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Einführung in das deutsche Jugendstrafrecht

AutorDominik Pacelt
VerlagGRIN Verlag
Erscheinungsjahr2007
Seitenanzahl62 Seiten
ISBN9783638628181
FormatPDF/ePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis26,99 EUR
Examensarbeit aus dem Jahr 2006 im Fachbereich Jura - Strafprozessrecht, Kriminologie, Strafvollzug, Note: 9,5, , 48 Quellen im Literaturverzeichnis, Sprache: Deutsch, Abstract: Die strafrechtliche Abteilung des 64. Deutschen Juristentages in Berlin, befasste sich erstmals vom 17.-20.09.2002 seit dem Jahre 1904 mit dem Jugendstrafrecht. Aufgegriffen wurde die zentrale Fragestellung ob das Jugendstrafrecht noch zeitgemäß ist. Im Vordergrund stand die Behandlung eines Entwurfes für ein künftiges Änderungsgesetz zum Jugendgerichtsgesetz. Das Ziel der vorliegenden Arbeit 2006 in Hessen ist eine grundlegende Auseinandersetzung mit dem Jugendstrafrecht.

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Leseprobe

C. Grundphilosophie des deutschen Jugendstrafrechts.

 

Das deutsche Jugendstrafrecht ist ein Sonderstrafrecht für junge Menschen, die sich nach den allgemeinen Regeln des StGB strafbar gemacht haben. Es knüpft mit seinem Eingriffskatalog nach § 5 JGG an eine rechtswidrige Tat des Jugendlichen an und ist eine spezialgesetzliche Ausgestaltung der Rechtsfolgen, die sonst nach dem StGB einschlägig wären. Ziel der speziellen Anwendung ist die spezial- bzw. individualpräventive Erziehung des jungen Rechtsbrechers, um ihn zu einem Leben ohne Straftaten anzuhalten.[26]

 

I. Der Erziehungsgedanke im Jugendstrafrecht.

 

Der Erziehungsgedanke ist ein Ausdruck der Jugendgerichtsbewegung, die sich in dem RJGG von 1923 niederschlug. Zunächst ist der Wandel des Erziehungsbegriffs darzustellen. Ursprünglich, also um die Jahrhundert-wende, verstand man unter Erziehung die Befugnis zum Eingriff in die Lebensverhältnisse des Jugendlichen. Die kriminologische Bedeutung lag in der Entkriminalisierung des Jugendlichen, also in einem „subsidiär-machen-wollen“ von Bestrafung.[27] Durch den im Laufe des Jahrhunderts eingetretenen kulturellen Wandel ist mit Erziehung ein sozial-pädagogischer Prozess gemeint, der den Jugendlichen durch Einwirkung auf seine Persönlichkeit zu normkonformen Verhalten veranlassen soll.[28]

 

Der geschichtliche Erziehungsbegriff beinhaltet einen nachsichtigeren Umgang mit jugendlichen und heranwachsenden Straftätern, weil ihr rechtsbrüchiges Handeln in Erziehungsdefiziten zu sehen ist und geht nach den Bestrebungen von Franz von Liszt und der Marburger Schule mit der Abkehr vom Vergeltungsgrundsatz des Strafrechts einher.[29] Dieser Grundgedanke wird auch in der Form beibehalten, wobei das heutige Verständnis für das kriminelle Handeln Jugendlicher nicht nur auf Erziehungsdefizite zurückzuführen ist, sondern eine entwicklungsbedingte ubiquitäre Auffälligkeit darstellt die mit zunehmenden Alter abnimmt.[30] So sollen also die strafrechtlichen Reaktionsmöglichkeiten auf den Täter angepasst sein. Hierbei spricht man vom Täterstrafrecht bzw. vom Erziehungsstrafrecht, das den Zweck hat, in Abgrenzung zum Erwachsenstrafrecht, keine an der Schuld und dem Unrechtsgehalt der Tat bemessene Strafe zu verhängen, sondern erzieherisch auf den Jugendlichen einzuwirken, um aufgrund einer an seiner Persönlichkeit ausgerichteten Prognose eine spätere Devianz zu vermeiden. Dies soll mit Mitteln bewirkt werden, die rücksichtsvoll an die Entwicklungsphase und an die Problemlage des straffälligen Individuums angepasst sind, also in erster Linie eine geringre Eingriffsintensität als das Erwachsenenstrafrecht aufweisen, um den Entwicklungsprozess des Jugendlichen nicht negativ zu beeinflussen, der durch eine strengere Strafe nach dem allgemeinen Vergeltungsgedanken des StGB zu befürchten wäre.[31]

 

Der Erziehungsgedanke im Jugendstrafrecht ist somit zweideutig zu verstehen, denn er enthält in Form der Maßnahmen die sich im JGG widerspiegeln, sowohl faktisch strafende, also subjektiv Übel zufügende als auch pädagogisch-soziologische Elemente, die in ihrer Gesamtheit darauf ausgelegt sind, den Jugendlichen zu einem Leben ohne Straftaten anzuhalten. Diese Dualität liegt zum einen darin, dort wo es möglich ist den Jugendlichen durch Strafe zu bessern und dort wo es sinnvoll erscheint, auf den jungen Straftäter pädagogisch anleitend einzuwirken und so eine selbstständige Wertebildung zu ermöglichen.[32]

 

Somit sind die dem Erziehungsgedanken zugrunde liegenden Maßnahmen pädagogischer und individualpräventiver Art darauf ausgerichtet, den Jugendlichen oder Heranwachsenden lediglich so zu treffen, dass eine Sozialisation desjenigen möglich ist, also durch einen strafrechtlichen Prozess unter pädagogischen, soziologischen und psychologischen Gesichtspunkten in der Weise einzuwirken, dass eine Wiederholung der Tat ausgeschlossen und verhindert werden kann.[33] Dazu muss der Einzelne angehalten werden selbst bestimmend Recht und Unrecht zu unterscheiden, also verträglich mit gesellschaftlichen Werten und Normen zu leben. Hierzu bedarf es der Anleitung, denn die Wahrnehmung und Auseinandersetzung seines eigenen Verhaltens in Reflektion mit den gesellschaftlichen Werten und Verbotsnormen, ist je nach Tätertyp, verschiedenartig ausgeprägt. Dann muss also auf den jeweiligen Tätertyp, die passende Methode ausgewählt werden, also die, welche die größten Chancen für den Rechtsbrecher aufweist, sich in Zukunft normangepasst zu Verhalten. Danach bedarf es sowohl der Erziehung durch Sühne als auch der Erziehung in Form der Vermittlung von Konfliktlösungs-strategien.[34]

 

II. Verfahrensrechtliche Ausgestaltung.

 

Um dem gerecht zu werden, müssen nicht nur die Rechtsfolgen, die an eine Straftat eines jungen Menschen anknüpfen anders ausfallen, sondern auch der Prozess. Dieser ist an dem Erziehungsgedanken ausgerichtet.[35]

 

Zwar gilt grundsätzlich im Sinne des § 2 JGG auch die StPO als Verfahrensrecht, jedoch sind spezielle Unterschiede im JGG geregelt, die dem Schutz des Jugendlichen dienen. Der Jugendstrafprozess unterscheidet sich beispielsweise in der Gestalt von dem des Erwachsenenstrafrechts, dass bereits bei einer Verfahrenseinstellung nach § 45 II JGG durch die Jugendstaatsanwaltschaft oder durch den Jugendrichter nach § 47 I Nr. 2 JGG der Jugendliche durch erzieherische Ausgestaltung miteinbezogen wird, d.h. das Maßregeln bereits vor einer Verurteilung eingeleitet werden können. Außerdem tritt der Täter im Jugendstrafprozess einem Jugendrichter gegenüber, der eine pädagogische Grundausbildung besitzt und bei einer Verfahrenseinstellung nach § 47 JGG, anders als im Erwachsenenstrafprozess, den Jugendlichen durch ein „Erziehungsgespräch“ ermahnen kann.[36]

 

Weitere Möglichkeiten des Vorverfahrens sind zum Schutz des Jugendlichen vor negativen Einflüssen beschränkt. So sind die Maßnahmen, die nach der StPO verhängt werden können, auch auf Jugendliche anwendbar, jedoch nicht unter dem Gesichtspunkt der weiteren Verhinderung von Straftaten, wie es für die Anordnung der Untersuchungshaft nach § 112 oder 113 StPO der Fall ist, sondern lediglich aus erzieherischen Gründen im Rahmen des § 71 JGG.[37]

 

Weiterhin wird im Jugendstrafprozess die Jugendgerichtshilfe nach § 38 JGG hinzugezogen. Diese soll unter sozialen, erzieherischen und fürsorgerischen Gesichtspunkten die Vertretung dieser Ziele sicherstellen.[38]

 

Für die Hauptverhandlung findet der Erziehungsgedanke seinen Ausschlag beispielsweise  im § 51 JGG. Nach diesem können Beteiligte vom Prozess ausgeschlossen werden, wenn sich durch die Anwesenheit Nachteile für die Erziehung ergeben.[39]

 

III. Die besonderen Maßnahmen des JGG.

 

Als  Ausformung des Erziehungsgedankens kommen im Sinne des § 5 JGG die folgenden Maßnahmen in Betracht, die nach richterlichem Ermessen angewandt werden und auch unter den Voraussetzungen des § 8 JGG  in Verbindung verhängt werden können.[40] Grundsätzlich ergeben sich die Art und der Umfang der dreigliedrigen Sanktionsmöglichkeiten von den Maßregeln, Zuchtmitteln, und der Jugendstrafe aber auch einer informellen Erledigung aus der subsidiären Stellung und der steigenden Eingriffsintensität zueinander, die unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit verhängt werden sollen.[41]

 

1. Anwendbarkeit des JGG.

 

Die Maßnahmen des JGG finden, Bezug nehmend auf den Tatzeitpunkt, Anwendung auf Jugendliche die in dem Alter von 14- 18 Jahren und auf Heranwachsende die im Alter von 18- 21 Jahren im Sinne des § 1 II JGG, eine rechtswidrige Tat nach § 4 JGG begangen haben. Kinder bis zu dem Alter von 14 Jahren sind aufgrund der fehlenden Schuldfähigkeit nach § 19 StGB grundsätzlich straffrei. Allerdings sieht das SGB VIII jugendhilferechtliche Maßnahmen für straffällige Kinder vor.[42]

 

Weiter muss nach § 3 JGG die Schuldfähigkeit des Jugendlichen positiv festgestellt werden. Dabei kommt es auf die Einsichtsfähigkeit bezüglich jeder einzelnen begangenen konkreten Tat an, also ob der Täter in der Lage war das Unrecht dieser einzusehen und sich dementsprechend zu verhalten. Bei Heranwachsenden wird die Einsichtsfähigkeit im Umkehrschluss zu § 105 I JGG gleich dem Erwachsenenstrafrecht widerlegbar vermutet.[43]

 

2. Informelle Reaktionen

 

Da es sich bei der Begehung von Straftaten junger Menschen in der Regel um episodische Verfehlungen handelt, die aufgrund der jugendlichen Neugier und Unbedarftheit entstehen, sind förmliche Sanktionen, die auf die Behebung von Erziehungsdefiziten abzielen oder ahndende...

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