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'Die Simpsons'. Analyse der Serie

AutorWolf-Dietrich Nehlsen
VerlagGRIN Verlag
Erscheinungsjahr2008
Seitenanzahl62 Seiten
ISBN9783638032889
FormatPDF/ePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis20,99 EUR
Examensarbeit aus dem Jahr 2000 im Fachbereich Medien / Kommunikation - Film und Fernsehen, Note: 1,0, Universität Hamburg (Fachbereich 07, Medien), 34 Quellen im Literaturverzeichnis, Sprache: Deutsch, Abstract: In Form des Zeichentricks öffnet sich ein Himmel dunkel verhangener Wolken, es ertönt das 'Fade In' eines engelähnlichen Chores, der sodann den Beginn einer neuen Episode ansingt: 'The Simpsons'. Diesem paradiesisch harmonischen Beginn des Intros folgt, soweit es die jeweilige Episode zeitlich zuläßt, noch ein kurzer Einblick in die obligatorischen Handlungen des Alltags jener Helden der Serie: Vater Homer Simpson, Angestellter des Kraftwerks, der die Feierabendsirene kaum erwarten kann, Mutter Marge, die mit ihrem jüngsten, schnullernuckelnden Kind Maggie einkauft, Tochter Lisa, die mit ihrer Virtuosität am Saxophon den Leiter des Schulorchesters zur Verzweiflung treibt und Sohn Bart, versiert, lässig und 'cool' skateboardfahrend und wie alle Simpsons im Begriff, nach Hause zu eilen, um sich - so will es das tägliche Ritual - auf dem Familiensofa zu plazieren und fernzusehen. Am Ende dieser Eröffnungssequenz blicken wir, die Zuschauer, durch das 'Fenster zur Welt' hindurch zu einer Familie, die uns in der anstehenden Folge alles andere als einen langweiligen Alltag präsentiert: In jener Welt des Chaos, des Widerspruchs und der Wut werden wir aber auch diesmal wieder Zeuge einer harmonischen Idylle des modernen Happy Ends in jener Fernseh-Familie von heute, die trotz ihrer Laster die Moral traditioneller amerikanischer Tugenden fest verankert in sich trägt. Diese Arbeit beschäftigt sich mit den deutschen Fassungen des amerikanischen Originals. Die Serie 'Die Simpsons' wird als ein fiktionaler Erzähltext im Kontext des Medium Fernsehen untersucht auf die Darstellung der Hauptpersonen, Struktur und Ästhetik der Einzelfolgen, auf die dargestellten Inhalte und deren Aussagegehalte bzw. die damit verbundenen Rezeptionsfunktionen. Da jene Folgen in einer langen Tradition seriellen Erzählens stehen, wird mit diesem Themenbereich einführend begonnen, und um das Format jener Sendung treffend zu charakterisieren, wird weiterhin ein Exkurs in die Gattung Satire notwendig sein. Nach den Charakterisierungen der wichtigsten Personen wird exemplarisch auf die Erscheinungsformen der Einzelfolge eingegangen: Dramaturgie, Erzählform, Inhalt und genretypische Stilelemente werden hier untersucht bzw. herausgearbeitet. Im (letzten) Kapitel werden jene Elemente zusammenfassend betrachtet, die den speziellen Reiz der Serie ausmachen und somit in Ansätzen den Erfolg dieser Serie erklären können...

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Leseprobe

3. „Die Simpsons“ als Satiresendung

 

Der zuvor genannte „Formatblock“ bietet außer der Gemeinsamkeit „Familienserie“ noch mehr: Im Gegensatz zu der inszenierten Melodramatik, die uns im Kontext der Soap-Operas geläufig ist, wird hier die Darstellung einer Familienwelt in heiteren Inszenierungen präsentiert. Es sind Familien-Komödien im (Fernseh-)Serienformat, jede Episode findet ihr geläutertes Ende innerhalb ihrer formspezifischen Ausprägung:

 

Innerhalb einer „schrecklich nette[n] Familie“, bei der die Zeit – ähnlich wie bei den „Simpsons“ – stillzustehen scheint, wird Anti-Patriarch „Al Bundy“, Prototyp eines „verschwitzten Spießers zwischen Bierflasche und Fernbedienung (...) zum Helden des alltäglichen Überlebenskampfes – (...) von der Wirklichkeit immer wieder besiegt, doch nie am Boden zerstört.“[84]

 

Serienmutter, Schauspielerin und Drehbuchautorin „Roseanne“ greift in der Rolle als begabte Zynikerin in ihrer gleichnamigen Produktion in Verbindung mit den täglichen Schicksalsschlägen „gern schon mal zur Sahnetorte“[85], die Darstellungen ihrer Arbeiterfamilie in „ewiger Geldknappheit“[86] bedient sie häufig mit tragikomischen Elementen, die im Verlauf einzelner Episoden nicht zwingend zu einem Happy End führen müssen.

 

Beide Serienproduktionen weisen ein gemeinsames gestalterisches Merkmal auf: Auf der Tonebene ist das für die Gattung der Comedy oder Sitcom obligatorische Gelächter aus dem off zu hören, welches die Gags oder die satirischen Anspielungen pointiert bzw. signalisiert. Ein Mittel, auf das bei unserer Zeichentrickfamilie verzichtet wird und das im Kontext ihres Genres, dem Medium der Animation, auch neu wäre.[87] Der Zuschauer ist hier selbst Dekodierer, er darf selbst entscheiden, wann und zu welchem Anlaß gelacht werden darf anhand der Fülle der satirischen Reize, die ihm im Verlauf einer Folge auf den Gestaltungsebenen Ton und Bild angeboten werden. Je nach Vorwissen kann er auf die hergestellten Bezüge zu Gegebenheiten außerhalb der Welt der Serie einsteigen, sie entschlüsseln und sich daran erfreuen.[88]

 

Andreas Dörner nennt die „treffsichere“ Satire ein wesentliches Merkmal der „strukturell angelegte[n] Mehrfachlesbarkeit“[89], welche die Serie auszeichnet. Nach seinen Ausführungen werden nicht nur alle etablierten Institutionen der amerikanischen Gegenwartsgesellschaft, sondern gänzlich der „american way of life“ mitsamt dessen außerordentlichen Medienkonsum geschlagene Opfer der Satire.[90]

 

Satire – wir verstehen sie als Modalität, um ironisch-witzig – literarisch oder künstlerisch – menschliche Schwächen und Laster darzustellen, wir kennen sie als Literaturgattung, die durch Übertreibung, Ironie und Spott an Personen oder Zuständen Kritik üben möchte.[91] Satire möchte über Welt verständigen und wird somit zu einem kommunikativen Vorgang, der auf Distanzerzeugung abzielt. Im Rahmen des hergestellten Abstandes soll der Rezipient über Sachverhalte oder Personen lachen können: entweder über sich selbst (in Form des souveränen Sich-Wieder-Erkennens), aus Schadenfreude über andere, die beispielsweise sozial unter ihm stehen oder durch das Erkennen der Bloßstellung von Machtinstitutionen.[92] Nach Lennard HÆjbjerg bildet Satire neben den Modalitäten Ironie und Parodie als textueller Ausdruck eine spezielle Art, sich zu schon definierten Texten oder zu reellen Begebenheiten (politischer, sozialer oder kultureller Art) zu äußern.[93]

 

Als Humorform stellt die Satire Personen-, Sach- oder Gesellschaftsverhältnisse dem Rezipienten bloß, dabei richtet sie sich primär gegen soziale Verhältnisse, politische Begebenheiten und moralische Zustände, die dabei fast immer aus einer aktuellen Perspektive betrachtet werden. Weniger direkt in ihrer Zielsetzung sind die Humorformen Ironie und Parodie, die sich als Modalitäten auf einen schon existierenden Text in besonderer Weise beziehen oder ihn imitieren.

 

Als eine affine, jedoch mildere Form der Satire würde ich in diesem Zusammenhang die Persiflage erachten, ein Modus des Humors, der Texte oder reelle Begebenheiten geistreich verspottet. Wie in Abbildung 5 zu sehen, werden viele kulturelle Gegebenheiten im Kontext einer besonderen Einzelfolge der „Simpsons“ persifliert, ohne, wie durch den Modus der Satire zumeist intendiert, Kritik üben bzw. Denkanstöße zur Reflexion geben zu wollen.

 

Von wichtiger Bedeutung bei der Konstruktion satirischer oder persiflierender Reize sind – im Gegensatz zu ausschließlich geschriebenen Texten – zwei Gestaltungsquellen im Medium Film und Fernsehen.[94] Bild und Ton können hier im Dialog zueinander stehen, d.h. sie können sich übereinstimmend, einander ergänzend oder gegenläufig zueinander verhalten. Die Ebenen Bild und Ton verhalten sich beispielsweise deckungsgleich, wenn wir ein bremsendes Auto auf dem Bildschirm sehen und synchron die entsprechenden Geräusche dazu hören. Bei komplementärer Montage erzählen Bild und Ton die gleiche Geschichte, verleihen aber mit Betonung ihrer quellenspezifischen Art dem Geschehen unabhängig voneinander ihre Pointen. Ein voice-over kann die aus dem Bild gewonnenen Informationen erweitern, entsprechend können auch unterschiedliche Sichtperspektiven einen gesprochenen Satz andere Deutungen und Wertungen zuweisen. Es kann auch zu einer Zeitverschiebung zwischen Ton und Bild kommen, wenn sich der Zuschauer anhand einer Pa­rallelmontage den Sinn der dargestellten Handlung in Etappen erarbeiten soll.[95]

 

Im Zusammenwirken von Bild- und Tonerzählung kommt es schließlich zu parodischen oder ironischen Formen, wenn die beiden Erzählquellen schon von vornherein als selbständige Bedeutungssysteme definiert sind. Ironie und Parodie können dabei eigenständig und linear jeweils von Bild und Ton aufgebaut werden und so in ihrem – ggf. konträren – Zusammenwirken ihren satirischen oder parodischen Reiz kreieren. Ergänzen die beiden Gestaltungsquellen einander oder verlaufen sie parallel, so wird von horizontaler Montage gesprochen, verlaufen sie konträr, so handelt es sich um die vertikale Verbindung. Als Beispiel vertikaler Montage gibt HÆjbjerg den Film „Take The Money And Run“ (von und mit Woody Allen, 1969): Ein auf der Bildseite bloßgestellter Narr parodiert die Tonseite anhand des ernsten Dokumentarsprechers, der den unbeholfen Agierenden als gefährlichen Kriminellen beschreibt. [96]

 

Der konstruierte Reiz kann sich dabei auf die eigene Handlung beziehen (intratextuell), wenn es beispielsweise um eine ironische Schilderung eines Sachverhaltes geht, bei dem erst die eine Seite der Polarität gezeigt wird, um dann von der anderen abgelöst zu werden, deren Aussagegehalt im Widerspruch zu der ersten steht.

 

Eine konstruierte Anspielung kann bei einer Parodie auf andere Werke (intertextuell) verweisen, dies geschieht z.B. häufig bei Bezugnahmen auf Hitchcock-Verfilmungen[97].

 

Der satirische Reiz wendet sich darüber hinaus Begebenheiten der (historischen oder aktuellen) außerkünstlerischen Wirklichkeit zu, sein Bezug ist somit transtextuell.[98]

 

Eine Folge kann in ihrer Gesamtkomposition anhand vieler einzelner Reize auf eine bestimmte satirische Aussage abzielen – bei den Einzelfilmen ist dieses Phänomen beispielsweise bei der Verfilmung von „Der Untertan“ durch Wolfgang Staudte (1951) zu beobachten, in dessen Inszenierungen der deutsche Nationalcharakter als militaristisch und autoritätsgläubig entlarvt wird.[99] Manche satirische Anspielung mißlingt aber auch, so geschehen bei Oliver Stones „Natural Born Killers“ (1994): Der Film erhitzte die Gemüter derart, daß man ihn aufgrund der dargestellten Gewalthandlungen aus Furcht vor Gewaltverherrlichung aus den Kinos nahm. Dabei wollte Stone nur Gesellschaftskritik üben gegen jene Medien, die sensationslüstern wirkliche Gewalt filmen und diese senden, um sich somit ihr Publikum zu sichern: „Es war nicht mein Anliegen, die Gewalt nachdrücklich darzustellen oder sie zu verherrlichen (...). In der Satire hingegen, vorausgesetzt, sie erzielt ihre Wirkung, soll es um Schock gehen.“[100]

 

Das Wahrnehmen und Entschlüsseln der persiflierenden oder satirischen Reize ist dann als aktiver Vorgang beim Rezipienten in der Herstellung von Bedeutung zu finden. Fehlt ihm Vorwissen oder hat er gegenüber einem dargestellten Sachverhalt andere Erwartungen,  so daß er Anspielungen oder Mehrdeutigkeiten nicht entschlüsseln kann, kommt ein satirischer Effekt nicht zustande.[101] Ein „Homer Simpson“ kennt diese Situation:

 

„Oh, ein Karikaturenkalender!“ [er blättert darin] „versteh‘ ich nicht...“ [blättert weiter] „versteh‘ ich nicht...“ [blättert um] „versteh‘ ich......

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