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Freimaurer und Geheimbünde im 19. und 20. Jahrhundert in Mitteleuropa

VerlagStudienverlag
Erscheinungsjahr2016
Seitenanzahl240 Seiten
ISBN9783706558099
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis14,99 EUR
Im vorliegenden Band werden Probleme und Einzelaspekte, historische Entwicklungen sowie Erscheinungsformen und Richtungen der Freimaurerei im 19. und 20. Jahrhundert dargestellt. In drei Kapitel gegliedert, setzen sich die einzelnen Beiträge zunächst mit der Ausbreitung und den verschiedenen Formen der Verschwörungstheorien im 19. und 20. Jahrhundert auseinander. Außerdem werden die Geschichte der Freimaurer in Österreich, Deutschland, Italien und der Schweiz in Grundzügen skizziert sowie wichtige Aspekte und Erscheinungsformen der Freimaurerei beschrieben. Interessant an diesem Sammelband ist vor allem auch, dass zum einen den politischen Geheimgesellschaften größere Aufmerksamkeit gewidmet wird und zum anderen die Studien vielfach auf neuem Quellenmaterial aufbauen, das z. B. aus dem Deutschen Sonderarchiv in Moskau stammt. Insgesamt sind die Beiträge, die von Historikern, Juristen, Politologen und Philosophen verfasst wurden, interdisziplinär ausgerichtet. Sie dokumentieren nicht nur den aktuellen Stand der Forschung, sondern entwickeln neue Forschungsperspektiven zu einem Untersuchungsgegenstand, der in der Wissenschaft lange Zeit nicht beachtet wurde.

Im vorliegenden Band werden Probleme und Einzelaspekte, historische Entwicklungen sowie Erscheinungsformen und Richtungen der Freimaurerei im 19. und 20. Jahrhundert dargestellt. In drei Kapitel gegliedert, setzen sich die einzelnen Beiträge zunächst mit der Ausbreitung und den verschiedenen Formen der Verschwörungstheorien im 19. und 20. Jahrhundert auseinander. Außerdem werden die Geschichte der Freimaurer in Österreich, Deutschland, Italien und der Schweiz in Grundzügen skizziert sowie wichtige Aspekte und Erscheinungsformen der Freimaurerei beschrieben. Interessant an diesem Sammelband ist vor allem auch, dass zum einen den politischen Geheimgesellschaften größere Aufmerksamkeit gewidmet wird und zum anderen die Studien vielfach auf neuem Quellenmaterial aufbauen, das z. B. aus dem Deutschen Sonderarchiv in Moskau stammt. Insgesamt sind die Beiträge, die von Historikern, Juristen, Politologen und Philoso¬phen verfasst wurden, interdisziplinär ausgerichtet. Sie dokumentieren nicht nur den aktuellen Stand der Forschung, sondern entwickeln neue Forschungsperspektiven zu einem Untersuchungsgegenstand, der in der Wissenschaft lange Zeit nicht beachtet wurde.

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Leseprobe

Helmut Reinalter


Einleitung


Grundsätzliches zur Freimaurerei


Der Begriff „freemason“ taucht zum ersten Mal in einer Londoner Urkunde 1376 auf. Unter „freemason“ verstand man den qualifiziert ausgebildeten Maurer und Steinmetz, der den freistehenden Stein kunstvoll bearbeiten konnte. Das Wort „lodge“, erstmals urkundlich 1278 erwähnt, bezeichnet zuerst ein Holzgebäude, das für die Bauhandwerker Werkstatt und auch Aufenthaltsraum war. Später wurde diese Bezeichnung auch für Gruppen von Steinbauwerken verwendet, die gemeinsam an einem größeren Bau arbeiteten. Um die Wende vom 16. zum 17. Jahrhundert trat in der Entwicklung der Logen der Werkmaurer zuerst in Schottland und dann auch in England insofern eine tiefgreifende Änderung ein, als nun immer häufiger Nichtangehörige des Bauhandwerks als Mitglieder aufgenommen wurden. Diese hießen in Schottland „gentlemen masons“ und in England „accepted masons“.

Das symbolisch-esoterische Brauchtum der Freimaurerei entstand aus zwei Entwicklungssträngen: den alten Konstitutionsschriften der englischen und dem „Maurerwort“ der schottischen Freimaurer. Es nahm dann vermutlich von den Logen der „accepted masons“ im 17. und frühen 18. Jahrhundert seine heutige Form an. Aus den allgemeinen und besonderen Pflichten der alten englischen Konstitutionsschriften entstanden 1723 die „Alten Pflichten“ des James Anderson († 1739).

Über die Ursprünge und Entstehung der Freimaurerei haben sich im Laufe der Jahrhunderte verschiedene Theorien, Mythen und Legenden entwickelt, die bis in die Antike zurückreichen. Heute stehen in der masonischen Historiographie stärker die westeuropäischen Gilden-, Maurer- und Steinmetzzünfte, Kathedralenbaumeister, Wandergesellen, Tempelritter, Mönchsorden und die frühen Akademien sowie aufgeklärten Sozietäten und Rosenkreuzer im Vordergrund der historischen Überlegungen. In der älteren Forschung wurden auch direkte oder indirekte Verbindungslinien zwischen den Bauhütten und den antiken Mysterienbünden, dem salomonischen Tempelbau und dem späteren Ritterorden hergestellt, um die esoterischen Wurzeln der Freimaurerei aufzuzeigen und zu erklären.

In diesem Zusammenhang sind vor allem der Salomonische Tempel, der Kult der Brahmanen, die Isis- und Osiris-Legende des alten Ägypten, die ägyptische Mythologie, die geheime „Dreiheit“ des alten China, die Eleusinischen Mysterien, der Bund der Pythagoräer, der Mysterienkult der Essener, der Mithras-Kult, die Kabbala, die Gnosis, die Druiden und Barden zu nennen. Problematisch ist zweifelsohne der Versuch, Freimaurerei als eine Fortführung der alten Mysterien zu sehen (Johann August Starck). Inwieweit für die Gründung der Freimaurerei auch der Neuplatonismus bestimmend wurde, ist z. T. noch ungeklärt. Der Neuplatonismus versteht sich als Weiterentwicklung des Platonismus, der Lehre des Philosophen Platon. Dieser geht von der Annahme aus, dass das gesamte Individuelle stufenweise aus einem einzigen letzten Urgrund hervortritt und wieder dahin zurückkehrt. Dieser Urgrund ist das Eine, Ewige, Höchste, Gute und Schöne sowie Nicht-Seiende. Außerhalb dieses Einen existiert sonst nichts mehr. Der „Demiurg“ oder Schöpfer bringt die Weltseele hervor und schafft das ständig wahrnehmbare Universum nach dem Vorbild des „Nous“ und beseelt damit auch die Materie. Nicht bewiesen sind weiters der englische Philosoph Francis Bacon und der Philosoph, Theologe und Pädagoge Jan Comenius als Begründer der Freimaurerei. Die hier erwähnten Mysterienbünde können nur mit Vorbehalt und Einwänden als mögliche esoterische Wurzeln der späteren Freimaurerei angesehen werden. Mit wissenschaftlichen Belegen und Argumenten lassen sich solche Entwicklungslinien und Zusammenhänge kaum festmachen.

Als wesentlich konkretere Vorstufen der modernen „spekulativen“ Freimaurerei findet man in der Literatur öfters die beruflichen Zusammenschlüsse der Handwerker und der Ritterorden, wie z. B. der Malteser- oder der Templerorden, der sich auf das hohe Ansehen der Ordensmitglieder als Bauherren stützt und auf der Hypothese aufgebaut ist, dass der Orden trotz Verurteilung und Verfolgung seine Weiterentwicklung sichern wollte. Der Großmeister Pierre d’Aumont, der zusammen mit zwei Kommandeuren und fünf Rittern nach Schottland floh, soll vom schottischen König Robert I. Bruce freundlich aufgenommen worden sein und Templer um sich gesammelt haben. Diese Gruppe soll weiters die bereits bestehenden Bauhütten als Organisationsträger beeinflusst und instrumentalisiert haben. Eine weitere Legende geht auf Baron Karl von Hund zurück, der ein bedeutender Freimaurer des 18. Jahrhunderts in Deutschland war. Auf der Basis des von ihm gegründeten masonischen Ritus, der „Strikten Observanz“, sollte der Templerorden wiederhergestellt werden. Ein Indiz für den Zusammenhang der Freimaurerei und den Templern könnte die Baukunst in den Logen gewesen sein, worüber mehrere Manuskripte des Bauhandwerks aus England berichten und auf die später noch hingewiesen wird. Eine weitere These geht von der älteren Rosenkreuzer-Bruderschaft als Ursprung der Freimaurerei aus. Charles von Bokor erwähnt, allerdings nicht vollständig, mehrere „pseudowissenschaftliche“ Theorien, die für ihn keinen Aufschluss über die Entstehung der Freimaurerei bieten. Erst im 19. Jahrhundert ist die realistische Geschichte durch alte Urkunden, kritische Prüfung der Quellen sowie durch den Vergleich mit den Steinmetz- und Handwerkerordnungen in Verbindung mit der Baukunst geklärt worden.

Als die eigentlichen Vorläufer der modernen Freimaurerei gelten jedoch in der heutigen profanen als auch masonischen Forschung die handwerklichen Bruderschaften, die Bauhütten und Baumeister, auf deren Brauchtum sehr viel maurerisches Gedankengut zurückgeführt werden kann. Sie setzten sich aus Mitgliedern des Steinmetzstandes zusammen, nahmen aber auch Maurer und Decker auf.

Die Freimaurerei breitete sich dann im britischen Inselreich aus, ehe sie auch auf dem Festland, in Frankreich, in den Niederlanden, in Deutschland und Österreich Fuß zu fassen begann. In Frankreich wurde 1736 die erste Großloge gegründet, in Deutschland entstand die erste Loge 1737 in Hamburg und nannte sich „Loge d‘Hambourg“ (später „Absolom zu den drei Nesseln“). Von ihr wurde auch der preußische Kronprinz und spätere König Friedrich II. (1740-1786) in Braunschweig aufgenommen. Von nun an breitete sich die Freimaurerei in Preußen und dann im übrigen Deutschland rasch aus. Auf dem Freimaurerkonvent von Wilhelmsbad 1782 traten sehr heterogene esoterisch-ideologische Strömungen hervor. Die Gruppe der Rationalisten und Aufklärer hatte im Geheimbund der Illuminaten einen Verbündeten, der einen stark politisch-rationalen Kern besaß. Der Orden wurde 1776 von Adam Weishaupt (1748-1830) in Ingolstadt gegründet. Der wesentliche Unterschied zwischen dem Illuminatenorden und der Freimaurerei lag trotz starker personeller Verknüpfungen im Charakter beider Gesellschaften. Die Freimaurerei war letztlich eine esoterische Gemeinschaft ohne Ideologie, während die Illuminaten ein rational-aufgeklärtes System mit ideologisch politischer Zielsetzung besaßen.

Die historische Entwicklung der Freimaurerei im 19. Jahrhundert war geprägt von Reformen, der nationalen Frage und der Entstehung politischer Geheimbünde. Vor der Machtergreifung Hitlers wurde die Freimaurerei besonders von Erich Ludendorff (1865-1937) scharf angegriffen und 1933 von den Nationalsozialisten verboten. 1958 schlossen sich die Freimaurer in Deutschland, nachdem sie sich nach 1945 neu formiert hatten, zu den „Vereinigten Großlogen von Deutschland“ zusammen. Diese Vereinigung umfasst heute ca. 20 500 Freimaurer. In Wien entstand die erste Loge „Aux trois canons“ 1742. Schon vorher war Franz Stephan von Lothringen (1745-1765) von einer nach dem Kontinent entsandten Deputation der englischen Großloge in die Freimaurerei aufgenommen worden. 1784 wurde die „Große Landesloge von Österreich“ gegründet, die sechs Provinziallogen zusammenfasste. Im Dezember 1785 erließ Joseph II. (1765-1790) das kaiserliche Handbillett (,‚Freimaurerpatent“), mit dem die Logen praktisch der Polizeiaufsicht unterstellt wurden. Leopold II. (1790-1792) wollte die Freimaurerei seinen politischen Zwecken dienstbar machen. Unter Franz II. (1792-1806) lösten sich die meisten Logen auf, und 1795 wurden sie durch das kaiserliche Kriminalpatent verboten. Der Ausgleich mit Ungarn 1867 änderte dann die Lage, da nun die Freimaurer in Österreich ihre rituellen Arbeiten auf ungarischem Boden (Grenzlogen) abhalten konnten. 1918 wurde nach dem Zusammenbruch der Habsburgermonarchie die „Großloge der Alten Freien und Angenommenen Maurer von Österreich“ gegründet. Von 1938 bis 1945 verboten, entstand sie nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges wieder.

Zwischen Freimaurerei und Kirche bestand seit dem 18. Jahrhundert eine fast unüberbrückbare Kluft. Die Kirche verurteilte besonders deren humanistisch-deistische Vorstellungen. Die Freimaurerei sah sich von Anfang an Argwohn, Behinderungen und Verfolgungen ausgesetzt. Schon vor der ersten päpstlichen Bulle waren Veröffentlichungen erschienen, die sich scharf gegen die Freimaurerei wandten. 1738 erließ Papst Clemens XII. (1730-1740) die Bulle „In eminenti“ zur Verurteilung der Freimaurerei. Sie wurde allerdings nur in den päpstlichen Gebieten, in Spanien, Portugal und Polen veröffentlicht und erlangte daher nur dort Gesetzeskraft. Zu einer Erneuerung der Verurteilung kam es unter Papst Benedikt XIV....

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