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E-Book

Kleine Geschichte der Stadt Darmstadt

AutorMarion Mink
VerlagDer Kleine Buch Verlag
Erscheinungsjahr2016
Seitenanzahl192 Seiten
ISBN9783765022005
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis5,99 EUR
DIE GESCHICHTE DER STADT DARMSTADT - FUNDIERT UND KOMPAKT Kompetent und verständlich beschreibt Marion Mink die Geschichte Darmstadts von den Anfängen bis in die Gegenwart. Mit einer thematischen Gliederung und anhand der Persönlichkeiten, die die Historie der alten Residenzstadt prägten, bietet sie einen spannenden Einstieg und hilft dem Leser dabei, einen Weg in die Vergangenheit zu finden, wenn er das heutige Darmstadt betrachtet. Mithilfe zahlreicher Infoboxen und Abbildungen beleuchtet die Autorin u. a. folgende Themenkreise: - Die Anfänge der Heinerstadt und ihre kulturelle Blu?te - Jugendstil und Parkanlagen - Das ju?dische Leben - Forscher und Revoluzzer - Starke Frauen - Wasserversorgung und Verkehrswege - Dunkle Zeiten des 20. Jahrhunderts - Bildung und Wissenschaft - Darmstädter Lilien

Marion Mink (*1975) ist freie Journalistin und Autorin. Sie studierte Skandinavistik und Journalismus und schreibt für 'DIE WELT' oder das 'Darmstädter Echo'. Bisher veröffentlichte sie einige Kurzgeschichten in Anthologien und 2014 ihren ersten Roman 'Drachentod', der bei Der Kleine Buch Verlag erschein. Marion Mink lebt mit Mann und zwei Kindern in Darmstadt.

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Leseprobe

Darmstadt wird hessisch



Obwohl mit der Gräfin von Katzenelnbogen so eine Art Hofleben light in Darmstadt einkehrte, ließ es sich auch in den nächsten 100 Jahren ruhig und beschaulich in der noch jungen Stadt leben. Etwas aufregender wurde es erst, als 1479 der letzte Graf von Katzenelnbogen starb und keinen männlichen Nachkommen hinterließ. Sein einziges Kind, Anna von Katzenelnbogen, wurde somit zur Alleinerbin. Da Anna bereits 1457 Heinrich III. von Hessen geheiratet hatte, fiel Darmstadt inklusive der lukrativen Rheinzölle bei Gernsheim in den Besitz der Landgrafen von Hessen. Die neuen Stadtherren residierten jedoch in der Gegend rund um Marburg und Kassel. Das Interesse an ihren neuen Ländereien im Süden war daher nur mäßig.

Der Gutmütige im Kampf mit der Ritterschaft

Landgraf Philipp von Hessen war zwar 49 Jahre lang der Herr im Darmstädter Schloss, doch oft zu sehen bekamen die Südhessen ihren Fürsten nicht. Zu Beginn seiner Regentschaft mag es daran gelegen haben, dass der Landgraf noch sehr jung war. Kaiser Maximilian I. ließ den gerade einmal 13½ Jahre alten Jungen für mündig erklären. Diese Idee kam nicht von ungefähr. Philipps Mutter, Anna von Mecklenburg (1485–1525), hatte ihre Finger im Spiel. Die Witwe des Landgrafen Wilhelm II. (1469–1509) wollte um jeden Preis, dass Philipp das Erbe seines Vaters antrat. Dieser war gestorben, wahrscheinlich an Syphilis, als Philipp fünf Jahre alt war. Schon kurz nach dem Tod brach ein erbitterter Kampf um die Regentschaft aus. Die Landgräfin, die hessischen Stände und insbesondere die hessische Ritterschaft stritten sich um die Vormundschaft.

Das Problem war folgendes: Wilhelm II. hatte zwei unterschiedliche Testamente hinterlassen. Im ersten, welches er 1506 verfasst hatte, verfügte er, dass fünf Räte die Vormundschaft über seine Kinder Elisabeth und Philipp (1504–1567) sowie über seinen älteren, geisteskranken Bruder Wilhelm I. und dessen Gemahlin Anna von Braunschweig übernahmen. Auch seine Frau Anna von Mecklenburg unterlag in dieser Urkunde der Vormundschaft der Räte. In seinem zweiten Testament jedoch, das aus dem Jahr 1508 stammte, bestimmte Wilhelm II. seine Ehefrau Anna zum obersten Vormund. Unterstützt werden sollte sie bei dieser Aufgabe von Wilhelms Onkel, dem Erzbischof Hermann von Köln. Das zweite Testament verfügte darüber hinaus, dass Anna zwei Ratgeber an ihre Seite gestellt bekam. Es hätte alles so friedlich verlaufen können, wenn die hessischen Landesstände oder wenigstens die Ritterschaft dieses zweite Testament anerkannt hätten. Das war leider nicht der Fall. Anna von Mecklenburg erwirkte daher, dass Philipp im Jahr 1518 mit 13½ Jahren von Kaiser Maximilian I. für mündig erklärt wurde. Von diesem Zeitpunkt an übernahm der junge Regent allein die Regierungsgeschäfte.

Kaum hatte Philipp sein neues Amt angetreten, klopfte bereits das erste große Problem an seine Tür. Es kam in Gestalt der Ritterschaft daher. Genauer gesagt in Gestalt des Reichsritters Franz von Sickingen (1481–1523), der im September 1518 den südlichen Landesteil, nämlich Darmstadt, belagerte und Philipp den Kampf ansagte. Zwei Dinge trieben den Reichsritter zu dieser Maßnahme an: zum einen der Wille zu Macht und Einfluss für die Zukunft des Ritterstands, und zum anderen stand eine alte Erbschaftsangelegenheit im Raum. Ein Graf von Nassau beanspruchte nämlich das Erbe der Grafen von Katzenelnbogen für sich, und Franz von Sickingen sollte diesen Anspruch durchsetzen.

Nun musste der junge Philipp diese Kampfansage glücklicherweise nicht allein bewältigen. Er hatte zunächst seine Mutter und ihre Räte an seiner Seite. Doch nur für eine kurze Zeit. Als Anna von Mecklenburg 1519 beschließt, wieder zu heiraten, distanziert der junge Landgraf sich von seiner Beraterin. Spätestens bei seinem legendären Auftritt mit mehr als 400 Gefolgsleuten auf dem Wormser Reichstag von 1521 präsentierte sich Philipp als selbstbewusster Repräsentant der Landgrafschaft und wagte den Streit mit dem schlauen Reichsritter. Es kam, wie es kommen musste. Der unerfahrene Philipp, zu diesem Zeitpunkt war er gerade einmal 17 Jahre alt, verlor den Kampf und musste dem mächtigen Reichsritter hohe Entschädigungen zahlen. Im Winter 1522/23 unterwarf sich Philipp gemeinsam mit Kurtrier und der Kurpfalz dem Ritter Franz von Sickingen. Dieser Umstand änderte jedoch nichts daran, dass Philipp I. sich nur selten in seine südliche Provinz verirrte. Der Landgraf nutzte Darmstadt allerdings gern als Ort diplomatischer Verhandlungen, vor allem wenn er sich mit den süddeutschen Fürsten traf.

Faszination Martin Luther

Historische Popularität erlangte Philipp I. nicht wegen seiner Streitigkeiten mit der Ritterschaft, sondern aufgrund seines Reformationswillens. Durch seinen Kanzler und Berater Johann Feige (1482–1543) aus Lichtenau, welcher ein Studienkollege Martin Luthers in Erfurt gewesen war, kam der junge Landgraf zum ersten Mal in Kontakt mit den Lehren des bekannten Reformators.

Auf dem Wormser Reichstag von 1521 war Philipp sehr daran gelegen, Martin Luther persönlich kennenzulernen. Er suchte daher den Mönch in seiner Unterkunft auf. Das Interesse des jungen Landgrafen an den Ideen Martin Luthers blieb nicht unbemerkt. Dem diplomatischen Vertreter des Papstes, Hieronymus Aleander, missfiel Philipps gesteigertes Interesse am evangelischen Glauben. In seinen Augen war der junge Landgraf wohl von »übelster erzlutherischer Gesinnung«.

Dabei überzeugten zu diesem Zeitpunkt Luthers Reformen den hessischen Landgrafen noch lange nicht. Dennoch setzte Philipp I. sich für ein freies Geleit Luthers ein, obwohl Kaiser Karl V. die Lehren des Mönches durch das Wormser Edikt streng verurteilte. Die Wende zu einer neuen Religion in Hessen brachte eine Reise im Frühsommer 1524. Auf dem Weg zu einem Fürstentreffen in Heidelberg begegnete der junge Landgraf nördlich von Frankfurt dem Reformator Philipp Melanchthon (1497–1560), einem Mitstreiter Luthers. Philipp von Hessen sucht das Gespräch mit dem Theologen, doch dieser winkte ab. Er vertraute dem jungen Landgrafen nicht, der noch auf der Seite des katholischen Glaubens stand. Melanchthon befürchtete, dass ein Gespräch mit Philipp I. zu »Unberechenbarkeiten« für die Reformen führen könnte. Doch diese Zweifel waren unbegründet.

Im Herbst des gleichen Jahres schloss Philipp sich bereits dem Reformationsgedanken an. Melanchthon war vom Handeln des jungen Landgrafen beeindruckt und sendete ihm die Schrift »Summe der christlichen Lehre« zu, die in lateinischer Sprache gehalten war. Diese Schrift beinhaltete die Grundzüge der reformatorischen Lehre und war dem Landgrafen persönlich gewidmet. Mit der Einführung der protestantischen Religion in seinem Reich avancierte Philipp von Hessen zum Vorkämpfer der Reformation. Es folgte eine Neugestaltung der Gottesdienste sowie die Aufhebung der Klöster. Das eingezogene Klostervermögen floss zum einen in die Armen- und Krankenfürsorge. Den anderen Teil verwendete der Landgraf, um 1527 mit der Universität Marburg die erste protestantische Hochschule der Welt zu gründen. Mit seinem Übertritt zum evangelischen Glauben duldete Philipp von Hessen nun evangelische Prediger in seinem Territorium und führte den Konfirmandenunterricht ein.


Landgraf Philipp von Hessen, gemalt von Hans Krell um 1534.


Bigamie trotz Verbots

Obwohl Philipp I. ein sehr gläubiger Mensch war, hielt er sich in Bezug auf die eheliche Treue nicht an die christlichen Vorschriften. Im Gegenteil, er führte ein sehr ausschweifendes Liebesleben mit wechselnden Damen. Dadurch soll er, ebenso wie sein Vater, an der Geschlechtskrankheit Syphilis gelitten haben. Eines Tages jedoch verliebte sich der gute Philipp in eine seiner Gespielinnen. Er wollte die Hofdame Margarethe von der Saale unbedingt zu seiner Ehefrau nehmen. Von Standes wegen her sprach nichts gegen diese Verbindung, wäre der Landgraf nicht bereits verheiratet gewesen: 17 Jahre zuvor hatte er Christine von Sachsen geehelicht. Das Paar hatte sogar sieben gemeinsame Kinder.

Allerdings war diese erste Ehe eine reine Vernunftehe. Von Liebe konnte keine Rede sein. Aus diesem Grund stimmte Christine von Sachsen auch ohne Weiteres einer zweiten Ehefrau zu. Da eine Doppelehe nicht mit Philipps Glaubensbekenntnis harmonierte, plagte ihn das schlechte Gewissen. Daraufhin suchte der Landgraf Hilfe in der Bibel und fand sie schließlich im Alten Testament: Jakob, einer der biblischen Urväter, war gleichzeitig mit Lea und Rahel verheiratet. Obwohl Philipp sich in dieser Angelegenheit den Segen von Martin Luther einholte, war die Umsetzung der geplanten Doppelehe nicht so einfach. Bigamie widersprach damals nicht nur dem Kirchenrecht, sondern wurde auch nach dem weltlichen Recht mit der Todesstrafe geahndet. Dennoch legte Philipp alles daran, dass die Ehe mit Margarethe von der Saale legal wurde. Ihm blieb nichts anderes übrig, als beim Kaiser, seinem Erzfeind, zu Kreuze zu kriechen. Beim Papst ging das nach der Kirchenreform nicht mehr. Das Bekanntwerden dieser Doppelehe führte zu einer schweren Krise im Reformationsprozess.

Endlich Residenzstadt

1567 starb Philipp der Gutmütige. Das hessische Reich wurde unter seinen vier Söhnen aufgeteilt. In seinem Testament hatte er verfügt: »Georg soll die Schlösser, Städte und Ämter Rüsselsheim, Dornberg, Darmstadt, Lichtenberg, Reinheim, Zwingenberg, Auerbach und was noch in der Obergrafschaft liegt und dazu gehört erhalten.«

Georg, geboren am 10. September 1547 in Kassel, war der jüngste Sohn und erbte das überschaubare Darmstadt. Die...

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