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"... und bitte!" Erfolgreich Beiträge für's Fernsehen drehen.

Ein Handbuch für Realisatoren, Regisseure und Videojournalisten

AutorJochen Gerken
VerlagSonnenkinder-Verlag
Erscheinungsjahr2017
Seitenanzahl124 Seiten
ISBN9783980677271
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis7,99 EUR
Jochen Gerken hat jahrelang für die Titanic und den Eulenspiegel geschrieben und mehrere mediensatirische Bücher veröffentlicht (u.a. "Idioten im Fernsehen" und "dumm, dümmer, prominent"). So kommt hier nicht die übliche Ratgeberlangeweile auf. Gespickt mit zahlreichen Anekdoten wird der Berufsalltag des Realisators und das Wissen, das man dafür benötigt, für Einsteiger, Berufsanfänger und gestandene Bildarbeiter spannend und lustig erzählt.

Jochen Gerken arbeite seit über 20 Jahren als Realisator für das Fernsehen und die freie Wirtschaft. Er hat Dokumentationen, Reportagen, Magazine, Doku-Soaps, Reality-Shows, Skripted Reality und Casting-Shows für alle namhaften Sender realisiert. Er war dafür weltweit in 30 Ländern unterwegs, hat Hunderte Interviews geführt und dabei merkwürdige Dinge wie Meerschweinchen, Kobra-Suppe und Wurst am Stil verspeist. Er arbeitet außerdem als Cutter und Fotograf.

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Leseprobe

Realisator – wattisndette?


Vor einigen Jahren, als es noch House-Warming-Partys gab und Tomaten mit Mozzarella sowie Ciabatta unglaublich hip waren, unterhielt ich mich mit einer hyperaktiven Sportstudentin, die sich selbst so toll fand, dass sie es offenbar ärgerlich fand, dass ich kein Spiegel war. Die Unterhaltung drehte sich primär um ihre unglaublichen sportlichen Leistungen und das unfassbar anspruchsvolle Studium. Doch nach einem halbstündigen Monolog fragte sie überraschenderweise: „Und, was machst du so?“. Ich sagte ihr, dass ich Realisator sei. „Puh,“ meinte sie, „ganz schön gefährlich, oder?“

Ganz unrecht hatte sie nicht. Dreharbeiten in afrikanischen Ghettos, wo sich nicht einmal Rambo hineintrauen würde, weil dort bewaffnete Gangs die Herrschaft übernommen haben; bei Neonazis, bei Asozialen, bei Bankern; dazu die beständige Gefahr, an Malaria, Dengue- und Gelbfieber, der Knochenbrecherkrankheit oder gar einer Erkältung zu erkranken. Außerdem lauern überall Lampenstative, die umfallen und Honorare, die ausfallen können. Ist schon ein harter Job. Im Duden steht übrigens zur Definition des Realisators: „Hersteller, Autor, Regisseur eines Films oder einer Fernsehsendung.“ Genauer: Du als Realisator bist der kreative Vermittler zwischen einer auftraggebenden Filmproduktionsfirma und den ausführenden Gewerken von Kamera, Ton, Moderation, Cutter und Sprecher.

Ich werde oft gefragt: Was war denn dein schönster Dreh? Es gab unzählige schöne Momente, gerade in fremden Gefilden (inzwischen habe ich in genau 30 Ländern gedreht), in welchen das Team aufgrund der Umstände zusammengeschweißt wird. Das wohl eindrücklichste Dreh-Erlebnis hatte ich jedoch in Namibia, als wir eines Abends bei den Ju/’Hoansi, einem Stamm der Buschmänner in der Kalahari, einen Trance-Tanz eines Medizinmanns filmen durften. Zunächst standen vor allem die Frauen um ein Feuer und sangen, unterstützt von rhythmischem Klatschen, einen monotonen Singsang. Der Medizinmann bewegte sich dazu und fiel nach etwa 20 Minuten in Trance. Seine Augäpfel rollten manchmal zurück und er bewegte sich merkwürdig abgehackt. Er rief einige Dinge in der Klick-Sprache der Buschmänner, kniete vor einem Mädchen, das krank war, legte seine Hand auf ihren Kopf und tanzte weiter. Plötzlich zuckte er und fiel um. Ein Mann, der sich die ganze Zeit neben ihm aufgehalten hatte, fing ihn auf, sonst wäre er ins Feuer gefallen. Nach dem Glauben der Buschmänner wird bei dem Medizinmann durch die Trance eine heilige Kraft geweckt, die Krankheiten heilt und den Stamm unterstützt. Wir haben das Material in unsere Do-ku-Soap eingeschnitten, es war für die Senderverantwortlichen jedoch zu verstörend und wurde wieder entfernt. Hier endet dein Einfluss. Der Kunde ist König und hat das letzte Wort.

Aber, lieber Leser, wie wird man eigentlich Realisator? Frag’ die Maus oder mich: Eigentlich wollte ich Schriftsteller werden. Meinen ersten Roman um einen selbstmordgefährdeten 14-Jährigen, der von zu Hause ausreißt, um auf Korsika ein neues Leben zu beginnen, hat immerhin meine kleine Schwester gelesen (damals elf Jahre alt). Sie war es auch, die mir eine große Zukunft vorhersagte („Isch ganz gut.“). Ende der 70er Jahre wurde ich Redakteur in unserer linken Schülerzeitung „Das Sandkorn“. Unser Motto: „Seid Sand im Getriebe dieser Welt“ – frei nach Günter Eich. Ich demonstrierte gegen das AKW Whyl und gegen den Polizeistaat. Ich schrieb Kurzgeschichten und Gedichte und fing tatsächlich an, Publizistik, Germanistik, Romanistik und Linguistik in Münster und Berlin zu studieren. Und ich veröffentlichte einige Texte in Literaturzeitschriften. Die meisten hatten zwar nur eine Auflage von 100 Stück, trotzdem machte es mich sehr stolz, meine Texte gedruckt zu sehen. Später gründete ich selbst eine, die „Litoris“ (Untertitel: „Die ostenlose Zeitschrift für geistige Stimulanz“), die jedoch nach zwei Ausgaben eingestellt wurde. Meine Schwester: „Hab’s dir glei g’sagt: läse duet kainer mär.“

Schließlich wollte ich Fotograf werden. Immerhin fotografierte ich seit meinem zehnten Lebensjahr, als ich von meiner Großmutter eine Agfa-Box mit Rollfilmen geschenkt bekommen hatte. Erste Motive: meine Schwester und Tiere im Zoo. Mit 20 begann ich ein Praktikum in einem großen Fotostudio, in dem vor allem Werbefotografie und auf jeden Fall „Foto-Design“ gemacht wurde. Das war 1986, und alle Büros und Besprechungsräume des Studios waren mit mintfarbenen Dreiecken, Leder-Freischwingern und Glastischen bestückt. Mein Chef und seine Fotografen arbeiteten mit Linhoff-Großbildkameras, die ich in unbeobachteten Momenten maximal zärtlich streicheln durfte – mal für ein Wochenende ausleihen ging leider nicht. Es wurden Kataloge und Plakate für Mischbatterien, Wohnwagen, Autofelgen, Matratzen und Schwarzwälder Schinken fotografiert. Leider hatte das Ganze wenig mit Kreativität zu tun, vor allem für mich, der ich meistens Fahrten zu den Labors unternehmen oder die Hohlkehle streichen musste. Die Hohlkehle: ein Alptraum. Die Hohlkehle ist eine Hintergrundwand, die unten keine Kante hat, sondern gerundet ist. Der Schwarzwälder Schinken wurde also mit Klarlack bearbeitet – damit er schön glänzt –, auf die Hohlkehle gesetzt und abfotografiert. Dank der Hohlkehle gibt es keine störenden Raumlinien oder Schatten, den Schinken kann man nun problemlos freistellen und in einen Prospekt einbauen. Vorraussetzung: die Hohlkehle ist gleichmäßig gestrichen. Einmal musste ich für ein Shooting am Wochenende die Hohlkehle noch am Freitagabend von himmelblau in weiß umstreichen. Als ich fertig war, fuhr ich direkt nach Hause, ohne das Abtrocknen der Farbe abzuwarten. Am Montag darauf empfing mich ein wütender Chef. Er war mit Kunden ins Studio gefahren, um einige Probeaufnahmen ihrer Produkte auf der weißen Hohlkehle zu machen. Doch die war leider nicht weiß, sondern weiß-blau gestreift. Ein quasi bayrischer Hintergrund. Dummerweise wurden keine Weißwürste fotografiert. Ich hatte wohl die Farbrolle nicht ausreichend gesäubert, am Rand musste sich noch etwas Himmelblau befunden haben. Leider passierten mir dort nur solche Dinge. Bei Aufnahmen für einen neuen Knaus-Wohnwagen am Rheinufer sollte ich den Wohnwagen auf dem Damm platzieren. Der Kunde war vor Ort und hatte bereits mehrfach betont, dass wir sehr vorsichtig mit dem Campingwagen sein sollten, da es sich um einen Prototyp handele. Ich fuhr den Wagen einen schmalen Fahrradweg auf den Damm, koppelte ihn vom Auto ab und wollte gerade wieder ins Auto steigen, als Entsetzensschreie an mein Ohr drangen: „Achtung! Der Wagen! Der Wagen!“ Als ich mich umdrehte, rollte „der Wagen!“ bereits auf die Kante zu – von dort würde er die Böschung hinunter direkt in den Rhein rauschen. Fluss ohne Wiederkehr! Ich schnappte mir gerade noch rechtzeitig die Deichsel, riss die Handbremse hoch, der erste Fotograf sprang herbei und stemmte sich von hinten gegen den Wohnwagen. Mit vereinten Kräften retteten wir den Prototypen. Und ich bekam den nächsten Anschiss.

Kurze Zeit später wäre mein Praktikum beinahe für immer vorbei gewesen. Und mein Leben auch. Wenn ich oben geschrieben habe, Realisation sei ein gefährlicher Job, muss ich mich hier korrigieren: Praktika sind weitaus gefährlicher. Warum? Weil man jung und dumm ist. Aber als normale Arbeitskraft behandelt wird. Ich sollte für die Renovierung eines Studiotraktes die alten Stromkabel entfernen. Die Kabel waren mit kleinen Schellen an der Wand befestigt und mündeten alle in einem großen Sicherungskasten. Mein Chef sagte mir, dass die Leitungen alle tot wären, der Strom sei abgestellt. Also rupfte ich fröhlich die Kabel von der Wand. Am Sicherungskasten musste ich nur noch die Schrauben lösen, dann würde ich die Kabel zusammenrollen und entsorgen können. Einer Eingebung folgend, fasste ich den Schraubendreher nur hinten am Isoliergriff an, obwohl dadurch die Führung nicht so sicher war. Genau deshalb rutschte ich plötzlich ab, es gab einen Knall, ich flog einige Meter durch die Luft und landete auf dem Rücken. Es folgte ein Moment der Stille. Dann flogen Türen auf, mein Chef stürmte herein, die Sekretärin, der Fotograf. Alle beugten sich über mich. „Geht’s Ihnen gut?“ fragte mein Chef. Ich bejahte und rappelte mich auf, den Schraubendreher hatte ich noch in der Hand. Vorne an der Spitze war ein Stück Kupferdraht eines Kabels mit dem Stahl des Werkzeuges verschmolzen. Auf dem Sicherungskasten war natürlich noch Strom drauf gewesen, 380 Volt Drehstrom. Hätte ich den Schraubendreher vorne angefasst, wäre ich nicht mehr am Leben. „Was hätte ich Ihren Eltern sagen sollen?“ kreischte mein Chef, „und die Negative aus dem Labor kann ich jetzt auch wegschmeißen!“ Durch den Kurzschluss war die Hauptsicherung rausgeflogen und hatte unter anderem die Entwicklertrommel im Labor gestoppt. Die Dias standen nun halb in der Brühe und waren deshalb auch nur halb entwickelt – nicht mehr zu retten. Im Gegensatz zu mir: zwar auch noch nicht voll entwickelt, aber gerettet.

Mein Chef war mit einem Videofilmer befreundet, der dringend einen Praktikanten suchte. Da meine Pechsträhne im Fotostudio nicht abzureißen schien, nutzte mein Chef die Gelegenheit, mich zu fragen, ob ich nicht ins „sehr interessante“ Videofach wechseln wolle. Ich sagte sofort zu, da ich weiterleben wollte und fing schon in der Woche darauf bei VideoVision an. Aufnahmestandard war damals U-Matic Lowband, was wenig später durch U-Matic Highband abgelöst wurde. Der Rekorder für das Band befand sich nicht in der Röhrenkamera, sondern in einem extra Gerät, an dem auch der Ton gepegelt wurde. Die Kamera war dadurch relativ leicht, der Rekorder wog jedoch elf Kilo –...

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