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Cicero, Terentia und Tullia. Dynamik, Wandel und Scheitern der römischen Ehe anhand einer spätrepublikanischen Familie

AutorAnonym
VerlagGRIN Verlag
Erscheinungsjahr2016
Seitenanzahl152 Seiten
ISBN9783668296824
FormatPDF/ePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis39,99 EUR
Examensarbeit aus dem Jahr 2014 im Fachbereich Klassische Philologie - Latinistik - Literatur, Note: 1,0, Otto-Friedrich-Universität Bamberg (Latinistik), Veranstaltung: -, Sprache: Deutsch, Abstract: Was die Nachvollziehbarkeit der Scheidungsgründe oder eher der individuellen Begründung angeht, so haben wir in Bezug auf Cicero einerseits einen Nachteil, andererseits durch ebendiesen wieder einen Vorteil: Zunächst einmal liegt Ciceros Scheidung ungefähr 2060 Jahre zurück, was für uns bedeutet, dass eine Vielzahl an Dokumenten verloren gegangen ist, Vorgänge nicht mehr nachvollziehbar und höchstwahrscheinlich alle Zeitzeugen tot sind, mit Ausnahme von Ciceros Briefen. Und genau die versorgen uns nun mit einer Fülle an teils intimen Informationen zum Privatleben, zum Geisteszustand, zu Gefühlsregungen, kurzum: zur ganzen Person Ciceros.

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Leseprobe

3 Das Medium des Briefes


 

Cicero zählt zu den bedeutendsten und bekanntesten Briefautoren im römischen Sprachraum, weshalb ich mich vor allem auf ihn, seine Briefe und seine Zeit konzentieren werde.

 

3.1 Der Brief im Allgemeinen


 

Der Grund für das Schreiben von Briefen war – neben dem Mangel an anderen Kommunikationsformen bei räumlicher Trennung – in erster Hinsicht die amicitia, wobei die Art und Weise des Briefverkehrs (Veranlassung, Inhalt, Form) dem ständigen Wandel der Gesellschaft unterlag und von den daran beteiligten Personen maßgeblich abhing.[31]

 

Aus rein handwerklicher Sicht lässt sich feststellen, dass die Briefe meist auf Papyrusblättern geschrieben wurden, die zusammengerollt bzw. gefaltet und versiegelt mehr oder minder zuverlässigen Boten zur Zustellung übergeben wurden.[32]

 

Die Schreibanlässe waren auch weitestgehend dieselben wie heute noch: Geburtstagsgrüße, Kondolenzen, Glückwünsche, Hochzeiten etc. Meist waren die Briefe von formelhaften, inhaltsleeren Sentenzen geprägt (nicht jedoch bei Cicero). Das Prä- und Postskript blieb abgesehen von einigen Variationsmöglichkeiten im Grunde immer gleich aufgebaut, wie wir später noch sehen werden.[33]

Man kann nun eine Unterscheidung zwischen dem Brief als solchem und der Epistel treffen: Der echte „Brief“ ist wohl eigentlich für den bzw. die Empfänger selbst bestimmt, während eine „Epistel“ für eine weitreichendere Leserschaft gedacht ist. Ersterer sei nach Adolf Deißmann eher unliterarisch oder vorliterarisch (er sah private Briefe nicht als Literatur im engeren Sinne an), letztere zähle zur echten Literatur, sei demnach künstlicher. Im privaten Brief gibt sich der Verfasser somit ganz natürlich, während er sich in der Epistel stilisiert bzw. verstellt. Der Brief an sich ist reines Mittel zum Zweck, die Epistel verfolgt ein höheres Ziel, wie die Beeinflussung anderer, Rechtfertigung, Darlegung eines Sachverhaltes.[34]

 

3.2 Cicero als Briefautor


 

Die antike Brieftopik ist ein schier endloses Gebiet, weshalb ich mich auf Cicero beschränken wollte. Ciceros Briefwechsel wiederum ist ebenso endlos und reichhaltig, weshalb ich mich auf die markantesten bei Cicero vorkommenden und von ihm auch geprägten Briefmotive konzentriere. Ausgehend von den Schlagwörtern iocari (scherzen) und colloqui (sich unterreden) können wir in Ciceros Briefwechsel (mit seinen der Epistolographie kundigen Freunden) zwei grundlegend verschiedene Schemata mit jeweils drei ‚Unterpunkten‘ bzw. Themenbereichen ausmachen: Das erste Schema beinhaltet die Mitteilung wichtiger Neuigkeiten an Abwesende, dann eine gewisse leutselige Vertrautheit, und schließlich ernste Themen. Das zweite hingegen beginnt mit Nichtigkeiten bzw. Allgemeinem, dann folgen erfreuliche Nachrichten, schließlich Verdrießliches und Trauriges, wozu das Geben von Versprechen und/oder Trost gehört.[35]

Doch solche Schemata unterliegen keineswegs einem verbindlichen Gattungssystem, sondern können je nach Bedarf untereinander (verhältnismäßig) frei variiert werden (cf. Thraede, S. 32 f.). Innerhalb von Ciceros Brieftopik kann iocari beispielsweise auch den Platz von colloqui einnehmen und umgekehrt (cf. Thraede, S. 35).

 

Eine weitere hervorstechende Eigenschaft von Ciceros Briefen ist die „Idee der Anwesenheit“ des Adressaten: Der Brief fungiert nicht nur als Medium der Kommunikation, sondern auch als Ersatz für die fehlende reale Interaktion beider Briefschreiber. Die Korrespondenz wird also gewissermaßen idealisiert.[36]

 

Noch häufiger aber ist der Schreiber im Brief ‚geistig anwesend‘: Dies wird u.a. durch die Einbeziehung des Adressaten in die „Handlung“ bzw. den Handlungsstrang (durch nos und Verben in der ersten Person Pl.) erreicht, durch direkte Ansprache (te und Verben in der zweiten Person Sing.), und durch Verben des aktiven Verkehrens, wie inqui(e)s, loqui, discedis etc.[37] Cicero selbst ‚sagt‘ in Fam. 2,9,2: Te autem contemplans absentem, et quasi tecum coram loquerer. Er schildert damit also, wie er beim Schreiben gleichsam den Empfänger des Briefes ansieht (contemplans) und mit ihm persönlich (coram) plaudert.

 

Mit anderen Worten ist animo videre ein ständig wiederkehrendes Element in Ciceros Briefen, als Schreiberlebnis, neben der gedachten Anwesenheit des Briefpartners, wofür iocari (inhaltlich) bzw. colloqui (situativ) die Grundvoraussetzung darstellen (cf. Thraede, S. 43; 46).

 

Der Briefstil zeichnet sich durch eine sonst unbekannte Natürlichkeit und Schlichtheit der Sprache aus; er will die einfache Sprache einer Unterhaltung reflektieren bzw. imitieren. Alles, Inhalt, Ton, Charakter, Sprachebene, richtet sich nach dem Empfänger des Briefes, ist also zielgerichtet und gleichsam ‚maßgeschneidert‘ im Gegensatz zu sonstigen Schriften (abgesehen von Reden, die aber an eine größe Menschenmenge gerichtet sind).[38] Solch ein persönlicher Brief ist weder übertrieben gekünstelt noch stilistisch besonders elaboriert. Ferner fehlt es ihm durchaus häufiger an inhaltlicher Stimmigkeit, da er oft unzureichend Antwort gibt oder nur Fragen stellt, aber auch bei einem Leser, der nicht dem gedachten Empfänger entspricht, Fragen aufwirft, wenn der Verfasser Rückbezug auf einen vorherigen Brief nimmt, und Dinge daraus scheinbar zusammenhanglos rezitiert. Der Brief wird auch dadurch lebendig, aber auch kurzlebig; subjektiv ist er sowieso, denn er will nicht wissenschaftlich erörtern, sondern allein Persönliches vermitteln.[39] Doch was für den Redner und den Stil seiner Reden gilt, wendet Cicero ebenso gekonnt in seinen Briefen an: Er will mehr commovere und conciliare als docere, also den jeweiligen Adressaten eher überreden als überzeugen, er wirkt eher auf das Gemüt als auf den Verstand ein, will Affekte beim Leser erzeugen.[40] An den jeweils geeigneten Stellen werde ich diese Methode Ciceros veranschaulichen.

 

Der eigentliche Reiz, und das möchte ich noch einmal betonen, liegt bei Ciceros Privatbriefen einerseits in ihrer Authentizität, andererseits eben in ihrer Unmittelbarkeit, die uns Cicero als Menschen auf natürliche Art und Weise, im Ganzen und unverfälscht, präsentiert.[41]

 

3.3 Sprachliche Besonderheiten und Eigentümlichkeiten


 

Sprachlich sind die Briefe Ciceros bemerkenswert, da die verschiedenen Möglichkeiten der lateinischen Sprache voll ausgenutzt werden. Umgangssprache der gebildeten Kreise kann anhand ihrer nachvollzogen werden. Ein loser Satz- und Periodenbau, lockere Satzverbindungen und häufiges Auftreten von Ellipse, Parenthese und affektischer Sätze zeichnen diesen sermo cottidianus aus. Offiziellere Briefe nähern sich freilich stilistisch Ciceros Reden an. Es herrscht insgesamt eine elegante Leichtigkeit in dieser gehobenen Brief-Umgangssprache vor.[42]

 

Zu den sprachlichen Auffälligkeiten zählt zum einen die Häufung von Deminutiva, wie Tulliola deliciolae nostrae oder filiola (passim) oder auch subturpicula (Att. 4,5,1 – anstelle von subturpis), was auf die Sprache im familiären Umgang schließen lässt.[43] Zudem tritt der Superlativ des Adjektivs recht häufig in Anreden in Erscheinung: Mea Terentia, fidissima atque optima uxor, et mea carissima filiola (…) valete.[44]

 

Viel häufiger, als sie sonst in Ciceros Werken zu finden wäre, kann man die Verwendung freier Infinitiv- (i.e. AcI) und Konjunktivkonstruktionen (sog. ut-Sätze) beobachten;[45] diese empathisch-affektiven Formulierungen werden noch ad locum eingehender behandelt.

Gerne, und bei weitem am häufigsten in den Briefen an Atticus, streut Cicero eine Vielzahl an griechischen Begriffen ein, die gleichsam der Reminiszenz der gemeinsamen Vorliebe für das Griechische[46] und der Erinnerung an die zugebrachte Zeit in Griechenland (Bildungsreise) dienen.[47]

 

Aber Cicero nutzte seine eigenen und Atticus‘ hervorragende Griechischkenntnisse auch gleichsam als Geheimsprache,[48] wobei hier besonders der fast komplett in griechischer Sprache verfasste Brief ad Atticum 6,5 auffällt.

 

In Att. 9,4 übt sich Cicero scheinbar zum Vergnügen im Verfassen adäquater griechischer Prosa. Doch auch in Briefen an Cassius (Fam. 15,16-18) und dem Antwortbrief desselben (Fam. 15,19) finden sich viele griechische Ausdrücke und Wendungen aus der Philosophie. Ferner diente das Griechische, wenn man von direkten Zitaten absieht, dem Zurschaustellen der eigenen Kenntnisse (und dem gegenseitigen Übertrumpfen in dieser Fremdsprache), und dem Wettmachen von...

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