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Demokratie, Recht und Legitimität im 21. Jahrhundert

AutorHenrique Ricardo Otten, Jürgen Förster, Mandana Biegi, Thomas Philipp
VerlagVS Verlag für Sozialwissenschaften (GWV)
Erscheinungsjahr2008
Seitenanzahl290 Seiten
ISBN9783531909035
FormatPDF
KopierschutzDRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis49,99 EUR


Dr. Mandana Biegi und Dr. Henrique Ricardo Otten sind als Lehrkräfte für besondere Aufgaben am Institut für Politische Wissenschaft der RWTH Aachen tätig.
Jürgen Förster, M.A., und Thomas Philipp, M.A., sind Wissenschaftliche Mitarbeiter im Bereich Politische Theorie und Ideengeschichte am Institut für Politische Wissenschaft der RWTH Aachen.

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Leseprobe
Legitimität und politische Partizipation. Zur Frage der Vereinbarkeit von Volkssouveränität und Kapitalismus im 21. Jahrhundert (S. 13)

Michael Steber

Legitimität und politische Partizipation

Problemaufriss

Das wesentliche Merkmal demokratischer Gesellschaften ist die praktizierte Volkssouveränität. Diese wird – im Sinne des republikanischen Modells – unter den Bedingungen freier Meinungsbildung und gleicher Artikulationsmöglichkeiten ausgeübt. Diskussionsgrundlagen, Forderungen und politische Programme werden dieser Vorstellung entsprechend von gesellschaftlichen Gruppen formuliert, der öffentlichen Auseinandersetzung zugänglich gemacht sowie schließlich mittels politischer Wahl- und Entscheidungsverfahren in bindende Beschlüsse umgesetzt.

Ein notwendiges Kriterium für die Legitimität demokratischer Politik ist demnach ihre Genese: Sie muss sich auf den Willen des souveränen Volkes stützen können. Einer Definition von Jürgen Habermas folgend, bedeutet Legitimität überdies, dass „der mit einer politischen Ordnung verbundene Anspruch, als richtig und gerecht anerkannt zu werden, gute Argumente für sich hat. Legitimität bedeutet die Anerkennungswürdigkeit einer politischen Ordnung". [Hervorhebung im Original]

Hinreichend legitimiert ist eine politische Ordnung demzufolge nicht allein durch Stabilität und Funktionalität. Dies wirft die Frage auf, welches Maß an Demokratie eine von sozialer Differenzierung, Pluralisierung und Individualisierung gekennzeichnete Gesellschaft überhaupt vertragen kann. Während Vertreter realistischer, beteiligungsskeptischer Strömungen demokratische Prinzipien in periodischer Repräsentantenauslese bereits hinreichend verwirklicht und funktional erschöpft sehen, erblicken Anhänger republikanischer Modelle darin nur eine Verselbstständigung und Verfestigung gegebener Machtkonstellationen, die man durch unmittelbare Ausübung und Erweiterung bürgerlicher Beteiligungsrechte aufbrechen müsse.

Dieser prinzipielle Widerstreit prägt auch die sogenannte Postdemokratie- Debatte. So kritisieren die Vertreter der Postdemokratie-These den aktuellen Zustand jener politischen Systeme, die sich hinter ihrer formal-demokratischen Fassade sukzessive vom Anspruch eines souveränen Volkes verabschieden. Durch Akzentverschiebung zur Output-Legitimation werde – so der Grundtenor der Kritik – eine Entwicklung forciert, die allein Politikergebnisse zum entscheidenden Gütekriterium von Demokratie stilisiert.

Dieses outputbasierte Legitimitätsverständnis betrachtet die „Rückkehr des Bürgers auf die Bühne der Demokratietheorie" denn auch nicht als Notwendigkeit, sondern ganz im Gegenteil als Hindernis demokratischer Stabilisierung und Fortentwicklung. Demgegenüber basiert der vorliegende Beitrag auf der Annahme, dass eine lebendige demokratische Gesellschaft, die ihren Namen zu Recht trägt, staatsbürgerliche Tugenden fördern, Partizipationselemente ermöglichen und deren Grundlagen stärken muss.

Durch Einbindung der Bevölkerung in demokratische Prozesse und die daraus resultierende Identifikation mit politischen Entscheidungen könnte nicht nur Politikverdrossenheit, Gleichgültigkeit und dem verbreiteten Gefühl politischer Ohnmacht wirksam begegnet werden. Über unmittelbar erfahrene Selbstbestimmung würde zudem die Legitimationsbasis der demokratischen Gesellschaft nachhaltig gestärkt.

Meine Hauptthese lautet, dass die westlichen Demokratien zu Beginn des 21. Jahrhunderts dem Anspruch auf aktive politische Partizipation ihrer Bürger immer weniger gerecht werden, weil identifikationsstiftende und voraussetzungsvolle Mitbestimmung durch tiefgreifende Strukturprobleme des kapitalistischen Wirtschaftssystems massiv erschwert wird. Vom Angriff auf die Souveränität breiter Bevölkerungsschichten werden auch die Grundlagen demokratischer Legitimität empfindlich berührt.

Dazu tragen Machtkonzentrationsprozesse in der öffentlichen Sphäre, das veränderte Zeitregime einer flexibilisierten Arbeitswelt, zunehmende Entsolidarisierung und der Machtzuwachs nicht legitimierter Akteure maßgeblich bei. Das in der Diskussion über die Postdemokratie erörterte Verhältnis von Legitimität und politischer Partizipation muss demnach vor dem Hintergrund aktueller sozialstruktureller Entwicklungen betrachtet werden.

Demokratisierung und reflexiver Legitimitätstypus

Bevor die gegenwärtigen Ursachen der ,Ent-Demokratisierung‘ analysiert werden, sind einige Anmerkungen zur Genese des demokratischen Legitimitätstypus erforderlich. Herrschaftliches Streben nach Legitimität lässt sich wohl in jeder Regierungsform nachweisen. Als ‚Demokratisierung der Legitimität’ bezeichnet man die Annäherung des Legitimitätsbegriffes an das Kriterium der Volkssouveränität.
Inhaltsverzeichnis
Inhaltsverzeichnis6
Einleitung8
Teil I Grenzverhältnisse von Demokratie und Recht13
Legitimität und politische Partizipation. Zur Frage der Vereinbarkeit von Volkssouveränität und Kapitalismus im 21. Jahrhundert14
Doppeltes Recht oder Das Recht zur Ausnahme. Die Aktualität Carl Schmitts im war on terror30
Der liberale Rechts- und Verfassungsstaat: Zur Genese und Bedeutung der Trennung von Recht und Religion52
Unsere Demokratie – unser Territorium Zur Legitimität exklusiver Raumansprüche74
Teil II Recht, Ausnahme, Existenz95
Leben im Ausnahmezustand – Über den Widerspruch zwischen Freiheit und Sicherheit96
Ja zur Folter – Ja zum Rechtsstaat? Wider die Relegitimierung der Folter in Deutschland112
Die Garantie der Menschenrechte als politisches Argument. Eine Skizze des Arendtschen Rechtsverständnisses130
Grenzen der Demokratie. Die Herausforderung durch die gentechnische Revolution146
Teil III Konstruktionen demokratischer Legitimität163
Braucht Europa eine Verfassung? Einige Anmerkungen zur Grimm-Habermas-Debatte164
Legitimation jenseits von Staatlichkeit. Nichtregierungsorganisationen als Akteure der internationalen Politik182
Rechtsverhinderung oder Systembestätigung? Zur Funktion nicht-parlamentarischer Untersuchungskommissionen in den USA: Die Tower Commission und die Schlesinger Commission200
Demokratie in den Nord-Süd Beziehungen – Politische Konsequenzen theoretischer Entscheidungen212
Afrikanische Demokratiemodelle als Wegweiser?232
Teil IV Völkerrecht und Legitimität des Krieges im Wandel246
„... a general loosing of the ties of civilized society...“ – Democratic Interventionism als legales oder legitimes außenpolitisches Instrument im 21. Jahrhundert?248
Krieg trotz Risikoaversion – Die fragwürdige These von der post-heroischen Verfasstheit entwickelter Gesellschaften und die soziale Dimension strategischen Handelns270
Autorinnen und Autoren290

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