Studienarbeit aus dem Jahr 2002 im Fachbereich Geschichte Europa - and. Länder - Mittelalter, Frühe Neuzeit, Note: 2+, Ludwig-Maximilians-Universität München (Historikum), Veranstaltung: Das Verhältnis von Sacerdotium und Regnum, Sprache: Deutsch, Abstract: Bei der Auswahl der Referatsthemen, über das Verhältnis von regnum und sacerdotium im Mittelalter, fiel mir das Sonne-Mondgleichnis auf, weil ich damit ein jüdisches Märchen in Zusammenhang brachte, dass ich aus meinen Kindheitstagen kannte und in positiver Erinnerung behalten hatte. Dieses Märchen handelt davon, dass am Anfang der Schöpfung Sonne und Mond gleich groß gewesen wären und friedlich nebeneinander koexistiert hätten. Doch eines Tages sei dem Mond der Gedanke gekommen, größer sein zu wollen als die Sonne und so ging der Mond zu Gott um ihm seine Gedanken zu erläutern. Gott hörte geduldig zu und sagte, er werde etwas ändern und wandelte das sonnenhafte Aussehen des Mondes in das mondhafte Aussehen, das wir heute noch kennen. Da war der Mond sehr erzürnt und eilte zu Gott, um sich zu beschweren: 'Du hast mir versprochen mich größer zu machen als die Sonne. Nun hast Du mich kleiner und kälter gemacht und auch das Licht erhalte ich nun von der Sonne!' Doch Gott antwortete: 'Beruhige dich, du bist viel größer geworden als du denkst, denn nach dir werden sich die Weltmeere richten und die Menschheit wird ihren Kalender nach dir planen.' Da war der Mond zufrieden.1
Dieses Märchen beschrieb das jüdisch-theologische Wissen, dass augenscheinliche Größe täuschen kann. Doch dieses Wissen, dass der Mond eine innere Größe hat, die die äußerliche Größe der Sonne überragt, ging in der Kirche des Mittelalters und im besonderen in der Frage des Machtverhältnisses zwischen Papst und Kaiser bald verloren, und dies obwohl früh kirchliches Quellen die Kirche noch mit dem Mond vergleichen, die ihren Glanz von Gott empfängt.2 Spätestens seitdem die Kirche einen politischen Machtfaktor darstellte, war dieser Vergleich nicht mehr haltbar, weil es nun nicht mehr um ein theologisches Gleichnis ging, sondern um politischen Machterhalt, mittels einer weit hergeholten theologischen Begründung. So musste, nach kirchlicher Ansicht, um den weltlichen Einfluss der Kirche zu gewährleisten, die Sonne die Kirche darstellen und der Mond den Kaiser.
Im Folgenden werde ich der Geschichte und den verschiedenen Interpretationen des Sonne-Mond-Gleichnisses im Mittelalter nachgehen und diese in den jeweiligen zeitlichen Kontext einordnen.
1 Vgl. Heda Janson (Hrg.), Märchen aus Israel, S. 6.
2 Vgl. Hugo Rahner, Symbole der Kirche, S.98-173.
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