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Der Atomkrieg vor der Wohnungstür

Eine Politikgeschichte der neuen Friedensbewegung in der Bundesrepublik 1970-1985

AutorSusanne Schregel
VerlagCampus Verlag
Erscheinungsjahr2011
Seitenanzahl410 Seiten
ISBN9783593412047
FormatPDF
KopierschutzWasserzeichen/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis41,99 EUR
Die neue Friedensbewegung war die größte Protestbewegung in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland. Entstanden im Protest gegen den NATO-Doppelbeschluss, protestierten ihre Anhänger in den frühen 1980er Jahren gegen die mögliche Stationierung neuer atomarer Waffen in Deutschland und Europa. Die gesellschaftliche Bedeutung dieser Protestbewegung ging dabei weit über die Raketenfrage hinaus. Denn aus der Sicht der Bewegungsanhänger schien die völlige Zerstörung Deutschlands und Europas möglich, sollte der NATO-Doppelbeschluss tatsächlich umgesetzt werden. Weitläufig kursierten existenzielle Ängste, Bedrohungsvorstellungen und Katastrophenszenarios. Susanne Schregel erzählt die Geschichte dieser rüstungskritischen Bewegung entlang ihrer wichtigsten Räume und Orte. Ihre Studie legt dar, wie Friedensaktivisten den Protest gegen atomare Waffen gezielt 'vor die Wohnungstür' der Bürger trugen; sie erörtert die politischen Strategien, die sich damit verbanden, und diskutiert ihre nachwirkenden politischen Implikationen. Entlang der Geschichte etwa von Atomkriegsnarrationen und Bedrohungskartierungen, von Protesten gegen lokale Militäranlagen und Zivilschutzeinrichtungen, von Körper-Aktionen oder atomwaffenfreien Zonen entsteht so ein facettenreiches Bild der neuen Friedensbewegung - ein Beitrag zur Geschichte des Kalten Krieges wie zur Geschichte der alternativen Bewegung gleichermaßen.

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Leseprobe
In den frühen achtziger Jahren kam der Atomkrieg 'vor der Wohnungstür' an. Unter dem Eindruck sich verschärfender internationaler Spannungen warnten die Akteure der in dieser Zeitphase entstehenden Friedensbewegung vor dem Ausbruch eines atomaren Krieges zwischen den Supermächten, der Deutschland und Europa möglicherweise völlig vernichten werde. Dabei bemühten sie sich, den Bürgern gerade auch in ihren alltäglichen Zusammenhängen, nahräumlich und möglichst 'konkret' vor Augen zu führen, was ein atomarer Krieg für sie bedeuten könnte: Aktivisten der Friedensbewegung verdeutlichten die möglichen Folgen eines atomaren Krieges am Beispiel des eigenen Wohnortes. Sie adressierten die Ursachen der von ihnen konstatierten Kriegsgefahr als eine auch 'vor Ort' stattfindende alltägliche Militarisierung. Und sie begriffen das Eintreten für Abrüstung und Frieden als eine wesentlich lokale Aufgabe.

'Um bis 1983 die Stationierung neuer Atomraketen zu verhindern, muß es uns gelingen, in jeder Stadt, jedem Dorf, in unserer Nachbarschaft ein öffentliches Klima gegen weitere atomare Hochrüstung zu schaffen', formulierte etwa die DFG-VK, eine traditionsreiche links-antimilitaristische Gruppierung, den Anspruch auf eine nahräumlich ausgerichtete politische Mobilisierung. Diese sollte sich nicht allein an Regierungen wenden, sondern ebenfalls niedrigskaliert organisiert werden und in die alltäglichen Zusammenhänge ausgreifen:

'Überlassen wir den täglichen Kampf um die Köpfe und Herzen der Menschen in unserem Land nicht den Raketenbefürwortern, sondern popularisieren wir vor Ort unsere Forderungen, Argumente und Alternativen. Lernen wir es, dorthin zu gehen, wo die Menschen leben, arbeiten und feiern. Suchen wir nicht allein den Erfolg im Großen, sondern lernen wir es, uns zu freuen über das ?Nein? unseres Nachbarn, Kollegen, Mitschülers oder Verwandten. Befähigen wir uns, in unseren Aktionen die ?atomare Bedrohung? überall zum Thema zu machen: an unserem Arbeitsplatz, in der Schule, der Universität, in den Vereinen, Kirchengemeinden, den politischen Parteien, in unserem Wohngebiet.'

Obgleich die Friedensbewegung der achtziger Jahre in ihrer Hauptargumentation gegen den NATO-Doppelbeschluss gerichtet war und insbesondere die mit diesem möglich werdende Stationierung neuer atomarer Waffen in der Bundesrepublik und Europa kritisierte, blieb der Fokus dieser sozialen Bewegung somit nicht auf die Ebene nationalstaatlich oder international entstandener Entscheidungen beschränkt. Handeln 'für den Frieden', 'gegen den Krieg' wurde vielmehr auch als eine nahräumliche Aufgabe und Kompetenz herausgestellt. Die Akteure der Friedensbewegung griffen so in die institutionalisierte räumliche Ordnung politischer Prozesse und politischer Kompetenzen ein; sie definierten einen konventionell staatlich oder sogar überstaatlich ausgetragenen Politikbereich als 'nahräumlich' um und brachen ihn auf eine ungewohnte, niedrige Ebene der räumlichen Skalierung herunter.

Auf diese Weise stellte die friedenspolitische Wendung in den Nahraum nicht allein räumliche Anordnungen, sondern auch konventionelle Zuschreibungen und Grenzbestimmungen von politisch und unpolitisch, verantwortlich und nicht verantwortlich in Frage. Diese Modifikationen in der Bestimmung politischer Kompetenzen und Grenzen werden etwa deutlich, wenn ein Aktionsratgeber der DFG-VK über die Notwendigkeit, neue und auf dem Prinzip der 'Basisnähe' beruhende Formen des politischen Handelns zu entwickeln, erklärte:

'Es geht um das Ansprechen und - friedvolle - Miteinanderdiskutieren im eigenen Lebensbereich und nicht nur in den für politische Aktivitäten vorgesehenen Zeitspannen. Es geht auch um das Ansprechen des Verwandten, des Arbeitskollegen und des Sportkameraden. ?Jaja?, werden jetzt gleich einige sagen, ?das ist 'ne ganz schöne Zumutung. Soll ich mir mit denen vielleicht die Freundschaft verscherzen? Ich muß doch nicht auch noch mein Privatleben politisieren?? Niemand sollte etwas gegen Freizeit, Erholung und Entspannung haben. Allerdings: Atombomben machen auch nicht vor der Privatsphäre halt! Was das praktisch bedeutet, sollte auch bedacht werden.'

Die vorliegende Studie beschreibt diese friedenspolitische Wendung in den Nahraum. Sie legt dar, wie die Akteure der neuen Friedensbewegung die Auseinandersetzung um die Bewahrung des Friedens im Rahmen einer bewussten politischen Strategie 'lokalisierten', aus welchem Kontext heraus sie dies taten, und welche grundsätzlichen Implikationen sich damit verbanden.

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