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Die Verwaltung und das Verwaltungshandeln. Demokratisierung des Verwaltungsverfahrens und frühe Öffentlichkeitsbeteiligung - Aarhus-Konvention

AutorSiegfried Schwab
VerlagGRIN Verlag
Erscheinungsjahr2014
Seitenanzahl77 Seiten
ISBN9783656730637
FormatePUB/PDF
Kopierschutzkein Kopierschutz/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis24,99 EUR
Forschungsarbeit aus dem Jahr 2014 im Fachbereich Jura - Öffentliches Recht / VerwaltungsR, Note: 1,0, Duale Hochschule Baden-Württemberg Mannheim, früher: Berufsakademie Mannheim (Forschungsinstitut (FOI)), Sprache: Deutsch, Abstract: Mitwirkungsoffenes Verwaltungshandeln gibt dem Bürger ein Stück persönlichkeitsbildender Selbstbestimmung zurück. Die analytisch kommunikative Verwaltung steht den Bürgern in liberalisierten Netzen in neuen Kooperation und Netzstrukturen gegenüber. Die Verwaltung ist konstitutiv nur der Verfassung unterstellt, so dass es keinen rechtsfreien Raum geben kann, Art. 1 Abs. 1 S. 2, Abs. 3, 20 Abs. 3 GG. Eine rechtsfreie Exekutive ist nach dem GG nicht denkbar. Kompetenzen müssen der Verwaltung von der Rechtsordnung ausdrücklich eingeräumt werden. Ansonsten sind die Kompetenzen der Verwaltung (ausdrücklich) beschränkt. Unter der normativen Geltung des GG gibt es keine außerrechtliche Staatszwecklehre, die innerrechtliche Befugnisse eröffnet. Das Recht ist Steuerungsmedium, es ist aber vor allem eine materielle Ordnung. Seine Bedeutung darf deshalb nicht auf eine Instrumentalfunktion beschränkt werden. Die grundgesetzliche Ordnung baut auf das Recht und ist auf Recht angewiesen. Die Rechtlichkeit, Rechtmäßigkeit oder Unwirksamkeit des Verwaltungshandelns bestimmt sich aus der administrativen Handlungsperspektive und sekundär aus der richterlichen Kontrollperspektive. Das Verwaltungshandeln ist rechtsstaatlich und demokratisch zu ordnen. Die Verwaltung hat nicht allein Recht zu vollziehen, sondern Leistungen zu erbringen. Dabei muss sie das Wirtschaftlichkeitsprinzip beachten. Die Öffentlichkeit ist ein Netzwerk für die Kommunikation von Inhalten, Stellungnahmen und Meinungen' Die öffentliche Kommunikation wird von wirtschaftlichen und sozialen Privatinteressen beherrscht. Das Recht kann normative Grund- und Rahmenbedingungen vorgeben und gestalten, um die Fairness des Verhandlungsprozesses und die Ausgewogenheit des Ergebnisses sicherzustellen. Es darf aber den notwendigen Kommunikationsprozessen nicht die Offenheit und Flexibilität rauben. Der frühen Öffentlichkeitsbeteiligung unterliegen alle Vorhaben, die nicht nur unwesentliche Auswirkungen auf die Belange einer größeren Zahl von Dritten haben können. Vorhaben im Sinne des § 25 Abs. 3 VwVfG sind nicht nur planfeststellungspflichtige Vorhaben, sondern Ergebnisse von Verwaltungsverfahren, die sich in einer Veränderung der Gestaltung und/oder Nutzung des Raumes niederschlagen. Das können Verkehrsprojekte, andere Infrastrukturvorhaben, aber auch immissionsschutzrechtlich genehmigungsbedürftige, ortsfeste Anlagen sein. Unerheblich ist, ob es sich um einen öffentlichen oder privaten Vorhabenträger handelt.

Zum Andenken an meinen Vater, der leider im Juli 2015 verstorben ist, wird sein Profil aufrecht erhalten und weiter geführt. Wir freuen uns, wenn Sie von seinen Büchern Gebrauch machen. Silke Schwab

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Leseprobe

Das Verwaltungsverfahren[60]/[61] – verfahrensrechtliche Bedeutung und Funktion[62]/[63]


 

Die Entscheidungsorientierung in einem System, das geordnet Informationen und berührte, beeinträchtigte Interessen in rechtmäßigen Verfahren verarbeitet und in geordnetes Verwaltungshandeln umsetzt[64] und in typisierten Handlungsformen äußert, kennzeichnet die öffentliche Verwaltung.[65] Informationen sind der Sauerstoff der Demokratie. Als Grundlage der Meinungsbildung vermitteln Informationen dynamisch wirkungsvolles Orientierungswissen über die Realität. Auf ihren Zirkulationsprozess[66] wirkt der Staat als Informationsmittler in vielen Bereichen seiner Aufgabenwahrnehmung dauerhaft ein. Er beschränkt sich dabei nicht auf politische Aufklärung, Unterrichtung oder Berichterstattung als Teil seiner allgemeinen Öffentlichkeitsarbeit: So rasant wie die Welt der Medien, so schnell und nachhaltig wandelt sich im digitalen Zeitalter auch das staatliche Informationshandeln.

 

Das Verwaltungsverfahren[67]/[68] hat nicht nur dienende Funktion[69] für das materielle Verwaltungsrecht.[70]/[71] Das Verwaltungsverfahren ist der Verwirklichungsmodus abstrakter gesetzlicher Regelungen, die im Einzelfall konkretisierend umgesetzt werden müssen. Ziel des Verwaltungsverfahrens ist die Verwirklichung der Verwaltungsrechtsnormen. Das Handeln der Verwaltung soll rechtmäßig ("rechtens"), zweckmäßig (bei Handlungsspielraum der Verwaltung; arg. aus § 68 Abs. 1 S. 1 VwGO - dieser ordnet die Nachprüfung der Zweckmäßigkeit an) und vollständig sein. Rechtsstaatliche Handlungsmaßstäbe für die Verwaltung bzw. das Verwaltungshandeln: Grundsatz der Rechtssicherheit, der Einzelfallgerechtigkeit, des Vertrauensschutzes[72] und das Untermaß-[73] und Übermaßverbot. Rechtssicherheit und Vertrauensschutz[74] stehen bei der Selbstbindung der Verwaltung durch eine ständige, gleichförmige Verwaltungspraxis im Vordergrund. Als subjektive Einstellung zur Umwelt bringt Vertrauen das Gefühl der Sicherheit. Vertrauen ist eine positive und lebensbejahende Einstellung. Im menschlichen Zusammenleben setzt Vertrauen eine Beziehung zu einem Gegenüber voraus. Vertrauen ist Glaube an Kontinuität. Vertrauen lebt aus dem Vergangenen, ist aber in die Zukunft gerichtet.[75] Vertrauen und Kontinuität sind Begriffe, die den Wert und die Identität der mitmenschlichen Beziehungen prägen. Vertrauen ist ein dynamischer Prozess, der sich in verschiedenen Phasen der Entwicklung der sozialen Beziehungen vollzieht. Vertrauen in das Recht wird objektiviert im Sinne von Berechenbarkeit und Stetigkeit, gesicherter Position, von Kontinuität i. S. von Bewahrung des Bestehenden und Fortentwicklung des Erreichten.[76]

 

Im freiheitlichen Verfassungsstaat geht es um die Verlässlichkeit und Berechenbarkeit staatlichen Handelns als notwendige Voraussetzung menschlicher Planung. Das Verwaltungsverfahren fördert die behördliche Entscheidungsfindung, [77]/[78] ermöglicht eine effektive und effiziente Aufgabenerfüllung[79] und gewährleistet einen effektiven Rechtsschutz[80] des Betroffenen.[81]/[82] Für die öffentliche Verwaltung gilt der Grundsatz der Verwaltungseffizienz im Sinn einer angemessenen Zweck-Mittel-Relation - mit minimalen (geringstmöglichen) Mitteln bestmöglich einen Zweck zu erreichen. Für einen demokratischen und sozialen Rechtsstaat zielt die Effizienz darüber hinaus auf eine bestmögliche Verwirklichung rechtsstaatlicher, sozialer und demokratischer Prinzipien und Grundsätze. Dieser Grundsatz ist ein aus Art. 20 Abs. 2, 83 ff. GG herzuleitendes Verfassungsprinzip, das wiederum andere Verfahrensrechte und -prinzipien einschränken kann. Der Grundsatz der effizienten Verfahrensgestaltung[83] hat in einige Vorschriften des Verwaltungsverfahrensgesetzes Niederschlag gefunden: §§ 10, 13 Abs. 2 S. 2; §§ 15 bis 19, § 28 Abs. 2, § 29 Abs. 2, § 39 Abs. 2 bis hin zu § 74 Abs. 5. Auch Heilungs- und Unwirksamkeitsvorschriften bzw. Kontrollbegrenzungen wie §§ 45, 46 VwVfG[84], § 44 a VwGO gehören dazu. Soweit der Grundsatz der Zweckmäßigkeit angesprochen wird, ist damit zwar häufig nicht die Verfahrensgestaltung, sondern nur das Ergebnis einer Ermessensentscheidung angesprochen. Die Bedeutung effektiver Verfahrensgestaltung[85] durch einen effektiven Gebrauch des Verfahrensermessens wird anerkannt. Durch Einräumung eines Auswahlermessens soll die Behörde insbesondere die Möglichkeit erhalten, den Verwaltungsaufwand zu berücksichtigen, den eine bestimmte Verfahrensweise hervorruft. Demgemäß ist der zu erwartende Arbeitsaufwand in Verhältnis zu der personellen und sächlichen Ausstattung der Behörde und ihrer aktuellen Arbeitsbelastung zu setzen. Die Vorschriften des VwVfG, die der Automation zunehmend Rechnung tragen, sind vom Effektivitätsgrundsatzgeprägt: § 28 Abs. 2 Nr. 4, § 37 Abs. 4, § 39 Abs. 2 Nr. 3 VwVfG. Welche Mittel zu welchem Zweck effizient einzusetzen sind, lässt sich nicht abstrakt und generell sagen. Begriffe wie Beschleunigung, Vereinfachung, Praktikabilität, Flexibilität, Verfahrensökonomie sollen Anforderungen an das Verwaltungsverfahren als Mittel zur Zweckerreichung beschreiben. Sie sind jedoch häufig konkretisierungsfähige und -bedürftige Leerformeln[86]. Gelegentlich kennzeichnen sie den „betriebswirtschaftlichen“ Aspekt der Effizienz (zu Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit). Sie bringen selten eine Lösung anstehender materieller Probleme, die die Länge des Verfahrens verursachen und lassen die weiteren von jeder staatlichen Verwaltung zu beachtende Zielvorstellung außer Acht. Eine umfassende, frühzeitige Bürgerbeteiligung, die zu größerer Akzeptanz[87] des Vorhabens führt, kann effektiv sein, selbst wenn dadurch das Vorhaben verzögert wird. Eine Beschleunigung, die die gesamte Sachverhaltsermittlung aus dem Verwaltungsverfahren in ein sich anschließendes Gerichtsverfahren verlagert, ist nicht effektiver, jedenfalls nicht einfacher oder schneller.

 

Verwaltungseffizienz ist zum einen ein formales, organisatorisches Prinzip, dessen Verwirklichung nicht durch gerichtliche Kontrolle, sondern durch den Rechnungshof zu überprüfen ist. Unmittelbare Auswirkungen auf das Verfahrensrechtsverhältnis gewinnt es, wenn die Verwirklichung verfassungsrechtlicher Prinzipien angesprochen ist oder wenn das Verwaltungsverfahrensgesetz dazu Veranlassung bietet. Ansatzpunkte dazu sind etwa z. B. §§ 10 S. 2, 24 Abs. 3 VwVfG.

 

Schließlich sichert das Verwaltungsverfahren die demokratische Legitimation der Rechtsverwirklichung.[88]/[89] Die Bedeutung des Verwaltungsverfahrens für die rechtsstaatliche Verwirklichung des Rechts[90] ist umso größer, je geringer die Steuerungskraft materiell rechtlicher Normen ausgeprägt ist. Es garantiert nicht die Richtigkeit der Entscheidung, gemessen am Maßstab der Rechtmäßigkeit und Zweckmäßigkeit. Recht- und Zweckmäßigkeit schließen sich als Funktion des Verwaltungsverfahrens nicht kontradiktorisch (»widersprechend«) aus. Wegen der rechtsstaatlichen Bindung der Verwaltung an Recht und Gesetz und dem korrespondierenden Vorrang der Verfassung und der materiellen Gesetze sind Zweckmäßigkeitsbetrachtungen subsidiär. Rechtmäßigkeitskriterien haben für das verfahrensrechtliche Handeln der Verwaltung und in Vorwirkung auf die sich anschließende gerichtliche Kontrolle Vorrang. Die Rechtsnormen geben die Orientierung vor, auf viele Fragen aber keine oder nur vage, generalklauselartig formulierte Antworten; sie erweisen sich als zu spröde. Sie sind mit Leerformeln und Formelkompromissen übersät, so dass insbesondere der richterlichen Auslegung und Anwendung des Rechts normkonkretisierende Wirkung zukommt.

 

Um richtig entscheiden („verwalten“) zu können, muss die Verwaltung sachkundig informiert sein. Nach § 24 Abs. 1 VwVfG ermittelt die zuständige Behörde den Sachverhalt von Amts wegen, ohne an das Vorbringen des Beteiligten oder dessen Beweisanträge gebunden zu sein.

 

Das Verwaltungshandeln[91] muss sich darüber hinaus an rechtlichen[92] und außerrechtlichen Maßstäben orientieren. Es muss einfach und zweckmäßig gestaltet, die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit beachten, vgl. § 6 Abs. 1 HGrG und § 7 Abs. 1 BHO[93]; Art. 274 Abs. 1 EGV. Dies schließt die Prüfung ein, inwieweit staatliche Aufgaben oder öffentlichen Zwecken dienende wirtschaftliche Tätigkeiten durch Ausgliederung und Entstaatlichung oder Privatisierung erfüllt werden können. Der Wirtschaftlichkeitsbegriff ist nicht nur in seinen beiden Bestandteilen, dem Maximal- und dem Minimalprinzip zu beachten, sondern verlangt darüber hinaus, die positive Differenz...

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