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Nord-Ost Bayern und der Wegfall der innerdeutschen Grenze. Mikroanalyse des Transformationsprozesses der Stadt Hof von 1989 bis 1993

AutorMarc Schweinshaupt
VerlagGRIN Verlag
Erscheinungsjahr2016
Seitenanzahl84 Seiten
ISBN9783668295780
FormatPDF/ePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis24,99 EUR
Bachelorarbeit aus dem Jahr 2015 im Fachbereich Geschichte Europa - Deutschland - Neuere Geschichte, Note: 2,0, Universität Augsburg (Lehrstuhl für Neuere und Neueste Geschichte), Sprache: Deutsch, Abstract: Als die innerdeutsche Grenze am 09. November 1989 geöffnet wurde, endete die 45 Jahre lang andauernde Abriegelung zwischen zwei deutschen Staaten, sowie zwei ungleichen politischen, militärischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Systemen abrupt. Die nahe der Grenze gelegene Stadt Hof wurde damit über Nacht von einer Stadt im Zonenrandgebiet zu einer Stadt in der Mitte Deutschlands. Die Betrachtung der mannigfaltigen Auswirkungen dieser 'Friedlichen Revolution' auf die alten Bundesländer im Allgemeinen und die Zonenrandgebiete im Speziellen wird in der Wissenschaft häufig vernachlässigt, da sich diese hauptsächlich auf die Entwicklungen in den neuen Bundesländern konzentriert. Die Stadt Hof ist jedoch in beispielhafter Weise bis heute von den Nachwirkungen dieses tiefgreifenden historischen Ereignisses gekennzeichnet. Der Umstand, dass Zonenrandgebiete und die Folgen der Grenzöffnung bisher nicht ausreichend betrachtet wurden, soll Gegenstand dieser Arbeit sein.

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Leseprobe

3. Auswirkungen auf Bevölkerung, Gaststätten & Fremdenverkehr


 

3.1. Die Bevölkerungsentwicklung


 

Seit Gründung der Bundesrepublik Deutschland hatte die Stadt Hof einen Rückgang ihrer Bevölkerung zu verzeichnen. Dieser führte dazu, dass im Jahr 1985 lediglich rund 50.000 Bürger in der Stadt Hof lebten. Dies entspricht 10.000 Einwohner weniger im Vergleich zu 1949, als Hof noch beinahe 60.000 Einwohner zählte. Die Gründe sind vor allem im Niedergang der Textilindustrie zu finden. Hinzu kamen die natürlichen Schwankungen der Geburten- und Sterbezahlen. Diagramm 1 zeigt die Bevölkerungsentwicklung der Stadt Hof. Der beschriebene Rückgang erreichte um 1985 eine Talsohle, ehe zum Ende des Jahrzehnts die Bevölkerungszahlen deutlich zunahmen. In den 90er Jahren setzte sich der langfristige Trend des stetigen Rückgangs der Einwohnerzahl jedoch weiter fort. Inwiefern die Grenzöffnung im Zusammenhang mit der Bevölkerungsentwicklung um 1989 bis 1993 steht soll im Folgenden erörtert werden.

 

 

Diagramm 1: Bevölkerungsentwicklung der Stadt Hof.

 

Quelle: Bürgeramt Hof

 

Irene Raehlmann[17] stellte im Jahr 2008 fest, dass die Anzahl der Einwohner in der Stadt Hof von 1989 bis 1993 leicht angestiegen sei. Die vorliegenden Zahlen des Bürgeramtes Hof bestätigen diese Angaben nicht. Vielmehr fand der Anstieg von 1985 bis 1990 statt. Den deutlichsten Zuwachs an Einwohnern (1.200 Personen) konnte die Stadt Hof dabei im Jahr 1989 verzeichnen (siehe Diagramm 2). Im darauffolgenden Jahrzehnt stellte sich eine Abnahme der Bevölkerungszahl ein, welche sich bis 1996 fortsetzte. Die vorliegenden Zahlen bestätigen die Tendenz von Raehlmann, wobei man nicht von einem Anstieg der Einwohnerzahlen während 1989 bis 1993 sprechen kann. Wie Diagramm 2 verdeutlicht, lebten im Jahr 1991 bereits 453 Einwohner weniger in der Stadt als im Vorjahr. Der erneute Zuwachs im Jahr 1992 von 120 Einwohnern ist statistisch zu vernachlässigen, da er zu gering ist um einen markanten Ausschlag darzustellen. Der stetige Bevölkerungsrückgang der Stadt Hof mit Ausnahme der Zeit der Grenzöffnung um 1989/1990 ist aber sowohl bei Raehlmann als auch in den Zahlen des Bürgeramtes Hof ersichtlich.

 

 

Diagramm 2: Einwohnerzahl der Stadt Hof. 1985-1995.

 

Quelle: Bürgeramt Hof

 

 

Diagramm 3: Bevölkerungsentwicklung der Stadt Hof in Prozent, 1985-1995.

 

Quelle: Bürgeramt Hof

 

Die rückläufige Bevölkerungsentwicklung wurde durch die Grenzöffnung kurzzeitig unterbrochen. Diagramm 3 illustriert, dass in den Jahren 1989 und 1990 jeweils ein Bevölkerungszuwachs von mehr als 1% zu verzeichnen war. Der kurzzeitige Zuwachs und anschließende Rückgang der Bevölkerungszahlen lässt sich durch die grenznahe Lage der Stadt Hof erklären. Unmittelbar nach der Grenzöffnung fand eine Besiedlung der Region Oberfranken-Ost[18] und damit auch der Stadt Hof durch DDR-Bürger statt, ehe sich in den folgenden Jahren eine immer weiträumigere Verteilung einstellte. Dies hatte für die Stadt Hof zur Folge, dass die anfänglichen Bevölkerungszugewinne nicht dauerhaft gehalten werden konnten. Folglich kann festgehalten werden, dass die langfristige Tendenz des Bevölkerungsrückganges der Stadt Hof auch durch die Grenzöffnung nicht unterbrochen wurde. Inwiefern die kurzfristige Zunahme der Bevölkerungszahl Auswirkungen auf die Wohnungssituation in der Stadt Hof hatte, soll im nächsten Abschnitt festgestellt werden.

 

3.2. Wohnungsmarkt


 

Aufgrund der rückläufigen Bevölkerungszahl waren in der Stadt Hof bis 1992 keine Neubaugebiete ausgewiesen worden. Ob die Ausweisung des Wohngebietes „Barrierefrei wohnen unterm Wartturm“[19] am Pinzigweg im Zusammenhang mit der Grenzöffnung und den mit ihr einher gegangenen gestiegenen Einwohnerzahlen von 1989 und 1990 steht, soll mit den folgenden Diagrammen und Daten geklärt werden. Betrachtet man zunächst die Grundstückspreisentwicklung von 1988 bis 1992 anhand der Richtwertkarte der Stadt Hof, so fällt, wie in Diagramm 4 ersichtlich ist, auf, dass die Preise pro Quadratmeter in diesem Zeitraum durchweg gestiegen sind. Dies gilt einerseits für die Preise in Wohngebieten und andererseits für die innerstädtischen Lagen. Die Preise für Wohnraum in der Innenstadt sind dabei ab 1990 überproportional hoch angestiegen. Die Ursache für den Preissprung für urbanen Wohnraum liegt in der Tatsache begründet, dass aufgrund des zunehmenden Tourismus die Innenstadt in Hof eine massive Aufwertung erfahren hatte.

 

 

Diagramm 4: Grundstückspreisentwicklung in der Stadt Hof.

 

Quelle: Bauamt Stadt Hof, Richtwertverzeichnis

 

Wie Diagramm 5 in Bezug auf die Grundstückspreisentwicklung in Wohnsiedlungen noch deutlicher zeigt, sind die Preise in diesen Gebieten der Stadt Hof um jeweils ca. 25% pro m² gestiegen.[20]

 

 

Diagramm 5: Grundstückspreisentwicklung in Wohngebieten der Stadt Hof

 

Quelle: Bauamt Stadt Hof, Richtwertverzeichnis

 

Wie bereits das Kapitel der Bevölkerungsveränderung zeigte, ist die Anzahl der Bewohner in der Stadt Hof um 1990 kurzzeitig stark angestiegen, konnte das hohe Niveau aber nicht über mehrere Jahre aufrechterhalten. Aufgrund der Vielzahl der vorhandenen baureifen Wohnungsgrundstücke und der Wohnmöglichkeiten hatte es in der Stadt Hof nur einen bedingt erhöhten Bedarf an neugebauten Wohnungen unmittelbar nach der Grenzöffnung gegeben. In der Stadtkarte aus Abbildung 1 wird ersichtlich, dass bis 1993 sechs baureife Grundstücke zur Verfügung (Nummern 1 bis 6) standen sowie fünf weitere in Planung waren (Nummern 7 bis 11).

 

 

Abbildung 1: Lage baureifer Wohngrundstücke in der Stadt Hof Stadt Hof. Amt für Öffentlichkeitsarbeit: Wohnung in der Stadt Hof

 

Quelle: Bauamt Hof

 

Diese am Rand von Hof gelegenen Wohngrundstücke waren der Grund, dass keine Ausschreibung von Grundstücken nach der Grenzöffnung notwendig waren. Zudem verabschiedete die Stadt Hof bereits im November 1989 ein Maßnahmenprogramm, welches die Erweiterung des Wohnraumes um knapp 80 Wohnungen in der Stadt Hof vorsah.[21] Die Anzahl der Gebäude und Wohnungen veränderte sich anschließend seit 1990 nur moderat und der geforderte Bedarf an Wohnraum konnte damit ausreichend gedeckt werden (siehe Diagramm 6). Schlussendlich fand eine Preissteigerung bei den Grundstückspreisen bei gleichzeitig zunehmendem Wohnsangebot statt. Die Ausweisung des Baugebietes am Pinzigweg im Jahr 1992 kann somit nicht als direkte Reaktion auf die sich veränderte Situation gesehen werden, da in der Stadt Hof ausreichend Wohnraum vorhanden war.

 

 

Diagramm 6: Wohnungssituation in Hof

 

Quelle: Escalup, S.63

 

Insgesamt betrachtet fällt auf, dass trotz rückläufiger Bevölkerungszahlen die Anzahl der Gebäude und Wohnungen sowie die Grundstückspreise gestiegen waren. Vermutlich ist dieser Umstand darauf zurückzuführen, dass die Anbieter von Wohnraum von der Situation um 1989 und 1990 profitieren wollten, als DDR-Bürger verstärkt nach Hof zogen. Da viele dieser Bürger aber die Stadt Hof nur als Durchgangsstation nutzten und anschließend in andere Regionen Bayerns oder Deutschlands weiterzogen, konnten die Anbieter von Wohnraum mit ihren erhöhten Preisen demnach kaum die erwarteten Mehrgewinne erzielen. Der Rückgang der Einwohnerzahlen führte schlussendlich dazu, dass in der Stadt Hof mehr Wohnraum zur Verfügung stand als nachgefragt wurde. Die langfristige Tendenz, dass die Stadt Hof weiterhin jedes Jahr Bürger verlor rechtfertigte demnach auch die hohen Preise bei ausreichend zur Verfügung stehendem Wohnraum nicht.[22]

 

Die Auswirkung dessen auf die Mietpreise können im Rahmen dieser Arbeit nicht beantwortet werden da das Wohnungsamt der Stadt Hof den Mietpreisspiegel von 1989-1993 aufgrund von Verjährungsfristen nicht mehr zur Verfügung stellen konnte. Ausgehend von der Tatsache, dass es mehr Wohnraum bei rückläufigen Bevölkerungszahlen gegeben hatte, dürfte der Mietpreis pro Quadratmeter im Zeitraum nach der Grenzöffnung, spätestens jedoch ab 1991, vermutlich gefallen sein. Ob dies eine zutreffende Aussage ist, oder ob es sich ähnlich wie bei den Grundstückspreisen nicht so verhalten hatte, könnte nur durch die Analyse des Mietpreisspiegels der Stadt Hof nachvollzogen werden.

 

3.3. Tourismus und Gaststätten


 

Es folgte die Grenzöffnung und mit ihr eine unbeschreibliche Reisewelle. Keine zweite Stadt in der Bundesrepublik Deutschland durfte diese Zeit und die damit verbundenen Freuden, aber auch Sorgen und Probleme, so intensiv und hautnah erleben wie die Stadt Hof.[23]

 

Wie das oben aufgeführte Zitat von Oberbürgermeister Dieter Döhla verdeutlicht, war die Stadt Hof nach der Grenzöffnung am 09.11.1989 unmittelbar von einem massiven Besucherzustrom aus den angrenzenden...

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