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Bedingungsloses Grundeinkommen

Idee, Finanzierung, Chancen, Risiken und Alternativen

AutorFrank Müller
VerlagGRIN Verlag
Erscheinungsjahr2008
Seitenanzahl79 Seiten
ISBN9783640193257
FormatPDF/ePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis29,99 EUR
Bachelorarbeit aus dem Jahr 2008 im Fachbereich VWL - Mikroökonomie, allgemein, Note: 3, Frankfurt School of Finance & Management (Frankfurt School of Finance and Management), Veranstaltung: Volkswirtschaft für Bachelor of Finance and Management, 62 Quellen im Literaturverzeichnis, Sprache: Deutsch, Abstract: Die deutsche Volkswirtschaft befindet sich seit 2005 in einer Aufschwungphase. Dennoch bauen BMW, Nokia, Siemens und Co. in diesen Tagen weiter Arbeitsplätze ab. Gleichzeitig wurden in den letzten 2 Jahren ca. 1,5 Millionen neue Jobs geschaffen, während Vertreter der Wirtschaft vor einem wirtschaftlichen Abschwung warnen. Der Druck auf Unternehmen und Beschäftigte steigt durch den globalen Wettbewerb, die US-Immobilienkrise und die weltweit steigenden Rohstoff- und Energiepreise. Um dem Arbeitsmarkt und der Wirtschaft neue Impulse zu geben, wurden 2005 u.a. die SGB II und SGB III Gesetze, im folgenden Hartz IV genannt, eingeführt. Damit entstanden für viele Menschen neue wirtschaftliche Risiken, aber auch Chancen. Die einen bekamen die Chance auf einen neuen Arbeitsplatz, für andere galt es den Gürtel enger zu schnallen, um den Arbeitsplatz zu sichern. Viele widersprüchliche Entwicklungen für die Menschen, die sich täglich um ihre Existenz Sorgen machen. Um diese Existenzängste zu lindern gibt es vielerlei Rezepte. Eines lautet: Bei einer guten wirtschaftlichen Entwicklung, können alle am Erfolg partizipieren, deshalb alles Augenmerk auf die Wirtschaft. Doch obwohl das BIP in den letzten 15 Jahren kontinuierlich gestiegen ist, sind die Reallöhne und die Gesamtlohnsumme in diesem Zeitraum gesunken. Heißt das, die schon von Ludwig Erhard vertretene Devise: Wachsende Wirtschaft = Wohlstand für Alle, gilt nicht mehr? Wenn dieser Eindruck bestätigt werden sollte, müssen neue Konzepte diskutiert werden. Eines dieser Konzepte ist das bedingungslose Grundeinkommen. Ideen dazu sind ebenso wenig neu, wie sie sich eindeutig politischen Lagern zuschreiben lassen. Linke und konservative Politiker, Unternehmer, Wissenschaftler, Arbeitslose und Angestellte, Menschen aus allen Bevölkerungsschichten können sich dafür begeistern. Dies soll zum Anlass genommen werden, sich in dieser Arbeit mit dem bedingungslosen Grundeinkommen auseinanderzusetzen.

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Leseprobe

3.     Bedingungsloses Grundeinkommen


 

3.1.  Grundidee und historische Entwicklung


 

Ursprünglich war die Idee eines Grundeinkommens dahingehend ausgerichtet, dass Menschen eine Mindestversorgung erhalten, um vor Hunger und Armut geschützt zu sein. Ein erster Ansatz findet sich in Thomas Morus Werk Utopia (1516).[39] 1526 richtete der Humanist Johannes Ludvicus Vives eine Schrift an den Bürgermeister von Brügge, in der er sich für ein Mindesteinkommen einsetzte. Er begründet dies mit der christlich-jüdischen Pflicht zur Nächstenliebe und dem Argument, dass öffentliche Fürsorge wesentlich effizienter sei, als private Armenhilfe. Gleichzeitig trat er dafür ein, eine Gegenleistung in Form von Arbeit zu verlangen.[40]

 

Mit der Forderung nach einer Mindestversorgung war auch immer die Hoffnung verbunden, Kriminalität, die durch Armut entsteht, eindämmen zu können. Im Laufe des 16. und 17. Jahrhunderts wurde von verschiedenen Stadtverwaltungen Gesetze erlassen, die den Armen Unterstützung zugestand, meist in Form von Nahrungsmitteln. Im Gegenzug wurden Arbeitshäuser eingerichtet, in denen die Empfänger von Hilfsleistungen gezwungen wurden zu arbeiten. Später wurden die Hilfsleistungen, aus Angst vor Hungeraufständen, teilweise so ausgeweitet, dass man sie annähernd mit der heutigen Sozialhilfe vergleichen konnte.[41] Jedoch waren all diese Hilfsmaßnahmen stets an die Verpflichtung zur Arbeit gekoppelt. Später wurden derartige Armenversorgungen wieder eingeschränkt oder ganz abgeschafft.

 

Diese Unterstützungen waren in dieser Zeit meist nur für einen sehr kleinen Teil der Bevölkerung gedacht und zwar für jene, die nicht durch Einbindung in familiären Beziehungen versorgt werden konnten.

 

Im Zuge der industriellen Revolution lösten sich die bis dahin überwiegend familiären Beziehungen, in denen Generationen sich gegenseitig unterstützten, allmählich auf. Deshalb wurden andere Formen der sozialen Sicherung benötigt. Mit der Einführung der Sozialgesetzgebung Ende des 19. Jahrhunderts wurde eine Grundversorgung für alle Arbeiter geschaffen, um sie vor Arbeitslosigkeit, Unfall und Krankheit und fürs Alter abzusichern. Diese Reformen wurden von Bismarck eingeleitet, um anderweitigen Bestrebungen nach sozialen Veränderungen zuvorzukommen. Nach und nach wurden ähnliche Systeme in weiten Teilen Europas installiert.

 

Eine Grundversorgung für den nicht arbeitenden Teil der Bedürftigen war mit der Einführung der Sozialversicherungen aber noch nicht gewährleistet. Deshalb führte man „ … in der zweiten Hälfte der 20. Jahrhunderts … mehr oder weniger allgemeine oder mehr oder weniger großzügige Maßnahmen in anderen Teilen Europas ... [ein,] … weil man nach und nach erkennt, dass ein ausschließlich versicherungsbasiertes System nicht ausreicht.“[42]

 

In Deutschland wurde eine derartige Versorgung 1961 im Bundessozialgesetz verankert und stellt sicher, dass Menschen die ohne Einkommen sind, finanzielle Unterstützung zuteil wird. Die Sozialhilfe setzt sich aus einem monatlichen Grundbetrag, sowie diversen Zusatzleistungen zusammen. Bedingung für ihre Inanspruchnahme war die Bedürftigkeit und der Willen zur Aufnahme einer beruflichen Tätigkeit. Nach Einführung von Hartz IV, wurde der Bezug von Sozialhilfe, dahingehend geändert, dass heute nur noch diejenigen Sozialhilfe erhalten, die nicht arbeitsfähig sind. Andere Hilfsbedürftige werden durch Arbeitslosengeld II unterstützt, deren Regelsätze aber mit denen der Sozialhilfe nahezu identisch sind.

 

All diese Maßnahmen können jedoch nicht als ein Weg zu einem BGE angesehen werden, da sie grundsätzlich Bedürftigkeit voraussetzen und Gegenleistungen verlangen.

 

Die Grundidee des BGE besagt nach heutiger Definition des Netzwerkes Grundeinkommen, dass es jedem Menschen ohne Bedürftigkeitsprüfung ausgezahlt werden soll, kein Arbeitszwang damit verbunden sein darf, einen individuellen Rechtsanspruch begründet und das es in Form einer basalen gesellschaftlichen Teilhabe existenzsichernd sein soll.[43]

 

Einer der ersten Vordenker für ein BGE war Thomas Paines (1737-1809). Er leitet den Anspruch aus der Tatsache her, dass die Erde der gesamten Menschheit gehöre und demzufolge die Erträge zu gleichen Teilen unter allen Bürgern verteilt werden müssten. Er vertrat die Auffassung, dass jeder beim Eintritt ins Erwachsenenleben einen Einmalbetrag und später eine Rente erhält. Dies sollte als Entschädigung, für die durch den privaten Besitz an Grundeigentum verloren gegangenen naturrechtlichen Ansprüche, gewährt werden. Später vertraten auch andere diesen Ansatz unter anderem die Professoren Anne Alstott und Bruce Ackerman von der Yale Law School in den USA.[44] Einen ähnlichen Ansatz vertraten Charles Fourier und später Joseph Charlier. „ Fourier schreibt dazu in  einer Publikation „Das allererste Recht, das Recht, die Früchte der Natur zu ernten, die Gaben der Natur zu nutzen, die Freiheit zu jagen, zu sammeln … und dieses Recht verpflichtet die Gesellschaft dazu, die Grundversorgung des Volkes zu gewährleisten.“[45] Gleichzeitig wird immer wieder hervorgehoben, dass eine Bevorzugung wegen Herkunft oder genetischer Vorteile durch ein BGE auszugleichen sei, um Chancengleichheit herzustellen. Tendenziell begründet auch Prof. Götz Werner einen Anspruch auf ein BGE mit der verloren gegangenen Möglichkeit auf Landbesitz und der damit verbundenen Unmöglichkeit der Selbstversorgung. Dieser Ansatz soll im Folgenden als humanistischer Ansatz bezeichnet werden.

 

Ein anderer Ansatz, er soll im Folgenden als ökonomischer Ansatz bezeichnet werden, beruht auf der Idee, das marktwirtschaftliche System mit einem Grundeinkommen stabilisieren zu können oder dieses effizienter zu gestalten. Clifford H. Douglas befürchtete zum Beispiel nach dem Ersten Weltkrieg, „ … aufgrund der Produktivität der britischen Nachkriegsindustrie die Gefahr einer Überproduktion.“[46] Auch Milton Friedman argumentiert aus Sicht der Ökonomie für ein Grundeinkommen in Form einer Negativsteuer. Er hoffte darauf den Sozialstaat damit radikal zu vereinfachen. Das Modell der Negativsteuer soll später noch eingehend untersucht werden.

 

Die Diskussion bezüglich eines Grundeinkommens wurde mit der neuen Sozialgesetzgebung von SGB II und SGB III erneut angefacht. Mit den Gesetzesänderungen wurde durch die Schröderregierung der aktivierende Sozialstaat proklamiert. Das bedeutet, dass durch Fördern und Fordern der Einzelne dazu befähigt und ermutigt werden soll, seinen Unterhalt selbst zu erwirtschaften. In Zeiten, als über als 5 Mio. Menschen offiziell ohne Arbeitsplatz waren, ist dies eine große Herausforderung für Wirtschaft, Politik und Gesellschaft. Gleichzeitig sprach man von Verlängerung der wöchentlichen Arbeitszeit, sowie der Heraufsetzung des Renteneintrittsalters und Steuersenkungen für Unternehmen. All diese Maßnahmen sollten darauf abzielen, die Wirtschaft wieder in Schwung zu bringen und für mehr Arbeitsplätze zu sorgen. Eine Annahme bei der Erarbeitung der Gesetze war, dass sich viele in der sozialen Hängematte auf Kosten der Allgemeinheit ausruhen und nicht zur Mehrung des gesellschaftlichen Wohlstandes beitragen.

 

Diese Vermutungen lösten in Teilen der Bevölkerung Abwehrreaktionen hervor. Unter anderem bildete sich die WASG und es kam zu einer Erstarkung der politisch Linken, was letztlich in die Gründung der Linkspartei mündete, die heute eine feste Größe in der Parteilandschaft zu werden scheint. Gleichzeitig wurde das Bündnis Netzwerk Grundeinkommen gegründet, welches im BGE einen Gegenentwurf zu den Hartz IV Gesetzen sieht und die Diskussion und Akzeptanz eines BGE in der Gesellschaft voranbringen will.

 

Im nächsten Abschnitt sollen die derzeit existierenden Modelle und ihre Vertreter näher untersucht werden, um Vorteile, Nachteile und Realisierbarkeit objektiver beurteilen zu können.

 

3.2.  Modelle


 

Heute gibt es mehrere Modelle, die sich aus den obigen 2 Grundtypen herleiten lassen. Die einen basieren auf dem ökonomischen Ansatz, bei dem nicht der Mensch im Mittelpunkt steht, sondern die effizientere Ausgestaltung der marktwirtschaftlichen Verhältnisse. Gleichzeitig ist bei diesem Ansatz oft auch die Bedingungslosigkeit eingeschränkt. Dennoch wird diese Ausprägung in dieser Arbeit ebenfalls untersucht. Andere Modelle basieren auf der Vorstellung, dass der Mensch ein Grundrecht auf Versorgung besitzt, da ihm andere...

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