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Bernard Mandeville in seiner Zeit

Ideen- und wirkungsgeschichtliche Einordnung Mandevilles in die Entwicklungslinien der Bürgerlichen Aufklärung

AutorPhilipp Farwick
VerlagGRIN Verlag
Erscheinungsjahr2009
Seitenanzahl117 Seiten
ISBN9783640309115
FormatPDF/ePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis17,99 EUR
Magisterarbeit aus dem Jahr 2008 im Fachbereich Philosophie - Philosophie des 17. und 18. Jahrhunderts, Note: 1,7, Carl von Ossietzky Universität Oldenburg, Sprache: Deutsch, Abstract: Bernard Mandeville hinterlässt kein abgeschlossenes philosophisches System. An dieser Stelle soll jedoch nachgewiesen werden, dass sich Mandevilles Theorie durchaus systematisch fassen lässt, und welche Strömungen und Traditionen sich in Mandevilles Werk wiederfinden. In der Literatur, die sich mit Mandeville beschäftigt, ist die ökonomische Perspektive oftmals vorherrschend. Mit Blick auf die Verarbeitung seiner Überlegungen etwa bei Adam Smith oder Karl Marx besitzt dieser Ansatz durchaus Relevanz, droht aber in gleichem Maße die Sicht auf andere, vorgeordnete philosophische Fragen, wie etwa die nach der den Mandevilleschen Überlegungen zugrunde liegenden Erkenntnistheorie oder die nach seiner Anthropologie, zu verstellen. Im ersten Hauptteil dieser Arbeit gilt es zunächst, das Thema insofern einzuführen, als der Wissenschafts- und Philosophiebegriff, der im 17. Jahrhundert eine entscheidende Veränderung erfährt, umrissen wird. Diese Einführung soll zunächst den Rahmen abstecken, in dem sich die Vordenker Mandevilles bewegen. Ausgehend von der Idolenlehre Francis Bacons sollen die erkenntnistheoretischen Positionen Thomas Hobbes' beschrieben werden. In allen philosophischen Perspektiven, aus denen in dieser Arbeit die Anschauungen Mandevilles beleuchtet werden sollen, wird das Denken Thomas Hobbes' eine besondere Rolle einnehmen. Denn seine Positionen besitzen die Systematik, die man bei Mandeville leider vermisst. Sie können so als Gerüst dienen, das auch den Positionen Mandevilles in der Diskussion mit der Hobbeschen Theorie Struktur geben soll. Darüber hinaus sind sich beide sowohl in erkenntnistheoretischer als auch in anthropologischer Hinsicht so nah, dass die Wahl auf Thomas Hobbes und nicht etwa auf John Locke fällt. Neben der Auseinandersetzung mit Hobbes muss besonders der Franzose Pierre Bayle als zweiter wichtiger Vordenker in den Fokus der Aufmerksamkeit rücken, um über die erkenntnistheoretische Perspektive hinaus mit Blick auf die Anthropologie und die Moralphilosophie ein Grundstein für die späteren Betrachtungen zu legen. Der zweite Hauptteil schließlich soll verdeutlichen, welche Positionen sich in Mandevilles Werk zu den unterschiedlichen Fragen der Erkenntnistheorie, der Anthropologie und der Moralphilosophie finden lassen. Verbindungen zu den Traditionslinien und Vordenkern sollen die Darstellung erleichtern und dabei helfen, Mandevilles Positionen kenntlich zu machen.

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Leseprobe

3 Bernard de Mandeville, Leben und Schriften

 

Bevor nun zu den Thesen Mandevilles zu kommen sein wird, sollen sein Leben und seine Schriften kurz ins Sichtfeld rücken. Eine kurze sowohl biographische als auch bibliographische Einordnung Mandevilles ist aus verschiedenen Gründen geboten: einmal, weil sich zeigen wird, wie eng Leben und Werk gerade in gesellschaftlicher Hinsicht verbunden sind, zum anderen, da die Auswahl der Bienenfabel als Hauptbezugspunkt dieser Arbeit in der Darstellung der Bibliographie ihre Begründung finden kann.

 

Bernard de Mandeville wird in den Niederlanden als Sohn einer vornehmen, französischen Hugenottenfamilie geboren und am 20. November 1670 in Rotterdam getauft. Nach einem Studium der Philosophie, welches er 1689 mit einer Promotion abschließt, widmet er sich, wie zahlreiche seiner Vorfahren väterlicherseits, der Medizin. Nach erneuter Promotion 1691 praktiziert Mandeville zunächst für kurze Zeit als Facharzt für Nerven- und Magenleiden in seinem Heimatland, bevor er nach London zieht. Aus einer 1699 geschlossenen Ehe mit einer Engländerin gehen zwei Kinder hervor.

 

Die Zeit, in der Mandeville nach England kommt, ist stimmungsvoll von einer ganzen Reihe bekannter zeitgenössischer Porträtisten eingefangen worden. So etwa von Jonathan Swift, Daniel Defoe und William Hogarth. Mandeville trifft auf eine seit der Glorious Revolution dynamisch wachsenden Handels- und Wirtschaftsnation. Das Großbürgertum ist im Begriff, ob seines wachsenden ökonomischen Einflusses, die bisher dominierende Schicht, den Landadel, auch politisch zu überflügeln. Dieser neue „Geldadel“ strengt sich an, auch den Lebensstil des alten Adels zu kopieren oder gar zu übertreffen. Die Wachstumsgewinne werden so vor allem in den pompösen Luxus weniger gelenkt. Verlierer sind alle diejenigen, die, von der Prosperität der industriellen Zentren wie London angelockt oder von ihrer Scholle von zu hoher Pachtzinsen vertrieben, vom Land in die städtischen Slums einwandern – und das Heer der billigen Arbeitskräfte in einem Maße vergrößern, dass die Löhne noch weiter sinken. Das Bevölkerungswachstum gewinnt in dieser Zeit an Fahrt. Auch wenn es erst ein Jahrhundert später seinen Höhepunkt erreichen soll, wächst die Bevölkerung Englands zwischen 1700 und 1800 von ca. fünf auf acht Millionen Menschen.[146] Dem katastrophalen Zustand eines Großteils der Arbeiterschaft in Armut und Siechtum steht nun die kulturelle und politische Blüte des Bürgertums gegenüber, das in Cafés über Kunst und Politik schwadroniert – ein Kontrast, der das Stilmittel der Satire provoziert. Es ist eben die Verwendung dieses Stilmittels, die im besonderen Maße den Fokus auf die gesellschaftlichen Verhältnisse lenken muss, die Mandeville vorfindet. Einer der frühen Mandeville-Interpreten, Paul Goldbach, weist darauf hin.[147]

 

Hier bewegt Mandeville sich in sowohl wissenschaftlicher als auch politischer Hinsicht in den besseren Kreisen. Zu den Personen, mit den er regen Kontakt pflegt, gehören neben dem Hofarzt Sir Hans Sloane auch hohe Staatsdiener wie Lord Chancellor Earl of Macclesfield. Und auch Benjamin Franklin darf Mandeville zu seinen Bekannten zählen.

 

Sein literarisches Schaffen setzt 1703 und 1704 mit der englischen Bearbeitung zweier Tierfabeln von Lafontaine und Aesop ein. Es folgt eine Versgroteske mit dem Titel „Typhon, oder die Kriege zwischen Göttern und Riesen“ und 1705 schließlich das Gedicht „Der unzufriedene Bienenstock“ als anonyme Sixpenny-Broschüre.

 

Der Erfolg ist groß, und die Nachfrage wird mit einem Raubdruck gestillt. Als das Gedicht 1714 erneut herausgegeben wird, hat es Mandeville um zwanzig Kommentare und den Essay „Eine Untersuchung über den Ursprung der sittlichen Tugend“ ergänzt. Es trägt nun den Titel „Die Bienenfabel, oder private Laster, öffentliche Vorteile“. Den größten Widerspruch provozieren die in einer weiteren Auflage 1723 ergänzten Essays „Eine Abhandlung über Barmherzigkeit, Armenpflege und Armenschulen“ und „Eine Untersuchung über die Natur der Gesellschaft“. 1728 erscheint ein zum großen Teil explikativer zweiter Band, in dem Mandeville in Dialogform seine und die Ansichten seiner Gegner diskutiert. Auch dieser zweite Band erscheint in mehreren Auflagen.

 

Der erste Band der Bienenfabel muss bei der Untersuchung der Philosophie Mandevilles das Kernstück bilden, finden sich doch hier alle wesentlichen Aspekte seiner veröffentlichten Anschauungen. Eine ausführliche Analyse soll darum im nächsten Kapitel geleistet werden. Bei der Untersuchung der Positionen Mandevilles wird sich im Wesentlichen auf diesen ersten Band der Bienenfabel bezogen werden. Nahezu alle wichtigen Standpunkte Mandevilles finden sich hier. Die weiteren Veröffentlichungen Mandevilles sind:

 

1709, „Die entlarvte Jungfrau, oder weibliche Dialoge zwischen einer älteren Dame und ihrer Nichte“[148].

 

1711, „Eine Abhandlung über hypochondrische und hysterische Leiden“[149], ein unter methodischen Aspekten für den hier zu untersuchenden Gegenstand durchaus interessantes Werk. Mandeville prangert darin einige Missstände an, die er im Ärztestand ausmacht. Die Kunst des Arztes liege gerade nicht im Hypothesenmachen, wie es die so genannte rationale Medizin annähme. Mandeville plädiert vielmehr für eine empirische Methode, die sich auf Beobachtung und Praxis gründe.[150]

 

1720, „Freie Gedanken über Religion, Kirche und nationales Glück“.[151]

 

1724 erscheint „Eine Bescheidene Streitschrift für öffentliche Freudenhäuser oder ein Versuch über die Hurerei, wie sie jetzt im Vereinigten Königreich praktiziert wird“.[152] Mandeville greift an dieser Stelle Probleme auf, die sich aus der Prostitution seiner Zeit für die Gesundheit und die Moral ergeben. Doch plädiert er nicht etwa für deren kategorische Verdammung, sondern er entwirft vielmehr das Modell einer staatlichen Kontrolle dieses für ihn nun einmal unvermeidlichen Übels. Die in der Bienenfabel zentrale Theorie vom privaten Laster, das  der Öffentlichkeit zum Vorteil gereiche, findet sich auch hier. So leiste die lasterhafte Prostitution, die Ehre der übrigen Frauen zu schützen.[153]  Öffentliche, staatlich kontrollierte Freudenhäuser könnten eine Reihe von schädlichen Aspekten vermindern helfen, wie etwa die katastrophalen gesundheitlichen Konsequenzen, die eine private, klandestine Prostitution nach sich zöge. Mandeville referiert hier im wesentlichen seinen Vordenker Pierre Bayle. Im moralphilosophischen Kapitel wird darauf noch einmal zurückzukommen sein.

 

1725, „Eine Untersuchung über die Ursachen der häufigen Hinrichtungen in Tyburn, sowie Vorschläge für die Behandlung von Zuchthäuslern“.[154]

 

Kurz vor seinem Tod, 1732, erscheint die Abhandlung „Ein Brief an Dion, veranlasst durch sein Buch Alciphron“[155], eine Verteidigung gegen Angriffe, die der Bischof und Philosoph George Berkeley in seinem Buch „Alciphron, oder der kleine Philosoph“[156] gegen ihn führt.

 

Mandevilles wohl letzte Veröffentlichung ist im selben Jahr „Eine Untersuchung über den Ursprung der Ehre und der Nützlichkeit des Christentums im Kriege“.[157] Das Christentum fördere den Kampfgeist der Soldaten nicht, so die Intention Mandevilles.[158] Auch hier ist seine Nähe zu Pierre Bayle offenkundig. Den Ursprung der Ehre begründet Mandeville im wesentlichen so wie in Anmerkung (R) seiner Bienenfabel.[159]

 

Bernard Mandeville stirbt am 21. Januar 1733 in Hackney im alter von 63 Jahren.

 

3.1 Die Bienenfabel oder Private Laster, öffentliche Vorteile

 

„So klagt denn nicht: (X.) für Tugend hat's

 

In großen Staaten nicht viel Platz“[160]

 

Das berühmteste und wohl auch berüchtigste Werk Mandevilles ist sicherlich der in über 20 Jahren zur Bienenfabel ausgebaute „unzufriedene Bienenstock“, die Sixpenny-Broschüre von 1705. Seine zentrale These vom privaten Laster, der zum öffentliche Vorteil führe, seine Einlassungen zum Wesen der Ethik und sein Essay über die Armenschulen werden schon zu seiner Zeit lebhaft diskutiert – und in der Regel abgelehnt. Ihre zentrale Rolle auch für diese Arbeit ergibt sich daraus, dass Mandeville hier nahezu alle wichtigen philosophischen Positionen verarbeitet. Die bibliographische Ausführung hat die Redundanzen in Mandevilles Werk offengelegt.

 

Den Kern der Bienenfabel, die ursprüngliche Broschüre, bildet ein satirisches Gedicht von etwa 400 gereimten, jambischen Versen. Mandeville beschreibt allegorisch zur menschlichen Gesellschaft das Leben in einem Bienenstock, in dem Handel und Wissenschaft florieren, bevölkert von wohlhabenden, fleißigen und insgesamt erfolgreichen Bienen. Dieser Blüte im Ganzen steht jedoch im Einzelnen manche Lasterhaftigkeit gegenüber: Die Biene jedes Berufsstands schaut stets nur auf den eigenen Vorteil und betrügt, wo sie nur kann, ihren Nächsten.

 

„(B) Nur solchen...

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