Sie sind hier
E-Book

Allgemeine Naturgeschichte und Theorie des Himmels

Vollständige Ausgabe

AutorImmanuel Kant
VerlagJazzybee Verlag
Erscheinungsjahr2012
Seitenanzahl149 Seiten
ISBN9783849614850
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis0,99 EUR
Nach Kants Vorstellung ist unser Sonnensystem eine Miniaturausgabe der beobachtbaren Fixsternsysteme, wie zum Beispiel unser Milchstraßensystem und andere Galaxien. So entstehen und vergehen seiner Meinung nach Planetensysteme und Sternsysteme periodisch aus einem Urnebel, dabei verdichten sich die einzelnen Planeten unabhängig. Mit dieser Theorie kommt er den heutigen Vorstellungen über die Kosmogonie näher als sein Zeitgenosse Pierre-Simon Laplace (1796). Gleichwohl werden beide Theorien oft als Kant-Laplace-Theorie über die Entstehung des Sonnensystems (Kosmogonie) zusammengefasst. (aus wikipedia.de)

Kaufen Sie hier:

Horizontale Tabs

Leseprobe

Erstes Hauptstück - Von dem Ursprunge des planetischen Weltbaues überhaupt und den Ursachen ihrer Bewegungen

 

Die Betrachtung des Weltbaues zeigt in Ansehung der gewechselten Beziehungen, die seine Theile unter einander haben, und wodurch sie die Ursache bezeichnen, von der sie herstammen, zwei Seiten, welche beide gleich wahrscheinlich und annehmungswürdig sind. Wenn man einestheils erwägt dass 6 Planeten mit 10 Begleitern, die um die Sonne, als ihren Mittelpunkt, Kreise beschrieben, alle nach einer Seite sich bewegen und zwar nach derjenigen, nach welcher sich die Sonne selber dreht, welche ihrer alle Umläufe durch die Kraft der Anziehung regiert, dass ihre Kreise nicht weit von einer gemeinen Fläche absweichen, nämlich von der verlängerten Äquatorsfläche der Sonnen, dass bei den entferntesten der zur Sonnenwelt gehörigen Himmelskörper, wo die gemeine Ursache der Bewegung dem Vermuthen nach nicht so kräftig gewesen, als in der Naheit zum Mittelpunkte, Absweichungen von der Genauheit dieser Bestimmungen Statt gefunden, die mit dem Mangel der eingedrückten Bewegung ein genugsames Verhältniss haben, wenn man, sage ich, allen diesen Zusammenhang erwägt: so wird man bewogen, zu glauben, dass eine Ursache, welche es auch sei, einen durchgängigen Einfluss in dem ganzen Raume des Systems gehabt hat, und dass die Einträchtigkeit in der Richtung und Stellung der planetischen Kreise eine Folge der Übereinstimmung sei, die sie alle mit derjenigen materialischen Ursache gehabt haben müssen, dadurch sie in Bewegung gesetzt worden.

 

Wenn wir andern Theils den Raum erwägen, in dem die Planeten unsers Systems herum laufen, so ist er vollkommen leer und aller Materie beraubt, die eine Gemeinschaft des Einflusses auf diese Himmelskörper verursachen und die Übereinstimmung unter ihren Bewegungen nach sich ziehen könnte. Dieser Umstand ist mit vollkommener Gewissheit ausgemacht und übertrifft noch wo möglich die vorige Wahrscheinlichkeit. Newton, durch diesen Grund bewogen, konnte keine materialische Ursache verstatten, die durch ihre Erstreckung in dem Raume des Planetengebäudes die Gemeinschaft der Bewegungen unterhalten sollte. Er behauptete, die unmittelbare Hand Gottes habe diese Anordnung ohne die Anwendung der Kräfte der Natur ausgerichtet.

 

Man sieht bei unparteiischer Erwägung: dass die Gründe hier von beiden Seiten gleich stark und beide einer völlig Gewissheit gleich zu schätzen sind. Es ist aber eben so klar, dass ein Begriff sein müsse, in welchem diese dem Scheine nach wider einander streitende Gründe vereinigt werden können und sollen, und dass in diesem Begriffe das wahre System zu suchen sei. Wir wollen ihn mit kurzen Worten anzeigen. In der jetzigen Verfassung des Raumes, darin die Kugeln der ganzen Planetenwelt umlaufen, ist keine materialische Ursache vorhanden, die ihre Bewegungen eindrücken oder richten könnte. Dieser Raum ist vollkommen leer, oder wenigstens so gut als leer; also muss er ehemals anders beschaffen und mit genugsam vermögender Materie erfüllt gewesen sein, die Bewegung auf alle darin befindliche Himmelskörper zu übertragen und sie mit der ihrigen, folglich alle unter einander einstimmig zu machen, und nachdem die Anziehung besagte Räume gereinigt und alle ausgebreitete Materie in besondere Klumpen versammlet: so müssen die Planeten nunmehr mit der einmal eingedrückten Bewegung ihre Umläufe in einem nicht widerstehenden Raume frei und unverändert fortsetzen. Die Gründe der zuerst angeführten Wahrscheinlichkeit erfordern durchaus diesen Begriff, und weil zwischen beiden Fällen kein dritter möglich ist: so kann dieser mit einer vorzüglichen Art des Beifalles, welcher ihn über die Scheinbarkeit einer Hypothese erhebt, angesehen werden. Man könnte, wenn man weitläufig sein wollte, durch eine Reihe aus einander gefolgerter Schlüsse nach der Art einer mathematischen Methode mit allem Gepränge, das diese mit sich führt, und noch mit grösserm Schein, als ihr Aufzug in physischen Materien gemeinhin zu sein pflegt, endlich auf den Entwurf selber kommen, den ich von dem Ursprunge des Weltgebäudes darlegen werde; allein ich will meine Meinungen lieber in der Gestalt einer Hypothese vortragen und der Einsicht des Lesers es überlassen, ihre Würdigkeit zu prüfen, als durch den Schein einer erschlichenen Überführung ihre Gültigkeit verdächtig machen und, indem ich die Unwissenden einnehme, den Beifall der Kenner verlieren.

 

Ich nehme an: dass alle Materien, daraus die Kugeln, die zu unserer Sonnenwelt gehören, alle Planeten und Kometen, bestehen, im Anfange aller Dinge, in ihren elementarischen Grundstoff aufgelöset, den ganzen Raum des Weltgebäudes erfüllt haben, darin jetzt diese gebildete Körper herumlaufen. Dieser Zustand der Natur, wenn man ihn auch ohne Absicht auf eine Syustem an und für sich selbst betrachtet, scheint nur der einfachste zu sein, der auf das Nichts folgen kann. Damals hatte sich noch nichts gebildet. Die Zusammensetzung von einander abstehender Himmelskörper, ihre nach den Anziehungen gemässigte Entfernung, ihre Gestalt, die aus dem Gleichgewichte der versammleten Materie entspringt, sind ein späterer Zustand. Die Natur, die unmittelbar mit der Schöpfung gränzte, war so roh, so ungebildet als möglich. Alllein auch in den wesentlichen Eigenschaften der Elemente, die das Chaos ausmachen, ist das Merkmal derjenigen Vollkommenheit zu spüren, die sie von ihrem Ursprunge her haben, indem ihr Wesen aus der ewigen Idee des göttlichen Verstandes eine Folge ist. Die einfachsten, die allgemeinsten Eigenschaften, die ohne Absicht scheinen entworfen zu sein, die Materie, die bloss leidend und der Formen und Anstalten bedürftig zu sein scheint, hat in ihrem einfachsten Zustande eine Bestrebung, sich durch eine natürliche Entwickelung zu einer vollkommenern Verfassung zu bilden. Allein die Verschiedenheit in den Gattungen der Elemente trägte zu der Regung der Natur und zur Bildung des Chaos das Vornehmste bei, als wodurch die Ruhe, die bei einer allgemeinen Gleichheit unter den zerstreuten Elementen herrschen würde, gehoben wird und das Chaos in den Punkten der stärker anziehenden Partikeln sich zu bilden anfängt. Die Gattungen dieses Grundstoffes sind ohne Zweifel nach der Unermesslichkeit, die die Natur an allen Seiten zeigt, unendlich verschieden. Die von grösster specifischen Dichtigkeit und Anziehungskraft, welche an und für sich weniger Raum einnehmen und auch seltener sind, werden daher bei der gleichen Austheilung in dem Raume der Welt zerstreuter, als die leichtern Arten sein. Elemente von 1000 mal grösserer specifischen Schwere sind tausend-, vielleicht auch millionenmal zerstreuter, als die in diesem Masse leichtern. Und da diese Abfälle so unendlich als möglich müssen gedacht werden, so wird, gleichwie es körperliche Bestandtheile von einer Gattung geben kann, die eine andere in dem Masse an Dichtigkeit übertrifft, als eine Kugel, die mit dem Radius des Planetengebäudes beschrieben worden, eine andere, die den tausendsten Theil einer Linie im Durchmesser hat, also auch jene Art von zerstreuten Elementen um einen so viel grössern Abstand von einander entfernt sein, als diese.

 

Bei einem auf solche Weise erfüllten Raume dauert die allgemeine Ruhe nur einen Augenblick. Die Elemente haben wesentliche Kräfte, einander in Bewegung zu setzen, und sind sich selber eine Quelle des Lebens. Die Materie ist sofort in Bestrebung, sich zu bilden. Die zerstreuten Elemente dichterer Art sammlen vermittelst der Anziehung aus einer Sphäre rund um wich alle Materie von minder specifischer Schwere; sie selber aber zusammt der Materie, die sie mit sich vereinigt haben, sammlen sich in den Punkten, da die Theilchen von noch dicterer Gattung befindlich sind, diese gleichergestalt zu noch dichteren und so fortan. Indem man also dieser sich bildenden Natur in Gedanken durch den ganzen Raum des Chaos nachgeht, so wird man leichtlich inne: dass all Folgen dieser Wirkung zuletzt in der Zusammensetzung verschiedener Klumpen bestehen würden, die nach Verrichtung ihrer Bildungen durch die Gleichheit der Anziehung ruhig und auf immer unbewegt sein würden.

 

Allein die Natur hat noch andere Kräfte im Vorrath, welche sich vornehmlich äussern, wenn die Materie in feine Theilchen aufgelöset ist, als woduch selbige einander zurück stossen und durch ihren Streit mit der Anziehung diejenige Bewewgung hervor bringen, die gleichsam ein dauerhaftes Leben der Natur ist. Durch diese Zurückstossungskraft, die sich in der Elasticität der Dünste, dem Ausflusse starkriechender Körper und der Ausbreitung aller geistigen Materien offenbart, und die ein unstreitiges Phänomenon der Natur ist, werden die zu ihren Anziehungspunkten sinkende Elemente durcheinander von der geradlinichten Bewegung seitwärts gelenkt, und der senkrerchte Fall schlägt in Kreisbewegungen aus, die den Mittelpunkt der Senkung umfassen. Wir wollen, um die Bildung des Weltbaues deutlich zu begreifen, unsere Betrachtung von dem unendlichen Inbegriffe der Natur auf ein besonderes System einschränken, so wie dieses zu unserer Sonne gehörige ist. Nachdem wir die Erzeugung desselben erwogen haben, so werden wir auf eine ähnliche Weise zu dem Ursprunge der höhern Weltordnungen fortschreiten und die Unendlichkeit der ganzen Schöpfung in einem Lehrbegriffe zusammen fassen können.

 

Wenn demnach ein Punkt in einem sehr grossen Raume befindlich ist, wo die Anziehung der daselbst befindlichen Elemente stärker als allenthalben um sich wirkt: so wird der in dem ganzen Umfange ausgebreitete Grundstoff elementarischer Partikeln sich zu diesem hinsenken. Die erste Wirkung dieser allgemeinen Senkung ist die Bildung eines Körpers in diesem Mittelpunkte der Attraction,...

Blick ins Buch

Weitere E-Books zum Thema: Metaphysik - Philosophie

Die Lebenswelt

E-Book Die Lebenswelt
Auslegungen der vorgegebenen Welt und ihrer Konstitution. Format: PDF

Der Band versammelt Forschungsmanuskripte Edmund Husserls aus zwei Jahrzehnten, in denen er das bis heute auf die Sozialwissenschaften wirkende Konzept der Lebenswelt detailliert entwickelt. In den…

Die Lebenswelt

E-Book Die Lebenswelt
Auslegungen der vorgegebenen Welt und ihrer Konstitution. Format: PDF

Der Band versammelt Forschungsmanuskripte Edmund Husserls aus zwei Jahrzehnten, in denen er das bis heute auf die Sozialwissenschaften wirkende Konzept der Lebenswelt detailliert entwickelt. In den…

Überschüsse der Erfahrung

E-Book Überschüsse der Erfahrung
Grenzdimensionen des Ich nach Husserl Format: PDF

Die vorliegende Arbeit zielt darauf ab, Momente der Husserlschen Phänomenologie hervorzuheben, in denen diese an ihre Grenzen stößt. Der Ausweis dieser Grenzphänomene, die in der Husserl-Literatur…

Selbstbewusstsein in der Spätantike

E-Book Selbstbewusstsein in der Spätantike
Die neuplatonischen Kommentare zu Aristoteles' 'De anima' - Quellen und Studien zur PhilosophieISSN 85 Format: PDF

The three ancient commentaries on Aristotle's On the Soul (De anima) are interesting because the commentators, as neo-Platonists, understand the soul completely differently than Aristotle. For…

Selbstbewusstsein in der Spätantike

E-Book Selbstbewusstsein in der Spätantike
Die neuplatonischen Kommentare zu Aristoteles' 'De anima' - Quellen und Studien zur PhilosophieISSN 85 Format: PDF

The three ancient commentaries on Aristotle's On the Soul (De anima) are interesting because the commentators, as neo-Platonists, understand the soul completely differently than Aristotle. For…

Bacon und Kant

E-Book Bacon und Kant
Ein erkenntnistheoretischer Vergleich zwischen dem 'Novum Organum' und der 'Kritik der reinen Vernunft' - Kantstudien-ErgänzungshefteISSN 156 Format: PDF

Anyone interested in establishing an intellectual connection between Kant and Bacon must first ask the question as to what similarity could exist between Kant, who carried out a transcendental…

Bacon und Kant

E-Book Bacon und Kant
Ein erkenntnistheoretischer Vergleich zwischen dem 'Novum Organum' und der 'Kritik der reinen Vernunft' - Kantstudien-ErgänzungshefteISSN 156 Format: PDF

Anyone interested in establishing an intellectual connection between Kant and Bacon must first ask the question as to what similarity could exist between Kant, who carried out a transcendental…

Bacon und Kant

E-Book Bacon und Kant
Ein erkenntnistheoretischer Vergleich zwischen dem 'Novum Organum' und der 'Kritik der reinen Vernunft' - Kantstudien-ErgänzungshefteISSN 156 Format: PDF

Anyone interested in establishing an intellectual connection between Kant and Bacon must first ask the question as to what similarity could exist between Kant, who carried out a transcendental…

Normativität

E-Book Normativität
Eine ontologische Untersuchung Format: PDF

The book deals with a central question for the understanding of reality and the way in which human beings relate to it. Humans are creatures that can deliberate and define their actions by virtue…

Normativität

E-Book Normativität
Eine ontologische Untersuchung Format: PDF

The book deals with a central question for the understanding of reality and the way in which human beings relate to it. Humans are creatures that can deliberate and define their actions by virtue…

Weitere Zeitschriften

Arzneimittel Zeitung

Arzneimittel Zeitung

Die Arneimittel Zeitung ist die Zeitung für Entscheider und Mitarbeiter in der Pharmabranche. Sie informiert branchenspezifisch über Gesundheits- und Arzneimittelpolitik, über Unternehmen und ...

arznei-telegramm

arznei-telegramm

Das arznei-telegramm® informiert bereits im 53. Jahrgang Ärzte, Apotheker und andere Heilberufe über Nutzen und Risiken von Arzneimitteln. Das arznei-telegramm®  ist neutral und ...

cards Karten cartes

cards Karten cartes

Die führende Zeitschrift für Zahlungsverkehr und Payments – international und branchenübergreifend, erscheint seit 1990 monatlich (viermal als Fachmagazin, achtmal als ...

caritas

caritas

mitteilungen für die Erzdiözese FreiburgUm Kindern aus armen Familien gute Perspektiven für eine eigenständige Lebensführung zu ermöglichen, muss die Kinderarmut in Deutschland nachhaltig ...