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Einstellungs- und Verhaltensänderungen in und durch Kleingruppen: Rezeption eines sozialpsychologischen Komplexes für den kirchlichen Kontext

AutorSidnei V. Noe
VerlagFrank & Timme
Erscheinungsjahr2005
Seitenanzahl267 Seiten
ISBN9783865960481
FormatPDF
KopierschutzWasserzeichen/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis24,99 EUR
Durch eine intensive Gruppenkohäsion, eine starke Abgrenzung nach außen und einen streng normierten Verhaltenskodex versuchen einige Gruppen und Organisationen auch im religiösen Bereich den Menschen ein Gefühl von Geborgenheit, Stabilität und Sicherheit zu vermitteln. Der Preis dafür ist jedoch hoch: Für diese Ersatzwirklichkeit wird Gefügigkeit unter Normsetzungen gefordert, die nicht selbst mitbestimmt werden können und die nicht immer durchschaubare Ziele verfolgen.

Kirchen jedoch, die ihre Aufgabe darin verstehen, die Freiheit des Evangeliums zu verkünden, die Emanzipation des Einzelnen zu fördern und die kritischen Fähigkeiten des Individuums zu stärken, sollten andere Wege suchen: Sie sollten in einer durch Individualisierung und Pluralisierung gekennzeichneten Zeit in und durch Kleingruppen den Menschen die Möglichkeit bieten, ihre Einstellungen und Verhaltensweisen verändernd wahrzunehmen.

Zum Autor

Sidnei Noé, geboren 1966 in Brasilien, schloss sein Theologiestudium 1990 ab. Nach seiner Promotion bei Prof. Winkler an der Kirchlichen Hochschule in Bethel (Bielefeld) war er Gemeindepfarrer in São Paolo. Seit 2000 ist er Professor für Praktische Theologie an der lutherischen Hochschule "Escola Superior de Teologia" in São Leopoldo. Sein Forschungsschwerpunkt liegt im Bereich des Dialogs zwischen Seelsorge und Psychoanalyse.

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Kapitelübersicht
  1. Vorwort und Inhaltsverzeichnis
  2. Veränderung: Eine Frage der Einstellung
  3. Verhaltens-Einstellungsänderung: Eine Aufgabe für Kleingruppen
  4. Einstellungs-Verhaltensänderung: Ein Ziel im kirchlichen Kontext
  5. Literaturverzeichnis
Leseprobe
III. Einstellungs-Verhaltensänderung: Ein Ziel im kirchlichen Kontext (S. 184-185)

Unter der Voraussetzung, dass zwischen den Begriffen Glaube und Einstellung eine Affinität besteht, könnte auch eine ähnliche Verwandtschaft zwischen den Begriffen angenommen werden, die eine Veränderung dieser elementaren Strukturen zum Ausdruck bringen wollen. Während im theologischen Rahmen die Aufforderung zur Buße und Umkehr443 in diesem Zusammenhang eine wichtige Rolle spielt, ist in der sozialpsychologischen Ausdrucksweise die Rede von Einstellungs-Verhaltensänderung.

Dieser „Umweg" über das sozialpsychologische Pendant zur theologischen Auffassung von Veränderung bringt für diese Arbeit die gewünschte Folge, dass nicht die theologische normative Forderung im Mittelpunkt steht (die Frage nach dem „Was"), bzw. dessen Umsetzung in die Praxis, sondern, dass der Weg bis hin zur Änderung thematisiert wird (die Frage nach dem „Warum" und die Frage nach dem „Wie"). Denn es kann hier nicht die Meinung derer geteilt werden, die sagen, die in dieser Arbeit gewonnenen Erkenntnisse über die Entstehung und Änderung von Einstellungen bzw. Verhaltensweisen seien so zu verstehen, dass ein über die kognitive Ebene an den Einzelnen herangetragener normativer Appell (Gesetz),die Resistenz gegen Änderungen durchbricht. Andererseits kann auch nicht die Meinung im theologischen Sinne geteilt werden, dass die Aufforderung zur Veränderung (Umkehr) ein Wert an sich ist. Sie ist nicht bloßes Gesetz, sondern sie hat einen Sinn.

Dieser Sinn liegt darin, dass Glaubensvorstellungen (oder Einstellungen) eine wichtige Funktion für den Menschen haben: Sie dienen dem Menschen als Lebenshilfe. Werden die Inhalte dieser komplexen Struktur (bestehend aus Affekten, Kognitionen und Konationen) nicht in jeder neuen Lebensphase im Bezug auf die Veränderung der sozialen Umwelt aktualisiert, so versagen sie in der Erfüllung ihrer Funktion und werden von den entscheidungsrelevanten Kriterien zur Orientierung in der veränderten Lage abgekoppelt.

In diesem Sinne ist es wichtig, die Frage nach der Veränderung von Einstellungen und Verhalten nicht zeitlos beantworten zu wollen, sondern mit einer Analyse der Herausforderungen der Zeit zu verknüpfen, was bedeutet, dass die einzelnen gesellschaftlichen Strukturen, sowie die Verbindung dieser zum Verhalten analysiert werden müssen. Hierfür ist eine Gesellschaftsanalyse nötig. Durch die Einbeziehung der Diskussion über die Herausforderungen der Postmoderne an den Einzelnen wurde der Tatbestand abgeleitet, dass es nicht nur zu einer Anpassungsstrategie, sondern schlichtweg zum Überlebenskampf gehört, dass der Einzelne unter den gegebenen Bedingungen die Fähigkeit erwirbt, seine Einstellungen und Verhaltensweisen zu verändern.

Die zentrale These in dieser Hinsicht wurde von der durch KEUPP überarbeiteten Unterscheidung des Ethnologen LÉVI-STRAUSS zwischen heißer und kühler Geschichtsperiode abgeleitet. Die erste Aussage in diesem Zusammenhang war, dass sich die Entwicklung in den abendländisch spätkapitalistischen Gesellschaften am Ende des zweiten Jahrtausends in einer Krise, bzw. einer heißen Periode befindet. Diese Krise ist vor allem dadurch gekennzeichnet, dass die „traditionellen Sinnstiftungsinstanzen" zunehmend versagen, um Antworten auf die komplexen Probleme zu geben.
Inhaltsverzeichnis
Vorwort6
Inhaltsverzeichnis10
I. Veränderung: Eine Frage der Einstellung12
1.1. Erkenntnisse aus der Einstellungsforschung21
1.1.1. Einstellungen: ein zentrales Thema der Sozialpsychologie21
1.1.2. Definitionen von Einstellungen23
1.1.3. Das Komponentenmodell28
1.1.3.1. Die affektive Komponente28
1.1.3.2. Die kognitive Komponente31
1.1.3.3. Die konative Komponente35
1.1.3.4. Zusammenfassung und Würdigung des Komponentenansatzes38
1.1.4. Funktionen der Einstellungen40
1.2. Entstehung und Änderung von Einstellungen44
1.2.1. Einstellungen werden gelernt45
1.2.1.1. Lerntheorien46
1.2.1.1.1. Das klassische Konditionieren46
1.2.1.1.2. Das operante Konditionieren48
1.2.1.1.3. Das Lernen am Modell53
1.2.1.1.4. Zusammenfassung der Lerntheorien58
1.2.1.2. kognitivistische Ansätze61
1.2.1.2.1. Heiders Gleichgewichtskonzept62
1.2.1.2.2. Das Kongruenzprinzip von OSGOOD u. TANNENBAUM68
1.2.1.2.3. Die Theorie der kognitiven Dissonanz von FESTINGER74
1.2.1.2.4. Diskussion der kognitivistischen Ansätze82
1.2.2. Einstellungen sind änderungsresistent86
1.3. Einstellungsänderung und Verhalten88
1.3.1. Überblick der Richtung: Einstellungen führen zur Verhaltensänderung88
1.3.2. Verhaltensänderungen führen zur Einstellungsänderung92
1.3.3. Auswertung95
1.4. Zusammenfassung und Ausblick96
II. Verhaltens-Einstellungsänderung: Eine Aufgabe für Kleingruppen99
2.1. Einführung99
2.2. Gruppen und Verhaltens-Einstellungsänderung110
2.2.1. Konvergenzkraft in Richtung eines hypothetischen Zentrums111
2.2.2. Beeinflussungsprozesse113
2.2.2.1. Konformitätsdruck114
2.2.2.1.1. Anpassungskonformität116
2.2.2.1.2. Einstellungskonformität120
2.2.2.1.3. Unabhängiges und antikonformes Verhalten122
2.2.2.1.4. Auswertung128
2.2.3. Entartungserscheinungen von Gruppen131
2.2.3.1. Die Gruppe als große Mutter132
2.2.3.2. Die Gruppe als starre Institution134
2.2.3.3. Die incurvatio in semet ipsum Gruppe136
2.2.3.4. Die Gruppe als „Masse“138
2.2.3.5. Die Gruppe als „Menge“142
2.2.3.6. Auswertung144
2.3. Modellvorstellung dieser Arbeit145
2.3.1. Zielvorstellung145
2.3.2. Verhaltens- und Einstellungsänderung durch dramatisches Spiel149
2.3.2.1. Paradigma a: J. HARTUNGs verhaltenstheoretischer Ansatz150
2.3.2.1.1. Diagnostisches Rollenspiel152
2.3.2.1.2. Das einstellungsändernde Rollenspiel156
2.3.2.1.3. Auswertung161
2.3.2.2. Paradigma b: Das Theater der Unterdrückten nach A. BOAL164
2.3.2.2.1. Die Entdeckung des eigenen Körpers165
2.3.2.2.2. Der Körper als Sprachmittel167
2.3.2.2.3. Theater als Sprache168
2.3.2.2.4. Auswertung174
III. Einstellungs-Verhaltensänderung: Ein Ziel im kirchlichen Kontext185
3.1. Systemischer und lebensweltlicher Hintergrund der Krise188
3.1.1. Interaktions-, Gesellschafts- und Organisationssysteme191
3.1.2. System und Lebenswelt193
3.2. Die Sozialgestalten von Religion im Wandel199
3.2.1. Einstellungsänderung in systemischer und lebensweltlicher Sicht im religiösen Kontext199
3.2.2. Wege zu einer Gruppenkirche204
3.3. Rekonstruktion einer gemeinsamen Lebenswelt210
3.3.1. Einstellungsänderung auf der Struktur- und Funktionsebene211
3.3.1.1. Strukturänderung auf der Systemebene Gemeinde211
3.3.1.2. Funktionsänderung auf der Systemebene Gemeinde215
3.3.2. Einstellung-Verhaltensänderung als pädagogisches Ziel der Gemeindepraxis221
3.3.3. Zwischenergebnis225
3.4. Der Glaube als Strukturierungsprinzip von Einstellungen230
3.4.1. Der Glaube als unbewusstes Strukturierungsprinzip von Einstellungen232
3.4.2. Der Glaube als bewusstes Strukturierungsprinzip von Einstellungen235
3.4.2.1. Glaube als Lebenshilfe236
3.4.2.2. Die Kleingruppe als Laboratorium zur Aktivierung des Glaubens als Lebenshilfe241
3.5. Abschlussbemerkungen und Ausblick245
Literaturverzeichnis252
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