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Mannko

Liebeserklärung an ein Mängelwesen

AutorMilosz Matuschek
VerlagKösel
Erscheinungsjahr2015
Seitenanzahl240 Seiten
ISBN9783641169619
FormatePUB
KopierschutzDRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis13,99 EUR
Ein Blick ins Ratgeberregal verrät: der Mann ist u.a. 'doof', 'überflüssig', 'ein Irrtum der Natur' und 'Sternzeichen Scheißkerl'.

Einspruch! Milosz Matuschek hat eine Liebeserklärung an den Mann verfasst - mit all seinen Facetten, die sonst rigoros ausgeblendet werden, weil sie angeblich nicht zu Männern passen und von Frauen nicht gewünscht werden. Dabei macht er aus der Schwäche einen Trumpf. Denn das einzige Kraut gegen Klischees ist Humor.



Milosz Matuschek, geb. 1980, studierte Rechts- und Sozialwissenschaften. Der promovierte Jurist unterrichtet an der Pariser Sorbonne und ist Vertrauensdozent der Heinrich-Böll-Stiftung. Als freier Journalist arbeitet er unter anderem für Süddeutsche Zeitung, Die Welt und Cicero, als 'Dr. Strangelove' bloggt er für die Neue Zürcher Zeitung. Matuschek lebt in Paris und Berlin.

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Leseprobe

Samstagvormittag. Geht ein Mann zum Friseur.

O. K., könnte der Anfang eines Witzes sein. Ist aber nicht witzig. Es ist ein Desaster. Ich schaue in den Spiegel vor mir. Alles ist gut ausgeleuchtet. Ist das die Kopfhaut, die da durchscheint? Der fremde Mann im Spiegel vor mir sieht alt aus. Er hat die Haare dünn. Die Geheimratsecken legen sich in Kurven. Dafür wuchern die Büschel an den Schläfen. »Augen auf, Ohren auf, Helmi ist da«, summe ich im Geiste. Ich sehe aus wie das Maskottchen der österreichischen Verkehrserziehung in den 80er-Jahren. Die Halskrause juckt.

Ich schließe die Augen. Zeit für eine kleine Bestandsaufnahme.

Erstens: Ich werde alt.

Zweitens: Ich sehe bald aus wie ein Frühstücks-Ei.

Drittens: Ich stecke in einem Batman-Kostüm. Und fühle mich trotzdem nicht wie ein Superheld. Was geht hier gerade schief?

»So wie immer?«, fragt Gaby. Ich schrecke hoch und nicke. »Wie immer« heißt: die Ohren frei, seitlich etwas Volumen raus (Stichwort: »Helmi«), vorne und oben nur bisschen kürzer bitte, am besten nur die Spitzen (und ja keinen Zentimeter mehr!). Ab 30 dauern die Friseurbesuche immer kürzer. Es gibt weniger zu tun. Das ist der einzige Vorteil am Friseurbesuch. Bereits nach fünf Minuten sind wir schon im Sinkflug – am Ende wird wie immer der Nacken noch rasiert und mit einem borstigen Besen ausgewedelt.

Doch halt, da war ja noch was. »Ach ja, könntest du bitte da drüben noch bisschen …«

»Wo drüben?«

»Na, da ...« Es ist mir etwas peinlich, das laut zu sagen. Ich deute auf die Ohrmuschel. »Da sind so Haare …«

»Ach so, ja klar!«, flötet Gaby.

Ich habe Haare auf der Ohrmuschel. Auf der obersten Rundung. Sie sind etwa einen Zentimeter lang, manchmal auch zwei. Sie stehen ab. Sie fallen auf. Auch meine Freundin hat sie schon bemerkt und inspiziert sie regelmäßig mit wachsendem Interesse. Schön, wenn man nach fünf Jahren Beziehung noch neue Seiten an sich entdeckt. Es ist nicht leicht, mit Haaren auf der Ohrmuschel cool zu sein. Haare auf der Ohrmuschel sind Opa-Style. Ich bin Mitte 30. Also nur ein halber Opa, irgendwie.

Irgendwann wachsen Haare immer nur noch dort, wo sie keiner braucht. Martin Walser wird irgendwann denken, er sei blind. Dabei sind es nur die Augenbrauen, die ihm vor die Augen wachsen, wie eine Gartenhecke vor das Einfahrtstor.

»Noch etwas Gel?« Ich schüttele den Kopf. Bleibt mir bloß weg mit allem, das die Haare ausdünnt, denke ich mir …

»Macht dann acht Euro fünfzig.«

Zurück bei der Frau meines Herzens im Warteraum sehe ich, dass sie in der EMMA blättert. Unser Friseur in Berlin ist eher alternativ-feministisch. Statt Bunte und Gala gibt es die EMMA, den Freitag und die taz. Komisch, die EMMA liest sie sonst nie. Liest die überhaupt irgendjemand?

Sie blickt ihren gerupften Hahn kurz und gnädig an. »Ist doch ganz gut geworden!«

»Hey, hör mal zu«, gluckst sie.

»Ja?«

»Was ist ein Mann in Salzsäure?«

»Weiß nicht, ein Mann in Salzsäure, hä? Keine Ahnung.«

»Ein gelöstes Problem! ! Hahaha!«

Ich wusste gar nicht, dass die EMMA eine Witze-Seite hat, denke ich.

»Warte, ich hab noch einen.«

»Was ist der Unterschied zwischen einem Kuhschwanz und einer Krawatte?«

»Der Kuhschwanz bedeckt das ganze Arschloch.«

Haha, da muss ich auch lachen. Der ist echt gut!

Und noch einen: »Was macht eine Frau, deren Mann beim Kartoffelnholen auf der Kellertreppe ausrutscht und sich das Genick bricht?«

Ich zucke mit den Schultern.

»Na, Nudeln

O. K., der letzte war echt nicht schlecht. Feministinnen haben doch Humor. Denn offenbar gehen auch die EMMA-Redakteurinnen davon aus, dass Frauen am Herd stehen und kochen.

Ich persönlich kann über Männer genauso gut lachen wie über Frauen, Österreicher, Ostfriesen, Lukas Podolski und sonstige Randgruppen. Ich habe mich immer geweigert, Männer als Opfer zu sehen. Ich fand das sogar immer ausgesprochen lächerlich. Ein Problem, das ich mit dem Feminismus habe, ist gerade dessen humorlose Opferhaltung. Ich glaube nicht, dass die Opferhaltung weiterhilft. Wenn nun Männer in die gleiche Kerbe schlagen, wird es gänzlich peinlich. Außerdem sind Männer doch die Starken, die stecken das weg. Sie waren lange das Patriarchat. Wie sollen sie da Opfer sein?

Nach dem Friseur geht es in den Buchladen. Guck mal, meint meine Freundin und greift ins Regal: »Nur ein toter Mann ist ein guter Mann.«

Komischer Titel, denke ich, aber na gut.

Oder das hier: »Vollidiot.«

Kennt man ja. Was gibt’s sonst?

»Scheißkerl« – »Hunde sind die besseren Männer« – »Mimosen in Hosen. Eine Naturgeschichte des Mannes«. Ist ja gut, es reicht, es reicht, es reicht.

Kann das wirklich sein? Derartige Buchtitel würde sich niemand über Frauen, Polen, Juden oder Schwarze erlauben. Die Verunglimpfung des Mannes ist hingegen scheinbar ein risikoloser Sport. Einfach mal draufhauen, dann geht es einem gleich besser. Habe ich bisher nur nicht genau genug hingesehen? Ist der Mann die letzte Gruppe, auf die man ohne Konsequenzen einprügeln kann? Und muss man vielleicht doch ein bisschen Mitleid mit ihm haben?

Ach, Quatsch.

Endlich daheim, Füße hoch, Glotze an. Eine Vorabendserie in der ARD wird angekündigt. »Eine für alle – Frauen können’s besser«. Normalerweise schalte ich da weiter. Nach dem heutigen Tag nicht. Ich bin jetzt hellhöriger. Die Story? Irgendwie ganz tolle Frauen in Männerberufen, die alles super können. O. K., gut – soll es geben. Im Trailer werden Männer als »Versager« angekündigt und als »lebende Verkehrshindernisse«. Die Titelmusik kommt von »Ich+Ich«: »So kann es bleiben«. Hoffentlich nicht, denke ich. Das machen jetzt also auch die Öffentlich-Rechtlichen? Mit Gebührengeldern? Dann ist das wohl jetzt Mainstream. Trotzdem: Aufregen mag ich mich immer noch nicht.

Ich schalte zu den Privaten. Leider Werbung. Doch auch hier ist der Mann der Depp. Er bekleckert sich wie die Kinder. Die Frau schüttelt den Kopf. Knöpfe näht er falsch an, sie trinkt währenddessen genüsslich Kaffee. Als er noch mittrinken durfte (wie früher), erkannte er den guten natürlich nicht. »So muss ein Kaffee schmecken«, sagt er. Sie: »Das ist Kaffee Hag.« Das war vor 20 Jahren. Inzwischen trinkt sie den Kaffee auch ganz gerne allein und klaut George Clooney die letzte Kaffeekapsel. Manchmal geht es sogar tragisch aus: »Guck mal, eine Sternschnuppe!«, sagt er zu ihr, während beide am Meer an einer Klippe sitzen, sie den Kaffee in der Hand. »Du kannst dir was wünschen.« »Das habe ich schon«, meint sie, woraufhin er die Klippe herab in die Tiefe stürzt. »Senseo« heißt die Kaffeefirma. Das ist lateinisch und heißt: »ich fühle«. Ich fühle gerade so etwas wie ein Unwohlsein in mir aufsteigen. Auch in der nächsten Werbung der »Cosmos-Lebensversicherung« wird gestorben, wenn auch langsamer. »Du Mama, wenn Papa tot ist, kaufe ich mir erst mal einen Ponyhof«, sagt das kleine Mädchen. Da wünscht man sich doch eine Mutter, die der kleinen Göre den Kopf wäscht: Sag mal, hast du sie noch alle? Wie kannst du dir nur so etwas Furchtbares vorstellen?

Doch unsere Mama denkt ganz pädagogisch schon weiter: »Moment. Wenn Papa weg ist, kaufe ich mir erst mal ’ne Finca auf Mallorca.« Papi sitzt übrigens mit auf der Couch und freut sich vermutlich, dass das Fell des Bären schon verteilt wird, während er sich totarbeitet. Falls sich Papi wider Erwarten doch eine andere Familie wünschen sollte, hilft ihm die längste Praline der Welt vermutlich bei der Partnersuche. Doch auch hier: Der Mann ist selbst als Verführer noch unbrauchbar. Er versteht die hohe Kunst der »Duplomatie« nicht.

Soll man am Ende eines solchen Tages lachen oder weinen? Ich lache in der Regel irgendwie mit. Vielleicht auch, weil ich mich immer noch weigere, die Welt durch die Geschlechterbrille zu sehen und den Mann als Opfer der Umstände zu betrachten. Denn von einem Opferstatus kann man sich letztlich auch nichts kaufen. Doch zunehmend bleibt mir das Lachen im Halse stecken. Denn es lacht sich leicht über jemanden, der stark und mächtig ist und sich dämlich verhält, stolpert, fällt.

Doch dann denke ich an dich, Manni.

Ich nenne dich mal Manni. Ich kenne dich nicht. Aber du bist 42 Jahre alt, der Durchschnittstyp. Mittlere Reife. Angestellter in einer Maschinenbaufirma bei Köln. Passat-Fahrer. Hobby: Computer. Du trägst in der Freizeit gerne alte Holzfäller-Hemden und ausgebeulte Wrangler-Jeans. Du hast dir nie Gedanken gemacht über Männlichkeit oder so. Oder was Mann-Sein für dich heute heißt. Aber du bekommst mit, dass du irgendwie out bist. Dass du eher ein Loser-Typ bist. Dass du nicht in diese Welt passt. Vielleicht findest du...

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