Sie sind hier
E-Book

Umkämpfte Wälder

Die Geschichte einer ökologischen Reform in Deutschland 1760-1860

AutorRichard Hölzl
VerlagCampus Verlag
Erscheinungsjahr2010
Seitenanzahl551 Seiten
ISBN9783593410296
FormatPDF
KopierschutzWasserzeichen/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis52,99 EUR
Nachhaltigkeit hat Konjunktur. Die Entstehung dieses inhaltlich umstrittenen Begriffs ist eng mit der Geschichte der Wälder verbunden. Richard Hölzl zeigt, wie aufgeklärte Gelehrte nach 1750 eine ökologische Waldreform und eine neue Politik nachhaltiger Ressourcennutzung entwickelten. Er erzählt von Bauern und Richtern, von Förstern und Frevlern, die darum kämpften, ob und wie der neue Wald entstehen sollte. In einer einzigartigen Verbindung von Umwelt- und Wissensgeschichte, von Kriminalitäts-, Wirtschafts- und Sozialgeschichte wird hier die Geschichte des Waldes neu geschrieben.

Richard Hölzl, PD Dr. phil., lehrt am Seminar für Mittlere und Neuere Geschichte der Universität Göttingen.

Kaufen Sie hier:

Horizontale Tabs

Leseprobe
Einleitung: Der Philosoph und die Bauern von Blachendorf Die Bauern von Blachendorf waren nicht einverstanden. Das war eines der größeren Probleme für das Vorhaben des Philosophen Franz von Baader (1765-1841). Als der bayerische Oberbergrat 1803 bei Kurfürst Max IV. Joseph und dessen erstem Minister Maximilian Graf Montgelas die Genehmigung einer neuen Glashütte im Bayerischen Wald beantragte, war ihm nicht klar, dass er der Zustimmung der Bauern überhaupt bedurfte. Immerhin war sein Projekt eine Pionierleistung, die dem Land und dem Gemeinwohl große Vorteile versprach. Baader hatte ein neues Verfahren zur Glasherstellung entwickelt, bei dem große Teile der normalerweise nötigen Pottasche durch Glaubersalz ersetzt wurden. Die neue Technologie versprach eine fünfzigprozentige Holzersparnis bei guter Glasqualität - zu einer Zeit, in der akuter Holzmangel in greifbare Nähe gerückt zu sein schien. Als Standort für seine Glashütte wählte Baader den 'Lamer Winkel'. In dieser abgelegenen Gegend im Bayerischen Wald, an der böhmischen Grenze, erwartete sich der Neuunternehmer genügend Holzreserven, um sein Vorhaben ausführen zu können. Die Glashütte Lambach sollte aus zwei im Staatsbesitz befindlichen Wäldern, dem Lamer und dem Blachendorfer Wald, versorgt werden. Baader wollte sie aufkaufen und führte gute Gründe an: Der 'bisherige reine Ertrag' dieser Wälder sei 'beinahe für nichts zu rechnen'. Die 'materia ligni [habe] einen wirklich so niedrigen Werth [...], daß es wohl kein Wunder ist, wenn eine theils werthlose, theils herrenlose Sache so schlecht verwaltet ist, und die öffentlichen Waldungen dieser Gegend statt kultivirt, nur immer mehr devastirt worden sind.' Der 'Vieheintrieb, Mangel an Säuberung und besonders der mit dem Preise der Pottasche nur frecherwerdende, holzvertilgende Aschenbrand' hätten die Wälder schlimm zugerichtet. Diese 'Verödung' sei umso nachteiliger, als der Mittelgebirgsboden nur für Wald geeignet sei. Baader versprach hingegen den Wald 'nachhaltig' und nach allen Regeln der aufgeklärten Forstwirtschaft zu nutzen. Es liege ja in seinem 'eigenen Interesse', dass das Holz 'jährlich geschlagen und jährlich nachgezogen' werde. Dass die Wälder zur 'Holzzucht kultivirt, und daß die Glaubersalzfabrication eingeführt' werde, sei schließlich im Interesse des Gemeinwohls. Noch im selben Monat, im Januar 1805, genehmigte Graf Montgelas Baaders Kaufgesuch. Allerdings sollten die Waldflächen genau vermessen und die Ansprüche der lokalen Bevölkerung ermittelt werden. Hier begannen die Probleme für Baader. Als hoher Beamter, der im wichtigsten Reformgremium der Münchner Zentralregierung, der General-Landesdirektion, für Bergbau zuständig war, als außerordentliches Mitglied der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, als anerkannter Chemiker, Arzt und Spross einer bekannten Münchner Gelehrtenfamilie konnte Baader auf das Wohlwollen des Kurfürsten zählen. Dieser war auch sofort bereit, ihm die gewünschten Wälder billig zu überlassen und die gesetzlich vorgeschriebene öffentliche Ausschreibung bzw. Versteigerung zu umgehen. Das eigentliche Hindernis waren die Blachendorfer Bauern. Wie sich schnell herausstellte, beanspruchten sie im Blachendorfer Wald das Recht, ihr Vieh zu weiden. Baader war der Meinung, 'die wenigen Bauern im Dorfe Blachendorf, welche ein Weiderecht in diesem Wald behaupten', wären leicht 'zu entschädigen'. Die Blachendorfer schlugen jedoch, wie die zuständige Behörde berichtete, 'alle dießfallsige Ausgleichung' aus. Baader konnte den Blachendorfer Wald nicht in Besitz nehmen. Auf seine vielfachen Beschwerden hin stellte der König im Sommer 1807 klar, dass der Blachendorfer Wald nicht übergeben werden dürfe. Die Gemeinde Blachendorf habe ein 'im Jahre 1665 vererbrechtetes Weiderecht', und solange sie 'allen gütlichen Abfindungs-Verhandlungen sich entgegensetze', könne der betreffende Wald nicht verkauft werden. Am Rechtsanspruch der Bauern gab es nichts zu deuteln. Noch dazu wurden sie von den Gerichts- und Forstbeamten vor Ort in ihrer Argumentation unterstützt, 'ohne den fortdauernden Genuß der Weidenschaft in jenem gebirgigten waldreichen Lokal sich nicht in ihrem Wohlstande erhalten' zu können. Dagegen halfen auch immer neue Promemoria und Beschwerden Baaders in München nicht. Kurz, die Blachendorfer beharrten auf ihrem Weiderecht und Baader errichtete unterdessen seine Glashütte. Er nutzte das Holz im Blachendorfer Wald nun ohne offizielle Genehmigung und produzierte noch dazu auf herkömmliche Weise Glas, ohne 'ein Loth Glaubersalz' einzusetzen, wie die für das Forstwesen zuständigen Beamten der Generallandesdirektion berichteten. Er weigerte sich den Kaufpreis für den Lamer Wald zu bezahlen, solange er nicht im Besitz des Blachendorfer Waldes war. Im Jahr 1812 entschied der König, Baader den Wald samt den Weiderechten der Blachendorfer zu verkaufen und den Kaufpreis entsprechend zu reduzieren. Zunächst schienen Baader und die Behörden also eine Kompromisslösung gefunden zu haben. Im Jahr 1816 jedoch erreichte die Münchner Zentralverwaltung die Nachricht, Baader habe beide Wälder an einen Nürnberger Gläubiger verpfändet. Da er immer noch keinerlei Zahlungen geleistet hatte, wurde die Rücknahme des Blachendorfer Waldes in Staatsbesitz angeordnet. Besonders das Weiderecht der Blachendorfer Bauern machte den Münchner Beamten Sorgen: 'Nachdem aber [Baader] sich nicht entblödet, selbst die allerhöchste Gnade zur Quelle von Prozessen machen zu wollen', sei zu erwarten, dass 'es über diese Servitut mancherlei Anstände geben, und das Aerar in neue Prozesse verwickelt werde, da es die Gemeinde Blachendorf wegen dieses vererbrechteten Weiderechts auf jeden Fall zu vertreten hat'. Nach über zehnjährigem Hin und Her war der Blachendorfer Wald wieder im Staatsbesitz gelandet. Für die örtlichen Bauern bedeutete dies keineswegs das Ende ihres Kampfes um den Zugang zu den umliegenden Staatswäldern. Die Auseinandersetzung mit dem Philosophen Baader war lediglich eine Episode in einem jahrzehntelangen Reformprozess, der Bayern um 1760 erfasste und fast das gesamte 19. Jahrhundert andauern sollte. Franz Baader, der einige Jahre später zu einem 'Protagonisten der Münchner Romantik' wurde, tritt in dieser Auseinandersetzung eher als typischer Vertreter der Spätaufklärung auf, immer auf der Suche nach Anwendungsbereichen für die 'nützliche Wissenschaft', bemüht im patriotischen Einsatz für das Gemeinwohl, die Reform des Staates und die Verbesserung der Ökonomie. Mit zeittypischen Argumenten, etwa, dass der Wald durch die Bauern und Glashüttenbesitzer 'devastiert' würde und dass er dem Verfall preisgegeben sei, wenn er nicht professionell 'kultiviert' werde, versuchte er sich selbst als Experten zu verorten. Dennoch war er für die Rolle des Fabrikbesitzers nicht geschaffen. Bereits 1812 bemühte er sich, für die Glashütte einen Käufer zu finden und das Patent für sein Verfahren zur Glasherstellung, das noch nicht über das Versuchsstadium hinausgekommen war, nach Österreich zu verkaufen. An einen Freund schrieb er angesichts der Kriegswirren 1809 aus dem Bayerischen Wald: 'Wenn es so fortgeht, so werde ich wohl hierbleiben, und meinen Wald zu Erdäpfelfeldern umbauen [...]. Neues und Interessantes kann ich Ihnen sonst von meiner Gegend hier nichts sagen, von deren Wildheit Sie sich schon dadurch einen Begriff machen können, dass ich Ihnen sage, dass noch immer Bären darin hausen.' Die Blachendorfer Bauern waren durch sein Projekt zum ersten Mal in Kontakt mit den Argumenten und Praktiken der Forstreform gekommen. Dieses säkulare, ökologische Reformprogramm, das einen 'nachhaltigen' und 'modernen' Wald zum Ziel hatte, stützte sich auf einen neuen Wissenschaftszweig, die Forstwissenschaft. Das zentrale Argument lautete, angesichts eines drohenden Holzmangels könne die dauerhafte Versorgung eines Landes mit Holz nur durch eine zentralisierte, wissenschaftsbasierte Bewirtschaftung gewährleistet werden. Der Zugang der lokalen Bevölkerung müsse auf ein Mindestmaß beschränkt und streng kontrolliert werden. Besonders die enge Verschränkung von Feld und Wald, wie im Falle der Blachendorfer Weiderechte, sei aufzulösen und der Wald akademisch gebildeten, professionellen Förstern zu übergeben. Die Wälder selbst sollten 'kultiviert' werden, so hatte es auch Franz Baader in seinem Kaufgesuch formuliert. In den Augen der Forstreformer waren sie 'verödet', mit Wiesen, Lichtungen oder 'Krüppelbeständen' durchzogen und weit vom Ideal eines dichten Holzproduktionswaldes entfernt. Stand hier also 'alt' gegen 'neu', 'Fortschritt' gegen 'Beharrung' oder 'Modernität' gegen 'Tradition'? Stellten sich die Bauern einer technischen Innovation und einer notwendigen ökologischen Reform in den Weg, die den unmittelbar drohenden Brennstoffmangel gerade noch abwenden konnte? Schon die kleine Episode zwischen den Blachendorfer Bauern und dem aufgeklärten und weltgewandten Gelehrten Baader macht deutlich, dass eine binäre Codierung, wie die des Fortschreitens und des Zurückbleibens, nicht Teil der Analyse sein kann, sondern allenfalls des Untersuchungsgegenstands. Die Diskurse der aufgeklärten Gelehrten waren es, die ein lineares Geschichts- und Zukunftsbild zum handlungsleitenden Denkschema erhoben, ihre Welt in Fortgeschrittene und Zurückgebliebene einteilten. Sie prägten damit, die Macht des autorisierten Sprechens auf ihrer Seite, lange Zeit das Bild von der Reform eines alten, zurückgebliebenen Systems, des Ancien Régime und seiner Strukturen, Traditionen und Akteure. Am Beispiel der Forstwissenschaft wird dies besonders deutlich, machte sie doch mit dem Konzept der 'Nachhaltigkeit' die Zukunft zum Dreh- und Angelpunkt ihrer wissenschaftlichen Bemühungen. Versucht man diese Perspektive zu historisieren und als Teil des Forschungsgegenstands zu begreifen, tritt ein anderes Bild von Reform an seine Stelle. Es lässt kulturelle Deutungsmuster und gesellschaftliche Aushandlungsprozesse sichtbar werden. Historische Gewissheiten können hinterfragt, gelehrte Wahrheiten, wie sie Franz Baader präsentierte, als konstruierte Wirklichkeiten und Produkte von Expertendiskursen begriffen werden. Das neue Bild wird um Akteure ergänzt, die in der bisherigen Perspektive kaum 'zur Sprache kamen', aber doch nicht ohne Einfluss waren, beispielsweise die Bauern von Blachendorf. Die Interpretation einer ökologischen Reform, wie die der Waldnutzung zwischen 1760 und 1860, wird dadurch uneindeutiger. Sie wird aber auch sensibler für die Entstehungsmechanismen, die Bedingungen des Erfolgs, des Misserfolgs oder der Anpassung von Reformprojekten und ihre Wirkungen auf die Betroffenen. Die Forstreform von ihrer konzeptionellen Entwicklung in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts bis zu den Versuchen ihrer Implementierung in den ersten beiden Dritteln des 19. Jahrhunderts ist das zentrale Thema dieses Buches. Dabei soll diese umfassende, ökologische Reform in ihrer Entstehung, ihrer Umsetzung und ihrem historischen Wandel begleitet werden. Die besondere Aufmerksamkeit gilt den sinnstiftenden kulturellen Mustern und den gesellschaftlichen Aushandlungsprozessen, die sie umgaben. Mit dem anachronistischen Adjektiv 'ökologisch' ist ein solches sinnstiftendes Moment gemeint, das den Forstreformdiskurs stabilisierte und seinen Protagonisten Möglichkeit zur Identifikation bot. Das 'ökologische' Metanarrativ der Forstreform ermöglichte klare Urteile darüber, wer bzw. welche Praktiken 'gut für den Wald' waren und welche Nutzer und Verhaltensweisen sich 'waldschädlich' auswirkten. Der Begriff 'Reform' entstammt zum Teil der Selbstwahrnehmung der Akteure, die an dem untersuchten wissenschaftlichen Diskurs teilhatten. Sie definierten die Inhalte, die sie mit dem Diskurs verbanden, als Teile einer in die Zukunft gerichteten Neuordnung der Nutzung des Waldes. Reform ist zugleich ein zeitgenössischer Quellenbegriff, der jedoch in der Debatte häufig durch 'Verbesserung', 'Beförderung', 'Hebung' oder, wie bei Franz Baader, durch 'Kultivierung' ersetzt wurde. In dieser Untersuchung bezeichnet 'Forstreform' einen Diskurs, der sich der Neuordnung der Waldnutzung verschrieb und ab der Mitte des 18. Jahrhunderts abgegrenzt werden kann. Das Buch bewegt sich in einem Spannungs- und Konfliktfeld zwischen Wissenschaft und ländlicher Lebenswelt. Eine wichtige These ist, dass es sich bei dem Wandel vom frühneuzeitlichen Multifunktionswald zum modernen Holzproduktionswald keineswegs um die radikale Durchsetzung eines monostrukturellen Programms handelte, das je nach Standpunkt die Rettung des Waldes vor der vollständigen Zerstörung oder die Unterdrückung der ländlichen Schichten im Modernisierungsprozess bedeutete. Weder konnte das Programm der Forstreform schnell und radikal umgesetzt werden, noch blieb es vor erheblicher Modifikation gefeit, die zum großen Teil auf das aktive Handeln der ländlichen Akteure zurückzuführen ist. Letztere hatten eine Stimme, die nicht ohne Gewicht war. Die Umweltgeschichte des Waldes ist aus dieser Perspektive nicht primär Prozess- oder Strukturgeschichte, sondern eine Geschichte der Aushandlung zwischen gesellschaftlichen Akteuren. Die Geschichte des Waldes und der ihn nutzenden lokalen Bevölkerungen kann als Teil eines umfassenden Verstaatlichungs- und Disziplinierungsprojekts begriffen werden. Die Versuche, jene Nutzer, die nicht forstwissenschaftlich ausgebildet waren, zu verdrängen, ihre oft landwirtschaftlichen und kleingewerblichen Praktiken einer immer strengeren Kontrolle zu unterwerfen, scheinen diese Interpretation zu belegen. Angesichts der sozialen und ökologischen Kontrolle der Wälder, für die die Forstwissenschaft im 19. Jahrhundert eine eigene Subdisziplin 'Forstschutz' hervorbrachte, würde es nur wenig Mühe bereiten, eine Macht- und Kontrollsituation zu beschreiben, wie sie Michel Foucault etwa in dem klassischen Werk Überwachen und Strafen umriss. Wie in anderen gesellschaftlichen Bereichen lässt sich auch im menschlichen Umgang mit dem Wald 'der Traum von der disziplinierten Gesellschaft' erkennen. Der mikrohistorische Blick, den lokale Fallstudien ermöglichen, bringt dieses Bild jedoch ins Wanken. Jenseits der Disziplinierungstendenzen wird eine Form der 'Anti-Disziplin' greifbar, die sich in vielfältigen Taktiken des Unterlaufens, Umgehens und Vermeidens der forstwissenschaftlichen Normen und der polizeilichen Verfolgung und Bestrafung manifestierte. Auch die zivilrechtlichen Prozesse, die Inhaber von Nutzungsrechten gegen die Forstverwaltungen anstrengten, die Petitionen an Parlamente und Landesherren und die Beschwerden auf dem Verwaltungsweg wirkten dem 'Traum vom disziplinierten Wald' entgegen, den die Forstreform durchaus hegte. Hier lohnt eine kontrafaktische Frage: Wie hätte die Rolle der ländlichen Bevölkerung, besonders der bäuerlichen Mittelschicht, in der 'modernen Gesellschaft' ohne diese Formen der 'Anti-Disziplin' ausgesehen? Auch die 'Natur' selbst fügte sich nicht einfach in die neuen Kategorien der Forstwissenschaft. Letztere entwickelte zu dieser Problematik eine spezielle Subdisziplin, die 'Forsteinrichtungslehre'. Die sinnige Bezeichnung bedeutete nicht zuletzt, dass der Wald erst auf die wissenschaftlichen Konzepte und Kategorien 'eingerichtet' werden musste. Dies geschah durch Auf- und Umforstung, etwa mit schnell wachsenden, scheinbar genügsamen Nadelhölzern, durch die planvolle Schlagwirtschaft, durch akribisch praktizierte Zwischen- und Durchforstungshiebe oder durch die Beseitigung der 'Forstunkräuter'. Rückkopplungseffekte wie massive Sturmschäden und Schädlingsbefall blieben nicht aus. Schon gegen Ende des 19. Jahrhunderts begannen die ersten Förster zu mahnen, auch die Ertragskraft der Böden und die Anfälligkeit für Schädlinge bei den Nachhaltigkeitsüberlegungen zu berücksichtigen - eine von mehreren Wandlungen des Begriffs 'Nachhaltigkeit' im hier untersuchten Zeitraum. Um die skizzierten Probleme in ein pragmatisches Untersuchungsraster zu bringen, stehen am Beginn dieses Buches zunächst folgende Leitfragen: Wie entstanden wissenschaftliche Reformkonzepte für einen 'modernen Wald' und wie konnten sie soziale und politische Glaubwürdigkeit erlangen? Wie wirkte der neue, zentralisierte und wissenschaftsbasierte Zugriff auf die natürliche Ressource Wald und ein entstehender (über-) regionaler Holzmarkt in der Alltagswelt ländlicher Bevölkerungsschichten? Wie wurde das Modell des 'modernen Waldes' rezipiert und was bedeuteten das Handeln und die Praktiken, die 'Forstfrevel' der ländlichen Bevölkerung, für die Implementierung dieses Modells?
Blick ins Buch
Inhaltsverzeichnis
Inhalt8
Einleitung: Der Philosoph und die Bauern von Blachendorf12
Erster Teil: Die Erfindung des modernen Waldes (1760–1800)38
I. Ökologische Erzählungen im Diskurs um die Forstreform42
1. Von »Barbarey« und »Kultur«: Fortschritt und Zivilisierungsmission45
2. »Daß sich unsere Großväter der Natur allzu viel überließen«: Ordnungen der Natur49
3. »Die Nebel der Vorurtheile zu zerstreuen…«: Der aufgeklärte Blick auf die Landbevölkerung55
4. Eine Anthropologie des Eigennutzes: Die liberale Option61
5. Vom Forstregal zur Forstwissenschaft: Die staatliche Option65
6. Holzmangel und seine Verursacher: Legitimitätskonstruktionen69
7. Die Entdeckung der Zukunft: Nachhaltigkeit als Lösung106
II. Forstwissenschaft und Aufklärung: Institutionen, Akteure und Medien der Wissensproduktion119
1. Orte der Rezeption eines europäischen Diskurses119
2. Forstreform als Karrrierebaustein: Kommunikationsstrategien128
3. Publizistische Initiativen der Zentralverwaltung131
4. Forstreform jenseits der Institutionen: Ein gelehrter Gutsherr133
5. Medien der Wissensproduktion: Die Churbaierischen Intelligenzblätter134
III. Institutionalisierung der Forstreform140
1. Organisation der Verwaltung141
2. Reformversuche: Das 18. Jahrhundert142
3. Reformzeit ab 1780145
4. Ausbildung des Forstpersonals157
Zweiter Teil: Forstreform und ländliche Bevölkerung (1800–1860)168
IV. Kampf um das Waldrecht – Forstreform im Bayerischen Wald168
1. Waldreform im Alltag: Ein Perspektivenwechsel174
2. Grenzkonflikte und Forstrechtsablösungen177
3. »Seit unfürdenklichen Zeiten …«: Dorfgemeinden und Forstreform185
4. Forstfrevel im Gerichtssaal233
5. Waldprivatisierung und ländliche Lebenswelten249
V. Auf dem Weg zur Revolution – alltäglicher Frevel und gewaltsamer Protest der »Spessart-Gemeinden«268
1. Der Spessart als frühindustrieller Försterwald270
2. Gegenwelt: Waldfrevel als Antidisziplin301
3. Lebensbedingungen im Spessart des 19. Jahrhunderts305
4. Die Sprache des Protests: Frevelzahlen und -semantiken317
5. Die Macht des Staates: Strategien der Kontrolle im Vormärz358
6. Forstreform und Revolution (1848/49)378
Dritter Teil: Forstreform und Öffentlichkeit (1800–1860)416
VI. Belletristische und politische Publizistik416
1. »Der Krieg um den Wald«: Belletristik416
2. Politische und staatswissenschaftliche Texte423
VII. Expertendiskurs und bürgerliche Öffentlichkeit445
1. Forstpolizei und Forstschutz: Neue Subdisziplin446
2. Wirtschaftsziele: Was bleibt von der Nachhaltigkeit?462
3. Neue Legitimationsquellen: Schutzwald – Erholungswald474
Fazit490
Dank500
Quellen und Literatur502
1. Archivalien502
2. Gedruckte Quellen503
3. Literatur509
Abbildungen und Diagramme530
Abkürzungen543
Sachregister544
Personenregister550

Weitere E-Books zum Thema: Umweltpolitik - Klimapolitik

Emissionshandelsrecht

E-Book Emissionshandelsrecht
Kommentar zum TEHG und ZuG Format: PDF

TEHG und ZuG in einem Band! Der Kommentar enthält eine aktuelle und praxisnahe Erläuterung der Bestimmungen des Treibhausgas-Emissionshandelsgesetzes (TEHG) und des Gesetzes über den nationalen…

Emissionshandelsrecht

E-Book Emissionshandelsrecht
Kommentar zum TEHG und ZuG Format: PDF

TEHG und ZuG in einem Band! Der Kommentar enthält eine aktuelle und praxisnahe Erläuterung der Bestimmungen des Treibhausgas-Emissionshandelsgesetzes (TEHG) und des Gesetzes über den nationalen…

Emissionshandelsrecht

E-Book Emissionshandelsrecht
Kommentar zum TEHG und ZuG Format: PDF

TEHG und ZuG in einem Band! Der Kommentar enthält eine aktuelle und praxisnahe Erläuterung der Bestimmungen des Treibhausgas-Emissionshandelsgesetzes (TEHG) und des Gesetzes über den nationalen…

Emissionshandelsrecht

E-Book Emissionshandelsrecht
Kommentar zum TEHG und ZuG Format: PDF

TEHG und ZuG in einem Band! Der Kommentar enthält eine aktuelle und praxisnahe Erläuterung der Bestimmungen des Treibhausgas-Emissionshandelsgesetzes (TEHG) und des Gesetzes über den nationalen…

Weitere Zeitschriften

Menschen. Inklusiv leben

Menschen. Inklusiv leben

MENSCHEN. das magazin informiert über Themen, die das Zusammenleben von Menschen in der Gesellschaft bestimmen -und dies konsequent aus Perspektive der Betroffenen. Die Menschen, um die es geht, ...

bank und markt

bank und markt

Zeitschrift für Banking - die führende Fachzeitschrift für den Markt und Wettbewerb der Finanzdienstleister, erscheint seit 1972 monatlich. Leitthemen Absatz und Akquise im Multichannel ...

BMW Magazin

BMW Magazin

Unter dem Motto „DRIVEN" steht das BMW Magazin für Antrieb, Leidenschaft und Energie − und die Haltung, im Leben niemals stehen zu bleiben.Das Kundenmagazin der BMW AG inszeniert die neuesten ...

küche + raum

küche + raum

Internationale Fachzeitschrift für Küchenforschung und Küchenplanung. Mit Fachinformationen für Küchenfachhändler, -spezialisten und -planer in Küchenstudios, Möbelfachgeschäften und den ...

Das Grundeigentum

Das Grundeigentum

Das Grundeigentum - Zeitschrift für die gesamte Grundstücks-, Haus- und Wohnungswirtschaft. Für jeden, der sich gründlich und aktuell informieren will. Zu allen Fragen rund um die Immobilie. Mit ...

dental:spiegel

dental:spiegel

dental:spiegel - Das Magazin für das erfolgreiche Praxisteam. Der dental:spiegel gehört zu den Top 5 der reichweitenstärksten Fachzeitschriften für Zahnärzte in Deutschland (laut LA-DENT 2011 ...

IT-BUSINESS

IT-BUSINESS

IT-BUSINESS ist seit mehr als 25 Jahren die Fachzeitschrift für den IT-Markt Sie liefert 2-wöchentlich fundiert recherchierte Themen, praxisbezogene Fallstudien, aktuelle Hintergrundberichte aus ...

Euro am Sonntag

Euro am Sonntag

Deutschlands aktuelleste Finanz-Wochenzeitung Jede Woche neu bietet €uro am Sonntag Antworten auf die wichtigsten Fragen zu den Themen Geldanlage und Vermögensaufbau. Auch komplexe Sachverhalte ...