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Juristische Probleme bei der Abgrenzung der Arbeitnehmerüberlassung zum Werkvertrag

Am Beispiel eines Unternehmens im Bereich der Montage-Dienstleistung

AutorVolker Wöhle
VerlagGRIN Verlag
Erscheinungsjahr2014
Seitenanzahl67 Seiten
ISBN9783656658955
FormatePUB/PDF
Kopierschutzkein Kopierschutz/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis29,99 EUR
Masterarbeit aus dem Jahr 2013 im Fachbereich Jura - Zivilrecht / Arbeitsrecht, Note: 2,0, Universität des Saarlandes (Rechts- und Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät), Sprache: Deutsch, Abstract: Die Abgrenzung von werksvertraglichen Tätigkeiten zur Arbeitnehmerüberlassung gerät aktuell immer stärker in den Fokus der Öffentlichkeit und der politischen Diskussion. 'Bundeskanzlerin Angela Merkel warnt Unternehmen vor Missbrauch von Werkverträgen', so die Überschrift im Handelsblatt vom 13.01.2013. Nach einem Treffen mit DGB-Chef Michael Sommer versicherte die Kanzlerin, dass die Regierung den gezielten Einsatz von Werkverträgen innerhalb der Personalpolitik kritisch hinterfragt. Werkverträge dürften hier nicht zum Umgehungstatbestand für tarifliche Abmachungen benutzt werden. Der Sektor der Arbeitnehmerüberlassung ist der mit Abstand am schnellsten wachsende Geschäftszweig in der Bundesrepublik Deutschland. Waren im Jahre 2003 noch 320.000 Arbeitnehmer in dem Bereich der Arbeitnehmerüberlassung tätig, stieg deren Zahl im Jahr 2006 auf über 630.000 und steigerte sich bis zum Juni 2011 auf 910.000 Arbeitnehmer in 17.400 Verleihbetrieben . Um für diesen Geschäftsbereich einen juristischen Rahmen zu gewährleisten wurde mit dem Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) ein entsprechendes Gesetz verabschiedet. Mit zunehmender Reglementierung steigt die Gefahr, dass Unternehmen durch Wahl von anderen Vertragsformen, vor allem den der Werkverträgen, die im AÜG genannten Regelungen umgehen und so unter dem 'Deckmantel' von Werkverträgen Arbeitnehmerüberlassung betreiben. Der Autor wurde persönlich erstmalig durch seinen beruflichen Stellenwechsel, zu einem Unternehmen, welches auf dem Gebiet der industriellen Montage-Dienstleistung tätig ist, mit dem Thema konfrontiert. Das Kerngeschäft des Unternehmens mit 130 Mitarbeitern umfasst hier sowohl die mechanische wie elektrische Installation von kompletten Industriestrassen wie auch kundenspezifische Montagetätigkeiten. Genannte Arbeiten erfolgen zum Großteil aufgrund werksvertraglichen Vereinbarungen. So ist für ein Unternehmen, welches nicht über eine Zulassung zur Arbeitnehmerüberlassung verfügt, von elementarer Bedeutung hier eindeutige Abgrenzungskriterien zu kennen und zu beachten. [...]

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Leseprobe

2. Teil: Die Abgrenzungsfrage innerhalb der Rechtssprechung und Literatur


 

A. Entwicklung innerhalb der Rechtsprechung des BAG


 

Anhand einiger detailliert aufgeführten Urteile werden die verschiedenen Entwicklungslinien zur Abgrenzungsproblematik innerhalb der höchstrichterlichen Rechtsprechung skizziert.

 

Um hier ein umfassendes Bild der Abgrenzungsproblematik zu erhalten werden im ersten Teil die Entwicklungen im Hinblick auf die Beteiligungsrechte des Betriebsrats gemäß §14 Abs.3 AÜG in Verbindung mit §99 BetrVG beleuchtet. Im zweiten Teil erfolgt, anhand richtungsweisender Urteile des BAG, die Ermittlung der abgrenzungsrelevanten Merkmale.

 

Abschließend erfolgt im dritten Teil eine Stellungnahme und Bewertung der höchstrichterlichen Rechtsprechung.

 

I. Rechtsprechung zu betriebsverfassungsrechtlichen Aspekten


 

Die Frage der Abgrenzung zwischen Tätigkeiten im Rahmen von Arbeitnehmerüberlassung und aufgrund werksvertraglicher Vereinbarungen ist nicht ohne Berücksichtigung der betriebsverfassungsrechtlichen Aspekte zu beantworten. Im Rahmen dieser Arbeit wird der Fokus auf die Kriterien gelegt die sich mit der Frage der Abgrenzung in Bezug auf die Beteiligungsrechte des (Entleiher) Betriebsrates nach §14 Abs.3 AÜG in Verbindung mit §99 BetrVG beschäftigen. Gemäß §14 Abs.3 S.1 AÜG ist der Entleiherbetriebsrat vor der Übernahme eines Leiharbeitnehmers zur Arbeitsleistung in den Entleiherbetrieb gemäß §99 BetrVG zu beteiligen[30]. Im §99 BetrVG ist die Mitbestimmung wie auch entsprechendes Zustimmungsverweigerungsrecht des Betriebsrates bei personellen Einzelmaßnahmen festgelegt. So ist der Betriebsrat gemäß §99 Abs.1 BetrVG vor jeder Einstellung, Ein- und Umgruppierung sowie Versetzung zu unterrichten. Diesbezüglich gab und gibt es eine Reihe von Rechtsprechungen die sich unter der grundlegenden Frage der Beteiligungsrechte des Betriebsrates mit Abgrenzungskriterien zwischen werksvertraglicher Tätigkeit und Arbeitnehmerüberlassung befassen. So wird im Folgenden anhand richtungsgebender Gerichtsurteile die Tendenz innerhalb der höchstrichterlichen Rechtsprechung skizziert um zu einer umfassenderen Beurteilung der Abgrenzungsproblematik zu gelangen.

 

1. Rechtsprechung in den Jahren 1974 bis 1991

 

Die Rechtsprechung in den Jahren 1974 bis 1991 war geprägt von einer extensiven Auslegung der Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates bei der Beschäftigung von Fremdarbeitnehmern[31].

 

Im Beschluss des 1. Senats vom 14.05.1974[32] befasste sich das BAG erstmalig mit den Rechten des Betriebsrates in Bezug auf die Beschäftigung von Leiharbeitnehmern. Im zugrundeliegenden Fall hatte der Arbeitgeber eines Unternehmens wegen auftretender Personalschwierigkeiten mehrere Leiharbeitnehmer vorübergehend in seinem Betrieb eingesetzt. Eine rechtzeitige Anhörung der Betriebsrates war nicht erfolgt, weshalb dieser der Beschäftigung der Leiharbeitnehmer widersprach[33]. Das Gericht bejahte das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates und führte in seiner Begründung aus, dass dem Entleiherbetrieb in der Zeit der Überlassung ein zumindest faktischer Arbeitgeberstatus, vor allem hinsichtlich des Weisungsrechts, zukämme. In diesem Bereich bestände eine Zuständigkeit des Entleihers und damit auch ein Beteiligungsrecht des Betriebsrats des Entleiherbetriebs auch für die Leiharbeitnehmer. Die Beteiligungsrechte seien nicht auf die Stammbelegschaft beschränkt[34].

 

Eine wesentliche Erweiterung der Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats folgte mit dem Beschluss des 1. Senats im sogenannten “Taxiunternehmen Fall“ vom 15.04.1986[35]. Ausgangspunkt war die Frage, ob dem Betriebsrat beim Einsatz von selbständigen Taxiunternehmern ein Mitbestimmungsrecht gemäß §99 BetrVG a.F. zustehe. Im zugrundeliegenden Fall arbeitete der Arbeitgeber der Berliner Zentralausschuss (BZA) auf dem Gebiet der Behindertentransporte in Berlin. Aufgrund Kooperationsabsprachen arbeiteten selbständige Taxiunternehmer aushilfsweise in der Zentrale des BZA. Sie erfüllten dort die selben Tätigkeiten wie die dort tätigen Arbeitnehmer des BZA[36]. Das BAG bejahte das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates und machte in seiner Beschlussbegründung deutlich, dass der Umstand, nach denen die Taxiunternehmer keine Arbeitnehmer der BZA sind, die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats nach §99 BetrVG a.F. nicht ausschließe[37]. Es wären dem Betriebsrat schon dann entsprechende Rechte einzuräumen wenn Personen mit ihrem Einverständnis faktisch für eine bestimmte Zeit in den Betrieb eingegliedert werden und dort genauso arbeiten wie jeder Arbeitnehmer dieses Betriebes[38]. In welchen Rechtsverhältnis die Person verpflichtet sei, eingegliedert in den Betrieb weisungsgebunden zu arbeiten, wäre im Hinblick auf die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates unerheblich[39].

 

2. Richtungsweisende Urteile im Jahr 1991

 

Nach der extensiven Auslegung des Einstellungsbegriffs und den damit zusammenhängenden Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates erfolgte mit den Entscheidungen des BAG am 05.03.1991[40] und 09.07.1991[41] eine deutliche restriktive Ergänzung bzw. Neubestimmung der für eine Eingliederung und entsprechender Einstellung gemäß § 99 BetrVG, notwendigen Sachverhalte. Das BAG prägte in der Folge den Begriff der “Personalhoheit“ als entscheidendes Kriterium der Eingliederung von Fremdarbeitnehmern. Anhand des Beschlusses vom 05.03.1991 wird diese bis zum heutigen Tage wirkende Entwicklung innerhalb der Rechtsprechung skizziert.

 

BAG, Beschluss vom 05.03.1991 – 1 ABR 39/90-

 

In dem Beschluss vom 05.03.1991 zugrunde liegenden Sachverhalt hatte ein Unternehmen der Stahlverarbeitung den Produktionsschritt des Flämmen von sogenannten Stahlbrammen zum Teil an eine Fremdfirma vergeben. Diese Arbeiten erfolgten in einem separaten Teil der Fertigungshalle. Daneben waren auch Arbeitnehmer der Stahlfirma mit Flämmarbeiten beschäftigt. Art und Umfang der erforderlichen Flämmarbeiten wie auch erforderlichen Nacharbeiten nach dem Flämmen wurden durch Revisoren des Stahlunternehmens bestimmt. Die Fremdarbeitnehmer wurden bei ihrer Arbeit in gleicher Weise angewiesen wie die Arbeitnehmer des Einsatzbetriebs. Der Betriebsrat sah in der Beschäftigung der Fremdarbeitnehmer eine zustimmungspflichtige Einstellung im Sinne von §99 BetrVG a.F.

 

In seiner Entscheidung führte der 1. Senat aus, dass die Vorschriften über den Dienst- oder Werkvertrag nicht ausschließen, dass die zu erbringende Dienstleistung oder das zu erstellende Werk vertraglich hinsichtlich aller Einzelheiten bezüglich Ausführung, Umfang, Güte, Zeit und Ort der Erbringung bzw. Erstellung so detailliert und bestimmt vereinbart werden, dass dem Dienst- oder Werknehmer hinsichtlich der Erbringung der Dienstleistung oder der Erstellung des Werkes kein eigener Entscheidungsspielraum mehr verbleibt. Gleichwohl könne es Aufgabe des Auftragnehmer bleiben dafür zu sorgen, dass er, in Zusammenarbeit mit seinen Erfüllungsgehilfen, die Leistung oder das Werk vertragsgemäß erbringen kann. Von dieser Leistungserbringung geht der Auftraggeber aus und plant entsprechendes Werk bzw. erbrachte Dienstleistung in seinen Arbeitsorganisation ein[42].

 

Auch das der Auftragnehmer die dafür notwendige Einzelanweisungen an seine Arbeitnehmer nicht selbst erbringe, sondern dem Auftraggeber gestattet, diese unmittelbar seinen Erfüllungsgehilfen zu erteilen, begründe keinen rechtlichen Unterschied, sondern ist nur eine Frage der praktikablen Vertragsdurchführung[43].

 

Der 1. Senat folgerte in seinen Ausführungen, dass eine zustimmungspflichtige Einstellung im Sinne des §99 BetrVG nicht bei jedem Tätigwerden im Rahmen eines Dienst- oder Werkvertrags vorläge. Erst wenn betreffende Fremdarbeitnehmer selbst als Person so in die Arbeitsorganisation des Arbeitgebers eingegliedert würden, dass dieser die für ein Arbeitsverhältnis typischen Entscheidungen über deren Arbeitseinsatz auch nach Zeit und Ort zu treffen hat, er somit die Personalhoheit über diese Personen habe, ist diese Einstellung im Sinne des §99 BetrVG zu bejahen[44].

 

3. Aktuelle Tendenzen innerhalb der Rechtsprechung des BAG

 

In den vorangegangenen Entscheidungen des BAG, welche sich unter dem Gesichtspunkt der Mitbestimmung des (Entleiher) Betriebsrates beim Einsatz von Fremdpersonal mit der Eingliederung der Fremdarbeitnehmer befassten, kristallisierte sich , wie aufgeführt das Kriterium der “Personalhoheit“[45] heraus. Diese stellt die arbeitsrechtliche Weisungsbefugnis dar, welche von der werksvertraglichen Anweisung gemäß §645 Abs.1 BGB zu unterscheiden ist[46].

 

In seiner jüngeren Rechtsprechung weicht das BAG leicht von der genannten betriebsverfassungsrechtlichen Beurteilung zur Einstellung im Sinne von §99 Abs.1 BetrVG ab. Demnach ist schon maßgeblich, ob der Leiharbeitnehmer so in...

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