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E-Book

Einflussreiche Frauen

12 Porträts

AutorArmin Strohmeyr
VerlagPiper Verlag
Erscheinungsjahr2014
Seitenanzahl320 Seiten
ISBN9783492962995
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis9,99 EUR
Der Wille zur Macht galt lange als männliches Attribut - obwohl die Geschichte immer auch mächtige und einflussreiche Frauen hervorgebracht hat. Offen oder verdeckt ersannen sie Intrigen, entledigten sich ihrer Widersacher und führten militärische und diplomatische Feldzüge. Mit fesselnden Biografien einflussreicher Strateginnen wie Madame de Pompadour, Lucrezia Borgia, Clara Zetkin, Margaret Thatcher oder Angela Merkel. 

Armin Strohmeyr ist promovierter Germanist und Autor viel beachteter Biografien, Porträtsammlungen und Romane. Sein Buch »Verkannte Pioniere« wurde von der Zeitschrift DAMALS beim Wettbewerb »Historisches Buch des Jahres« mit dem 3. Platz prämiert und stand auf der Shortlist »Wissenschaftsbuch des Jahres« des Österreichischen Bundesministeriums für Wissenschaft und Forschung. Zuletzt erschienen bei Piper »Annette Kolb. Dichterin zwischen den Völkern«, »Weltensammlerinnen. Spektakuläre Reiseabenteuer mutiger Frauen«, »Dichterkinder. Liebe Verrat und Drama - der Kreis um Klaus und Erika Mann«, »Große Philosophinnen. Wie ihr Denken die Welt prägte« und »?Wir sind unser sechs?. Die Geschichte der Geschwister Mann«. Armin Strohmeyr ist Mitglied des PEN-Zentrums Deutschland. www.armin-strohmeyr.de

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Leseprobe

1 Adelheid (931–999)


Königin, Kaiserin, Heilige


Im Jahre 951 erregt das Schicksal einer außergewöhnlichen Frau die Gemüter im Abendland. Zwar verfügt die damalige Welt noch nicht über eine schnelle Nachrichtenübermittlung wie heute, aber die Ereignisse dieses Jahres beschäftigen die Chronisten noch lange.

Markgraf Berengar von Ivrea hat die neunzehnjährige Adelheid, die junge und überaus schöne und gebildete, verwitwete Königin der Lombardei, gefangen genommen und sie zusammen mit einer Zofe und einem Kaplan in einer Burg oberhalb des Gardasees in einen verliesartigen Raum gesperrt. Damit will er die widerspenstige Königin brechen und sich selbst und seine Frau Willa zu König und Königin des lombardischen Italien machen. Die Berichte der damaligen Chronisten schmücken diese Geschichte zum Teil parteiisch und phantasievoll aus, doch sind sich alle über die Schändlichkeit des an Adelheid begangenen Unrechts einig. Abt Odilo von Cluny etwa, der Adelheid persönlich gut kennt und nach ihrem Tod eine kurze Lebensbeschreibung über sie verfassen wird, berichtet: »Sie wurde durch vielfache Quälereien geängstigt, an den Haaren ihres Hauptes gerissen, oft mit Faustschlägen und Fußtritten misshandelt und am Ende in einen dunklen Kerker mit einer einzigen Dienerin eingeschlossen.«

Vier Monate lang, vom 20. April bis zum 20. August 951, wird das Martyrium der schönen, jungen Witwe, der rechtmäßigen Königin Italiens, dauern. Die Mauern der Burg sind feucht und kalt. Das Essen, das den drei Gefangenen vorgesetzt wird, ist ausreichend, aber kann allenfalls als Fraß bezeichnet werden. Jeglicher Kontakt zur Außenwelt bleibt unterbunden. Und selbst wenn die tiefgläubige Adelheid zum Beten in die Burgkapelle gehen will, darf sie das nur unter strenger Bewachung tun. Die Wärter sind angewiesen, kein Wort mit der Gefangenen zu wechseln, um zu verhindern, dass irgendwelche Nachrichten von draußen zu ihr dringen.

Doch Berengar hat die Schläue und Zähigkeit der Königin unterschätzt. Sie erhält – so wird erzählt – durch einen Boten, der als Maurer auf der Burg eingeschleust worden ist, einen Hinweis. In der Zeichensprache, wie sie Mönche in Schweigezeiten verwenden, bedeutet dieser der Gefangenen, sie solle den Boden ihrer Zelle aufgraben. Ein absurdes Unterfangen, so mag jeder vernünftige Mensch denken. Doch Adelheid versucht das Unmögliche, das Widersinnige, vielleicht aus purer Verzweiflung, vielleicht aber auch in Gottvertrauen. Sie und ihre beiden Mitgefangenen lösen nachts leise die Bodenplatten ihrer Zelle. Darunter entdecken sie lockeres Schuttgestein, das offensichtlich nur eingefüllt wurde. Sie räumen den Schutt weg und stoßen bald auf Löcher und Kavernen, die sich offensichtlich unter der ganzen Burg, ja, dem ganzen Gelände hinziehen. Nacht für Nacht graben sie und füllen mit dem Schutt, den sie mit bloßen Händen wegräumen, andere Kavernen zu. Langsam stoßen sie immer tiefer in das unterirdische Höhlensystem vor. Schließlich, nach etlichen Nächten schwerer Arbeit, können sie den Ausbruch wagen: Sie verlassen unterirdisch ihre Zelle und das Burggelände und folgen einem langen Gang, auf den sie gestoßen sind. Schließlich gelangen sie ins Freie und erkennen freudig: Sie sind außerhalb der Burgmauern. Im Schutze der Dunkelheit ergreifen sie die Flucht, schlagen sich durch Gestrüpp und hohe Getreidefelder. Als am Morgen des 20. August die Wachen die Flucht bemerken, sind Adelheid und ihre Begleiter noch nicht sehr weit gekommen. Noch immer sind sie in Sichtweite der Burg. Doch das ist ihr Glück. Denn der Burgherr vermutet die Flüchtige schon weiter und lässt die fernere Umgebung nach ihnen durchforsten. Die Ausreißer verbringen den Tag in einem dichten Gestrüpp. In der folgenden Nacht machen sie sich erneut auf den Weg. Im Schutze der Dunkelheit fliehen sie Richtung Süden.

Doch Berengars Schergen haben einen Hinweis erhalten. Einmal verstecken sich Adelheid und eine ihrer Begleiterinnen in einem Getreidefeld, da tauchen überraschend Reiter auf. Mit Lanzen durchkämmen sie das Gelände. Die Flüchtigen werfen sich auf die Erde, zitternd vor Angst. Doch wie durch ein Wunder gehen die Lanzenstöße knapp an ihnen vorbei, die Reiter verschwinden, ohne sie zu entdecken. Schließlich erreichen die Flüchtigen Reggio, den Sitz Bischof Adalhards. Er steht auf Seiten Adelheids. Als sich die Kunde vom Auftauchen der rechtmäßigen Königin verbreitet, eilt er ihr entgegen. Mit allen Ehren empfängt er die Königin vor der Stadt und geleitet sie in seinen Bischofspalast. Doch auch in Reggio sind sie nicht sicher. Schon rüstet Berengar seine Truppen, um Reggio zu belagern. Adelheid muss weiter. Der Bischof empfiehlt ihr die Burg Canossa. Auf Pferden geht die Flucht weiter. Nach zwei Tagen erreichen sie Canossa und werden vom Burgherrn Atto und seiner Frau Ildegarda empfangen. Die Burg gilt als uneinnehmbar. Endlich kann Adelheid aufatmen. Sie hat ihr nacktes Leben gerettet. Aber ihr politisches Schicksal ist nach wie vor offen. Berengar hält sich mit Gewalt an der Macht. Er scheint in Italien unanfechtbar zu sein …

»Ein strahlendes Bild wahrhaft königlicher Schönheit«


Adelheid wird am 27. Juni 931 als Tochter des burgundischen Königs Rudolf II. und Bertas, die wiederum dem schwäbischen Herzoghaus entstammt, geboren. Ihren Namen, der so viel wie »von vornehmem Geschlecht« bedeutet, trägt sie also ganz zu Recht. Bereits als Kind wird Adelheid Lothar, dem Sohn des Königs Hugo von Italien, als Ehefrau versprochen. Hugo war, bevor er mit List und Tücke die Macht in Oberitalien an sich riss, Graf der Provence. Adelheids Vater Rudolf will mit diesem dynastischen Feldzug eine persönliche Schlappe wettmachen: Denn drei Jahre lang hielt er sich als Herrscher über die Lombardei. In einer Schlacht am 17. Juli 923 besiegte er Kaiser Berengar I. von Italien und ließ sich daraufhin in der Hauptstadt der Lombardei, Pavia, durch Akklamation von den Adligen zum König erheben. Berengar entkam in der Schlacht und verschanzte sich in Verona. Doch sein Schicksal war besiegelt: Am 7. April 924 wurde Berengar I. von Verschwörern in seinem Haus überfallen, nach draußen gezerrt und auf den Stufen einer Kirche mit Messerstichen umgebracht. Doch auch Rudolf konnte sich seiner Herrschaft in Italien nicht lange erfreuen: Am 6. Juli 926 wählten die Adligen Hugo, den Grafen der Provence, zu ihrem Herrscher. Rudolf musste sich nach Burgund zurückziehen und sann auf Vergeltung.

Die Geburt Adelheids fünf Jahre später kommt ihm da gerade recht. Was durch Krieg nicht erobert werden kann, soll im Ehebett eingenommen werden. Adelheid, so Rudolfs Wunsch, soll durch Heirat Burgund und Italien aneinanderbinden. Doch der ehrgeizige Rudolf erlebt die Verwirklichung seiner Planspiele nicht. Er stirbt am 13. Juli 937. Adelheid ist zu diesem Zeitpunkt erst sechs Jahre alt.

Überraschend ergreift nun der nicht minder ehrgeizige Hugo die Initiative. Er stattet der jungen Witwe Berta an ihrem burgundischen Hof einen Besuch ab. Berta trägt noch Trauerkleidung, da wirbt Hugo im Herbst 937 um ihre Hand und zugleich für seinen Sohn Lothar um die Hand Adelheids. Eine Doppelhochzeit soll Frieden bringen und die Dynastien aneinanderbinden und mächtig werden lassen. Rasch sind die Konditionen der Heiratskontrakte ausgehandelt. Hugo zeigt sich spendabel: Einundzwanzig Herrenhöfe, vier Abteien und 6640 Bauernhöfe schenkt er seiner zukünftigen Frau und der Schwiegertochter. Am 12. Dezember desselben Jahres heiraten Berta und Hugo in Colombiers am Genfer See. Zugleich wird die Verlobung der sechsjährigen Adelheid mit Lothar gefeiert.

Doch Berta ist klug genug, den amtierenden König von Burgund, ihren noch minderjährigen Sohn Konrad, nicht in den Händen des machtgierigen Hugo zu lassen. Sie veranlasst, dass Konrad nach Deutschland geschickt wird, an den Hof König Ottos. Der hat im Jahr zuvor, 936, die Herrschaft über das damals noch Ostfranken genannte deutsche Königreich übernommen. Der großgewachsene, schöne Mann ist ebenfalls von einem hohen Machtanspruch durchdrungen. Er sieht sich in der Tradition Karls des Großen. Die Vorgänge in Italien und Burgund betrachtet er mit Argwohn und ist gewillt, den Intrigen und Ränken um Berengar und Hugo irgendwann ein Ende zu bereiten, notfalls mit Gewalt.

Der ostfränkische Hof besitzt damals und noch lange Zeit keine Hauptstadt, kein Residenzschloss. Überall im Land befinden sich Pfalzburgen, die im Besitz des Königs sind. Zumindest in der schönen Jahreszeit ist der Hofstaat mit Tross, Kind und Kegel auf Reisen, von einer Pfalzburg zur nächsten, um die einzelnen Länder und Regionen zu besuchen. Vor Ort muss der König präsent sein, um Gericht zu halten, nach dem Rechten zu sehen, Streit zu schlichten, kleinere und größere Aufstände niederzuschlagen, den Bau von Befestigungen, Städten und Straßen zu beaufsichtigen, weltliche und geistliche Herrscher einzusetzen, die Verwaltung und den Handel durch Dekrete auf den Weg zu bringen.

Anders als in Italien, wo die hochstehende Kultur seit der Römerzeit zumindest in adligen und geistlichen Kreisen nahezu ungebrochen fortlebt, gibt sich der ostfränkische Königshof recht schlicht, auch hinsichtlich der Bildung: Otto I. kann lange Zeit nicht schreiben und versteht kein Latein. Bei Verhandlungen mit Äbten und Bischöfen benötigt er daher einen Dolmetscher. In...

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