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E-Book

Oliver Cromwell

England und Europa im 17. Jahrhundert

AutorDieter Berg
VerlagKohlhammer Verlag
Erscheinungsjahr2019
Seitenanzahl243 Seiten
ISBN9783170331624
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis31,99 EUR
Oliver Cromwell (1599-1658) gelang das einzigartige Kunststück, vom einfachen Landedelmann zum allmächtigen Lord Protector aufzusteigen. In seinem schillernden Leben und Wirken spiegelt sich zugleich eine der turbulentesten Epochen der englischen Geschichte, die von Bürgerkrieg, Revolution sowie der Errichtung des Commonwealth geprägt war. Dieter Berg entwirft aus den Quellen eine kritische Würdigung der Lebensgeschichte dieser bis heute äußerst umstrittenen aber faszinierenden Persönlichkeit. Dabei bietet der Autor einen ganz neuen Blick auf die englische und europäische Geschichte des 17. Jahrhunderts, deren überraschenden Wendungen und tiefgreifenden Wandlungen die Leser bis heute fesseln.

Professor Dr. Dieter Berg war Lehrstuhlinhaber für Mittelalterliche Geschichte an der Universität Hannover.

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Leseprobe

Einführung


 

 

 

Oliver Cromwell gehört zweifellos zu den umstrittensten Persönlichkeiten der englischen Geschichte, wobei bis zum heutigen Tage fanatische Gegner des Protektors ebenso entschlossenen Verehrern des Generals gegenüberstehen. Dennoch zählte er nach einer Umfrage, welche die BBC 2002 unter ihren Zuschauern in Großbritannien und Irland durchführen ließ, zu den größten Briten der Geschichte – nach Winston S. Churchill (Platz 1), Princess Diana of Wales (Platz 3), William Shakespeare (Platz 5), John Lennon (Platz 8) immerhin noch auf Rang 10. Ungeachtet dieser etwas fragwürdigen Platzierung hält die öffentliche Diskussion über die Person Cromwells, sein Wirken und sein Vermächtnis bis zum heutigen Tage an. Charakteristisch hierbei ist, dass diese Auseinandersetzungen zumeist höchst emotional geführt werden und oft mit wenig rationalen Beurteilungen bzw. Verurteilungen seiner Person verbunden sind. Bei den hierbei entworfenen Cromwell-Bildern sind bis heute gravierende Diskrepanzen zu konstatieren, wobei die Negativ-Bilder bei seinen Gegnern unverändert von der Einwirkung royalistischer bzw. nationalistischen Ideologien beeinflusst werden. Auch weiterhin sind hierbei auf Seiten der Königsanhänger seine Rolle als sog. »Königsmörder« (bei der Hinrichtung Karls I.) und auf Seiten irischer Nationalisten seine Aktivitäten als (angeblicher) »Schlächter« wehrloser Zivilisten (bei dem Irland-Feldzug) von entscheidender Bedeutung.1

Schon früh wurde das Bild des Protektors in der zumeist englischsprachigen Historiographie, deren Entwicklung bis zur Gegenwart in wenigen Stichworten charakterisiert werden soll, durch zumeist publizistische Attacken auf seine Person und sein Wirken geprägt ( Kap. 9.2).2 Bereits unmittelbar nach der Thronbesteigung Karls II. (1660) begannen royalistische Gefolgsleute und Opportunisten damit, durch Schmähschriften, Pamphlete etc. das Andenken Cromwells wenn nicht zu zerstören, so doch wenigstens negativ zu gestalten. In einer Serie an polemischen Schriften in den 1660er Jahren wurde er als sog. »Königsmörder«, skrupelloser Heerführer und Gewalttäter diffamiert bzw. geradezu diabolisiert. Diese Tendenzen setzten sich bis zum Ende des 17. Jahrhunderts fort, wobei sogar frühere Gefolgsleute dem Protektor Machtstreben, Verrat an der Englischen Revolution etc. vorwarfen. Im 18. Jahrhundert blieb sein Negativ-Bild weitgehend erhalten, obwohl nun mitunter sogar seine Verdienste um das Inselreich und um dessen Ansehen gewürdigt wurden; zudem schenkte man seinen Kampfgefährten und ihrer Rolle im politischen Geschehen größere Beachtung.

Tiefgreifende Veränderungen des Cromwell-Bildes erfolgten erst seit den 1840er Jahren sowohl durch Thomas Babington Macaulay mit seiner Berücksichtigung Cromwell-freundlicher oraler Traditionen (1848–1855), als auch durch Thomas Carlyle mit seiner Edition der Werke des Protektors (Letters and Speeches, 1845).3 Zwar wollte der Herausgeber seinen »Helden« vor allem durch seine Schriften »selbst sprechen lassen«, doch betonte er in seinen Kommentierungen die Ausnahme-Existenz Cromwells. Dieser hätte »unter Führung des Herrn« eine »Puritanische Revolution« angestrebt und erfolgreich die Streitkräfte und Verwaltung durch Einführung einer ›Meritokratie‹ reorganisiert. In dem Protektor erblickte daher Carlyle wie andere Viktorianer einen ›Geistesverwandten‹, dessen Erbe zu pflegen war. Auch sie glaubten bei Cromwell eine ähnliche Wertschätzung von Armee bzw. Navy, den Drang nach Erwerb von Kolonien als Grundlage für das Empire und ein Machtbewusstsein wie bei den viktorianischen Zeitgenossen erkennen zu können; Liberale würdigten den Protektor hingegen wegen seines Nonkonformismus und seines Strebens nach Gewissensfreiheit.4 Diese Wertschätzung zeigten auch zahlreiche Whig-Historiographen und insbesondere Samuel Rawson Gardiner in seinen voluminösen Schriften zum Leben Cromwells und zur Geschichte des Englischen Bürgerkriegs (1882–1903). Auch für ihn war der Protektor in seinem Handeln von religiösen Idealen geleitet, hatte die Strukturen in Staat und Kirche reformiert und Politik nach puritanischen Moralvorstellungen gestaltet.

Etwas kritischer beschrieb Charles Firth Cromwell, dessen militärischen und politischen Leistungen er zwar würdigte, jedoch ihm in seinem politischen Handeln große Inkonsistenz und die Schaffung eines – puritanisch geprägten – Herrschaftssystems vorwarf, das zu stark auf seine Person konzentriert und daher »auf Sand gebaut« war (1901). Gemeinsam war viktorianischen Geschichtsschreibern, dass sie Cromwells Schriften mit den Darstellungen der Zielsetzungen und Beweggründe für seine Handlungen uneingeschränkt Glauben schenkten. Während der Protektor sich hierbei ständig als »Instrument Gottes« stilisierte und damit einen eigenen »Mythos« zu schaffen begann, hielten zahllose Historiker hingegen seine Schriften bis weit ins 20. Jahrhundert für glaubwürdige, »objektive« Darstellung der historischen Wirklichkeit – eine fatale Fehleinschätzung, wie sich erst spät zeigen sollte.

Während der »Cromwellianismus« nach dem Ende der Herrschaft Kaiserin Viktorias (1901) allmählich abebbte und der Protektor in den beiden folgenden Jahrzehnten in der historischen Forschung – abgesehen von einigen Handbuchbeiträgen etc. – eher geringeres Interesse fand, kam es in den 1930er Jahren zu einem Boom an einschlägigen Publikation. Hierbei standen die meisten Autoren unter dem Eindruck der zeitgenössischen politischen Entwicklungen, insbesondere des Aufstiegs des italienischen Faschismus und des Nationalsozialismus. Dies galt besonders für Wilbur Cortez Abbott, der nicht nur eine vierbändige Edition der Schriften Cromwells (Writings and Speeches) vorlegte, sondern in Kommentaren dessen Großtaten rühmte und ihn als bewundernswerten Vorläufer zeitgenössischer Diktatoren wie Hitler und Mussolini würdigte (1937–1947).5

Ähnliche Tendenzen sind in anderen englischsprachigen Biographien über den Protektor in den 1930er erkennbar – etwa bei Ernest Baker, der – ungeachtet des Kampfes Cromwells für Glaubensfreiheit – große Ähnlichkeiten zwischen Cromwell und Hitler konstatierte (1934).6 Vergleichbare tagespolitische Bezüge wies auch die Cromwell-Biographie von Maurice Percy Ashley auf, der seinen »Helden« als »Conservative Dictator« würdigte (1937). Sogar die Erfolgsautorin Cicely Veronica Wedgwood konstatierte in ihrer Lebensbeschreibung des Protektors den angeblichen zeitgenössischen »triumph of the dictatorships« und stellte hierbei Vergleiche mit Cromwell an (1939). Später wurde dessen Würdigung durch die Autorin in ihrer großen, royalistisch geprägten Monographie über Karl I. und sein »Martyrium« relativiert.7

Der Zweite Weltkrieg und seine weitreichenden Folgen hatten auch Auswirkungen auf die Cromwell-Forschung, da erst in den 1950er Jahren wieder größere Biographien zu Cromwell erschienen – etwa von Robert Sydney Paul, der sich in seinem Werk von tagespolitischen Bezügen löste und die zentrale Bedeutung von Glauben und Religion im Leben des Protektors hervorhob.8 Für den Geistlichen schien Cromwell aufgrund seiner tiefen religiösen Überzeugungen, seinem Streben nach Glaubensfreiheit und nach Überwindung religiöser Gegensätze ein »fellow ecumenicist« zu sein (1955). Diese Würdigung wurde in folgenden Monographien zum Leben des Protektors nicht rezipiert; vielmehr berücksichtigte man eher »traditionelle« Aspekte seines Lebens – etwa die Entwicklung seiner militärischen Karriere (durch Peter Young, 1962). Hinzu kam, dass sich die Cromwell-Forschung seit den 1950er Jahren hinsichtlich der Untersuchungsgegenstände sowie der Methodik veränderte.9 Nun ging es nicht mehr um die Darstellung des Lebens einzelner Personen (d. h. Cromwells), sondern man erweiterte das Untersuchungsspektrum, indem außer den Bürgerkriegen vor allem Veränderungen in der englischen Gesellschaft und Wirtschaft sowie die Bedeutung sozialer Gruppen (wie Aristokratie, Gentry, Middle Class) untersucht wurden (von Hugh Redwald Trevor-Roper, Jack H. Hexter u. a.).

Hierbei erlangte die marxistisch geprägte Forschung größeren Einfluss – insbesondere Christopher Hill mit seinen Studien über die English Revolution und über das Wirken Cromwells (1970).10 Zwar würdigte er diesen als God’s Gentleman und als exzellenten...

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