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E-Book

Die Wut wächst

Politik braucht Prinzipien

AutorOskar Lafontaine
VerlagNomen Verlag
Erscheinungsjahr2016
Seitenanzahl280 Seiten
ISBN9783939816393
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis18,99 EUR
Die Globalisierung schafft einen Wohlstand, der die Reichen reicher und die Armen ärmer macht, statt dem Wohle der ganzen Welt zu dienen. Oskar Lafontaine kritisiert die deutsche und die internationale Politik, die diese Tendenzen noch verstärkt anstatt ihnen entgegenzuwirken. Faktenreich und leidenschaftlich attackiert er Unternehmen, die den höchsten Renditen hinterherjagen, ohne sich um die Umwelt und die Menschen zu kümmern; die Finanzmärkte, die Billionen um den Erdball schleudern, sowie IWF, WHO und Weltbank, die alle auf die Menschen in der Dritten Welt wenig Rücksicht nehmen; außerdem die USA, die immer skrupelloser ihre militärische und ökonomische Vormachtstellung zur Durchsetzung eigener Interessen nutzen. Die Entwicklungen, vor denen er warnt - Entfesselung der Finanzmärkte, Privatisierungswahn, Militarisierung der deutschen Politik, neue Kriege und wachsende Verarmung als Ursache von Terrorismus und Flucht, sowie das Erstarken rechtspopulistischer Parteien - sind mittlerweile Realität. Im Vorwort zur jetzt erscheinenden Neuausgabe seines zum Bestseller gewordenen politischen Manifestes schreibt Oskar Lafontaine daher zu Recht: 'Der Titel des im Jahre 2002 geschriebenen Buches 'Die Wut wächst - Politik braucht Prinzipien' war rückblickend nicht falsch gewählt.' Das Gesetz des Marktes und das Recht des Stärkeren, so Lafontaine, können nicht die Maxime für unsere Zukunft sein - wir brauchen eine Politik für eine gerechtere Welt.

Oskar Lafontaine, Jahrgang 1943, trat 1966 in die SPD ein, wurde 1976 Oberbürgermeister von Saarbrücken und 1985 Ministerpräsident des Saarlands. 1990 wurde er Opfer eines Attentats, blieb aber Kanzlerkandidat der SPD. Seit 1995 SPD-Vorsitzender, wurde er 1998 Finanzminister der ersten Rot-Grünen Bundesregierung. Am 11. März 1999 trat er wegen unüberbrückbarer politischer Differenzen mit Bundeskanzler Schröder von allen politischen Ämtern zurück. 2005 verließ er die SPD und war von 2007 bis 2010 Vorsitzender der Partei DIE LINKE. Seit 2013 ist er deren Fraktionsvorsitzender im saarländischen Landtag.

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Leseprobe

Die Aufgaben der Weltinnenpolitik


Nicht der 11. September, sondern die Auflösung der Sowjetunion und des Warschauer Paktes haben die Welt ganz entscheidend verändert. Zwar sprach der amerikanische Präsident George Bush sen. schon 1990 von einer neuen Weltordnung, aber die Menschheit brauchte Zeit, um den grundlegenden Wandel zu verstehen. Die Terroranschläge vom 11. September 2001 auf das World Trade Center und das Pentagon haben deutlich gemacht, dass tatsächlich eine neue Weltordnung entstanden ist. Der Duopol zweier Weltmächte und zweier Militärblöcke, die sich feindlich gegenüberstanden, ist aufgelöst. Die Vereinigten Staaten und die Nato sind übrig geblieben. Und was aus der Nato wird, muss sich noch zeigen. An den Strukturen des Atlantischen Bündnisses vorbei führt die USA den Krieg in Afghanistan. Zwar stellte die Verteidigungsgemeinschaft der westlichen Demokratien zum ersten Mal in ihrer Geschichte nach Artikel 5 des Nordatlantikvertrags den Bündnisfall fest, aber anschließend spielte die Nato keine Rolle mehr. »Die Missionen suchen sich ihre Bündnisse, nicht die Bündnisse ihre Missionen«, gab der amerikanische Militärminister Donald Rumsfeld zu verstehen. Als die Antiterrorkoalition gebildet wurde, trat die Hegemonie der Vereinigten Staaten voll zutage. Einstimmig unterstützten Sicherheitsrat und Vollversammlung der UNO eine Entschließung, die die USA ermächtigte, gegen Terroristen und gegen Staaten vorzugehen, die diese unterstützen oder beherbergen. Der Afghanistankrieg begann.

Die Amerikaner diskutierten über die neue Rolle Amerikas. Die New York Times berichtete, es sei ein Kampf darüber entbrannt, welche Form das amerikanische Empire annehmen soll. Hardliner wie Rumsfeld und sein Stellvertreter Wolfowitz seien der Meinung, Amerika müsse führen und zwar »ohne Rücksicht auf bestehende Verträge oder Einwände von Alliierten«. Die USA sollten »im muskulösen Ton des Interventionismus zur Welt sprechen«. Gemäßigtere wie Außenminister Colin Powell argumentierten, Amerika müsse das Beispiel einer großmütigen Macht abgeben und eine Außenpolitik betreiben, die ohne Ultimaten auskomme und sich pragmatischer Mittel bediene. Offensichtlich setzten Rumsfeld und Wolfowitz sich durch.

Will man die Reaktionen der Welt auf die USA verstehen, dann darf man eines nicht vergessen: Das Land von Coca-Cola, McDonalds, Levis-Jeans, Hollywood und NBC hat die kulturelle Hegemonie auf dem Erdball. Der Dollar ist die Leitwährung der Welt. Amerika ist der Hauptakteur auf den internationalen Finanzmärkten. Die Ölrechnungen werden in Dollar ausgestellt. Wie kein anderer Industriestaat kann Amerika den Ölpreis beeinflussen. Die Achillesferse der Supermacht: Amerika ist vom Kapitalexporteur zum größten Kapitalimporteur in der Welt geworden. Das Land der unbegrenzten Möglichkeiten lebt auf Kosten der übrigen Menschheit. Im Jahr 2000 sind 64 Prozent der globalen Kapitalexporte in die Vereinigten Staaten geflossen und 400 Milliarden Dollar lieh sich Amerika im Jahr darauf auf den Kapitalmärkten der Welt. Die Nettoschuld gegenüber dem Ausland beträgt 2200 Milliarden Dollar, das sind 22 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Der Chef der amerikanischen Notenbank, Alan Greenspan, sieht darin eine große Gefahr. Je größer dieser Berg von Forderungen wird, umso höher steigen die Zinszahlungen, die Amerika an die ausländischen Geldgeber leisten muss. Wenn George W. Bush weiter so viel Schulden macht wie sein Vorbild Ronald Reagan, dann könnte der Dollar, wie bereits in den achtziger Jahren, plötzlich abstürzen.

Anfang 2003 begann der Dollar seine Talfahrt und wertete gegenüber dem Euro um 30 Prozent ab. Neue Verwerfungen in der Weltwirtschaft sind die Folge. Interessant ist, dass die Höhe des jährlichen Leistungsbilanzdefizits mit 400 Milliarden Dollar in etwa der Höhe des Militäretats entspricht. Wenn man so will, lässt sich Amerika seine gewaltige Militärmacht vom Ausland finanzieren, vor allem von Japanern und Europäern.

Auf lange Sicht müsste den Vereinigten Staaten daran gelegen sein, nicht die einzige Hegemonialmacht der Welt zu bleiben. Jedes Übergewicht zieht gleichsam automatisch universellen Widerstand auf sich und verlangt nach einem entsprechenden Gegengewicht. Die Europäer haben dabei eine große Verantwortung. Schließlich wurde der Euro nicht nur als Gemeinschaftswährung für den einheitlichen europäischen Markt, sondern auch als Gegenpart zum Dollar geprägt. Auch andere Länder wollten sich mit der Hegemonie der Vereinigten Staaten nicht abfinden. Als Boris Jelzin 1996 mit dem chinesischen Ministerpräsidenten Li Peng zusammentraf, forderten die beiden Politiker die Rückkehr zu einer multipolaren Welt. Die atomare Aufrüstung Indiens und Pakistans ist ein Zeichen dafür, dass diese Länder sich einen eigenen Handlungsspielraum schaffen wollen. Eine Welt mit mehreren Polen, die über eine starke Volkswirtschaft und eine entsprechende militärische Macht verfügen, ist stabiler als eine monopolare.

Für die Weltpolitik sind nach wie vor drei politische Ziele maßgebend: Die Schaffung von Frieden, die Herstellung sozialer Gerechtigkeit und die Bewahrung der Umwelt. Die Ereignisse der Jahre nach dem Fall der Mauer zeigten, wie unverzichtbar es weiterhin ist, die Außen- und Innenpolitik der Staaten auf diese Ziele auszurichten.Krieg beginnt mit der Produktion von Waffen. Die alte römische Weisheit, si vis pacem para bellum, wenn du den Frieden willst, bereite den Krieg vor, ist im Atomzeitalter schon lange nicht mehr gültig. Die Menschheit hat technische Fähigkeiten entwickelt, die ihrem moralischen Vermögen weit vorauseilen. Will sie ihren Untergang vermeiden, dann muss sie die alte Machtpolitik miteinander rivalisierender Staaten durch eine internationale Ordnung ersetzen, die Frieden und soziale Gerechtigkeit ermöglicht.

Zu Beginn des 3. Jahrtausends sind die großen Industriestaaten die Waffenproduzenten und die Waffenlieferanten der Welt. Sie sind die eigentlichen »Schurkenstaaten«, allen voran die USA. Die Verringerung der Waffenproduktion und die Abrüstung bleiben aber die Voraussetzungen eines stabilen Friedens. Dabei muss man mit den Atomwaffen beginnen. Sie sind Waffen mit einem unvorstellbaren Vernichtungspotenzial und wurden bisher von den Vereinigten Staaten in Hiroshima und Nagasaki eingesetzt. Danach, in der Zeit des Kalten Krieges, kam es zum atomaren Overkill. Jede der beiden Supermächte hatte die Fähigkeit, die jeweils andere mehrfach zu vernichten. In den siebziger Jahren begannen zwischen den USA und der UdSSR die Verhandlungen zum Abbau der Atomwaffen. Es kam zu Vereinbarungen, die Zahl der Atomsprengköpfe zu begrenzen und zu reduzieren. Mit der Umsetzung der Verträge taten sich beide Supermächte schwer. Erst mit dem Zusammenbruch der Sowjetunion eröffnete sich die Chance auf eine weitere atomare Abrüstung. Im Jahre 2001 kündeten der amerikanische Präsident George W. Bush und der russische Präsident Wladimir Putin an, die Zahl der Atomwaffen weiter zu verringern. Als Bush den Vertrag, der beinhaltete, keine Raketenabwehr aufzubauen, ohne Absprache mit den Verbündeten kündigte, gab es neue Vorgaben. Er stellte in Aussicht, das amerikanische Atomarsenal einseitig von 6000 auf 1700 bis 2200 stationierte Sprengköpfe abzubauen. Im Gegenzug erklärte Putin, Russland werde die Zahl der strategischen Nuklearsprengköpfe auf 1500 bis 2200 verringern.

Kurz danach setzte das amerikanische Militär aber durch, dass die Atomsprengköpfe nicht verschrottet, sondern »eingelagert« werden. Und als sei das noch nicht genug, wurde im März 2002 ein Pentagon-Papier bekannt, in dem Einsatzoptionen kleiner Atomwaffen erörtert wurden. Auf der Liste der Zielländer standen Iran, Irak, Nordkorea, Libyen, Syrien, China und Russland. Die Russen fühlten sich düpiert und lernten wieder einmal, dass sich das Militär in den USA gegen den Präsidenten durchsetzt. Ein weiteres Beispiel: Auch der ehemalige amerikanische Präsident Bill Clinton trat für das Verbot von Landminen ein, aber das Pentagon verhinderte den...

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