2 Historische Entwicklungen des Verkaufsprozesses
Zunächst ist eine genaue Eingrenzung des Begriffes „Verkauf“ wichtig, um in die zu behandelnde Thematik einzusteigen.
Das Gabler Wirtschaftslexikon unterscheidet zwischen dem Begriff „Verkauf“, welcher als Überbegriff für die Begriffe „Vertrieb“, „Marketing“ und „Marketingpolitik“ dient.[4] und dem Begriff des „persönlichen Verkaufs“. Der persönliche Verkauf, der eine Komponente des Marketing-Kommunikations-Mixes ist, bezeichnet „den unmittelbaren Kontakt zwischen Verkäufer und Käufer beim Absatz von Waren und Dienstleistungen. Der persönliche Verkauf nimmt eine zentrale Stellung beim Angebot erklärungsbedürftiger Produkte ein, bei denen das Kaufverhalten im großen Maße von Beratungs- und Überzeugungsleistungen des Verkäufers[5] beeinflusst wird.[6]
Werden Verkaufsprozesse weitgefasst als ein Austausch von Waren und Dienstleistungen im Tausch gegen Zahlungsmittel verstanden, so können diese auf die Entstehung der Menschheit zurückgeführt werden.[7] Erste materielle Belege, welche die Existenz von Handel und Geschäftsleuten festhalten, gab es schon lange vor den ersten Schriften antiker Geschichtsschreiber, Dichter und Philosophen.[8]
Abb. 1: Erstes mit Keilschrift beschriebenes Geldstück aus Mesopotamien
Quelle: http://www.efemia.de/presse/images/keilschrift150150_160.gif. aufgerufen am 23.02.2013, um 12:00
Bereits vor 5000 Jahren im antiken Mesopotamien sind Geschäfte mit Landwirtschaftsprodukten wie Gerste und Wolle durch mit Keilschrift beschriebene Tontafeln belegbar.[9] Diese ersten Geschäfte legten den Grundstein für den heutigen Handel und die Anwendung des persönlichen Verkaufs.[10]
2.2 Bewertung des Klassischen Ansatzes
Die Geschichte des Verkaufsprozesses geht weit zurück. Es hat lange gedauert bis die erfolgsbestimmenden Faktoren näher beleuchtet wurden.
Erst mit der Eröffnung des ersten Warenhauses im Jahr 1852 rückte die Überzeugungsarbeit und Beratungsleistung eines Verkäufers[11] in den Vordergrund des Verkaufs. Das erste Warenhaus, welches durch Aristide Boucicaut in Paris eröffnet wurde, führte die bis dahin teilweise verbotene feste Preisgestaltung ein.[12]
Vorher waren Preisverhandlungen und preisliches Entgegenkommen das einzige Werkzeug des Verkäufers, so rückte die Präsentation der Waren, Beratung und Bedarfs-ermittlung in den Vordergrund. Das Warenhaus warb damit, dass keine Belästigung durch übereifrige Verkäufer und kein Kaufzwang bestünde. Der Kunde käme „nur“ zum Besichtigen der angebotenen Stoffe, wurde jedoch bei beobachtetem Interesse von Boucicauts Verkäufern zum Kauf bewegt. Ebenso wies Boucicaut seine Verkäufer an, dem Kunden freundlich, nett und geduldig zu begegnen. Auch bei der Einführung von Serviceleistungen wie Umtausch und Rückgabe der gekauften Waren nahm das Kaufhaus eine pionierhafte Rolle ein. Boucicauts Warenhaus wurde ein großer Erfolg und hatte zur Folge, dass bald auch in anderen Ländern ähnliche Kaufhäuser gegründet wurden und erfolgreich waren.[13]
Eine spätere wichtige geschichtliche Entwicklung, welche die Bedeutung von Verkaufsprozessen und den Erfolgsdruck auf die Verkäufer erhöhte, war der Wandel von Verkäufer- zu Käufermärkten. Dieser Wandel verlief schleichend und lässt sich nur bedingt einer genauen Jahreszahl zuordnen. In Deutschland zum Beispiel wird das Phänomen eines gesättigten Marktes, welches als Auslöser für den Wandel gilt, dem Zeitraum der 60er zugeschrieben. Ein Markt wird als gesättigt bezeichnet, wenn die Nachfrage geringe[14] oder keine Wachstumsraten mehr zeigt und die Bedürfnisse und Wünsche der Nachfrager weitgehend befriedigt sind.
Die Lehre des Marketings hat sich gegen Ende des 19. Jahrhunderts an den Universitäten als eigenständiger Forschungsbereich entwickelt.[15] Der Siegeszug begann als Reaktion auf diesen Wandel und die daraus resultierenden gesättigten Käufermärkte, bei denen der Käufer nun die stärkere Position einnahm.[16]
Die parallel dazu erst später voranschreitende wissenschaftliche Entwicklung der Psychologie erlaubte es die Verkaufsprozesse auch aus der psychologischen Sicht zu untersuchen.[17]
Die erste Anwendung von psychologischen Erkenntnissen auf Werbung und auf das Verkaufsgespräch wurde erstmals 1898 durch Elmo Lewis mit der Veröffentlichung des AIDA-Modells beschrieben.[18]
Das AIDA-Modell basiert hauptsächlich auf dem Reiz-Reaktions-Modell[19], welches wiederum auf den Grundlagen der verhaltensbezogenen Psychologie beruht. Diese befand sich zu Beginn des 20. Jahrhunderts ebenso in ihrer Startphase.
Die Pionierarbeit wurde von Iwan Petrowitsch Pawlow mit seinen Experimenten zur klassischen Konditionierung[20] von Verhalten geleistet. Gleichzeitig fanden ähnliche Untersuchungen durch John B. Watson in den USA statt, welcher ebenso als Begründer des Reiz-Reaktions-Schemas gilt. Diese Untersuchungen wurden in den fünfziger Jahren durch Burrhus Frederic Skinner popularisiert und weiterentwickelt.[21]
Durch den psychologischen Ansatz konnten zwar experimentell gewisse Reaktionen auf bestimmte Reize nachgewiesen werden. Jedoch wurden die Vorgänge im Gehirn nicht berücksichtigt.
Im klassischen Behaviorismus[22] wurde das Gehirn als „Black-Box“, in der die Vorgänge unbekannt sind, bezeichnet.[23]
Abb. 2: Reiz-Reaktions-Modell
Quelle: Eigene Darstellung, Vgl. http://www.neuro24.de/blackbox.gif, aufgerufen am 7.01.2013, 20:56.
An dieser Stelle setzt die Kritik an der verhaltensbezogenen Psychologie und dem Reiz-Reaktions-Schema an. Laut dem Psychologen Ernst Pöppel basiert der Behaviorismus zum Teil auf einer Fehlannahme, dass ein bestimmter Reiz eine bestimmte Reaktion auslöse. Dies ist jedoch inzwischen durch die Gehirnforschung mehrfach wiederlegt worden. Das Model spiegelt nicht die Komplexität und Vielschichtigkeit des menschlichen Gehirns wieder.[24]
Die Anfänge der wissenschaftlichen Hirnforschung liegen bereits in der Antike, im Griechenland des 6. Jahrhunderts. Die Beschreibungen sind bereits so detailliert, dass sie nur von Obduktionen[25] stammen können.[26]
Zeitsprung in die heutige Zeit: Nach mehreren bahnbrechenden Erkenntnissen auf dem Gebiet der Hirnforschung hat sich das Präfix „Neuro-“ mittlerweile in vielen anderen Wissenschaftsgebieten erfolgreich etabliert, gilt als „in“ und begegnet überall allgemeiner Zustimmung.[27] Neuro-Didaktik, Neuro-Psychologie, Neuro-Leadership, Neuro-Philosophie, Neuro-Marketing und Neuro-Ökonomie sind nur einige Beispiele interdisziplinärer Wissenschaften, die sich Erkenntnisse der Hirnforschung zu Nutze machen und anwenden.[28] Möglich machen es leistungsstarke Techniken der Hirnforschung des 20. Jahrhunderts, auf die im Kapitel 5.3 zu bildgebenden Verfahren eingegangen wird.
Eine aktuelle Suche nach Fachbüchern auf dem Wissenschaftsgebiet „Neuromarketing“ bei dem Online-Buchhändler Amazon lieferte über 140 Einträge.[29] Neue aktuelle Bücherveröffentlichungen mit unterschiedlichen Anwendungsmöglichkeiten, zeigen die Aktualität der Thematik.[30]
Es soll dem Leser ermöglicht werden „hirngerecht“ zu verkaufen, Preise zu gestalten und Marken aus der Sicht des Gehirns zu verstehen. Die Anwendungsmöglichkeiten der Erkenntnisse der Neurowissenschaften scheinen vielfältig zu seien.[31]
Trotz der anhaltenden Popularität gibt es auch kritische Buchveröffentlichungen, deren Autoren finden, dass der aktuelle Neuro-Hype „[…]einfach nur auf die Nerven“[32] ginge. So äußert sich Felix Hasler - Neurowissenschaftler - in seinem Buch „Neuromythologie-Eine Streitschrift gegen die Deutungsmacht der Hirnforschung“. Seiner Meinung nach wird ein falscher Eindruck erweckt, dass mit Hilfe von Hirnforschung alles erklärt werden könne. Er teilt sich mit anderen „Neuro-Skeptikern“ die Meinung, dass oft eine „[…]überdehnte Anwendung bestimmter...