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Eine Reise durch den Horrorfilm. Von Zombies, Monstern, Serienkillern und dem ultimativen Bösen

AutorPhilipp Stroh
VerlagGRIN & Movie Verlag
Erscheinungsjahr2014
Seitenanzahl184 Seiten
ISBN9783656827962
FormatePUB/PDF
Kopierschutzkein Kopierschutz
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis7,99 EUR
Warum zieht es Zuschauer immer wieder ins Kino, wenn Menschen gemeuchelt werden und alptraumhafte Szenarien die Filmleinwände blutrot färben? Seit über hundert Jahren fasziniert uns der Schrecken stets aufs Neue. In dieser Geschichte des Horrorfilms bespricht Blogger und Filmkritiker Philipp Stroh alle alten und neuen Genrevariationen des filmischen Spiels mit der Angst. Bis in die Stummfilmzeit reicht die blutige Spur des Horrorgenres zurück, doch es ist auch nach hundert Jahren nicht totzukriegen. In dieser Reise durch die Filmwelt des Grauens haben sie alle ihren Auftritt: Die alten Ikonen Dracula und Frankenstein, die Filmmonster Godzilla und Alien, die Zombies von George Romero und die Maskenkiller Freddy Krueger und Jason. Ob Slasher-Film oder subtiler Geister-Horror, Gore, Splatter, oder Torture Porn - der Autor untersucht wegweisende Klassiker und analysiert Modeerscheinungen sowie prägende Genretrends aus hundert Jahren Filmgeschichte. Scream on!

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Leseprobe

2 Universal, Hammer und die Bedrohung von oben


Blutdürstiger Verführer


Hollywood hatte früh begonnen, talentierte Filmkünstler aus Deutschland abzuwerben und sich während der 1920er Jahre zur weltweit führenden Filmindustrie gemausert. Die Machtübernahme Adolf Hitlers 1933 löste schließlich eine Abwanderungswelle deutscher Filmmacher aus und das hohe internationale Ansehen, das deutsche Produktionen vormals genossen, war endgültig dahin.

In den USA hatte ein gewisser Carl Laemmle – man glaubt es kaum: schon wieder ein Deutscher, allerdings bereits 1884 im Alter von 17 Jahren emigriert – die Universal Studios gegründet. Ende der 20er Jahre, als Filme schließlich sprechen lernten, übertrug er die Führung seinem Sohn, Carl Laemmle Jr.

Mit dem Vorhaben, höhere Qualität und frische Konzepte zu liefern, leitete der Junior in den 30er Jahren eine Serie von Monsterfilmen ein. Diese ließ die Universal Studios zu einer der wichtigsten Filmfabriken der Welt aufsteigen und löste den ersten Horror-Boom Hollywoods aus. Den Anfang markierte 1931 Dracula, in diesem Fall mit ordnungsgemäß erworbenen Rechten an der Romanvorlage.

Darin reist der englische Makler Renfield nach Transsilvanien und besucht – entgegen aller Warnungen – das Schloss des Grafen Dracula, um mit diesem ein Immobiliengeschäft abzuschließen. Dracula entpuppt sich als Vampir und macht Renfield zu seinem Sklaven. Daraufhin begibt sich der Graf selbst nach London und sucht nach weiblichen Opfern. Nur der weise Wissenschaftler Abraham Van Helsing ahnt, was sich hinter der Fassade des eleganten Adligen verbirgt.

Es sollte ein pompöser Auftakt für die kommende Horrorfilmreihe werden, doch leider machte die Weltwirtschaftskrise Laemmle einen Strich durch die Rechnung. Deshalb orientiert sich Dracula weniger an Bram Stokers komplexem Roman, sondern mehr an dem schlichteren Bühnenstück von Hamilton Deane, das auf dem Roman basiert. Dafür punktet die kleine Produktion, bewusst im Theaterstil gefilmt, mit großen Schauspielleistungen.

Hauptdarsteller Bela Lugosi hat weder ein besonders markantes Gesicht noch eine spektakuläre Statur, aber sein ungarischer Akzent, seine erhabenen Bewegungen, seine manierierte Sprache, sein hintersinniges Grinsen und seine eindringlichen Blicke verschaffen ihm eine sagenhafte Präsenz, mit der er den Grafen Dracula nicht nur als Vampir, sondern auch als männlichen Vamp etabliert. Im Gegensatz zur ersten bekannten Filmadaption des Stoffs durch Nosferatu, eine Symphonie des Grauens wird hier aus dem Vollstrecker ein Verführer. Lugosi, der die Rolle bereits in der Theaterfassung gespielt hatte, definiert hier das weltweite Dracula-Bild mit dem Vampir als erotisches Verhängnis. Der charmante Graf, dessen Image sich schließlich über die Jahre durchgesetzt hat, funktioniert auf seine Weise ebenso gut wie der abscheuliche.

Dracula (Bela Lugosi) verführt, bis sich die Frauen seinem Blutdurst hingeben. | Quelle: DVD & Blu-ray "Universal Monsters Collection" (© 2012 Universal Studios. Alle Rechte vorbehalten.)

Doch eben nicht nur Lugosi, auch seine Leinwandpartner sind ein Genuss. Insbesondere natürlich Dwight Frye als Renfield, der mit faszinierender Hingabe vom Gentleman zum Wahnsinnigen mutiert; ebenso Edward Van Sloan als Professor Van Helsing mit seinem grenzenlos kultivierten Auftreten (wirkt nur im Originalton!).

Das erstklassige Ensemble tröstet über die arg brave und insgesamt etwas fad geratene Inszenierung hinweg. Die Fassung ist jedoch immer noch besser als die spanische Version, die mangels Synchronisationstechnik im gleichen Zeitraum an den gleichen Sets mit anderer Besetzung entstand. Diese gilt als technisch etwas ausgereifter und ist eine Spur freizügiger, zieht sich in den einzelnen Szenen aber massiv in die Länge, sodass sie glatt eine unnötige halbe Stunde länger läuft.

Einen kleinen Abbruch tut der Spannung auch die fehlende Filmmusikspur, die bei frühen Tonfilmen noch nicht üblich war. Lediglich der Vorspann ist von einem Stück aus „Schwanensee“ begleitet. Doch die vorherrschende Stille passt irgendwie zu den langsamen, geheimnisvollen Bewegungen Draculas und seiner Ausstrahlung, sodass man die Musik weniger vermisst als etwa im Universal-Nachfolger Frankenstein.

Oft wird weggeschwenkt und ausgeblendet, und zwar immer dann, wenn es um die entscheidenden Akte geht – nicht einmal spitze Zähne gibt es zu sehen. Das macht es dem Film leicht, sich nach dem strengen Hollywood-Kodex hinsichtlich Sex und Gewalt zu richten, es wird damit aber auch das Mysteriöse und Unnahbare an der Geschichte geschürt. Schließlich ist es oft sinnvoll, wenn man gewisse Szenen selbst zu Ende denken muss. Keine Entschuldigung gibt es jedoch für das sehr lasche Finale und den allgemein schwerfälligen Spannungsbogen. So bleibt Universals Dracula die wohl prägendste und vielleicht auch die am schönsten gespielte Version der Geschichte um den weltberühmten Blutsauger, nicht aber die aufregendste.

Es lebt


Wie eben schon angerissen, folgte noch im gleichen Jahr James Whales Frankenstein. Darin geht es um den jungen Dr. Henry Frankenstein. Der Wissenschaftler wendet sich von der Universität ab und geht im Alleingang seinen eigenartigen Experimenten nach, denen nur sein Gehilfe Fritz beiwohnen darf: Aus ausgegrabenen Leichenteilen setzt er einen menschlichen Körper zusammen. Das letzte Teil ist ein Gehirn, das Fritz aus der Präparatensammlung von Dr. Frankensteins ehemaligem Professor entwendet. Bei einem Gewitter wird der tote Körper mithilfe eines Blitzes zum Leben erweckt. Der begeisterte Doktor schafft jedoch ein Monster, das sich anders verhält als geplant.

Dr. Frankensteins Kreatur (Boris Karloff) sorgt unfreiwillig für Entsetzen. | Quelle: DVD & Blu-ray "Universal Monsters Collection" (© 2012 Universal Studios. Alle Rechte vorbehalten.)

Ein absoluter Klassiker, aber nicht immun gegen eine kritische Betrachtung: In diesem schnell durchgeguckten Schinken stolpern die Figuren durch Studiokulissen, die nur zu gut als solche zu identifizieren sind – auch, weil die Tonbearbeitung damals noch in den Kinderschuhen steckte. Die komplett fehlende Musik – abgesehen von Vor- und Abspann – verpasst es nicht nur, derartige Macken zu kaschieren, sondern hinterlässt auch weitgehend Leere, wo Atmosphäre sein sollte. In Wahrheit handelt es sich bei James Whales Frankenstein um kaum mehr als ein kleines Experiment in Zeiten des Umbruchs, das nun mal hohe Wellen schlug.

Frei nach dem berühmten Roman von Mary Shelley und stärker orientiert an dem späteren Theaterstück von Peggy Webling inszeniert Whale eine glattgebügelte und gleichzeitig aufgeblasene Variante der Originalgeschichte, ohne dafür wirklich angemessene Mittel zu haben.

Die Identitätskrise der künstlichen Kreatur kristallisiert sich nur in vagen Andeutungen heraus, während dem Schöpfer eine steinerne Festung als Arbeitsraum angedichtet wird. Universal setzt bei der Produktion auf Pomp, wobei die zur Verfügung stehenden Schauplätze bald ausgereizt sind und die Botschaft, der Mensch habe nicht Gott zu spielen, zum müden Beiwerk verkommt.

Getragen wird dieses Kuriositätenkabinett – nach einem nicht allzu nennenswerten Kurzfilm von 1910 übrigens die zweite Verfilmung des Stoffs – glücklicherweise von gelungenem Schauspiel. Der viel zu früh verstorbene Colin Clive scheint in der passionierten Darbietung des Dr. Frankenstein auf angenehme Weise die Überreste des expressionistischen Stummfilms zu transportieren, welcher im Film allgemein häufig zitiert wird, und Boris Karloff haucht, unter dickem Make-up versteckt, seiner Figur auf interessant-eigenwillige Weise zweifelhaftes Leben ein. Eine sympathische Nebenrolle spielt unter anderen Edward Van Sloan (Van Helsing in Dracula), der bereits im Prolog eine charmante Eröffnungsrede hält.

Ein gutes Gespür für Kameraeinstellungen und Lichtsetzung sowie ein solides Ensemble sind Frankenstein nicht abzusprechen. Eine herausragende Idee ist die Szene, in der das Monster auf ein unbedarftes kleines Mädchen trifft. Dennoch wirkt der Film an allen Ecken und Enden hölzern. Und gerade als das dramatische Finale sich anschickt, wirklich unter die Haut zu gehen, versaut ein quietschfideler Epilog alles – nachträglich eingefügt, erweist er sich als Riesenfehler.

Frankenstein hat den Archetyp des verrückten Wissenschaftlers für das Kino maßgeblich geprägt und ging wohl vor allem deshalb als vielleicht meistzitierter Horrorfilm in die Geschichte ein. Auch die Ambivalenz des Monsters galt als Novum. Da Status jedoch nicht gleich Qualität ist, muss man dem Produkt als solches keine Größe unterstellen, die es nicht besitzt. Das hat auch wenig damit zu tun, alte Filme nicht für das schätzen zu können, was sie sind, denn die in derselben Dekadenhälfte erschienene Fortsetzung Frankensteins Braut (Bride of Frankenstein) hat gezeigt, wie man es besser macht.

Harte Worte für einen Klassiker, doch widmen wir uns zur Versöhnung der ungleich gelungeneren Fortsetzung von 1935.

Hier wird der von Dr. Frankenstein geschaffene Mensch gefangen genommen, kann sich jedoch befreien und flüchtet in die Wälder. Dort findet er einen Freund und lernt das Sprechen. Jäger zwingen das verzweifelte Monster bald jedoch erneut zur Flucht. Schließlich trifft es den wahnsinnig gewordenen Dr. Pretorius, einen ehemaligen Lehrer Frankensteins. Dieser hat es sich fest in...

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