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E-Book

Das Buch Hitler

VerlagVerlagsgruppe Lübbe GmbH & Co. KG
Erscheinungsjahr2015
Seitenanzahl688 Seiten
ISBN9783732513734
Altersgruppe16 – 
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis9,99 EUR

Knapp sechzig Jahre nach Kriegsende wird in russischen Archiven ein Dokument von höchster historischer Brisanz entdeckt: Das Buch Hitler. Verfasst exklusiv für Josef W. Stalin, enthält es die persönlichen Erinnerungen von Otto Günsche und Heinz Linge, die diese in sowjetischer Gefangenschaft unter NKWD-Aufsicht zu Papier brachten. Beide Männer bewegten sich als SS-Offiziere über viele Jahre in nächster Nähe Adolf Hitlers. Ihre sehr dichten Schilderungen enthalten nicht nur viele, bislang unbekannte Details zu Hitlers Politik und Kriegführung, sondern vermitteln auch ein ungeschminktes Bild davon, wie es in Hitlers Umgebung wirklich zuging. Eine der eindrucksvollsten historischen Quellen über das Dritte Reich!

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Leseprobe

Vorwort der Herausgeber


Als sich Adolf Hitler am 30. April 1945 kurz vor halb vier Uhr im unterirdischen Bunker der Reichskanzlei erschoss, standen die Spitzen der Roten Armee nur noch ein paar hundert Meter entfernt – ihnen wollte Hitler unter keinen Umständen in die Hände fallen. In einem Käfig über den Roten Platz getragen und von einem wütenden Mob grausam gelyncht zu werden, das war die grässliche Zwangsvorstellung, die er gegen Ende seines Lebens mit dem Bolschewismus verband.

Josef Wissarionowitsch Stalin hingegen kam seit dem deutschen Überfall auf die Sowjetunion am 22. Juni 1941 von seinem Hitler-Trauma nicht mehr los – und bezweifelte die Nachricht vom Selbstmord des Diktators. Er glaubte an Hitlers Flucht und ein geheim gehaltenes Asyl bei den West-Alliierten, denen er unterstellte, sie wollten den Krieg gegen die Sowjetunion weiterführen. Die Berichte über Hitlers Tod klangen allzu widersprüchlich, und je mehr angebliche Hitler-Leichen präsentiert wurden, desto mehr ließ sich Stalin verunsichern. Von mehreren ranghohen Funktionären des Regimes wusste man bald zuverlässig, dass sie entkommen waren. Unzufrieden mit den sowjetischen Ermittlungsergebnissen, erteilte Stalin Ende 1945 dem Volkskommissariat für Innere Angelegenheiten (NKWD) den Auftrag, die letzten Tage im Bunker unter der Reichskanzlei zu rekonstruieren und Hitlers Tod definitiv nachzuweisen.

Zur Durchführung der »Operation Mythos« – so der Deckname des Unternehmens – wurde beim zuständigen Volkskommissar Sergej Kruglow eine Arbeitsgruppe aus hochrangigen Offizieren gebildet. Hier liefen alle Fäden zusammen. Mitarbeiter des NKWD beschafften sämtliche verfügbaren Unterlagen über Hitler und sein Regime, die Offiziere der Abteilung für Kriegsgefangenenwesen fahndeten in den Lagern nach Mitarbeitern des Diktators, die immer neuen Verhören unterzogen wurden. Auch das Innenministerium (MWD), die Nachfolgebehörde des NKWD, befasste sich regelmäßig mit der »Operation Mythos«. Stalin ließ sich von seinem Stellvertreter im Ministerrat, dem langjährigen Innenminister und Geheimdienstchef Lawrenti P. Berija, mehrfach über den Fortgang der Recherchen berichten.

Am 29. Dezember 1949 erhielt der Diktator eine Art Abschlussbericht von 413 Schreibmaschinenseiten über das Leben Hitlers in den Jahren 1933 bis 1945 mit dem Titel Das Buch Hitler. Nach der Lektüre ließ Stalin den Text in sein persönliches Archiv, das Archiv des Generalsekretärs, einordnen. Dieses Exemplar wird noch heute im persönlichen Archiv des russischen Präsidenten aufbewahrt, wo es für ausländische Nutzer nicht zugänglich ist.

1959 hielt es Stalins Nachfolger, Nikita S. Chruschtschow, für opportun, in die in der Bundesrepublik erbittert geführte Debatte um Hitler und den Zweiten Weltkrieg einzugreifen. Er gab Anweisung, parteitreuen Historikern bestimmte Materialien aus den Akten der »Operation Mythos« zugänglich zu machen. Daraufhin wurde von dem Buch Hitler eine Abschrift für die Ideologische Kommission beim Sekretariat des Zentralkomitees der KPdSU angefertigt und am 20. April 1959 ZK-Sekretär Leonid Iljitschow übergeben. Der gewünschte Zweck ließ sich mit dem Dokument jedoch nicht erreichen, gab das Buch Hitler doch eine Version der Geschichte des Zweiten Weltkrieges wieder, die der offiziellen Parteipropaganda nicht entsprach. Außerdem waren zahlreiche Details über die Diplomatie des nationalsozialistischen Deutschland, die Kampfhandlungen an der deutsch-sowjetischen Front und den Untergang des Dritten Reiches bisher anders dargestellt worden – Grund genug, die Akte weiterhin unter Verschluss zu halten. Sekretär Iljitschow sperrte sie und ließ sie in den Aktenbestand der »Allgemeinen Abteilung« einordnen.

Mit Öffnung des Parteiarchivs im Jahr 1991 bestand für ausländische Historiker die Möglichkeit, KPdSU-Akten einzusehen. Aufgrund der Einordnung des Buches Hitler in den Bestand der Allgemeinen Abteilung und einer nicht ohne weiteres nachvollziehbaren Verschlagwortung in den Findbüchern des Archivs blieb die Akte mit der Nr. 462a lange unentdeckt. Erst die von Matthias Uhl vorgenommene systematische Durchsicht der Bestände der Allgemeinen Abteilung im Rahmen eines Forschungsprojektes des Instituts für Zeitgeschichte förderte das Buch Hitler schließlich zutage. Ein russischer Kollege mit Zugang zum Präsidentenarchiv hat Abschrift und Original überprüft und die Echtheit der Akte beglaubigt. Bei der Akte Nr. 462a handelt es sich um eine wortidentische Abschrift des NKWD-Dossiers aus dem Jahr 1949.

Wichtigste Grundlage für das spätere Manuskript der Arbeitsgruppe des MWD waren die Aussagen und Niederschriften zweier Männer, die Hitler jahrelang Tag für Tag aus nächster Nähe erlebt hatten: Heinz Linge und Otto Günsche. Ihnen befahl Hitler auch die Verbrennung seiner Leiche (und die seiner Ehefrau Eva). Seit 1935 gehörte Linge dem Begleitkommando des Führers an, 1939 wurde er sein persönlicher Diener, später Chef des persönlichen Dienstes bei Hitler. Günsche kam 1936 ins Begleitkommando, 1943 ernannte ihn Hitler zum Persönlichen Adjutanten. Nach kurzem Fronteinsatz war er ab Februar 1944 erneut Persönlicher Adjutant Hitlers. Beide waren in der Nacht vom 2. zum 3. Mai 1945 in sowjetische Gefangenschaft geraten.

Vier Jahre lang, von 1946 bis 1949, mussten Linge und Günsche Auskunft über Hitler geben. Immer wieder fragten die Vernehmer nach den Lebensumständen des Diktators, nach seinem Verhältnis zu den Spitzen der Wehrmacht, nach Details zu Vorgängen im jeweiligen Führerhauptquartier. Wegen der starken Zweifel an Hitlers Selbstmord schaffte man Linge und Günsche 1946 sogar nach Berlin, wo sie noch einmal exakt den Ablauf der letzten Stunden im Leben Hitlers wiedergeben und den genauen Platz der Verbrennung bezeichnen mussten. Nach ihrer Rückkehr forderten die Offiziere des MWD sie – und andere einstige Mitarbeiter Hitlers auf – auf, ihre Erinnerungen schriftlich niederzulegen. Gleichzeitig wurde der Druck auf die prominenten Häftlinge erhöht, indem man ihnen den Status als reguläre Kriegsgefangene aberkannte. Für den Fall, dass sie sich weigerten, ihre »Erinnerungen« zu Papier zu bringen, drohte die Staatsanwaltschaft, sie als Kriegsverbrecher anzuklagen.

Vermutlich war es Linge, der sich als Erster bereit erklärte, »Memoiren« zu verfassen. Seine Einzelzelle war von Wanzen bevölkert, er wurde gedemütigt und mehrfach ausgepeitscht. Sein Vernehmer verhörte ihn mit unerbittlicher Geduld, die ihn, so Linge später, »schier zur Verzweiflung brachte«. Günsche wird einer ähnlichen Prozedur unterzogen worden sein. Immerhin erklärte er sich im Frühjahr 1948 bereit, einen Text über die deutschbritischen Friedensgespräche zu Papier zu bringen, der umgehend Stalin vorgelegt wurde.

Die Offiziere der Sonderkommission nahmen die Aufzeichnungen später zu den Akten der »Operation Mythos« und übergaben die Autoren einem Sondergericht. Linge und Günsche wurden zu je 25 Jahre Zwangsarbeit verurteilt. 1955 wurden sie mit den letzten Kriegsgefangenen aus sowjetischer Haft entlassen. Linge reiste in die Bundesrepublik weiter. Günsche, in die DDR verbracht, wurde dem Ministerium für Staatssicherheit überstellt. Für ihn – wie für viele andere von sowjetischen Gerichten Verurteilte – öffneten sich die Tore des Zuchthauses Bautzen 1956.

Beteiligt an der Abfassung des Buches Hitler waren mehrere Offiziere, dazu Dolmetscher und Übersetzerinnen. Der Chef der Kommission, Oberstleutnant Fjodor Karpowitsch Parparow, kontrollierte regelmäßig den Fortgang der Arbeiten und redigierte die Endfassung des Textes. Zweifellos war er für einen Auftrag wie die Bearbeitung des Buches Hitler qualifiziert. Er hatte Rechtswissenschaften studiert und arbeitete seit 1926 für den sowjetischen Auslandsnachrichtendienst. Seine Felderfahrung sammelte er in Deutschland, wo er – getarnt als Kaufmann aus Costa Rica – mehrere Quellen in der NSDAP und im Auswärtigen Amt anwarb. Am ergiebigsten war für ihn die bisher nicht identifizierte Agentin »Elsa/Juna«. Hierbei handelte es sich um die Frau eines hochrangigen deutschen Diplomaten in der näheren Umgebung des späteren Außenministers Joachim von Ribbentrop.

Nach kurzem Einsatz in der Türkei und den Niederlanden geriet Parparow in die Mühlen der stalinistischen »Säuberungen«. Offenbar entsprachen seine Deutschland-Berichte nicht den politischen Prämissen des Hitler-Stalin-Paktes. Unmittelbar nach dem Angriff der deutschen Wehrmacht wurde er rehabilitiert und verhörte seit Ende 1941 als Angehöriger der 4. Verwaltung des Volkskommissariates für Staatssicherheit im Hinterland der sowjetischen Front deutsche Kriegsgefangene. Sein wichtigster Häftling war der Generalfeldmarschall Friedrich Paulus, den er in wochenlangen Gesprächen langsam und beharrlich auf die Seite der Sowjetunion zog und für den Nürnberger Hauptkriegsverbrecher-Prozess als Belastungszeugen präparierte.

Obwohl Parparows Deutschkenntnisse als exzellent geschildert werden, gestaltete sich die Transformierung der Verhörprotokolle und der Aufzeichnungen von Linge und Günsche zum Buch Hitler offenbar schwierig. Schon bei der Übertragung ins Russische musste Parparow zwei konträren Anforderungen gerecht werden: Der Text sollte authentisch wirken, also die Aussagen bis in die Nuancen exakt und möglichst in Linges und Günsches Worten wiedergeben, aber er musste auch den Lesegewohnheiten und Erwartungen des Auftraggebers – Josef Stalin – entgegen kommen. Zwischen diesen beiden Polen entwickelte Parparow einen eigenen Stil der Darlegung, ein merkwürdiges Gemisch aus...

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