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Die römische Agrargeschichte in ihrer Bedeutung für das Staats- und Privatrecht

Sozialgeschichte und Wirtschaftsgeschichte

AutorMax Weber
Verlage-artnow
Erscheinungsjahr2014
Seitenanzahl450 Seiten
ISBN9788026818014
FormatePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis1,99 EUR
Dieses eBook: 'Die römische Agrargeschichte in ihrer Bedeutung für das Staats- und Privatrecht' ist mit einem detaillierten und dynamischen Inhaltsverzeichnis versehen und wurde sorgfältig korrekturgelesen. Max Weber (1864-1920) war ein deutscher Soziologe, Jurist und Nationalökonom. Er gilt als einer der Klassiker der Soziologie sowie der gesamten Kultur- und Sozialwissenschaften. Global wird Webers Werk übergreifend von verschiedenen politischen und wissenschaftstheoretischen Lagern anerkannt. Er nahm mit seinen Theorien und Begriffsdefinitionen großen Einfluss auf die Wirtschafts-, die Herrschafts- und die Religionssoziologie sowie auf weitere spezielle Soziologien. Außerdem ist das Prinzip der Wertneutralität auf ihn zurückzuführen. Er zählt neben Karl Marx Simmel zu den bedeutenden Klassikern der Wirtschaftssoziologie. Inhalt: Zusammenhang der agrimensorischen genera agrorum mit den staats- und privatrechtlichen Qualitäten des römischen Bodens Der grundsteuerfreie römische Boden in seiner rechtlichen und wirtschaftlichen Bedeutung Das öffentliche und steuerbare Land und die Besitzstände minderen Rechts Die römische Landwirtschaft und die Grundherrschaften der Kaiserzeit

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Leseprobe

I. Zusammenhang der agrimensorischen genera agrorum mit den staats- und privatrechtlichen Qualitäten des römischen Bodens.



Die Agrimensoren teilen bekanntlich von ihrem Standpunkte aus den Grund und Boden in drei Hauptkategorien1:

1. ager divisus et assignatus, seinerseits wieder zerfallend in

a) ager limitatus, per centurias div. et assignatus,

b) ager per scamna et strigas divisus et assignatus,

2. ager per extremitatem mensura comprehensus,

3. ager arcifinius, qui nulla mensura continetur.


Man wird es als ohne weiteres wahrscheinlich ansehen dürfen, dass die Verwendung dieser verschiedenen Aufteilungsarten auch in irgend welcher Weise den rechtlichen Verhältnissen des betreffenden Territoriums entsprach. In welcher aber? – das ist mit Sicherheit nur zum geringen Teil zu sagen, zum überwiegenden dagegen nur durch Rückschlüsse hypothetisch zu ermitteln. Es muss indes in Betracht gezogen werden, dass auch die zweifellosesten Rechtsprinzipien sich in der Praxis zu Regeln mit Ausnahmen gestalten, unter Umständen mit so viel Ausnahmen, dass das Prinzip nur subsidiär zur Anwendung gelangt. Gleichwohl würde es ein Verzicht auf juristisches Erfassen der historischen Erscheinungen sein, wenn man aus diesem Grunde ganz von Aufsuchung des Prinzips absehen wollte, und soll daher der Versuch, dasselbe festzustellen, gemacht werden.

Am einfachsten gestaltet sich die Unterbringung der Extreme. Einerseits ist zweifellos, dass der Grund und Boden des Auslandes, d.h. aller der Gemeinden des Reiches, welche laut eines foedus von unmittelbarer Einwirkung der Reichsgewalt wenigstens theoretisch eximiert waren, nur ager arcifinius sein konnte. Die foedera mit souveränen Gemeinden, z.B. mit Astypalaea2, enthalten denn auch keinerlei Bestimmungen über den Acker derselben, auch nicht die, dass das bisherige Gebiet ihnen verbleiben solle; schon das wäre als eine Art politischer capitis deminutio empfunden worden. Andrerseits ist ebenso unzweifelhaft, dass der Acker aller wirklich deduzierten coloniae civium Romanorum und der sonstigen Ackeraufteilungen auf römischem Boden zum ager divisus et assignatus gehörte. Die Unterbringung der zahlreichen Zwischenglieder aber und die Feststellung der Verwendung der einzelnen Formen erfordert einen Blick auf die technische Seite der römischen Aufteilung und Assignation.

Regelmässig sind die römischen Ackerparzellen, resp. deren Grenzen nach den Himmelsgegenden orientiert und wurde dies bewerkstelligt durch ein primitives Diopterkreuz, vermittelst dessen man zuerst – offenbar weil man nachts nicht visieren und deshalb die Mittagslinie nicht feststellen konnte – durch Visieren nach dem Sonnenaufgang approximativ3 die Linie OW, den decimanus (= »Teiler«), dann die Senkrechte darauf, den cardo (= Axe, Himmelsaxe), feststellte und absteckte. Dies war die Regel, doch kam es auch vor, dass man je nach den Verhältnissen des Terrains den decimanus in dessen grösste Längenausdehnung oder, an der Küste, in der Richtung nach dem Meer, oder auch in die Mittagslinie legte. Bei dem weiteren Verfahren haben wir die Aufteilung per strigas et scamna von der per centurias zu unterscheiden. Beiden gemeinsam ist die geradlinige Aufteilung, der Unterschied beider wird mehrfach von den Agrimensoren und nach ihnen von den Neueren in dem Gegensatz der quadratischen zu der oblongen Parzellenform gefunden. Wir werden sehen, dass diese Differenz weder die einzige noch die wesentliche ist.

Was zunächst den ager per scamna et strigas assignatus anlangt, so ist uns das Aufteilungsverfahren im einzelnen nur bei einem später zu erörternden Spezialfall bekannt, das Resultat der Aufmessung aber ist stets die Zerlegung der Flur in rechteckige Stücke, welche, wenn sie ihre grösste Längenausdehnung in der Richtung NS haben, strigae, wenn in der Richtung OW, scamna heissen. Es konnten nur eine oder auch beide Kategorien auf einer und derselben Flur vorkommen. Die Aufteilung nur nach scamna scheint häufiger gewesen zu sein4. Dass für die Parzellen bei dieser Teilungsart eine bestimmte Grösse üblich gewesen sein sollte, ist nicht überliefert, auch nicht, dass alle Parzellen derselben Flur untereinander gleich gewesen seien, die Figur bei Frontin5 (deren Alter natürlich dahinsteht) nimmt das Gegenteil an. Schon der Gegensatz, in dem diese Form zum ager limitatus genannt wird, ergibt, dass ein Wegesystem von typischer Form, wie wir es beim ager limitatus in den limites finden werden, nicht zum Wesen des ager scamnatus gehört. Die einzelnen strigae und scamna wurden dann, soviel zu schliessen ist, den einzelnen Perzipienten, wir wissen nicht in welchem Verfahren, zugewiesen und auf der zu entwerfenden Flurkarte eingezeichnet.

Umfänglicher geben uns die Agrimensoren über das Verfahren bei der Aufmessung und Verteilung des ager per centurias divisus et assignatus, ager limitatus, Auskunft, da diese Form in ihren Augen sowohl die normale als die vollkommenste und im übrigen zufolge ihrer, wie es scheint, fast ausschliesslichen Verwendung durch Cäsar und die Triumvirn bei deren umfassenden Assignationen die praktisch wichtigste war. Dabei wird derart verfahren, dass parallel den zuerst festgelegten beiden Hauptlinien – decumanus und cardo maximus – ein System von decumani und cardines angelegt wird, regelmässig – nicht notwendig – so, dass dazwischen quadratische Parzellen von je 20 actus à 120 Fuss im Geviert, also 400 Quadratactus = 200 jugera, centuriae genannt, entstehen. Dazwischen bleiben die decumani und cardines frei in einer Ausdehnung, welche gewechselt hat, in der Kaiserzeit aber in Italien 8 Fuss betrug.

Je der fünfte cardo und decumanus, der quintarius, bleibt als actuarius in grösserer Breite – in der Kaiserzeit meist 12 Fuss – offen; das von diesen actuarii eingeschlossene Land, 25 centariae, heisst technisch in der Kaiserzeit saltus6; noch grösser ist die Breite des cardo und decumanus maximus. Die letzteren beiden und die quintarii sind öffentliche Wege und dürfen nicht occupiert werden, die übrigen limites sind entweder blosse linearii, also Linien ohne jede Breitenausdehnung, oder sie sind doch nur subruncivi, Vicinalwege, für deren Aufrechterhaltung die öffentliche Gewalt nicht sorgte. Mit dieser Aufmessung wird fortgefahren, soweit Areal zur Verfügung steht und Bedürfnis nach Landlosen vorliegt. An den äusseren Grenzen der Flur bleiben zwischen der Flurgrenze und den rektangulären Grenzen der zuäusserst liegenden Quadrate Schnitzel, subsiciva, und, wenn das verfügbare Land den Bedarf stark übersteigt, umfangreichere Ackerpartien – ager extra clusus – übrig. Die entstandenen centuriae werden sodann an den Ecken versteint und demnächst die Flur kartiert. Auf der Flurkarte – forma – werden die gezogenen limites und die äussere Grenze der Flur eingezeichnet, so dass auch der ager extra clusus und die an den Rändern entstehenden subsiciva zur kartographischen Darstellung gelangen7. Werden gewisse Grundbesitzungen von der Assignation ausdrücklich ausgenommen – loca excepta und relicta –, so werden auch deren Grenzen eingezeichnet8, desgleichen bei sorgfältiger Kartierung auch dasjenige Land, welches innerhalb der Centurien überschüssig bleibt und ebenfalls subsiciva genannt wird9.

Alsdann beginnt die Verteilung unter die an der Assignation Beteiligten, deren Verlauf in späterer Zeit Hygin (De condic. agr. p. 117) schildert. Es werden auf dem Acker sortes für je zehn Ansiedler und aus den Ansiedlern durch das Los decuriae gebildet, zunächst dann jeder decuria eine sors und sodann innerhalb derselben jedem Ansiedler sein Landlos – accepta – zugelost. Oder es werden – dies Verfahren kommt bei Veteranenansiedelungen vor, wo in der Kaiserzeit anscheinend regelmässig pro Veteran ein Drittel einer Centurie als Los gegeben wurde – je drei Ansiedler in jede Centurie eingelost und diesen die Absteckung ihrer Lose überlassen.10

Zur rechtlichen Perfektion gelangt das Geschäft alsdann durch die Notierung der Ansiedler auf der Flurkarte. Ihre Namen werden in diejenigen Centurien, in welchen sie Land erhalten haben, hineingeschrieben und bei dem Namen der modus – in jugera – vermerkt, sowie auch anscheinend in der Regel, von welcher Kulturart – species – (Acker, Wald, Wiese) der betreffende Boden ist. Diese Notierung heisst technisch adsignatio. Die Centurien werden dabei, ebenso wie die termini an ihren Ecken, in der Art bezeichnet, dass der Beschauer auf dem Schnittpunkt des cardo und decumanus maximus gegen Osten gerichtet steht und nun die cardines und decumani nach rechts und links bezw. vor- und rückwärts gezählt werden. Die Centurie wird dann danach bezeichnet, rechts bezw. links vom wievielsten decumanus und jenseits (nach vorwärts zu) oder diesseits (nach rückwärts zu) vom wievielsten cardo sie gelegen ist11.

Anders musste naturgemäss die Verteilung vor sich gehen, wenn unter den Perzipienten sich bisherige Bewohner des Besiedelungsareals befanden und nicht – wie es anscheinend bei Antium, dem ältesten bekannten derartigen Fall, geschah – einfach zu gleichem Recht unter die Neusiedler eingestellt, sondern nach Verhältnis ihres Besitzes beteiligt werden sollten. Alsdann musste eine Feststellung dieses Besitzes auf Grund ihrer professio vorausgehen. Derselben gemäss konnten sie dann entweder im Besitz ihrer Grundstücke einfach belassen, dieselben also nicht in die Teilungsmasse eingeworfen werden: in diesem Fall wurde auf der forma zu der Jugerazahl ihres...

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