kämpfer des Feindes bis an den todbringenden Zusammenfluss von Rhein und Maas getrieben hätten, »wo sie alle elend umkamen«. Selbst nach römischen Standards war das fraglos ein Massaker und hatte mit Krieg nichts mehr zu tun. Der große Redner Cato fordert öffentlich, Caesar den Germanen zur Strafe auszuhändigen. Doch Caesar nutzt seinen Gallischen Krieg, um seine brutalen Methoden als effektive Abschreckung zu rechtfertigen: Als rebellische Gallier es erneut wagen, die Germanen mit Bestechung auf ihre Seite zu ziehen, antworten diese, das Risiko nach den jüngsten Vorfällen nicht noch einmal eingehen zu wollen.

Aber wie ticken diese soeben entdeckten Barbaren nun wirklich? Caesar unterbricht seine spannungsgeladene Erzählung an einem dramaturgisch angemessenen Punkt – er steht im Jahr 53 v. Chr. an seinem zweiten Brückenkopf über den Rhein –, um seinen Lesern seine berühmte Beschreibung der Germanen, die erste in der Geschichte, zu geben.

Caesars Germanen

Die Germanen haben ganz andere Bräuche [als die Gallier]. Denn sie haben weder Druiden, die den kultischen Dingen vorstehen, noch legen sie großen Wert auf Opfer. Unter die Götter zählen sie nur die, die sie wahrnehmen und deren Wirken ihnen augenscheinlich zu Hilfe kommt, die Sonne, den Mond und Vulkan. Den Glauben an die übrigen kennen sie nicht einmal vom Hörensagen. Ihr ganzes Leben besteht aus Jagen und militärischen Übungen. … Beide Geschlechter baden zusammen in den Flüssen und tragen nur Pelze oder dürftige Pelzüberwürfe, wobei der größte Teil des Körpers nackt bleibt. Ackerbau betreiben sie wenig, ihre Ernährung besteht zum größten Teil aus Milch, Käse und Fleisch. Auch hat niemand bei ihnen ein bestimmtes Stück Land oder Grundbesitz. … Sie halten es für ein Kennzeichen von Tapferkeit, wenn die Anwohner ihrer Grenzen von ihrem Land vertrieben abziehen und niemand wagt, sich in ihrer Nachbarschaft niederzulassen. … Raubzüge, die außerhalb der Stammesgrenzen unternommen werden, betrachten sie nicht als Schande … Sie halten es für Frevel, einen Gast zu verletzen. Wer aus welchem Grund auch immer zu ihnen kommt, den schützen sie vor Unrecht und halten ihn für unverletzlich. Alle Häuser stehen ihm offen, und die Bewohner teilen ihre Nahrung mit ihm … Die Ausdehnung des hercynischen Waldes, auf den wir oben hinwiesen, entspricht einem zügigen Fußmarsch ohne Gepäck von neun Tagen; anders kann sie nicht bestimmt werden, da die Einheimischen kein Wegemaß kennen … Gewiss ist, dass es dort viele Arten von wilden Tieren gibt, die man sonst nicht sieht.

Der Gallische Krieg, VI, 21-25

Keine richtigen Götter oder Priester, kein Eigentum, keine gesellschaftliche Ordnung, kaum Getreidefelder für Brot, keinerlei Mittel, um Entfernungen zu messen, riesige Wälder, von wilden Tieren nur so wimmelnd, unentwegte Kriege zwischen den Stämmen – in der Tat also ein Land von Barbaren, das Rom niemals gewinnbringend zu verwalten hoffen darf.

Doch geht es hier nicht um Ethnologie, sondern um Politik. Es geht vor allem darum, den Kontrast zwischen der linken Rheinseite (wo Caesar Triumphe feierte) und der rechten Seite (die er zweimal erfolglos besetzte) zu schärfen. Auf dieser Seite wohnen die Gallier: Sie bearbeiten ihre fruchtbaren Felder; sie verehren richtige Götter, die sich ohne Weiteres auf das griechisch-römische Pantheon übertragen lassen; sie haben einfache Gesetze, führen primitive Wahlen durch, kennen eine gewisse gesellschaftliche Ordnung, und ihre Druiden beherrschen das griechische Alphabet – ein sicherer Beweis für eine mögliche Zivilisierung. Hier hat Caesar für sein Volk ein ganzes Land erobert, das sich perfekt romanisieren lässt und nur darauf wartet, besteuert zu werden. Auf der anderen Seite des Rheins dagegen lauern die Germanen.

Gleichzeitig besteht kein Zweifel daran, dass der Fluss keine echte Grenze zwischen zwei völlig verschiedenen Kulturen darstellt. Caesar berichtet, dass zumindest ein Stamm jenseits des Rheins siedle, der bis vor Kurzem noch in Gallien unter Galliern lebte. Umgekehrt gebe es die Belger, die nun diesseits des Rheins leben, von denen aber »die meisten von den Germanen abstammten«. Die Ubier, die am germanischen Ufer des Rheins wohnen, sind standhafte Verbündete Roms, während am gallischen Ufer feindliche Stämme hausen, offensichtlich auch sie Germanen. Im Verlauf des Gallischen Kriegs wechseln andauernd Leute die Rheinseite, um jemanden anzugreifen, sich zu verbünden, zu fliehen oder auszuwandern. Caesar selbst setzt eine germanische Kavallerieeinheit als seine Leibgarde ein.

Gallien und Germanien in den Augen Caesars

Die Lage entlang des Rheins war in den Jahren 58 bis 53 v. Chr. offensichtlich fließend, irritierend und absolut chaotisch. Doch kann man diese Erkenntnis als glanzvolle Neuigkeit verkaufen? Sicher nicht, und deshalb verkündet Caesar, er habe eine natürliche Grenze der römischen Herrschaft entdeckt. Die Völker jenseits des Rheins werden zu unverbesserlichen Barbaren und ihr Land zu einer albtraumhaften Wildnis erklärt. Schlimmer noch, sie sind gerade Rom gegenüber besonders feindlich gestimmt und »verweigern niemandem ihre Dienste, der sich den Römern...

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