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Johann Stiftinger

Kriegsgefangen 1914 - 1920

VerlagBooks on Demand
Erscheinungsjahr2016
Seitenanzahl316 Seiten
ISBN9783741269653
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis7,49 EUR
Aufzeichnungen zu den Erlebnissen einer 6 Jahre dauernden Kriegsgefangenschaft in Russland im Ersten Weltkrieg. Schwer verwundet, von den Kameraden zurückgelassen, kommt Johann Stiftinger in russischen Kriegsgefangenschaft, wo er medizinisch versorgt wird. Anschließend durchquert er das riesige russische Reich auf dem Weg von einem Lager ins andere. Von Wladiwostok bis zur Murman-Bahn nordöstlich von Petersburg, um anschließend in das Gebiet des damaligen Turkestan gebracht zu werden. Er erlebt Krankheit, Hungersnot, Arbeit unter unmenschlichen Bedingungen, hat mit Heimweh zu kämpfen und erlebt die Russische Revolution. Seinen Aufzeichnungen fehlt jegliches Selbstmitleid, vielmehr beschreibt er unter anderem auch die Lebensumstände der Einheimischen und hat so manches Erlebnis zu erzählen.

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Leseprobe

Die Einberufung


Als am 28. Juni 1914 der Mord in Sarajewo in Bosnien an Seiner k.k. Hoheit Erzherzog Franz Ferdinand d’Este und seiner Frau Gemahlin, Fürstin Hohenberg erfolgte, musste es jedem ehemaligen Soldaten klar werden, dass es mit dem gepriesenen Frieden einen Riss bekam, dass dieses Ereignis verhängnisvolle Folgen haben wird.

Und tatsächlich wurden die Tage im Monat Juli immer gespannter, bis am 26. Juli die Kriegserklärung an Serbien erfolgte, wodurch von den bestehenden 14 Armeekorps 81 mobilisiert wurden. Die allgemeine Mobilisierung erfolgte am 31. Juli. Jeder ehemalige Soldat bzw. Reservist hatte durch seinen geleisteten Fahneneid innerhalb 24 Stunden zu seinem Truppenkörper einzurücken.

Ich erfuhr es bereits abends am 31. Juli, dass allgemeine Mobilisierung ist. Bei der Nacht vom 31. Juli zum 1. August kamen die Ansager von der Gemeinde, welche mit Hornsignalen die Mobilisierung ausriefen und zum Einrücken mahnten.

Es lässt sich nicht beschreiben noch schildern, welcher Jammer überall zu hören war. Obwohl man die vergangenen Ereignisse schaurig verfolgte, so hoffte man doch immer, es werde doch der Friede stärker sein und die Aufregung sich wieder in ruhigere Bahnen lenken. Aber es kam zum Ärgsten und viele schien eine sehr bange Vorahnung zu befallen, aber gewiss niemand dachte daran, dass es ein Weltkrieg von so langer Dauer sein werde.

Obwohl gerade zu dieser Zeit für den Bauern auch die Erntezeit seine ganze Arbeit verlangte, es nützte nichts, man musste einrücken. Da gerade bei uns das Korn zum Einführen, so wurden am 1. August noch alle Kräfte eingespannt, um das Korn heimzuführen. Als nachmittags mein Bruder Ignaz Bescheid bekam, dass er, weil er in seinem Militärpass den Vermerk darinnen hatte „Waffenunfähig“, daher einstweilen von einer Einrückung verschont blieb, somit ward mir etwas leichter, weil ich doch wusste, dass jemand bei der Wirtschaft ist. Und ich erteilte für die Wirtschaft meine letzten Anordnungen und rüstete mich zum Abschied von meinen Lieben.

Wie schwer, wieviel Tränen flossen von Seiten meiner treu ergebenen Gattin und von meiner geliebten Mutter. Dieses alles lässt sich nicht beschreiben noch schildern. Dieses kann nur jemand selbst empfunden, selbst erlitten, erlebt haben.

Abb. 1: Hochzeitsfoto von Johann und Maria Stiftinger, geb. Brückl, 1914

Denn wer so wie ich eine treu liebende erst seit 6 Monaten angetraute Ehegattin an der Seite hatte, daneben ein edles treues Mutterherz, welche durch viele Krankheit schwer geprüft war, wer zwei solche Menschen liebte über alles, nur derjenige kann sich vorstellen, wie schwer ein solches Scheiden ist, welche einem nicht fortlassen, nicht fortziehen lassen wollen. Doch was nützt ein Jammern seiner Lieben, denn der Kaiser ruft! Es muss geschieden sein. So fuhr ich auch noch am selben Tag am 1. August um halb 8 Uhr abends mit dem Zuge nach Linz.

Bevor ich weiteres schildere, will ich erwähnen, dass bereits am 1. August auch schon alle diejenigen Pferde, welche bei der Frühjahrsmusterung für tauglich und mit Preis eingeschätzt wurden, auch sofort nach Linz getrieben werden mussten. Unsere zwei Pferde wurden als überzählig zurückbehalten, somit blieben dieselben einstweilen zur Arbeit daheim.

So schmerzvoll und traurig der Abschied von den Lieben war, um so lauter war das Gejohle, das Singen und Lärmen im Eisenbahnwaggon von den einrückenden Reservisten. Wenn auch jeden ein ungewisses Gefühl beschlich, so war doch die Kriegsbegeisterung umso lauter, da sich jeder als Vaterlandsverteidiger berufen fühlte. Stets hörte man die Rufe „Hoch Österreich! Heil unserem Kaiser! Nieder mit Serbien! Nieder mit Russland!“

Je näher der Zug der Garnisonsstadt2 Linz kam, desto überfüllter wurden die Waggons. Angekommen in Linz, nun, war das eine Begeisterung für den Krieg! Nun, weil‘s endlich einmal losgeht. Nun ja!

Am Bahnhof am Ausgang konnte man lesen, wo sich jeder zu melden hat. Mein Ziel hieß Turnhalle Südbahnhof. Da es aber bereits 10 Uhr abends war und ich mich erst morgens um 7 Uhr melden konnte, zudem drückte Heimweh und aller Lärm schwer auf mich. Begeisterung konnte ich wenig finden. So viel als man hörte, jede Straße war voll von Menschen, jede Gastwirtschaft ebenso. Überall tönten patriotische Lieder, aber mich und auch andere zog es zu einem ruhigeren Platze zu, wo man etwas ruhen, etwas schlafen kann. Mit einigen Bekannten fanden wir in einem Hause in einem Dachzimmer eine wohl etwas schlechte. Doch wir begnügten uns mit dieser Ruhestätte.

Abb. 2: Johann Stiftinger in Uniform 1914

Am nächsten Morgen ging‘s zur Präsentierung in die Volksfesthalle. Dort war ein Andrang ohnegleichen. Endlich kam man in Reihe und so hinein zu den Kommissionen. Nach der Präsentierung, wenn wieder eine Abteilung bei hundert Mann beisammen war, wurde man abtransportiert. Ich, sowie Pree, das ist der Leiner Franzl, und der Grubauer, das ist der Holzinger Sepp, wir drei waren beisammen und gaben uns gegenseitig das Versprechen, immer beisammen zu bleiben und gegenseitig beizustehen, uns nicht zu trennen. Keiner ahnte, dass wir ganz schnell und unverhofft getrennt voneinander werden.

Wir kamen in die Römerbergschule. Dort wurde erst alles eingerichtet. Stroh wurde gefasst. Kurzum, es wurde die Schule in eine Kaserne verwandelt. Nach einigen Stunden kam schon Kommandierung verschiedener Art: Zum Beispiel für Bahnhöfe-Bewachung und ebendort Verköstigungsstation, andere zu Brückenwachen.

Wir drei Unzertrennlichen wurden zum Pferdekommando nach Ried im Innkreis kommandiert. Jeder Mann erhielt bloß eine Mütze und sogleich wurde abgefahren. Abends kamen wir 60 Mann in Ried im Innkreis an, wo sogleich im Gasthofe zum Stern die Kommandierung in die verschiedenen Stallungen zu den Pferden erfolgte, damit die Koppelknechte abgelöst wurden. Ich kam ins Genossenschaftsbräuhaus zu 32 Pferden. Schlafen konnte man in der Malztenne, essen ging ich zum Gastwirt Eichelseher am Hauptplatz.

Der Dienst wäre zum Aushalten gewesen. Dass die Pferde gefüttert, geputzt (natürlich mit Strohwische), täglich war Futterration zu fassen, die Pferde mussten täglich zwei Stunden ausgeführt werden. Als Vorgesetzten hatten wir einen Oberstleutnant, einen alten Reservisten, ein Sonderling, dann einen Artillerieleutnant und einen Tierarzt, weiters dann Kavalleriechargen. Kommandierte waren wir somit von den 14ern und von 59ern.

Außer der Kappe, und da trug man lieber den Hut, war man in Zivil. Da man auch im Gasthause verpflegt war, so war es abends auch oft lustig und auch noch nach 9 Uhr. Und das hörte der Oberstleutnant. Zuerst kam ein Verweis. Als das nichts half, ließ er uns im Hofe beim Gymnasium exerzieren. Nun, das war ein Durcheinander! Infanterie3, Artillerie4 und Kavalleristen5.

Von den 600 Pferden in Ried kamen 200 weg am Kriegsschauplatz. Von meinen [Pferden] halfen ein paar Bierführern, weiters kamen auch Bauern von der Umgebung, damit ihnen auch Pferde zur Verfügung gestellt werden. Aber es wurde immer nur für einen Tag bewilligt.

Aber der Herr Oberstleutnant ließ uns 14er und 59er plötzlich am 18. August durch von ihm bestellte 2er Landwehrreservisten ablösen. So mussten wir zurück nach Linz, wo wir spätabends ankamen. Da das Regiment bereits am Kriegsschauplatz weilte, so war die Schlosskaserne leer, bloß die Wachhabenden.

Am anderen Morgen wurden wir in die Fabrikskaserne, von dort ins Ergänzungskommando ins Prunerstift geschickt. Überall staunten’s über uns. Es hieß, wir sind ja nicht abkommandiert worden. Endlich wurden wir zum Ersatzbataillon in die Fabrikskaserne II. Kompanie eingeteilt, mit der alten blauen Montur ausgerüstet und sogleich hieß es, Dienstwache übernehmen.

Doch schon am 23. August hatten wir Alarm, wo wir zum ersten Mal unseren Kompaniekommandanten Oberstleutnant Friedrich zu sehen bekamen, wo wir in einer begeisternden Ansprache erfuhren, dass wir ins Feld abfahren werden. Sofort ging es zum Augitationsmagazin im Hofe, wo wir vollkommen neu feldgrau ausgerüstet wurden, was aber bis spät nachmittags dauerte.

An diesem Tage, da gerade Sonntag war, waren viele Angehörige zu Besuch vor dem Kasernentor. Auch meine treue Gattin besuchte mich. Keiner ahnte, dass es das letzte Wiedersehen sein soll.

Nachdem das erste Marschbataillon immer marschbereit war, somit nie keinen Dienst machte, konnte dieses nicht glauben, dass wir als zweites Marschbataillon früher wegfahren sollen. Aber es war wirklich so.

Am 25. August gegen Abend war feierliche Eidleistung und Aussegnung und Abmarsch mit der Regimentsmusik über den Franz-Josephs-Platz6, Landstraße zum Bahnhof. War das eine Begeisterung, ein Zurufen, ein Abschied nehmen! Von den Häusern wurden uns Blumensträuße zugeworfen, Zigaretten und andere Kleinigkeiten geschenkt. Überall stand die Menschenmenge dichtes Spalier, die einen lustig, die anderen traurig. Alles wollte einem die Hände noch drücken. Es lautete immer: „Kämpft tapfer! Beschützt unser Vaterland! Kommt wieder gesund heim! Lebt...

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