Im allgemeinen Sprachgebrauch wird der Betrug häufig mit Lüge, Täuschung oder List gleich gesetzt.[12] An dieser Stelle soll auf den Betrug im juristischen Sinne eingegangen werden. Betrugsdelikte werden im 22. Abschnitt des StGB normiert und setzen sich aus dem Betrug § 263 StGB (Betrug) und den Sondertatbeständen § 263a (Computerbetrug), § 264 (Subventionsbetrug), § 264a (Kapitalanlagebetrug), § 265 (Versicherungsmissbrauch), § 265a (Erschleichen von Leistungen) und § 265b (Kreditbetrug) zusammen.
Gemäß § 263 StGB ist Betrug eine Handlung eines Betrügers, bei der dieser durch Täuschung jemanden veranlasst, ihm ein Vermögen zu überlassen, ohne eine angemessene Gegenleistung zu erbringen. Dem Betrüger ist dabei bekannt, dass sein Tun dem Anderen schadet.[13] Der Täter wendet bei der Tatumsetzung keine Gewalt, sondern Methoden aus den Bereichen der Überzeugungsfähigkeit und der Manipulation an.[14]
Beim Betrug gibt es folgende Täter-Opfer-Konstellationen:
„1. Die unredliche Handlung wird aus einer Firma heraus gegen staatliche oder private Organisationen oder auch Privatpersonen begangen (z. B. Kredit- oder Kapitalanlagebetrug).
2. Der Betrug wird von einem Kunden oder Mitarbeiter an einer Organisation begangen (z. B. Leistungs-, Versicherungs- oder Abrechnungsbetrug).
3. Eine Person betrügt eine andere – meist in privatem Kontakt (z. B. Betrug mit minderwertigen Waren, inadäquat erbrachten Leistungen, unredlich erlangten Darlehen).
4. Durch Werbesendungen, Kommunikationstechniken und Televermarktung wird eine große Zahl dem Absender unbekannter potenzieller Opfer angesprochen und dadurch zu Zahlungen ohne äquivalente Gegenleistung veranlasst.“[15]
Die Konstellation, bei der ein Unternehmen geschädigt wird, ist die häufigste Täter-Opfer-Konstellation.[16] Da der Vermögensschaden im Verhältnis zum Gesamtvermögen bei Privatpersonen am größten ist und weil es kaum Kontrollmechanismen gibt sollen im weiteren Verlauf der Arbeit vorrangig die unter Punkt eins und drei aufgeführten Täter-Opfer-Konstellation betrachtet werden. Ein Ponzi Scheme wird häufig unter dem Mantel einer Personen- oder Kapitalgesellschaft aufgebaut. Sofern es sich um die Täter-Opfer-Konstellation zwischen Privatleuten handelt, ist die betrügende Privatperson meist ein Anlagevermittler. Beiden Konstellationen sind dadurch gekennzeichnet, dass zwischen den Beteiligten eine starke Vertrauensbeziehung aufgebaut wird, bei der es dem Geschädigten später möglicher Weise an der Einsicht mangelt, betrogen worden zu sein.[17] Gerade bei dieser „face-to-face“-Interaktion zum Geschädigten äußern sich solche Persönlichkeitsmerkmale des Betrügers wie Defizite in moralischer Hinsicht, in der hohen Risikobereitschaft, an Mangel an Empathie und konventionellem Selbstbewusstsein sowie Gewissenlosigkeit.[18]
Bei Betrugssystemen, wie von Bernhard Madoff (siehe 4.3 ) haben Anleger z. T. jahrelang gut verdient. Nun sollen Sie plötzlich Opfer von Vermögensdelikten sein? Täter- und Opferrollen können ab gewissen Größenordnungen verschwimmen.[19] Betrug ist im weitesten Sinne ohne ein Zutun des Opfers nicht möglich. Der Opferbegriff an sich wird sehr „mit Passivität, Fremdbestimmung, Abhängigkeit, Ohnmacht und Hilflosigkeit assoziiert“,[20] was für den Geschädigten eines Ponzi Schemes als nicht passend angesehen wird. Daher wird in dieser Arbeit im Weiteren für den Begriff „Opfer“ der Begriff „Geschädigter“ verwendet.
Betrug im Allgemeinen gibt es nicht nur im Bereich der Wirtschaftskriminalität. Es gibt keine einheitliche Definition darüber, welche Tathandlungen als Wirtschaftskriminalität bezeichnet werden. SCHWIND definiert eine Tat als Wirtschaftskriminalität beim Eintreten folgender Kriterien:
ein wirtschaftlicher Bezug zum strafbedrohten Verhalten ist nennenswert,
das strafbedrohte Verhalten wird in Ausübung eines Berufes ausgeführt und
Vertrauen wird missbraucht.[21]
Durch die Anwendung der Kriterien lässt sich z. B. der Enkeltrick,[22] der nicht als Wirtschaftsdelikt gesehen werden kann, vom Betrug im Zusammenhang mit Kapitalanlagen abgrenzen. Bei der Ermittlung innerhalb des Phänomens ist kein wirtschaftlicher Bezug erforderlich und die Deliktsausübung erfolgt nicht in Ausübung des Berufs.
Durch die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG wird als Wirtschaftskriminalität gekennzeichnet, was sich im Wirtschaftsleben unter Missbrauch des Vertrauensprinzips ereignet.[23] Im Rahmen der Strafverfolgung existiert zur Bearbeitung von Wirtschaftskriminalität folgende Eingruppierung:
die in § 74c Abs. 1 Nr. 1–6b aufgeführten Straftatbestände (z. B. Beteiligungs- und Kapitalanlagebetrug, Kredit- und Subventionsbetrug, ausgenommen aber Computerbetrug) und
Betrugsformen mit den Merkmalen: Eignung zur Beeinträchtigung des Wirtschaftslebens bzw. Schädigung der Allgemeinheit oder
das Erfordernis besonderer kaufmännischer Kenntnisse zur Fallaufklärung.“[24]
Weitere allgemeingültige Regeln lassen sich nicht aufstellen, da die konkrete Zuordnung der Fallbearbeitung immer vom Einzelfall abhängig ist.[25] Für diese Arbeit wird Wirtschaftskriminalität als solche gesehen, wenn für die Begehung der Tat ein in kaufmännischer Weise eingerichteter Geschäftsbetrieb und zur Aufklärung des Sachverhalts betriebswirtschaftliche Kenntnisse erforderlich sind. In dieser Arbeit sollen Ponzi Schemes (siehe Kapitel 2.4) als betrügerische Wirtschaftsdelikte betrachtet werden.
Der Kapitalanlagebetrug in Form eines Ponzi Scheme ist in § 263 StGB normiert. In strafrechtlicher Hinsicht kämen für die Nutzung bzw. die Initiierung eines Ponzi Schemes, darüber hinaus, die Straftatbestände §§ 264a, 266, 284 StGB und § 16 II UWG in Betracht.[26]
Der Kapitalanlagebetrug gemäß § 264a StGB umfasst als Erscheinungsform der Wirtschaftskriminalität betrügerische Angaben und Darstellungsweisen in Prospekten. Gemeinsames objektives Tatbestandsmerkmal ist im Vergleich zum § 263 StGB nur die Täuschung. Der Eintritt eines Vermögensschadens ist nicht erforderlich. Durch den Straftatbestand werden Delikte im Vorbereitungsbereich des Betruges unter Strafe gestellt.[27] Die praktische Bedeutung des § 264a StGB ist jedoch eher gering.[28] Er zählt nur als Auffangtatbestand und tritt bei der Verurteilung hinter den § 263 StGB zurück. Der Kapitalanlagebetrug im Sinne des § 263 StGB kann mit der Zuordnung zum „Geldbeschaffungsbetrug“ vom § 264a StGB abgegrenzt werden.[29]
Zusätzlich zur Strafbarkeit des Betruges kann eine Pflichtverletzung der Vermögensbetreuungspflicht seitens des Initiators einer Kapitalanlage gemäß § 266 StGB Untreue vorliegen. Dies kommt in Betracht, wenn durch den Täter ein unverhältnismäßiges, die materiellen oder formellen Grenzen überschreitendes Risiko eingegangen wurde, zum Beispiel durch die Auszahlung von Kapital an Altkunden.[30] Sofern der Entschluss der Zweckentfremdung nach dem Einsammeln der Gelder gefasst wurde, ist von Untreue auszugehen. Wurde der Vorsatz jedoch bereits mit dem Einsammeln von Kapital gefasst wurde, handelt es sich hierbei um Betrug.
Die §§ 284ff. StGB stellen die unerlaubten Veranstaltungen von Glückspielen unter Strafe. Bei einem Ponzi Scheme rechnet der Anleger allerdings nicht mit dem Totalverlust seiner Investition, er spielt kein Glücksspiel. Daher ist eine Strafbarkeit entsprechend dieser Strafnorm meist nicht gegeben.[31]
§ 16 II UWG normiert die Strafbarkeit progressiver Kundensysteme, wie z. B. Schneeball- oder Pyramidensysteme. Strafbare objektive Tatbestandsmerkmale sind dabei:
„Handeln im geschäftlichen Verkehr“,
„Veranlassen von Verbrauchern zur Abnahme von Waren oder Leistungen“,
„Einsatz zur Absatzförderung“,
„Versprechen von besonderen Vorteilen.“
Im Unterschied zum Ponzi Scheme werden die Vorteile und Gewinne zum Teil durch andere Teilnehmer gewährt, wobei dieses transparent dargestellt und nicht verschleiert wird.[32] In dieser Arbeit wird im Folgenden...