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Der Große

Friedrich II. von Preußen

AutorJürgen Luh
VerlagSiedler
Erscheinungsjahr2012
Seitenanzahl288 Seiten
ISBN9783641061296
FormatePUB
KopierschutzDRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis4,99 EUR
Inszeniert, glorifiziert, mystifiziert - Wie war Friedrich II. wirklich?

Friedrich der Große faszinierte die Deutschen schon immer. Über seine Kriege, über Werk und Wirkung des kunstsinnigen Preußenkönigs wurde schon viel geschrieben. Jürgen Luh aber zeigt auf eine frische, andere Art, wie Friedrich dachte und wofür er lebte: Der König wollte unbedingt als »der Große« in die Geschichte eingehen. Die Quellen, die der Philosoph auf dem Thron uns hinterlassen hat, offenbaren einen Menschen mit großen Talenten - und ebenso großen Schwächen.

Friedrich II. (1712-1786) erstrebte vor allem eines: Ruhm! Ein Großer wollte er sein unter den Herrschern Europas und vor der Geschichte. Das hat er geschafft - die Nachwelt verklärte ihn, man errichtete dem »Alten Fritz« zahlreiche Denkmäler und glorifizierte ihn in Büchern und Filmen.

Der Friedrich-Kenner Jürgen Luh zeichnet zum 300. Geburtstag ein neues Bild des Preußenkönigs. Manch lieb gewordene Vorstellung wirft er dabei über Bord, doch entschädigt er uns mit einem einfühlsamen Porträt des Menschen Friedrich. So begegnet uns in diesem Buch kein Held, sondern ein faszinierender Herrscher des 18. Jahrhunderts, dessen Leben und Wollen der Autor ebenso kenntnisreich wie amüsant vor uns ausbreitet.

Jürgen Luh, geboren 1963, ist promovierter Historiker und in der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg zuständig für Wissenschaft und Forschung. Er hat zur Geschichte des Heiligen Römischen Reiches, Preußens und zur Militärgeschichte publiziert. Luh organisierte für 2012 das Großprojekt »Friedrich 300« in Potsdam mit zahlreichen Veranstaltungen, Ausstellungen und Konferenzen. Zuletzt erschien bei Siedler seine vielgelobte Biographie »Der Große. Friedrich II. von Preußen« (2012).

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Leseprobe

HARTNÄCKIGKEIT


Es war zwangsläufig und notwendig — in vielfacher Hinsicht: Friedrich mußte hartnäckig sein, manchmal sogar stur! Er mußte es sein, weil Hartnäckigkeit in seinen Augen Willenskraft bedeutete und somit Voraussetzung war für das Beschreiten des Weges, den er zu gehen wünschte; und er mußte es auch sein, weil ihn Hartnäckigkeit auf eine Stufe mit seinen berühmten Vorbildern stellte, mit Alexander und Cäsar, mit Marc Aurel und schließlich mit Ludwig XIV. von Frankreich, den Voltaire im Gedächtnis der Welt zu Louis le Grand, zu Ludwig dem Großen, erhoben hatte. Sie alle hatten von ihren Vorstellungen nie abgelassen.

Man kann Friedrichs Einstellung dem Tagebuch des Marchese Lucchesini entnehmen, des Königs Gesellschafter in den späten Jahren. Dem französischen Herrscher, heißt es in dessen Notizen, »spendete«327 — Friedrich — »reiches Lob, insofern derselbe im Festhalten an seinen Entschlüssen Willensstärke bewies«. So hat er schon als Kronprinz gedacht. Nur wenn er sich ebenso gebe und ebenso handele, entschlossen, fest, energisch, glaubte Friedrich, sein großes Ziel erreichen zu können: seinen Namen in das Buch der Geschichte zu schreiben. »Meine wohlüberlegten Grundsätze sind unerschütterlich«328, hat er deshalb immer wieder öffentlich erklärt, »hoffen Sie nicht, eine Änderung in meinen Ansichten« — oder, muß man ergänzen, Handlungen — »hervorzubringen.« Friedrich hat, weil er sich nie »dem Vorwurfe eines begangenen Irrtums aussetzen«329 wollte, »auf seine Entscheidungen« – deshalb beharrt –, »auch nachdem er einsah, daß die Voraussetzungen falsch wären, denen zu Folge er sie gegeben hatte.«

Christian Garve, der Philosoph und Schriftsteller, der den König gelegentlich des Teschener Friedens 1779 in Breslau getroffen und lange mit ihm gesprochen hatte, hat diese Hartnäckigkeit auf die »kriegerischen Geschäfte«330 zurückgeführt, die den »vornehmsten Theil« – von Friedrichs – »Aufmerksamkeit auf sich gezogen« hätten. »Die Züge des großen Feldherrn«, so Garve, »waren auch in seinem Regentencharakter herrschend.« Die militärische Einstellung verlange vom König gleich einem Feldherrn nie Rat von einem Soldaten anzunehmen und diesen nie die eigene Fehlbarkeit merken zu lassen. Das ist sicherlich eine naheliegende und einleuchtende, aber vielleicht noch keine hinreichende Erklärung für die Festigkeit und die Konsequenz des Königs. Garve hat einfach nicht weit genug in Friedrichs Vergangenheit zurückgeschaut, dies aus seiner begrenzten Kenntnis heraus auch gar nicht tun können. Friedrichs Standhaftigkeit, die bis zur Sturheit reichte, hat sich nämlich schon in der Jugend entwickelt, über die Garve nur wenig wußte und dieses nur aus zweiter Hand. Sie hatte sich gezeigt, noch bevor Friedrich der roi connétable wurde, und zwar und zuallererst gegenüber dem Vater. Standhaftigkeit war für Friedrich Voraussetzung und Notwendigkeit, um sich zu behaupten und um ein eigenständiger, unabhängiger, selbstbestimmter Charakter zu werden.

Ein eigener Kopf


Friedrich Wilhelm I. hatte sich wider alle Vernunft größte Mühe gegeben, den Willen des Sohnes zu brechen, dessen Träume zu zerstören und aus dem Thronfolger ein vom Vater abhängiges, geistig beschränktes, untertäniges Geschöpf zu machen. Er hatte ihn schlechter behandelt als seine Hofnarren oder »lustigen Räte«, wie er sie nannte: den armen Gundling, Faßmann, Poellnitz oder Morgenstern. Daß diese von Friedrich Wilhelm I. übelst malträtiert und gedemütigt wurden, mußte sogar ein großer Bewunderer des Königs und Übersetzer vieler seiner Schriften, Friedrich von Oppeln-Bronikowski, zugeben: »Beschämend«331 sei das Verhalten des Monarchen gewesen. Noch beschämender war, wie Friedrich Wilhelm sich gegenüber Friedrich verhielt. Er hat ihn beschimpft, geschlagen und unter psychischen Druck gesetzt; er hat ihn erniedrigt, ja sogar entwürdigt, kurz: ihm am Leben sämtliche Freude vergällt. Gelobt hat er ihn dagegen nie. Bestenfalls konnte der Sohn Gnade vor dem Vater finden, und das auch nur, wenn er unterwürfige Verrenkungen vollführte.

Friedrich Wilhelm I. hat von seinem Ältesten Liebe und Gehorsam erwartet und diese als Herrscher und Vater rabiat eingefordert. »Man will das Herz [des Kronprinzen] zu aufrichtiger Liebe zwingen, und das ist unmöglich«332, schrieb einer von Friedrichs Küstriner Aufpassern. Dabei hat es der Vater seinerseits nicht vermocht, dem Sohn auch nur ein einziges Mal seine Zuneigung zu zeigen. Die auf uns gekommenen Quellen bezeugen das, vor allem der Briefwechsel der beiden, zu dem bemerkt werden muß, daß der Vater nur selten selbst zur Feder griff, sondern seinen väterlichen Willen gleich einem Kabinettsbefehl diktierte.

Friedrich hat seit seinen frühen Zeiten wöchentlich, ja oft mehrmals in der Woche an seinen Vater geschrieben, zumeist allerdings auf äußere Veranlassung hin und — wenn man seine übrigen Schreiben damit vergleicht — offenbar mit fremder Hilfe. »Die ganz unterthänige Form der Briefe, ohne alles innere Leben«333, bemerkte mit Recht Johann David Erdmann Preuß, Friedrichs erster großer Biograph und der Herausgeber von dessen Œuvres, »ist der schlagendste historische Beweis, wie entfernt Sohn und Vater im Herzen immer von einander geblieben sind.«

Seine Kindheit sei »die Schule der Widerwärtigkeiten«334 gewesen, schrieb Friedrich viele Jahre später an die Herzogin von Gotha, und an den Marquis d’Argens hieß es im selben Jahr 1760: »Meine Jugend habe ich meinem Vater geopfert.« Noch zu Lebzeiten Friedrich Wilhelms I. hat er gegenüber dem Minister von Grumbkow geäußert, Küstrin 19. März 1732: »Ich bin mein ganzes Leben unglücklich gewesen, und ich glaube, es ist mein Schicksal, unglücklich zu bleiben«335 – jedenfalls solange der König lebt, hieß das wohl. Im Jahr vor dessen Tod schrieb Friedrich an seinen fast väterlichen Vertrauten, Paul Heinrich von Camas: 336»Ich darf niemals damit rechnen, in Frieden mit einem Vater zu leben, der leicht aufzubringen und ruchlosen Einflüsterungen gegen mich durchaus zugänglich ist. Ich muß ihn fortan als meinen ärgsten Feind ansehen, der mich unaufhörlich umlauern läßt, um den Augenblick zu erhaschen, in dem er den tödlichen Schlag gegen mich führen kann.« Friedrich, das erweist das Studium der verfügbaren Äußerungen, hat seinen Vater nicht geliebt, er hat ihn gehaßt, sogar »aus tiefster Seele«337, wie Friedrich Rudolf von Rothenburg, ein Getreuer Friedrichs in der Jugendzeit, uns überliefert. Friedrich hat deshalb hartnäckig gegen den Vater gekämpft. Man muß das so drastisch sagen.

Um den Eindruck der väterlichen Grausamkeit abzuschwächen, führte und führt man für gewöhnlich sogleich die Biographie Friedrich Wilhelms an, die der Sohn in den Denkwürdigkeiten zur Geschichte des Hauses Brandenburg niedergeschrieben hat. »Der humane Leser«338, meinte schon Preuß 1856, ganz um Relativierung und Milderung des familiären Konflikts bemüht, findet darin »die erhebendste historische Anerkennung der bedeutenden Regierungstugenden des … mehr gefürchteten als geliebten Fürsten, dessen weise Reglements in der vaterländischen Armee-, Oekonomie- und Finanz-Verwaltung noch jetzt Früchte tragen, ohne welche Preussen, wie das der größere Sohn auch immer hervorgehoben hat, niemals das geworden wäre, was es ist.« Später einigte man sich innerhalb der Historikerzunft auf die Aussage: »Die harte Schule des Lebens, die der junge Prinz durchmachen mußte, hat ihn für das Leben und seinen hohen Beruf erzogen und gefestigt, und in reifen Jahren erkannte er ihren Segen und erinnerte sich dankbar des oft mehr als gestrengen Vaters.«339 Friedrich, lautet das Fazit, habe schließlich doch Verständnis für die Behandlung durch seinen Vater aufgebracht, sich dessen Willen am Ende einsichtsvoll gebeugt, auch dessen rohe und rücksichtslose Umsetzung für einen höheren Zweck, nämlich den des preußischen Staates, anerkannt und wertgehalten.

Dem war mitnichten so. »Der Kronprinz, ohnerachtet er nur ein Herr von 14 Jahren, muß sich eben diese Lebensart gefallen lassen.«340 Das meldete Graf Seckendorff, Habsburgs Vertreter am Berliner Hof, 1725 nach Wien dem Prinzen Eugen. Und Seckendorff war ein scharfer und schlauer Beobachter. Weiter heißt es: »Die Absicht des Königs geht dahin, daß er nach seiner ihm beiwohnenden Inclination« — seiner Neigung — »den Soldatenstand allen übrigen Wissenschaften vorziehe, die Sparsamkeit und Genügsamkeit bei Zeiten kennen lerne und in keine Commodité oder Plaisir, als was er, der König, selbst nur erachtet, sich verlieben sollte. Man merkt aber gar augenscheinlich, daß diese Art zu leben wider des Kronprinzen Inclination und folglich just einen contrairen Effect mit der Zeit haben wird, maßen des Kronprinzen Humeur ohnedem mehr auf Generosität, Proprété, Gemächlichkeit und Magnificence gerichtet.« Friedrich Förster hat diese Wahrnehmung Seckendorffs 1838 bekannt gemacht. Doch die Geschichtsschreibung hat sie nicht aufgegriffen. Auf solche Nachrichten aber sind wir angewiesen, weil in der Korrespondenz zwischen König und Kronprinz eine Lücke von sieben Jahren klafft. Für die Zeit von Friedrichs neuntem Lebensjahr bis ans Ende seines sechzehnten, also von August 1721 bis September 1728, ist kein Schreiben mehr vorhanden, das uns Einblick in die Gefühlslage von Vater und Sohn geben könnte.

Seckendorffs Rapport und andere, ähnlich überlieferte Berichte lassen bei Friedrich, so viel kann man sagen, auf einen jungen Herrn schließen, der sich seines Status...

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