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Hellmuth von Mücke - der Mann der "Emden"

Vom Kriegshelden zum Pazifisten?

AutorUwe Schulte-Varendorff
VerlagBooks on Demand
Erscheinungsjahr2016
Seitenanzahl384 Seiten
ISBN9783741234705
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis8,99 EUR
Hellmuth von Mückes Bekanntheitsgrad erfuhr in jüngster Zeit einen neuen, wenn auch überschaubaren Höhepunkt durch die Verfilmung "Die Männer der Emden". Weltweite Berühmtheit hatte er bereits zu Beginn des Ersten Weltkrieges erlangt. Anlass dafür war sein Kommando über einen Landungstrupp des Kreuzers "Emden", mit dem er sich auf abenteuerlichen Wegen quer über den Indischen Ozean und durch die Arabische Halbinsel bis nach Konstantinopel durchschlug. Dieser Kriegsruhm ist aber nur ein Teil der Lebensgeschichte von Hellmuth von Mücke. Die 1920er Jahre sahen ihn zunächst als überzeugten Nationalsozialisten bevor er sich zum Gegner Adolf Hitlers wandelte. Das brachte ihm während der NS-Herrschaft Drangsalierungen ein, sein Ruhm verhinderte jedoch das Allerschlimmste. Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges trat von Mücke als konsequenter Gegner der Wiederbewaffnung der Bundesrepublik Deutschland auf. Dies ist in Kurzform die überlieferte Version seiner nachmilitärischen Karriere. Die vorliegende Untersuchung versucht hingegen seine wirkliche Rolle sowie seine wahren Überzeugungen und Tätigkeiten in diesen Epochen zu ergründen. Als Ergebnis entsteht das Bild eines Mannes mit einer vielschichtigen Persönlichkeit ohne die bisherige Verklärung.

Uwe Schulte-Varendorff, M. A., geboren 1966 in Osnabrück, studierte Geschichts- und Literaturwissenschaften an der Universität seiner Heimatstadt. Seit 1994 ist er als freiberuflicher Geschichtswissenschaftler tätig. Sein Forschungsinteresse gilt der deutschen Geschichte des frühen 20. Jahrhunderts, zu der er unter anderem eine wissenschaftliche Arbeit über die Hungerunruhen in Hamburg im Juni 1919 vorgelegt hat. Der Schwerpunkt seiner Forschungen liegt auf der deutschen Kolonialgeschichte, zu der er bereits zahlreiche Aufsätze, Artikel und Bücher publiziert hat. So hat sich der Autor mit den Legendenbildungen um die "Kolonialhelden" Paul von Lettow-Vorbeck und Hermann Detzner sowie dem Ersten Weltkrieg in der damaligen Kolonie Kamerun auseinandergesetzt.

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Leseprobe

Der Marineoffizier – eine steile Karriere


Kurt Hellmuth von Mücke kam am 25. Juni 1881 in Zwickau als Spross eines sächsischen Adelsgeschlechtes zur Welt, das seinen Stammsitz in Niederrennersdorf bei Herrnhut in der Lausitz hatte. Ein Vorfahr, Christian Siegfried Mücke, war für seine Verdienste als kurfürstlich-sächsischer und königlich-polnischer Leutnant der Artillerie vom letzten Kaiser des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation, Franz II., am 8. April 1806 in den Reichsadelsstand erhoben worden. Hellmuth von Mückes Vater, Curt Alexander von Mücke (1851-1886), diente als Berufsoffizier in der sächsischen Armee und erreichte bis zu seinem Tod den Rang eines Hauptmannes. Die Mutter, Luise Alberti (1854-1940), entstammte einer alteingesessenen Bremer Kaufmannsfamilie. Für den weiteren Verlauf des Lebens von Hellmuth von Mücke mit ausschlaggebend war aber mit Sicherheit, dass die männlichen Vorfahren der väterlichen Linie in ihrer überwiegenden Mehrheit als Offiziere oder Staatsbeamte in Diensten der sächsischen Könige tätig waren. Wie für die damalige Zeit üblich, war Hellmuth kein Einzelkind und hatte einen gut ein Jahr älteren Bruder, Kurt Heinrich Alexander Karl (1880-1959) sowie einen knapp zwei Jahre jüngeren Bruder, Friedrich Siegfried Kurt Alexander (1883-1951).1

Zunächst erhielt Hellmuth von Mücke Unterricht in einer Privatschule, bevor er 1888 auf die VII. Bürgerschule in Dresden wechselte. Ab 1891 besuchte er dann das Vitzthumsche Gymnasium in der sächsischen Metropole. Seine schulischen Leistungen waren nach seiner eigenen Aussage sehr durchwachsen. Seine Veranlagung sah er eher auf technischen Gebieten als in einer humanistischen Richtung. Herausragend waren nur seine Leistungen im Sport, besonders im Turnen, worin er eine „1“ auf den Zeugnissen erhielt. Dagegen räumte er freimütig ein, dass seine Noten für Betragen und Fleiß von Beginn an nicht gut waren und im Verlauf seines Schullebens immer schlechter wurden.2 Der frühe Tod des Vaters, der am 24. Dezember 1886 an den Spätfolgen einer im deutschfranzösischen Krieg von 1870/71 erlittenen Verwundung starb, tat hierzu sicherlich sein Übriges. Viele Jahre später bekannte Hellmuth von Mücke in einem Gespräch mit dem Astronomen Hans Hermann Kritzinger, dass das Ableben seines Vaters ein einschneidendes Erlebnis seiner Kindheit gewesen sei. Der große Verlust, der verständlicherweise bei einem kleinen Jungen seine Nachwirkungen hinterließ, wirkte sich ebenfalls schwerwiegend auf die häusliche Situation im Zusammenleben der Familie aus. Es gab häufig Streit mit seinen Brüdern und er selbst wurde wegen eines Straßenkampfes mit anderen Jugendlichen, bei dem er einen selbstgebastelten Sprengkörper warf, von der Gendarmerie gefasst. Darüber hinaus litt er in seiner Jugendzeit bis zu seinem 15. Geburtstag an einer Flechte, die er sich durch eine Impfung seines Hautarztes mit unreiner Lymphe zugezogen hatte. Deren äußeres Erscheinungsbild belastete ihn im Umgang mit Gleichaltrigen zusätzlich.3 Die Gesamtsituation war mit großer Wahrscheinlichkeit auch für die Mutter nicht einfach zu bewältigen. Zudem hatte sie am 5. Juni 1890 ein zweites Mal geheiratet. Der neue Ehemann war Hans Maximilian von Mücke (1852-1917), seines Zeichens Finanzrat bei der Generaldirektion der Sächsischen Staatseisenbahn, und ein Bruder des verstorbenen ersten Gatten. Das neue Familienoberhaupt war also Stiefvater und Onkel in einer Person. Es ist leicht vorstellbar, dass auch diese neue Konstellation vermutlich zu Problemen innerhalb der Familie geführt hat. Um dieser nur schwer erträglichen Situation zu entkommen, verließ, oder anders formuliert, flüchtete Hellmuth von Mücke noch kurz vor dem Abitur aus dem Elternhaus. Um möglichst weit wegzukommen, und vermutlich auch aus einer Abenteuerlust heraus, entschied er sich, in die Kaiserliche Marine einzutreten. Zu diesem Zweck meldete er sich 1898 in der Vorbereitungsanstalt für angehende Seekadetten in Kiel an, wo er dann auch aufgenommen wurde. Um aber Karriere als Marineoffizier machen zu können, war es unumgänglich, das Abitur nachzuweisen. Daher sah sich von Mücke gezwungen, noch einmal für ein halbes Jahr nach Dresden zurückzukehren, um den Schulabschluss nachzuholen. Da er nun ein erstrebenswertes Ziel vor Augen hatte, brachte er auch die nötige Energie und den erforderlichen Fleiß auf. Mit dem bestandenen Abitur in der Tasche stand nun einer Karriere bei der stark expandierenden Kaiserlichen Marine nichts mehr im Wege.4

Hellmuth von Mücke hatte, wie alle anderen Offiziersanwärter auch, für die Aufnahme als Seekadett in die Kaiserliche Marine genau festgelegte Bedingungen zu erfüllen, die strikten Regularien folgten. Eine Kadettenannahmekommission trat am 1. Oktober jeden Jahres zusammen und erst von diesem Datum an durften die Anmeldungen für den Eintritt als Seekadett in die Marine abgegeben werden. Die Pflicht der Kommissionsmitglieder bestand darin, sich genauestens über die Familie des Aspiranten zu informieren und sich zum Beispiel über dessen finanzielle Verhältnisse und seine politischen Ansichten Klarheit zu verschaffen. Erst wenn diese Erkundigungen zur vollen Zufriedenheit der Kommission ausgefallen waren, erhielt der Kandidat die Order, zum nächsten 1. April in Kiel vorstellig zu werden, um ein Eintrittsexamen abzulegen. Bevorzugt wurden aber besonders Anwärter, die aus bekannten und hohen Adelsfamilien abstammten sowie Söhne von verdienten Seeoffizieren. Im Examen, das sich über eine Woche hinzog, waren Prüfungen in den unterschiedlichsten Gebieten abzulegen, beispielsweise in den Fächern Deutsch und Physik. Allerdings traten die wissenschaftlichen Kenntnisse deutlich in den Hintergrund. Stattdessen wurde mehr Wert auf die körperlichen Eigenschaften, die sehr gut sein mussten, gelegt. Diese Auslese führte dazu, dass nur etwa die Hälfte der Aspiranten angenommen wurde.5 Hellmuth von Mücke bestand alle Anforderungen und gehörte somit zu dem auserwählten Kreis, der am 7. April 1900 im neuen Kadettenjahrgang seinen Dienst in der Kaiserlichen Marine begann.6 Die Kadetten waren in ihrer Ausbildung einem harten militärischen Drill unterworfen, der auch von zahlreichen Schikanen geprägt war. Diese Methoden sollten der Abhärtung der zukünftigen Seeoffiziere dienen und sie zu absolutem Gehorsam erziehen. Auf Schulschiffen erlernten die Kadetten die Grundlagen des Seemannsberufes. Dadurch sollten sie umfassende praktische Erfahrungen in allen Bereichen sammeln, um später als Offiziere die Arbeit und die Leistungen der Besatzungsangehörigen angemessen beurteilen zu können.7 Hellmuth von Mücke wurde nach seiner Aufnahme auf die als Schulschiff eingesetzte Kreuzerfregatte S. M. S. „Charlotte“ kommandiert, mit der er nach Ausbildungsfahrten in die Ostsee und nach Norwegen, im Herbst/Winter 1900/1901 eine längere Auslandsreise in das Mittelmeer unternahm.

Abb. 1: Die Kreuzerfregatte S. M. S. „Charlotte“, auf der Hellmuth von Mücke in den Jahren 1900/1901 seine Ausbildung als Seekadett erhielt.

Diese Reise begann am 18. September 1900 in Kiel und führte über Portsmouth, Mogador, Casablanca, Tanger, Palermo und Alexandria nach Korfu. Dort erreichte die „Charlotte“ am 17. Dezember der Befehl, umgehend nach Malaga zu fahren, um sich dort an den Bergungsarbeiten an dem dort am 16. Dezember nach einem Unglücksfall untergegangenen Schulschiffes S. M. S. „Gneisenau“ zu beteiligen. In der Zeit vom 22. Dezember bis 12. Januar 1901 wurden von der Besatzung die letzten Leichen geborgen, an Land beerdigt sowie geheime Unterlagen und Wertgegenstände gehoben. Anschließend übernahm das Schiff die Überführung des deutschen Gesandten für Marokko von Mogador nach Tanger. Nachdem diese Aufgabe erfüllt war, setzte die „Charlotte“ ihre ursprüngliche Reiseroute über Neapel, Livorno, Cadiz und Vigo fort und erreichte am 9. März 1901 über Portsmouth wieder ihren Heimathafen Kiel.8 Am 19. April 1901 wurde Hellmuth von Mücke nach zehn Monaten Gesamtseedienstzeit zum Fähnrich zur See befördert und zum Besuch der Marineschule in Kiel abkommandiert, um sich dort in marinetechnischer Hinsicht wissenschaftlich weiterzubilden. Dazu gehörten spezielle Kurse in den unterschiedlichsten Waffengattungen. Für von Mücke lag der Schwerpunkt in der Ausbildung im Umgang mit der Torpedowaffe. Nach der Absolvierung der Zusatzqualifikation erhielt er sein erstes wirkliches Bordkommando auf dem Linienschiff S. M. S. „Kaiser Friedrich III.“, dem Flaggschiff des I. Geschwaders, mit dem er Flottendienst in der Ostsee und Ausbildungsfahrten unternahm.9 Seine Beurteilungen und die Ergebnisse der Seeoffiziersprüfung fielen insgesamt mit „gut“ bis „sehr gut“ überdurchschnittlich aus, was darauf schließen lässt, dass ihn seine Vorgesetzten als Offizier für sehr geeignet hielten. Nach altem Brauch mussten jedoch vor dem Eintritt in das Offizierskorps der Marine ausgewählte Marineoffiziere in einer Abstimmung darüber entscheiden, ob der zukünftige Leutnant z. S. auch würdig genug sei, in den elitären Kreis aufgenommen zu werden. Diese Zeremonie brachte für Hellmuth von Mücke das erhoffte Ergebnis. Damit stand einer Beförderung nichts mehr im Wege, so dass er am 27. September 1903 zum Leutnant z. S. ernannt wurde.10 Der neue Dienstgrad brachte ihm umgehend eine neue Position ein, denn am 1. Oktober des Jahres trat er den Posten als Wachoffizier auf dem Kleinen Kreuzer S. M. S....

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