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E-Book

Die Westliche Insel

AutorRobin Flower
VerlagBooks on Demand
Erscheinungsjahr2018
Seitenanzahl192 Seiten
ISBN9783752881127
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis5,49 EUR
Hineingenommen in eine Fahrt mit dem damals noch existenten Bummelzug bis Dingle, an der äußersten Westküste Irlands, fahren wir unter Anleitung Robin Fowers in eine gälischsprachige Welt und landen schließlich in Dunquin, dem letzten Festlandsort vor der Insel Great Blasket. Mit dem Leinentuchkanu geht es dann auf die Insel und Flower trifft den Dichter Tomás Ó Crohan, den er von früheren Aufenthalten kennt, dessen Inselbuch Annemarie und Heinrich Böll unter dem Titel "Die Boote fahren nicht mehr aus" ins Deutsche übersetzt haben. Nun ist er zu Hause und kann uns seine Insel zeigen: Die Topographie, die Spuren vorzeitlicher Bewohner, die Bewohner selbst in ihrem Gemeinschaftsleben, die Kärglichkeit ihrer Häuser, der dem Boden abgetrotzte Ackerbau, die Fährnisse der Fischerei; dazwischen immer wieder eingestreut: Geschichten, Sagen und Legenden - dem Geschichtenerzähler selbst abgelauscht; ebenso Flowers eigene Poesie, mit Gedichten, deren ursprüngliches Empfinden bezaubert. Höhepunkt dieser Reise ist ein Besuch auf der abgelegensten und geheimnisvollsten Insel des Blasket-Archipels: Inishvickillane - wo einst die weltberühmte "Fairies Music" entstand, von Seamus Heaney im Gedicht "The Given Note" gewürdigt. Die Reise endet mit einer klaren Sternennacht, in der Flower sich Gedanken über das Existenzrecht von "Fairies" macht, inmitten einer nur noch rationalistisch denkenden Welt.

Robin Flower (1881 - 1946) war ein englischer Gelehrter und Dichter mit irischen familiären Wurzeln. Als Archivar im Londoner British Museum betreute und katalogisierte er die alten irischen Manuskripte. Nachdem er im Rahmen seiner irischen Sprachstudien 1910 die "Westliche Insel" Great Blasket zum ersten Mal besucht hatte, ließ ihn die Begegnung mit den Menschen dort, ihrem "reinen" Gälisch und der noch lebendigen Geschichtenerzählertradition, nicht mehr los: Immer wieder besuchte er mit seiner Familie die Insel und mutierte allmählich selbst zum "Insulaner". Von den Einheimischen wurde er als "Dr. Blaheen" ("Blümchen") verehrt. Das Werk Glowers, zu dem Gedichtbände und die Aufsatzsammlung "The Irish Tradition" gehören, findet mit "The Western Island" seinen Abschluss und seine Krönung. Es ist - wie er selbst sagte - "sein Vermächtnis an die Bewohner der Blasketinseln" und ein Destillat seiner Beobachtungen und Erfahrungen auf der Insel. Flower vollendete das Buch erst kurz vor dem Jahre 1945, kurz vor seinem Tod. Auf seinen Wunsch hin wurde danach seine Asche von einer Klippe der Insel in den Ozean versenkt.

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Leseprobe

DIE STRAßE ZUR INSEL


Als der Zug die Grafschaft Cork verlässt, in die Grafschaft Kerry einbiegt und immer weiter und weiter nach Westen rollt, verändert sich die Landschaft und bekommt einen immer unfruchtbareren Charakter. Die Wälder, Felder und das üppige Grün der Wasserwiesen, die sich um den großen Blackwater-Fluß versammeln, sind bald nur noch schwache Erinnerung. Die Hügel fangen an, sich an den Horizont zu drängen und lange melancholische Abschnitte von Sumpfland sind zuletzt Vorder- und Mittelgrund zugleich. Wir verlassen Killarney, welches seine Seen und Wälder vor dem Reisenden verbirgt wie ein reicher Mann seine Kostbarkeiten vor dem zufälligen Wandersmann und kommen schließlich nach Tralee, die letzte Station auf der Bahnlinie nach Westen und das Tor zum wilden Hochland der Halbinsel Dingle. Ich habe alte Leute auf Blasket über einen Besuch in Tralee sprechen hören wie ein Mann der Highlands über Glasgow oder ein Bauer aus Warwickshire über London spricht. Dingle ist ihre vertraute Heimatstadt, aber Tralee ist jenseits des Horizontes, ein Platz von selten gesehenen Wundern – das Gerichtsgebäude mit seinen nun herrenlosen Gewehren aus alten Kriegen, Donovans Mühlen, und der große Marktplatz, wo man immer noch die Ballettsänger hören kann, mit dem Tremolo ihrer nicht enden wollenden Lieder, in rauer Begleitung der Herde.2

Zum kleinen Bahnhof der Bahnlinie nach Dingle kommen die Leute vom Lande am Ende eines Markttages mit seinen kunterbunten Einkäufen. Man vergisst London und Dublin, alle Städte der Erde, und mit gälischen Gesichtern und gälischen Stimmen um einen herum steht man am Eingangstor einer älteren und einfacheren Welt. Und wenn die letzte alte Frau mit ihrem letzten Bündel sicher aufgestiegen ist, dann fährt der Zug langsam aus dem winzigen Bahnhof heraus und trödelt zwischen Bergen und Meer zur Abzweigung nach Castlegregory. Dort schüttet er ein Zehntel seiner Passagiere aus und nimmt Richtung auf die Berge.

Nach und nach, vorbei an sich ausstreckenden Tälern, über Brücken, die sich über reißende Bergströme spannen, an der steilen Seite von Heidehügeln, vollbringt der Zug den Aufstieg zum Pass und lässt den langen Bogen der Bucht von Tralee hinter sich und die schattigen Höhen jenseits davon. Man fährt an Gleann na nGealt vorbei, wo Suibhne Geilt und all das verrückte Volk von Irland hinkamen, auf den leichten Schwingen ihres zerstörten Verstandes fliegend. Und vorbei geht es an dem Gleann an Scáil, wo Cúchulainn und der Riese sich gegenseitig mit großen Felsen bewarfen, welche, sich in der Mitte treffend, in zahllose Stücke zerbarsten im darunter liegenden Tal. Die Bucht von Dingle kommt in Sicht und der Platz, wo Aogán Ó Rathaille schlaflos der schlaflosen Welle von Duibhneacha lauschte.3 In diesem Gebiet ist er immer noch ein Dichter, dessen man sich erinnert. Es gibt eine Geschichte über ihn, erzählt auf den Inseln, der ich nirgendwo sonst begegnet bin. Mit einem Freund wurde er von der Dunkelheit überrascht, erzählt die Sage, an einer einsamen Stelle in den Bergen. Und als sie ein Haus sahen, sagte er, sie wollten die Nacht hier verbringen.

»Hier können wir nicht bleiben«, sagte der Freund.

»Und warum nicht?« sagte Aogán.

»Weil«, sagte der andere, »der Mann des Hauses ein Geizhals ist und keinen Mann jemals dort übernachten ließ.«

»Wir werden reingehen«, sagte Aogán, »nichtsdestotrotz.«

Sie gingen hinein und der sagte noch nicht so viel wie »Setzt euch« oder »Hinaus mit euch«.

Aogán setzte sich zum Feuer und sein Freund neben ihn.

»Nun, war es nicht eine merkwürdige Sache, die die Krähe zu mir gesagt hat?« sagte Aogán.

»Sicher ist: die Krähe hat bisher noch gar nichts gesagt«, sagte der Mann des Hauses.

»Aber ja, das hat sie getan«, sagte Aogán. »Hat sie nicht gesagt: Aogán, Aogán, Aogán Ó Rathaille!«

»Bist du Aogán Ó Rathaille?« sagte der Mann und sprang aus seiner Ecke auf. »Hunderttausend Willkommensgrüße an Dich und bleibe hier drinnen, bis es Tag wird.«

Zuletzt fährt der Zug mit seiner immer kleiner gewordenen Besetzung in den Bahnhof von Dingle ein. Und wenn man ein Auto nimmt, holpert man die schmutzige Straße entlang, die vom Kai über die Brücke und hinaus in das offene Land führt. Es ist eine 10-Meilen-Fahrt nach Dunquin, ob man den Rundweg über Slea Head nimmt oder über den Bergpass zwischen Sliabh an Iolair und Cruach Mhárthain fährt, und im Fahren nimmt die Unfruchtbarkeit des Landes zu. In Baile an Ghóilín ist ein Gehölz, rund um das Haus, das einst Lord Ventry gehörte. Sieh es dir gut an, denn du wirst keine Bäume mehr sehen, außer einigen allein stehenden Eschen und Stechapfelbäumen, bis du den Weg wieder zurück fährst. Alles andere ist nacktes Feld und dunkler Morast, gestirnt hier und da mit schneeweichem Wollgras oder in Glanz getaucht durch das verschwenderische Gold des Ragwurzes. An den Bergabhängen breiten sich verkümmerte Ginsterbüsche in gelben Massen zwischen dem Violett der Heide aus. Und hier und da hängen am Rande der Straße die Fuchsien ihre wächsernen Leuchter aus, merkwürdig künstlich anzusehen in dieser wilden Landschaft, wie der unangemessene Staat eines Landmädchens, den sie am Festtage angezogen hat. Möwen fliegen und schreien über den Sümpfen und hier und da gleitet träge ein Reiher oder einfüßige Barsche schwimmen in einem seichten Bach.

Über die Bucht hinweg ziehen die Hügel von Íbh Ráthach eine zerklüftete Linie in den Himmel und auf der anderen Seite erhebt sich das Land bis zum riesigen Umriss des Mount Brandon, mit nichts hinter sich als Wolken und blauer Luft. Das Auto rattert durch Ventry, einer Reihe von Häusern, die hinter dem Long Strand liegen, wo jetzt Pferderennen abgehalten werden, wo aber in alten Sagen der ländlichen Überlieferung Fionn und die Fenier immer noch ihre ungleichen Schlachten gegen Dáire Donn und die Heere der Welt schlagen.

Außerhalb von Ventry beginnt der Anstieg und die Straße klettert zwischen dem flachen Tafelland von Sliabh an Iolair und dem spitzen Bergkamm von Cruach Mhártain, der auf seinem Gipfel einen druidischen Steinkreis hat – a leaba Dhiarmada agus Gráinne – wo nichts desto weniger die fliegenden Liebenden niemals ruhten, nur Diarmaid, sagt die Legende, hielt hier Wacht für Fionn über den Hafen von Dingle. An der Seite der Straße verläuft eine tiefe und breite Rinne, in welche, wie man erzählt, einst ein Trunkenbold mit seinem Eselskarren fiel und dort, Mann und Esel, eine Woche tot lagen, bis man sie fand. Mit dieser Sage im Sinn fuhr ich einst über diesen Pass bei einbrechender Dunkelheit mit einem betrunkenen Fahrer und einem Mädchen, das Gebete stammelte, und ich dachte, der arme Trunkenbold bewege sich unruhig in seinem Schlaf, in Erwartung von Gesellschaft für seine Einsamkeit.

Von der Spitze des Passes schaut man zurück und sieht, wie sich weit hinter einem eine Welt aus Sumpf, Gebirge und Meer erstreckt. Über diesen Pass erzählen die Insulaner eine Sage, so auch in ganz Irland bekannt, von der Frau, die noch nie von zu Hause fort gekommen war und bei ihrer ersten Unternehmung dieser Art zum Pass kam und in die sich ausbreitende Landschaft hinein rief: »Was für ein weiter und beschwerlicher Ort ist doch dieses Irland!« Und erschrocken über die Weite der enthüllten Welt, kehrte sie für immer um auf ihre gemütliche und vertraute Insel.

Ein bisschen weiter die Straße entlang wird man von der gegenüberliegenden Aussicht überwältigt – das Meer und die Inseln und der weite Horizont des Atlantiks. Unten ist Dunquin, weiße verblasste Häuser hier und da und das Muster der Felder am Rande der Hügel. Dann bricht die Klippe zum Meer hin ab und drei Meilen draußen liegen die Inseln. Sie sind die Hügelspitzen, die von ihren Festlandsbrüdern abgesondert wurden und wenn man sie so von oben sieht, könnte man sie für Seeungeheuer aus einer altertümlichen Welt halten, die lustlos ihre von der Zeit zerfressenen Rücken erheben, über den ruhelosen und flüchtigen Wellen. Am nächsten zu uns steht Beiginis, eine kleine flache Insel mit gutem Gras, mit einer Tochterinsel, Oileán na nÓg, die unterhalb ihrer Flanke liegt. Dahinter Great Blasket, An t-Oileán Mór, die große Insel, die sich zu ihrem hohen zentralen Hügel erhebt und die Ansicht der kleineren Inseln Inis na Bró und Inisicíleáin abschirmt. Rechts ist die Nordinsel, Inis Tuaisceart, die in einer eigenartigen zackigen Klippe ausläuft, welche die Insulaner lebhaft an einen Hahnenkamm...

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