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E-Book

Nürnberg

Kleine Stadtgeschichte

AutorHorst-Dieter Beyerstedt, Martina Bauernfeind, Michael Diefenbacher
VerlagVerlag Friedrich Pustet
Erscheinungsjahr2017
ReiheKleine Stadtgeschichten 
Seitenanzahl192 Seiten
ISBN9783791761244
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis13,99 EUR
'Äußerst kompetent und sorgfältig (...) Sehr zu empfehlen!' Bayern im Buch 'Eine ?üssig geschriebene, schlüssig gegliederte, anschaulich ausgestattete Stadtgeschichte' Zeitschrift für bayerische Landesgeschichte 'Des Reiches Schatzkästlein' und 'industrielles Herz Bayerns', 'Stadt der Reichsparteitage' und 'rotes Nürnberg', 'Zentrum Europas' oder bayerische Provinz, Stadt Dürers, der ersten deutschen Eisenbahn und des Lebkuchens - wohl in keiner anderen Stadt Deutschlands treffen die Gegensätze der Geschichte so hart aufeinander. Die Kleine Stadtgeschichte zeichnet diese Entwicklung nach: vom Reichsgut der Salier über die Blütezeit als Kultur- und Wirtschaftszentrum europäischen Rangs zum Niedergang im 18. Jahrhundert; vom industriellen Aufschwung und der 'romantischen' Entdeckung Nürnbergs zur Usurpation dieser Tradition durch den Nationalsozialismus und der Zerstörung im Zweiten Weltkrieg; und schließlich bis zur modernen Metropolregion heute.

Dr. Michael Diefenbacher, seit 1990 Direktor des Stadtarchivs Nürnberg. Dr. Horst-Dieter Beyerstedt, 1989-2017 Abteilungsleiter am Stadtarchiv Nürnberg. Dr. Martina Bauernfeind, 2009-2012 Mitarbeiterin des Stadtarchivs Nürnberg.

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Leseprobe

Nürnberg unter Ludwig dem Bayern und Karl IV. von Luxemburg


Ludwig der Bayer fördert die Stadt


Nach der Erringung der Reichsfreiheit und deren Verteidigung in der 2. Hälfte des 13. Jahrhunderts zahlte sich im 14. Jahrhundert die enge Verbindung der Stadt zu Kaiser und Reich aus. Unter Ludwig IV. dem Bayern (1314–1347) und seinem Gegner und Nachfolger Karl IV. (1346–1378), die zusammengenommen in 64 Jahren 126-mal teilweise monatelang zu Besuch in Nürnberg weilten, führte diese Verbindung zu einer ersten Blüte. Ludwig der Bayer ließ der Stadt Nürnberg die größte Förderung zukommen. Er verlieh ihr und ihren Bürgern das Recht, über landschädliche Leute zu richten, gewährte ihnen Zollfreiheiten an 72 Zollstätten und beschränkte das lästige Asylrecht, welches dem Schottenkloster zu St. Egidien, der Deutschordenskommende bei St. Jakob und der Burgfreiung zustand. In dem 1332 errichteten mächtigen Rathaus (Großer Ratssaal) kam das gestiegene Selbstbewusstsein der Reichsstadt zum Ausdruck. Der zu seiner Zeit reichste Nürnberger Bürger Konrad Groß, Finanzier des Königs und Inhaber des Schultheißenamts, stiftete 1339 das Heilig-Geist-Spital, eines der größten städtischen Spitäler im Reich und bis heute eine das Bild Nürnbergs prägende Sehenswürdigkeit.

Das Nürnberger Heilig-Geist-Spital wurde als »Neues Spital« im Gegensatz zum älteren Elisabethspital der Deutschordenskommende gestiftet. Die Stiftungsmasse war ursprünglich für 200 Insassen berechnet, reichte aber bald nicht mehr aus, sodass seit dem 14. Jahrhundert der Gesamtfond durch weitere Stiftungen vergrößert werden musste. Nach Groß’ Willen sollte das Heilig-Geist-Spital vornehmlich zwei Aufgaben erfüllen: einerseits als Krankenhaus, in das Sieche und Leidende aller Art aufgenommen wurden, ausgenommen solche mit ansteckenden Krankheiten (in Kriegszeiten zusätzlich als Lazarett), und andererseits als Altersheim zur kostenlosen Versorgung mittelloser und arbeitsunfähiger älterer Leute. Andere Bewohner konnten sich gegen ein geringes Wohn- und Kostgeld einkaufen. Neben diese traten die sogenannten reichen Pfründner, die sich durch die Zahlung einer höheren Einkaufssumme bessere Kost und besondere Vorrechte leisten konnten. Als im 15. Jahrhundert weitere Funktionen hinzukamen (Gebärhaus, Wöchnerinnenheim, lange Zeit einzige chirurgische Station in Nürnberg), erhielt das Heilig-Geist-Spital bis 1525 durch die Bebauung der westlichen Vorderen Insel Schütt und die dreifache Überbrückung des nördlichen Pegnitzarms sein heutiges Aussehen.

Zwischen 1424 und 1796 wurden in der Kirche des Heilig-Geist-Spitals die Reichskleinodien verwahrt. An der Spitze des im Zuge der Reformation gebildeten Spitalamts (1596 erweitert um das aufgehobene Katharinenkloster) stand ein patrizischer Pfleger; die eigentliche Spitalverwaltung oblag dem Spitalmeister. Als größtes Nürnberger Sozialinstitut verfügte das Heilig-Geist-Spital über zahlreiche Liegenschaften in der Stadt und in ihrer näheren und weiteren Umgebung. Im 18. Jahrhundert gehörten hierzu annähernd 700 Bauernhöfe in über 150 Ortschaften. Aufgrund dieses enormen Besitzes konnte die Reichsstadt Nürnberg ihren Einfluss weit über ihr eigenes Territorium hinaus ausdehnen, in Notzeiten stand zudem das Spitalvermögen dem Rat für Anleihen zur Verfügung. 1817/18 versuchte man, das Heilig-Geist-Spital in ein Krankenhaus umzuwandeln. Es blieb aber weiterhin Pfründneranstalt, seit 1887 in Betreuung von Neuendettelsauer Schwestern, und auch das heutige Altersheim dient immer noch dem Stiftungsgedanken von Konrad Groß.

Bis zur Mitte des 14. Jahrhunderts war die Stadt so sehr gewachsen, dass eine Erweiterung des Mauerrings in Angriff genommen werden musste. In mehr als 100-jähriger Bauzeit entstand zwischen 1350 und 1452 unter Einbezug alter städtischer Randsiedlungen die heute noch größtenteils erhaltene etwa fünf Kilometer lange Ringmauer. Obwohl heute 31 der ehemals 88 Türme verloren sind, dokumentieren die Mauern die Größe des mittelalterlichen Nürnberg. Das Areal zwischen der staufischen und der spätmittelalterlichen Stadtmauer wurde jedoch bis zum Ende der Reichsstadtzeit nie völlig überbaut.

Abb. 7: Grabmal des Konrad Groß im Kreuzigungshof des Heilig-Geist-Spitals. – Fotografie von 1963 (StadtAN A 39 Nr. Fi - S - 3804 - A).

 

BIOGRAFIE

 

Konrad Groß – Ratsherr, Finanzier von Kaisern und Stifter

Konrad Groß, der Stifter des Nürnberger Heilig-Geist-Spitals, wurde um 1280 geboren und starb am 10. Mai 1356 in Bamberg. Er entstammte einer Ministerialenfamilie aus dem Nürnberger Umland, die seit 1274 in Nürnberg urkundlich nachgewiesen ist. 1307 trat Groß erstmals als Zeuge in Rechtsgeschäften auf, 1319 und ab 1332 ist er als Ratsmitglied belegt. 1320/29 trat er als Pfleger des Nürnberger Katharinenklosters in Erscheinung. 1333 gewährte Groß Ludwig dem Bayern ein großzügiges Darlehen, wofür dieser ihm ein Drittel der Judensteuer des Reichs, die von würzburgischen Landstädten erhoben wurde, übertrug. 1339 löste Groß das den Burggrafen von Nürnberg verpfändete Amt des Reichsschultheißen samt Zoll und Münzrecht in Nürnberg aus, das er bis zu seinem Tod verwaltete und sogar seinen Söhnen vererben konnte. Ebenfalls 1339 erwarb er zusammen mit einem Frankfurter Bürger die Pfandschaft an der Frankfurter Münze. So beruhte Groß’ Reichtum – er galt als einer der reichsten Männer seiner Zeit – auf ererbtem Familienbesitz und einträglichen Pfandschaften, zu denen auch die bambergischen Ämter Herzogenaurach, Schellenberg und Büchenbach gehörten. Einen Großteil dieses Reichtums verwendete Groß für fromme und wohltätige Stiftungen. 1343 unterstützte er Gräfin Kunigunde von Orlamünde bei der Gründung des Zisterzienserinnenklosters Himmelthron, das 1348 nach Großgründlach bei Nürnberg verlegt wurde. 1344 beteiligte er sich an einer Spitalstiftung der Kitzinger Benediktinerinnen, 1345 schuf er zusammen mit Kaiser Ludwig die Einsiedelei Pillenreuth bei Nürnberg. Die größte Stiftung aber war das Nürnberger Heilig-Geist-Spital. Die großzügige Vergabe seines Vermögens führte zu Erbstreitigkeiten mit seinen Söhnen, die 1349 geschlichtet werden konnten. Nach seinem Tod 1356 wurde Konrad Groß in der Kirche des Heilig-Geist-Spitals bestattet. Sein Hochgrab, der Werkstatt des Meisters des Westportals der Lorenzkirche zugeschrieben, steht heute in einer nördlich an den Kreuzigungshof des Heilig-Geist-Spitals anstoßenden Halle.

 

Abb. 8: Die 1489–1527 errichtete Pegnitzüberbauung des Heilig-Geist-Spitals von Westen. – Fotografie von 2012.

Die Krise von 1348/49


Ludwigs IV. Regierungszeit war ab 1314 überschattet zunächst durch die Auseinandersetzung mit seinem Gegenkönig, dem Habsburger Friedrich dem Schönen, die Ludwig 1322 für sich entscheiden konnte, und spätestens seit 1324 mit dem Papst in Avignon über das von diesem beanspruchte Zustimmungsrecht zur römisch-deutschen Königswahl. In diesem Streit setzte Ludwig verstärkt auf die wirtschaftlich aufstrebenden Städte und suchte andererseits wechselweise England oder Frankreich als Verbündeten gegen die Päpste zu gewinnen, was wie seine expansive Hausmachtpolitik zu massivem Widerstand seitens der Reichsfürsten führte.

Im Sommer des Jahres 1346 wurde mit Unterstützung der Kurie und des französischen Königshofes der Luxemburger Karl IV. nach weitreichenden Zugeständnissen an den Papst zum Gegenkönig gewählt und nach der päpstlichen Zustimmung in Bonn gekrönt, da Aachen wie die meisten Städte fest zu Ludwig stand. Im Frühjahr 1347 begann der Kampf zwischen Ludwig und Karl. Der anstehenden Entscheidungsschlacht zwischen den beiden Königen, bei der im Lager Ludwigs nicht nur die Habsburger, sondern auch zahlreiche Freie und Reichsstädte und die Ritterschaft standen, kam allerdings der Tod Ludwigs am 11. Oktober 1347 zuvor. In der Folge brachte die Unfähigkeit der Wittelsbacher, sich auf einen gemeinsamen Kandidaten als Nachfolger zu einigen, und der Wechsel der Habsburger ins luxemburgische Lager Karl in Vorteil. Die Söhne Ludwigs stellten 1349 Günther von Schwarzburg als Gegenkönig auf, arrangierten sich aber nach dessen schnellem Tod noch im selben Jahr mit Karl IV. und teilten die Wittelsbacher Besitzungen unter sich auf.

In diesen Zusammenhang fällt der sogenannte Handwerkeraufstand in Nürnberg. Am 4. Juni 1348 begann in Nürnberg ein Aufruhr, in dessen Verlauf der alte Rat ersetzt und teilweise vertrieben sowie Markgraf Ludwig von Brandenburg (1324–1351), der älteste Sohn Kaiser Ludwigs IV., in die Stadt eingelassen wurde. Nürnberg hatte sich also der wittelsbachischen Partei gegen den Luxemburger Karl IV. zugewendet. Noch im Juni 1348 verbündete sich Nürnberg wie andere fränkische Reichsstände offiziell mit Markgraf Ludwig von Brandenburg. Karl IV. reagierte, indem er einige Lehen der Reichsministerialität einzog und der Stadt das Münzprägerecht widerrief. Ansonsten versuchte er, mit dem neuen Rat zu verhandeln.

Nachdem sich Karls Position gegen die wittelsbachische Partei aber gefestigt hatte, bezog er im Juni 1349 eindeutig die Position der entflohenen Ratsmitglieder. Am 13. Juli begnadigte er die Aufständischen, restituierte dabei aber den alten Rat und verbot alle Zusammenschlüsse und Zünfte (und sol auch kein czunft noch kein verbuntnüzze noch keinerley sache da sein noch beliben, dann als di stat von alter her komen ist). Die Herrschaft des Aufruhr-Rats dauerte noch bis zum 21. September 1349, tags darauf urkundete Karl IV. selbst in Nürnberg. Am 2. Oktober 1349 erklärte er alle Urkunden des Aufruhr-Rats für ungültig und gestattete dem restituierten Rat, die Aufrührer zu...

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