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E-Book

Die harte Wahrheit

Was ich als höchster US-Geheimdienstchef erfahren habe

AutorJames R. Clapper, Trey Brown
Verlagriva Verlag
Erscheinungsjahr2019
Seitenanzahl496 Seiten
ISBN9783745304725
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis2,99 EUR
Außergewöhnliche Einblicke in die Welt der Geheimdienste Als Nationaler Geheimdienstdirektor führte James Clapper die US-Nachrichtendienste bis zu seinem Rücktritt 2017 durch eine bewegte Amtszeit, die wesentliche Ereignisse der jüngsten amerikanischen Geschichte umfasste. Von der Jagd nach Osama bin Laden über die Leaks von Edward Snowden bis zu Russlands Einflussnahme auf den US-Wahlkampf 2016 - Clapper legt seine Sicht der Dinge mit erstaunlicher Offenheit dar und wirft kritische Fragen auf: Wo liegen die Grenzen der Geheimdienstarbeit? Inwiefern ist sie mit demokratischen Verfahren und ethischen Grundsätzen vereinbar? Und Clapper verrät, was ihn nach einer über 50-jährigen Karriere im Geheimdienst veranlasste, sein Insiderwissen zu teilen: die Untergrabung der US-Demokratie durch eine fremde Macht und das ganze Ausmaß der Bedrohung.

James Clapper war von 2010 bis 2017 der vierte US-amerikanische Director of National Intelligence (DNI) - der höchste Geheimdienstler der Vereinigten Staaten - und Präsident Obamas wichtigster Geheimdienstberater. Er begann seine Karriere 1961 als Reservist im United States Marine Corps. Im Jahr 2007 wurde er zum Geheimdienstchef des Pentagons ernannt und diente in dieser Funktion sowohl für die Bush- als auch für die Obama-Regierung, bis Präsident Obama ihn zum DNI ernannte. Trey Brown absolvierte die Marineakademie der Vereinigten Staaten, wo er seine Karriere als Helikopterpilot begann. Nachdem er als Sprecher der US Navy im Pentagon gedient hatte, begann er 2011 als Redenschreiber für das Büro des DNI. Einige seiner Reden wurden mit hochrangigen Preisen ausgezeichnet und in bedeutenden Zeitschriften veröffentlicht. Er schrieb unter anderem die Reden für James Clapper während dessen letzter drei Jahre als DNI.

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Leseprobe

EINLEITUNG


JENSEITS DER VORSTELLUNGSKRAFT


Als einer von mehr als 40 Millionen Amerikanern hatte ich bereits per Briefwahl an den Präsidentschaftswahlen 2016 teilgenommen, da ich mich zu dem Zeitpunkt, als die Wähler am 8. November zu den Urnen gingen, in Maskat, Oman, auf meiner wahrscheinlich letzten rasanten Reise befand, um mich als Leiter der Nationalen Geheimdienste der USA mit Nahostführern zu treffen. Die Zeit in Oman ist Washington neun Stunden voraus, und bevor ich in dieser Nacht, gegen 2:00 Uhr in Oman und 17:00 Uhr in US-Ostküstenzeit, ins Bett ging, diskutierten Wahlanalysten und Experten darüber, dass der republikanische Präsidentschaftskandidat Donald Trump »eine geringe Chance hatte«, die Wahl zu gewinnen, die nur in dem unwahrscheinlichen Fall bestehen würde, wenn ihm eine große Anzahl bestimmter Bundesstaaten den Weg ebnete. Sie prognostizierten, dass die Wahl praktisch gelaufen sei, sobald Florida oder Ohio der ehemaligen Außenministerin Hillary Clinton zufallen würden. Nachdem ich vier oder fünf Stunden geschlafen hatte, stand ich auf, schaltete den Fernseher ein und stellte fest, dass die Berichterstattung nun in die entgegengesetzte Richtung wies: Die Medienanalysten hatten Ohio Trump zugeschlagen und sagten, dass Clinton eine massive Wahlbeteiligung in allen links orientierten Städten in Florida brauchen würde, die bislang nicht festzustellen war, um eine Chance zu haben, die neunundzwanzig Wahlmännerstimmen des Staates zu bekommen. Ich war überrascht, hatte aber nicht wirklich Zeit, um darüber nachzudenken.

Ich las die Nachrichtendienstberichte der Nacht und machte mich für den Tag fertig. Eine Stunde später rechneten die Medien Florida Trump zu und zeigten eine konkrete Liste von Staaten, die jetzt alle zu Clinton wechseln müssten, damit sie gewinnen konnte. Als der Morgen fortschritt, arbeitete ich mich durch die aufeinanderfolgenden, für Auslandsreisen typischen Sitzungen. In den kurzen Pausen dazwischen versorgten mich meine Mitarbeiter mit aktuellen Informationen über den Stand der Wahl. Als wir gegen 2:31 Uhr US-Ostküstenzeit zum Mittagessen aufbrachen, erklärte Associated Press, dass Trump zum amerikanischen Präsidenten gewählt worden war.

Ich war geschockt. Jeder war geschockt, einschließlich Trump, der noch am Wahltag verkündet hatte, dass er die Rechtmäßigkeit der Wahlergebnisse anfechten würde. Als ich ein paar Minuten für mich allein hatte, dachte ich wieder daran, wie sehr ich den Kontakt zu den Menschen in der Mitte Amerikas verloren hatte. Während meiner militärischen Karriere war ich wiederholt im Herzen Amerikas stationiert gewesen, insbesondere in Texas, und als Leiter einer Geheimdiensteinheit war ich Anfang der 2000er-Jahre häufig gereist, genauso wie während der letzten sechseinhalb Jahre als Leiter der Nationalen Nachrichtendienste, um mich mit Nachrichtendienstmitarbeitern außerhalb von St. Louis zu treffen. Ich hatte an der Universität von Texas in Austin und der Handelskammer in San Antonio Reden gehalten und viele andere Orte besucht. Ich hatte mit den Zuhörern darüber gescherzt, wie abgehoben die Menschen in Washington waren, und ich hatte immer einen Lacher erzielt, manchmal auch Beifall. Während meiner Arbeit unten im »Maschinenraum« unseres Unternehmens der Nationalen Sicherheit – »Nachrichtendienstkohle schippen«, wie ich gern sagte – habe ich nie erkannt, wie viel Frustration und Ressentiment gegenüber Washington diese Menschen hegten und wie tief die Wurzeln ihrer Wut waren. Aber Donald Trump hatte das, und er hatte stärker an sie appelliert, als mir lieb war.

Ich dachte auch an die Warnhinweise über die russische Einmischung in den Wahlkampf, die der Minister für Innere Sicherheit, Jeh Johnson, und ich einen Monat früher an die amerikanische Öffentlichkeit gegeben hatten. Wir hatten uns über die genaue Formulierung der Presseinformation den Kopf zerbrochen, und ob das Benennen des russischen Präsidenten Wladimir Putin als Gehirn und Drahtzieher der russischen Beeinflussung einen internationalen Zwischenfall verursachen und Johnsons Ministerium sowie die Nachrichtendienste in eine politische Auseinandersetzung verwickeln würde. Beim Lesen der Antworten auf Wählerbefragungen begriff ich, dass unsere Veröffentlichung und öffentlichen Erklärungen bedeutungslos gewesen waren. Ich war nicht sicher, ob die Menschen die Ernsthaftigkeit der von uns beschriebenen Bedrohung nicht erkannten oder ob es ihnen egal war, was die Russen taten. Wie dem auch sei – unsere Bemühungen hatten in etwa die Bedeutung eines Regentropfens bei einem Sturm über dem Meer.

Ich fragte mich, was Präsident Obama dachte und ob er seine Zurückhaltung bedauerte, seinen Finger in die »Waagschale der Wahl« zu legen, wie er es ausdrückte. Er hatte die Russen nicht öffentlich der Einmischung beschuldigt, während Putin tatsächlich in der anderen Waagschale stand. Zur gleichen Zeit war ich nicht mehr sicher, ob es für die Menschen in Mittelamerika von Bedeutung gewesen wäre, wenn der Präsident unser Wissen über die massiven Cyber- und Propagandabemühungen Russlands, die amerikanische Demokratie zu untergraben, die ehemalige Außenministerin Hillary Clinton zu verunglimpfen und Donald Trump zu fördern, preisgegeben hätte. Trotz Edward Snowdens 2013 vorgebrachter Behauptungen, dass wir ganz normale US-Bürger ausspionierten, verfügte die Geheimdienst-Community weder über die Berechtigung noch über die Kapazität, um beurteilen zu können, wie die Amerikaner die russische Propaganda aufnahmen oder was sie dachten und taten, wenn sie Wahlkabinen betraten. In vielfacher Hinsicht entsprachen unsere Fähigkeiten der physischen Infrastruktur der Abhördiensteinrichtungen in der Ukraine, die ich 1991 nach dem Fall des Eisernen Vorhangs besucht hatte. So wie es für die ehemaligen sowjetischen Antennenanordnungen zutraf, waren unsere Kapazitäten auf Bedrohungen von außen ausgerichtet und größtenteils untauglich, nach innen tätig zu werden, selbst wenn wir gewollt hätten. Das war einfach nicht unsere Aufgabe. Wir hatten beobachtet, wie die Russen versuchten, US-Wähler zu beeinflussen, und nicht, welche Auswirkung das haben könnte. Wir hatten keine empirischen Beweise, um zu bewerten, ob die russische Beeinflussungskampagne funktionierte, und am Wahltag erkannte ich beunruhigt, dass dies wahrscheinlich der Fall war.

Damals war es mir nicht bewusst, aber die Russen waren genauso bestürzt wie wir. Sie waren erfolgreicher gewesen, als sie es sich in ihren kühnsten Träumen hatten vorstellen können, und waren auf ihren Erfolg nicht vorbereitet. Der russische Propagandakanal in den Vereinigten Staaten, früher bekannt als Russia Today und später umbenannt in RT, bejubelte den Wahlerfolg von Trump: »Das ist ein entscheidender Moment in der Weltgeschichte, in dem Amerika bereit ist, ein neues Kapitel aufzuschlagen und sich möglicherweise vom Rest der Welt zu isolieren.« Sie erklärten: »Die nächste Rede, die Donald Trump vor der Welt hält, wird eine der wichtigsten Reden der Weltgeschichte sein.« Während die Nachrichtensprecher in Trumps Sieg schwelgten, brachte der Nachrichtenticker unten auf dem Bildschirm weiterhin Meldungen, die darauf abzielten, Clinton den Sieg abzusprechen, beispielsweise Mehrere Staaten berichten über Eindringen in Wahlcomputer. Die russische Internet-Trollfabrik hatte Schwierigkeiten, ihre #DemocracyRIP-Kampagne in den sozialen Medien zu stoppen, die von deren Fake-Accounts auf Twitter und Facebook ausgegangen war. Unterdessen entging Putin die Möglichkeit, Clintons Sieg infrage zu stellen, so wie sie die Ergebnisse der russischen Wahl 2011, in ihrer Amtszeit als US-Außenministerin, angezweifelt hatte. Aber ich bezweifle, dass ihm das etwas ausgemacht hat – wenn überhaupt.

Nach der Wahl fuhren CIA und FBI fort, Beweise für russische Propaganda im Vorfeld der Wahl aufzudecken, die das Ziel verfolgte, Clintons Ansehen zu beschädigen und Trump zu fördern. Die Nachrichtendienste entdeckten immer mehr Hinweise auf russische Cyberattacken zur Beeinflussung der Wahl. Bei einem Treffen des Nationalen Sicherheitsrats am Montag, den 5. Dezember, erteilte Präsident Obama uns konkretere Anweisungen. Er verlangte, dass CIA, NSA und FBI – jede Behörde aufgrund ihrer spezifischen Spionagepraxis und ihrer Ermittlungsmethoden – alle Erkenntnisse, einschließlich der sensibelsten Quellen, in einem Gesamtbericht zusammentrugen, den er der nächsten Regierung und dem Kongress übergeben konnte. Er bat uns auch, ein Papier für die öffentliche Verbreitung mit so vielen Informationen wie möglich aus der geheimen Version zu erstellen. Und all das sollte unbedingt vor seiner Amtsniederlegung erfolgen.

Das daraus resultierende streng geheime Gutachten der Nachrichtendienstgemeinschaft war meiner Überzeugung nach ein richtungsweisendes Resultat – und gehörte zu den wichtigsten, die jemals durch die US-Geheimdienste erbracht wurden. Ich war stolz auf unsere Arbeit, aber die Version, die wir...

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