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Angriff der Antidemokraten

Die völkische Rebellion der Neuen Rechten

AutorSamuel Salzborn
VerlagBeltz Juventa
Erscheinungsjahr2017
Seitenanzahl224 Seiten
ISBN9783779947851
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis16,99 EUR
Der Angriff der Antidemokraten erschüttert die Demokratie. Was sind Ziele und Methoden der neurechten Feinde der Demokratie, wer ihre Verbündeten? Und: wie können wir ihren Angriff abwehren? Freiheit, Gleichheit, Solidarität - die Grundwerte der Aufklärung und Europas sind ihnen verhasst. Gegen die Freiheit des Subjekts stellen sie den Zwang des Kollektivs. Pluralismus ist ihnen ein Graus, sie sehnen sich nach Homogenität und Identität. Der Angriff der Antidemokraten, den wir seit einigen Jahren erleben, erschüttert die Demokratie - oft, weil sie demokratische Mittel einsetzen, um die Demokratie von innen heraus zu zerstören. Was wollen die neurechten Feinde der Demokratie aber genau? Was sind ihre Ziele, ihre Methoden, ihre Verbündeten, ihre Kronzeugen bei ihrer völkischen Rebellion? Samuel Salzborn gibt Antworten auf diese Fragen, analysiert die Strategien der gegenwärtigen Bewegungen und Parteien, und deckt die historischen Kontinuitäten seit der Konservativen Revolution der Weimarer Republik auf - und formuliert Vorschläge, wie wir den Angriff der Antidemokraten abwehren können.

Samuel Salzborn, geb. 1977 in Hannover, apl. Prof. Dr., ist apl. Professor für Politikwissenschaft an der Justus-Liebig-Universität Gießen. Studium der Politikwissenschaft, Soziologie, Psychologie und Rechtswissenschaft an der Universität Hannover, Promotion (Köln) und Habilitation (Gießen) im Fach Politikwissenschaft.

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Leseprobe

1 Von der Konservativen Revolution zur Neuen Rechten: Die Volkisierung des Politischen und die Rebellion gegen die Demokratie


Es geht beim Angriff der Antidemokrat(inn)en um eine völkische Rebellion: ein Aufbegehren gegen die demokratischen Strukturen in Politik und Gesellschaft, das sich autoritär gegen Gleichheit und Universalismus richtet. Die Rebellion will beides: Aufbegehren und sich zugleich Unterordnen, sie ist unterwürfig wie unterdrückend, das Gegenteil von Emanzipation, Individualität und Subjekthaftigkeit. Sie rebelliert nicht für, sondern gegen die Freiheit – das aber unerbittlich und bedingungslos. Diese völkische Rebellion geht von einem zentralen Narrativ aus, das um den Begriff „Volk“ kreist: das „Volk“ werde von „denen da oben“ belogen, der „Volkswille“ komme nicht zum Ausdruck, das „Volk“ drohe „überfremdet“ zu werden, die „Volkssubstanz“ sei gefährdet, das „Volk“ sterbe gar aus. Gemeinsam ist sämtlichen dieser Unterstellungen ein antidemokratisches Verständnis des Begriffes „Volk“, denn im Zentrum antidemokratischen und rechtsextremen Denkens steht die positive Bezugnahme auf die Kategorie „Volk“ in einem essentialistischen, kollektiven und homogenisierenden Sinn.

Denn „Volk“ wird eben nicht im Sinne des vormodernen Volksbegriffes verwandt, der in etwa so viel meinte wie „einfaches Volk“, und auch nicht im Sinne von Staatsvolk, also als „unter Rechtsgesetzen“ (Kant 1797, S. 313) zusammenlebenden bürgerlichen Subjekten (unterschiedlicher Kultur, Religion usw.) innerhalb einer Staatsnation. Das antidemokratische Verständnis fokussiert auf ein Verständnis von „Volk“, das in expliziter Abgrenzung vom westlichen Terminus Nation formuliert wird und hat zwei Stoßrichtungen: eine, die darauf zielt, das demokratische Subjekt zu zerstören und durch ein völkisches Volk zu ersetzen und eine, die zur Rebellion gegen die repräsentative und parlamentarische Demokratie aufruft. Beide Stoßrichtungen haben historisch denselben Ursprung und die identischen Vorbilder: den Weimarer Kampf der sogenannten Konservativen Revolution gegen die Demokratie.

Gemeinsam ist den völkischen Vorstellungen der Kampf gegen das Subjekt und der Vorzug des Kollektivs vor dem Individuum. Ethnische Identität fungiert dabei im rechtsextremen Denken nicht als individuelles Identitätsangebot, sondern als kollektiver Identitätszwang – wobei der Zwang eine intern bindende und eine extern segmentierende Komponente umfasst (vgl. Luhmann 1998): den Zwang zum Einschluss und den Zwang zum Ausschluss, wobei „das Volk“ in den Worten von Grit Straßenberger dabei als eine „‚leere‘, beliebig zu füllende Kollektivformel als nach außen abgrenzende und tatsächlich darin zugleich nach innen homogenisierende politische Unterscheidung“ (2016, S. 54) fungiert.

Damit ist rechtsextremes Denken in seinen Grundzügen immer antidemokratisch und strukturell antiliberal wie antiindividuell ausgerichtet. Die Variationsbreite rechter Positionierungen reicht dabei von rassistischen Positionen, die auf einem biologistischen Differenzmodell auffußen und in der Tradition des Nationalsozialismus stehen, über völkisch-homogenisierende Vorstellungen, die einem regionalistisch-ethnisch segmentierten Europa unter dem Primat einer Volksgruppenpolitik das Wort reden bis hin zu den vor allem aus dem Spektrum der französischen Nouvelle Droite entwickelten Vorstellungen eines primär auf kulturellen Differenzannahmen basierenden Ethnopluralismus (vgl. Müller 1994; Salzborn 2005a; Terkessidis 1995).

Diese rechte Ideologie der Ungleichheit zielt im Innern auf völkische Homogenität, nach Außen auf ethnische Separation. Wichtig ist: Rechtsextremismus basiert immer auf geopolitischen und raumordnenden Elementen, weil Volk und Raum zusammengedacht werden – und zwar nicht in einem demokratischen Sinn als Demos, der eben zufällig, wandelbar und wechselhaft als Sammlung von Individuen auf einem staatlichen Hoheitsgebiet lebt, sondern als Ethnos, der essentiell, statisch und homogen als Kollektiv an einen existenzialistisch verstandenen (Siedlungs-)Raum fixiert ist. In dieser Ideologie der Ungleichheit fungiert das Volk, die „Volksgemeinschaft der Unfreien und Ungleichen“ (Adorno 1959, S. 562), als historisches Subjekt und politisches Objekt, da es die Identität von Lebenszusammenhängen verbürgt und als höchste Autorität gilt. Der einzelne Mensch ist im rechtsextremen Verständnis „Diener seines Volkes“, mit dem er ethnisch-völkisch und kulturell unaufhebbar verbunden ist (vgl. Jaschke 1994, S. 56) – individuelle Freiheit gibt es nicht.

Der Rechtsextremismus bezieht sich in seinem Weltbild auf den wesentlich von Johann Gottfried Herder geprägten romantischen Volksbegriff und politisiert diesen, da eine raumordnerische Konsequenz aus der kulturellen Teilung der Menschheit in Völker und Volksgruppen gezogen werden soll. Soziale und politische Konflikte werden naturalisiert und in einen ethnischen Entstehungszusammenhang gerückt. Indem Ethnizität als essentielle Kategorie gedacht wird und zum höchsten Gut des menschlichen „Wesens“ avanciert, besteht das politische Ziel in einer kompletten sozialen und politischen Segregation von Menschen entlang ethnischer Kriterien:

„Betont wird die ethnisch-kulturelle Homogenität der Bevölkerung, oder zumindest ihre kulturelle-mentalitätsmäßige Ähnlichkeit bis hin zur gemeinsamen Betroffenheit durch negative Einwirkungen von außen. Davon ausgehend wird die Gleichartigkeit der Interessen der Betroffenen gegenüber anderen Regionen oder dem übergeordneten System behauptet.“ (Pallaver 2000, S. 247)

Zuwanderung und Migration werden kategorisch abgelehnt – zur Sicherung des als natürlich stilisierten Charakters der völkisch-exklusiven „Heimatregionen“. Die „ethnozentrische Rahmenideologie“ stellt somit keinen Hinderungsgrund für eine kulturalistisch geprägte Definition von In- und Out-Groups dar, die sich auf eine fundamentalistische Annahme von menschlicher Ungleichheit stützt (Swyngedouw/Ivaldi 2001, S. 5 f.). Diese Phantasie der menschlichen Ungleichheit umfasst dabei homogenisierende wie hierarchisierende Vorstellungen: in dem naturalistisch-kulturalistischen Weltbild wird auf allen sozialen und politischen Ebenen in Hierarchien gedacht, was Über- und Unterordnungsparadigmen bedingt, aus denen sich gleichermaßen ein patriarchales Geschlechterverständnis ergibt, wie rassistisch und eugenisch begründete Vorstellungen über den höheren oder niederen Wert von menschlichem Leben.

1.1 Die Erfindung des „Volkes“ und die Konservative Revolution


Die neurechten Rebellen der Gegenwart schließen mit diesem Weltbild bewusst, explizit und umfangreich proklamiert an die sogenannte Konservative Revolution an. Diese von Armin Mohler (1950) so etikettierte Denkströmung war faktisch die intellektuelle Wegbereitung des Nationalsozialismus – und wurde von Mohler, dem Privatsekretär von Ernst Jünger und engen Weggefährten von Carl Schmitt, wohl nur deshalb so tituliert, um sie begrifflich von dieser Vordenker- und Wegbereiterfunktion zu exkulpieren (wobei der Begriff in den 1920er Jahren auch schon vereinzelt Verwendung gefunden hatte, aber eben noch nicht als Kategorisierungs- bzw. Systematisierungsversuch):

„In seiner 1949 erschienenen Dissertation Die Konservative Revolution in Deutschland 1918–1932 versuchte er, aus den unterschiedlichsten Autoren des deutschen Radikalnationalismus eine eigenständige Denkschule zu konstruieren, die er vom ‚Dritten Reich‘ geschieden wissen wollte. Dafür begab er sich auf eine Gratwanderung ‚zwischen Wissenschaft und Mythos‘. Mit der Erfindung einer ‚Konservativen Revolution‘ sollte der durch Nationalsozialismus, Shoah und Kriegsniederlage belasteten deutschen Rechten wieder zu einer positiven Tradition verholfen werden.“ (Weiß 2017, S. 44)

Konservativ klang in der Nachkriegszeit eben deutlich anschlussfähiger als pränazistisch und der Begriff der Revolution verschleierte zugleich den genuin antiemanzipatorischen Charakter dieser Denkströmung, die genau genommen das Ziel einer „Revolution“ von den Werten der Französischen Revolution und der Aufklärung verfolgte, also tatsächlich eine gegenaufklärerische Konterrevolution war. Die Konservative Revolution insofern treffender als Pränazistische Konterrevolution zu bezeichnen, wäre zwar die Wahrheit gewesen, von einem Ideologen wie Mohler, der die völkischen Ideale in die Nachkriegszeit retten wollte, freilich nicht erwartbar, weil auch er schon in den Modus des...

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