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E-Book

Sahra Wagenknecht

Die Biografie

AutorChristian Schneider
VerlagCampus Verlag
Erscheinungsjahr2019
Seitenanzahl256 Seiten
ISBN9783593441221
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis19,99 EUR
Nahaufnahme Sahra Wer ist Sahra Wagenknecht? Eine der beliebtesten und umstrittensten deutschen Politikerinnen, ein politischer Popstar, dauerpräsent in den Medien, eloquent in Talkshows und dennoch umgeben von einer Aura der Unnahbarkeit. Doch warum ist eine hochbegabte Theoretikerin und promovierte Volkswirtin, die sich selbst das Lesen beigebracht und Goethe und die klassischen Philosophen für sich erobert hat, eigentlich Politikerin geworden? Biograf Christian Schneider hat sich in intensiven Gesprächen mit ihr und ihren Weggefährten ein Bild gemacht. Sie hat ihm Zugang zum engsten Kreis gewährt und Gespräche mit ihrer Mutter, einer Freundin aus Kindertagen und Oskar Lafontaine ermöglicht. - Ein vielschichtiger Blick auf eine der spannendsten Persönlichkeiten des Landes. - Näher werden Sie Sahra Wagenknecht nicht kommen!Christian Schneider, Dr. phil. habil., Sozialpsychologe und Führungskräftecoach, gilt als Begründer der Disziplin 'psychoanalytische Generationengeschichte'. Er lehrte als Privatdozent an der Universität Kassel und hat seit 2001 eine Praxis für psychoanalytisches Coaching. Der Autor zahlreicher Veröffentlichungen zu psychoanalytischer Kulturtheorie und vieler Porträts von Politikerinnen und Politikern lebt in Frankfurt am Main.

Christian Schneider, Dr. phil. habil., Sozialpsychologe und Führungskräftecoach, gilt als Begründer der Disziplin 'psychoanalytische Generationengeschichte'. Er lehrte als Privatdozent an der Universität Kassel und hat seit 2001 eine Praxis für psychoanalytisches Coaching. Der Autor zahlreicher Veröffentlichungen zu psychoanalytischer Kulturtheorie und vieler Porträts von Politikerinnen und Politikern lebt in Frankfurt am Main.

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Leseprobe

Eine Frau mit Widersprüchen


Auftakt mit Vogelgezwitscher


In der Ecke des Zimmers, das auf die Terrasse führt, steht neben einem Bücherregal ein kleiner roter Mann. Einige der hier eingestellten Werke kenne ich. Gleich werde ich mit ihrer Autorin sprechen. Sie ist draußen dabei, den Tisch zu richten. Die Vögel zwitschern atemberaubend laut, es ist Sommer.

Der kleine, gerade mal einen Meter große rote Mann, der die Bücher bewacht, ist Karl Marx: die bekannte Skulptur von Ottmar Hörl. Ein Geschenk von Freunden, sagt Sahra Wagenknecht, die mittlerweile in der Küche steht, um den Darjeeling aufzugießen. Am Fenster lehnt das gerahmte Foto eines anderen Bekannten: Che Guevara. Nein, nicht das berühmte Demo-Poster mit dem entschlossen-visionären Gesichtsausdruck des Revolutionärs. Das Küchenbild zeigt einen eher gemütlichen, ja, etwas dicklichen Mann mit einem freundlichen Lächeln, das so gar nicht nach Guerillakampf und Revolution aussieht. Auf meinen ironischen Kommentar erwidert Sahra Wagenknecht, genau das möge sie. Hier wirke der Held der 68er einfach so menschlich. Gerade wegen des Lächelns. Auch dieses Foto sei ein Geschenk von Freunden.

Für einen Moment laufen Szenen durch meinen Kopf, in denen Freunde Karl und Che wie Pralinenpackungen als Gastgeschenke ins Haus bringen. Wo bin ich hier? Schließlich ist seit 1968 ein halbes Jahrhundert vergangen. Damals war Sahra Wagenknecht noch nicht geboren und ihr Mann, Oskar Lafontaine, der Besitzer des Hauses in dem kleinen Dorf Silwingen dicht an der französischen Grenze, noch ein ordentlicher Sozialdemokrat. Treffe ich etwa eine nostalgische Altlinke?

Hält man sich an das, was in den Medien über sie verbreitet wird, ergibt sich kein klares Bild. Und mein persönlicher Kontakt mit Sahra Wagenknecht besteht bislang aus einem 90-minütigen Gespräch, das ich mit ihr 2014 für ein Porträt in der tageszeitung geführt hatte. Ich erinnere noch gut das Gefühl, auf eine außergewöhnlich facettenreiche Frau zu treffen, die sich in den üblichen Netzen des Journalismus nicht fangen lässt.

Wir gehen auf die Terrasse. Das Vogelgeschrei schafft eine Art Grundtaubheit in den Ohren. Ich baue das Mikrofon auf. Eine graue Katze schleicht geschmeidig und scheu an mir vorüber. Gibt es Futter? Meistens, denn wenn Sahra Wagenknecht zu Hause ist, stellt sie etwas für das streunende Tier ins Freie, das regelmäßig vorbeischaut – und macht sich Sorgen, ob vielleicht wieder einmal der viel kräftigere Kater aufkreuzt und die kleine Kostgängerin wegbeißt. Sich um Dinge zu kümmern, die für viele Inbegriff des Nebensächlichen wären, ist ihr ein Bedürfnis. Tiere gehören dazu.

»Sie müssen mir Fragen stellen«, hatte Sahra Wagenknecht vor unserem Treffen gesagt. Ich ahne, dass es selbst für einen Medienprofi wie sie nicht leicht ist, über das eigene Leben Auskunft zu geben. Zumal es sich nicht um ein Zeitungsporträt von einer oder zwei Seiten handelt. Aber sie beginnt mutig, mit der klaren, disziplinierten Sprache, für die sie bekannt ist, zu erzählen. Über lange Strecken wird es dann doch ein Monolog.

Als sie über ihre Kindheit spricht, fällt mir auf, wie jung sie hier im heimischen Umfeld, lässig in Jeans und roter Bluse im strahlenden Sommerlicht, wirkt – und plötzlich packt mich ein Schrecken: Kann man denn die Lebensgeschichte einer noch nicht einmal 50-Jährigen in Buchform niederschreiben? »Biografie« heißt ja im Wortsinn: Beschreibung eines Lebens, das heißt in aller Regel eines gelebten Lebens, von seinem Ende aus betrachtet. Sportler und Schlager-Sternchen mögen da eine Ausnahme bilden. Sie haben tatsächlich oft genug das Leben, das andere interessieren könnte, schon in jungen Jahren abgeschlossen. Aber Politiker?

Und halt, stopp mal! Ist Sahra Wagenknecht wirklich eine Politikerin? Beziehungsweise ist sie nur eine Politikerin? Es gibt nicht wenige intelligente Leute, die sie als scharf analysierende, sozialwissenschaftlich und ökonomisch argumentierende Theoretikerin wahrnehmen. Als Intellektuelle, deren hauptsächliche Fähigkeit darin liegt, kluge Bücher zu schreiben. Manche sehen sie als Philosophin. Andere warten seit Jahren auf ihr abschließendes Werk zu Goethe. Und selbst das Wort vom Popstar taucht bei ihrer öffentlichen Beurteilung immer wieder auf. So viele verschiedene Meinungen und Erwartungen – das deutet für mich auf eine Vielfalt von Begabungen und Möglichkeiten hin, die weit über das hinausgeht, was ein »normales« Leben bereithält.

Sahra Wagenknecht erzählt gerade von ihren frühen Erfahrungen in der Schule, als mir aus dem nachmittäglichen Himmel die Einsicht zufliegt, dass eine Biografie von ihr neben der Bestandsaufnahme des Geschehenen eine Geschichte der Möglichkeiten sein muss. Und eine der Widersprüche. Sicherlich, es gilt aufzuzeichnen, was sich in ihrem Leben ereignet hat. Das, was sie manchmal wie beiläufig erzählt, auf seine Bedeutung hin zu befragen. Dazu die Stimmen von Weggefährten zu hören. Aber im Grunde, das wird mir im schallenden Singsang der deutsch-französischen Vogelschar deutlich, wird die Herausforderung wohl sein, sich einer Frau zu nähern, die wie kaum eine Zweite in der deutschen Politik fasziniert und polarisiert, verehrt und abgelehnt wird. Und dabei derart rätselhaft bleibt.

Was heißt: Ihrem Biografen kommt die Aufgabe zu, im Licht der Spuren und Narben ihrer Vergangenheit ihre Gegenwart zu betrachten. Und ihre bisherige Geschichte auf die Möglichkeiten ihrer Zukunft zu projizieren. Mit dem üblichen Risiko. Niemand weiß, was morgen sein wird. Am wenigsten bei Personen, deren Charakter durch eine so verwirrende Vielstimmigkeit der Lebenspartitur bestimmt wird wie bei Sahra Wagenknecht.

»Gehen wir rein?«, fragt sie nach vielen Stunden Gespräch. Eigentlich ist sie krank, und sie hat sich auf das Interview nur eingelassen, weil schon der erste Termin aus Krankheitsgründen geplatzt ist. Als wir den Sonnenplatz mit Blick auf die sommerliche Landschaft verlassen, habe ich das Gefühl, dass ich den kleinen Marx nun irgendwie anders sehe. Bewacht er wirklich das Bücherregal? Oder die Autorin?

Wahlkampf


Heißer Herbst 2018 in Deutschland. Es brennt an allen Ecken und Enden. Buchstäblich ein ganzes Moor nach einem Bundeswehrmanöver. Andere Brandstellen lodern ohne sichtbare Flammen. Tausende Aktivisten besetzen einen Wald, um dessen Rodung zu verhindern, die den Weg zu neuem Braunkohleabbau freimachen soll. Millionen Autofahrer, die das Pech haben, ein Dieselfahrzeug zu besitzen, wissen nicht, ob sie demnächst noch durch ihren Wohnort fahren dürfen. Klar ist nur: Die Autoindustrie hat mit gefälschten Abgaswerten getäuscht und betrogen, und die Politik geht vor ihr in die Knie.

Die Stimmung ist gereizt. Nicht bloß in der Bevölkerung, sondern auch bei den Volksvertretern. In der regierenden Großen Koalition herrscht offener Krach zwischen den Unionsvorsitzenden Merkel und Seehofer. Das Versagen der SPD bei einer Reihe von fatalen Entscheidungen ist offensichtlich.

Heute ist die »Causa Maaßen«, die Absetzung des Verfassungsschutz-Chefs nach einem schweren Lapsus und seine zwischenzeitliche Beförderung, Schnee von gestern. In diesem heißen Herbst aber provoziert der Skandal die Frage, ob Deutschland überhaupt noch eine funktionierende Regierung hat. Und wenn ja: wie lange noch? Gerade wegen der scharfen Kontroversen zwischen den beiden Parteien mit dem christlichen »C« im Namen werden die kommenden Landtagswahlen in Hessen und Bayern mit Spannung erwartet. In Bayern steht die CSU vor dem größten Stimm- und Machtverlust seit ihrer Gründung. Der Wahlkampf wird mit harten Bandagen geführt. Zumal durch die Verschiebungen innerhalb der Parteienlandschaft die kleineren Parteien neues Gewicht gewonnen haben.

Die Fraktionsvorsitzende der Linken, Sahra Wagenknecht, der Medienstar und das bekannteste Gesicht ihrer Partei, arbeitet in diesem Wahlkampf als Rednerin die Marktplätze und Säle dieser beiden Bundesländer ab. Meist bestreitet sie zwei Auftritte pro Tag. Morgen wird es der landsmannschaftliche Spagat zwischen dem bayrischen Aschaffenburg und der hessischen Metropole Frankfurt sein. Heute ist Fulda an der Reihe.

Es ist einer der letzten warmen Tage des Jahres. Die Menschen, die sich auf dem...

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