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Friedrich Wilhelm I. und die Jagd

AutorHarald Kümmel
VerlagGRIN Verlag
Erscheinungsjahr2009
Seitenanzahl67 Seiten
ISBN9783640298884
FormatPDF/ePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis29,99 EUR
Examensarbeit aus dem Jahr 2006 im Fachbereich Geschichte Europas - Neuzeit, Absolutismus, Industrialisierung, Note: 2,0, Universität Potsdam (Historisches Institut), Sprache: Deutsch, Abstract: Friedrich Wilhelm I., Sohn des ersten preußischen Königs Friedrich und Vater Friedrichs des Großen, ist in die Geschichte als Soldatenkönig, als Wüterich und Prügelsüchtiger, aber auch als Begründer des preußischen Staates, als Heilsbringer der preußischen Tugenden, ja sogar als 'Revolutionär auf dem Thron' eingegangen. Sein Bild in der Geschichte schwankt zwischen seiner reizbaren und bisweilen gewalttätigen Persönlichkeit auf der einen und seinen Leistungen als 'größter innerer König' auf der anderen Seite. Den Grundstein für beide Deutungen legten seine eigenen Kinder. Dabei blieben zwei Facetten seines Lebens oft völlig unberührt: seine ihn zeichnenden und stark einschränkenden Krankheiten und seine Leidenschaft für die Jagd. Um den ersten Aspekt hat sich Hans-Joachim Neumann verdient gemacht. Auch wenn Neumann ein äußerst positives, ja schon überschwängliches Bild des Königs zeichnet und seine Gefühlsausbrüche mit seinen Krankheiten verzeiht, so hat er doch den Krankheitsverlauf und die damit verbundenen Einschränkungen aufgearbeitet und der Geschichtsschreibung zugänglich gemacht. Zur Jagdleidenschaft des Königs gibt es aber so gut wie keine Ausarbeitung. Die Jagd wird zwar als des Königs größtes Vergnügen oft am Rande erwähnt und dabei seiner Persönlichkeit zugeschrieben, doch eine ordentliche Sichtung der Quellen zu diesem Aspekt seines Lebens fehlt völlig. Dabei hat Friedrich Wilhelm I. einen großen Teil seines Lebens mit der Jagd verbracht. Umso mehr verwundert, dass die Jagd bei der Bewertung seiner Persönlichkeit und seines Wirkens völlig ausgeblendet wird. Will man sich speziell dem preußischen König Friedrich Wilhelm I. und der Jagd widmen, muss man sich zuvorderst einer Quellenaufarbeitung zuwenden. Dies wird, nach einer kurzen Einführung in die Geschichte der Jagd in der Frühen Neuzeit, Hauptaufgabe dieser Arbeit sein. Die Quellen sollen Aufschluss darüber geben, welche Bedeutung die Jagd im Leben Friedrich Wilhelms einnahm, welchen Einfluss sie auf seine Umgebung, auf den Hof und seine Regierungstätigkeit nahm und welche Bestimmungen ihm als Jagdherrn von Brandenburg-Preußen wichtig waren. Denn erst die Kenntnis über die Jagdleidenschaft des Königs als eines der hauptsächlichen Bestandteile seiner Persönlichkeit führt zu einem vollständigen Bild über Friedrich Wilhelm I.

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Leseprobe

Harald Kümmel: Friedrich Wilhelm I. und die Jagd


 

Einleitung


 

Fährt man von Potsdam-Babelsberg aus über die Großbeerenstraße Richtung Teltow, so wird man an einer Kreuzung auf das Jagdschloss Stern hingewiesen. Über eine Lindenallee durch eine Einfamilienhaussiedlung erreicht man am Waldrand einen runden, von Schlaglöchern gezeichneten Platz, an dessen Rand das aus rotem Backstein erbaute Schloss im Stil eines holländischen Hauses und ein Fachwerksbau zu sehen sind. Der Ort wirkt ungenutzt und ungepflegt. Das Fachwerkhaus steht leer; früher als Kastellanhaus und später als Gaststätte genutzt sind seine Fenster heute mit Brettern und Blechen verbarrikadiert. Durch die Bäume sind die Hochhäuser des Plattenbau-Wohngebietes zu sehen, das den Namen des Ortes trägt. Ein leichtes Brummen von der nahen Autobahn und der Nuthe-Schnellstraße sind zu hören. Bei näherer Betrachtung wird deutlich, dass von dem Platz mehrere Wege sternförmig in alle Himmelsrichtungen abgehen.

 

Der runde Platz war einst Zentrum eines ausgedehnten Jagdgebietes, dass von Neuendorf und Drewitz im Westen über den Griebnitzsee und Kohlhasenbrück im Norden, Stahnsdorf und Güterfelde (Gütergotz) im Osten bis Phillipstal im Süden reichte.[1] Friedrich Wilhelm I. ließ den Jagdstern mit seinen weit ins Land reichenden geraden Achsen ab 1726 anlegen[2], um dort Parforcejagden durchzuführen. Das kleine Jagdschloss, 1730-32 erbaut, blieb der einzige Schlossneubau des Königs.  

 

Friedrich Wilhelm I., Sohn des ersten preußischen Königs Friedrich und Vater Friedrichs des Großen, ist in die Geschichte als Soldatenkönig, als Wüterich und Prügelsüchtiger, aber auch als Begründer des preußischen Staates, als Heilsbringer der preußischen Tugenden, ja sogar als „Revolutionär auf dem Thron“[3] eingegangen. Sein Bild in der Geschichte schwankt zwischen seiner reizbaren und bisweilen gewalttätigen Persönlichkeit auf der einen und seinen Leistungen als „größter innerer König“[4] auf der anderen Seite. Den Grundstein für beide Deutungen legten seine eigenen Kinder.[5]

 

Dabei blieben zwei Facetten seines Lebens oft völlig unberührt: seine ihn zeichnenden und stark einschränkenden Krankheiten und seine Leidenschaft für die Jagd, von der der Jagdstern bei Potsdam noch heute zeugt.

 

Um den ersten Aspekt hat sich Hans-Joachim Neumann verdient gemacht.[6] Auch wenn Neumann ein äußerst positives, ja schon überschwängliches Bild des Königs zeichnet und seine Gefühlsausbrüche mit seinen Krankheiten verzeiht, so hat er doch den Krankheits-verlauf und die damit verbundenen Einschränkungen aufgearbeitet und der Geschichts-schreibung zugänglich gemacht.

 

Zur Jagdleidenschaft des Königs gibt es aber so gut wie keine Ausarbeitung. Die Jagd wird zwar als des Königs größtes Vergnügen oft am Rande erwähnt und dabei seiner Persönlichkeit zugeschrieben, doch eine ordentliche Sichtung der Quellen zu diesem Aspekt seines Lebens fehlt völlig. Dabei hat Friedrich Wilhelm I. einen großen Teil seines Lebens mit der Jagd verbracht. Er war tatsächlich der „eigentliche Jäger des Hauses Hohenzollern“[7]. Umso mehr verwundert, dass die Jagd bei der Bewertung seiner Persönlichkeit und seines Wirkens völlig ausgeblendet wird. Vielleicht führt deshalb das Jagdschloss Stern neben den großen Schlossanlagen Potsdams ein Schattendasein und wird in seiner historischen Bedeutung unterschätzt.

 

Auch die Literatur zur Jagd, selbst in der uns hier interessierenden Frühen Neuzeit, ist äußerst spärlich.[8] Schon 1976 beklagte Hans Wilhelm Eckardt, der sich mit herrschaftlicher Jagd, bäuerlicher Not und bürgerlicher Kritik an ihr beschäftigte, dass die Bedeutung der Jagd für das Leben der Menschen in der Frühen Neuzeit und beginnenden Moderne oft unterschätzt wird oder völlig unbeachtet bleibt.[9] Dabei sind die uns heute vorliegenden Untersuchungen hauptsächlich auf den südwestdeutschen Raum beschränkt. Zumindest Eckardt musste sich darauf spezialisieren.[10] Zur Geschichte der Jagd in Preußen gibt es neben einer Monografie aus dem 19. Jahrhundert[11] aus neuerer Zeit nur kurze Aufsätze: einen von Marx-Kruse und von Campe in ihrer „Chronik der deutschen Jagd“ zu Friedrich Wilhelm I.[12] und einen von Dietrich Stahl in „Die Jägerey im 18. Jahrhundert“ ausgerechnet zu Friedrich II.[13], von dem Stahl selbst sagt, er sei kein Jäger gewesen. Zur Jagd des ersten preußischen Königs, Friedrich I., wurde aus Anlass des Krönungsjubiläums 2001 ein Beitrag von Stefan Heinz in „Preußen 1701. Eine europäische Geschichte“ veröffentlicht.[14] Aufschlussreich sind da nur die Veröffentlichungen der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg zu den Jagdschlössern der Hohenzollern von Claudia Sommer[15] und Adelheid Schendel[16] oder heimatgeschichtliche Veröffentlichungen[17]

 

Vielleicht ist die Jagd in Preußen und damit auch die Jagdleidenschaft Friedrich Wilhelms I. deshalb so wenig in den Fokus der Geschichtswissenschaft geraten, weil sich die höfische Jagd in Preußen weitaus kleiner und prachtloser darstellte als in den süddeutschen Ländern oder auch in Sachsen. Das „goldene Zeitalter“[18] der Jagd ist an Preußen vorbeigegangen. So vermutet Dietrich Stahl auch für die Zukunft keine weiteren Publikationen über die Jagd in Preußen mehr.[19]

 

Will man sich speziell dem preußischen König Friedrich Wilhelm I. und der Jagd widmen, muss man sich zuvorderst einer Quellenaufarbeitung zuwenden. Dies wird, nach einer kurzen Einführung in die Geschichte der Jagd in der Frühen Neuzeit, Hauptaufgabe dieser Arbeit sein. Die Quellen sollen Aufschluss darüber geben, welche Bedeutung die Jagd im Leben Friedrich Wilhelms einnahm, welchen Einfluss sie auf seine Umgebung, auf den Hof und seine Regierungstätigkeit nahm und welche Bestimmungen ihm als Jagdherrn von Brandenburg-Preußen wichtig waren. Denn erst die Kenntnis über die Jagdleidenschaft des Königs als eines der hauptsächlichen Bestandteile seiner Persönlichkeit führt zu einem vollständigen Bild über Friedrich Wilhelm I..

 

Als Quellen stehen die Erinnerungen von David Fassmann und Carl Friedrich von Beneckendorf, die Briefe Friedrich Wilhelms I. an den Fürsten von Anhalt-Dessau, die Beschreibung eines Besuches am Hof des Königs von Prof. J. A. Freylinghausen, eine anonyme Biografie von 1741, Hofberichte und natürlich die offiziellen Ordnungen und Edikte des Königs zu Themen der Jagd zur Verfügung.

 

Die Quellen sind weitaus aufschlussreicher, als nach dem Forschungsstand anzunehmen wäre. Die beiden Mitglieder in Friedrich Wilhelms Tabakskollegium, Fassmann und Beneckendorf, berichten in ihren Erzählungen über den König ausführlich zu verschiedenen Ereignissen und Aspekten der Jagd. Es liegt dabei in der Natur der Erzählungen, dass die Berichte anekdoten- und bruchstückhaft sind. Dies hat sicher auch damit zu tun, dass Fassmann und Beneckendorf von Ereignissen berichten, die sie entweder selbst miterlebt haben oder nur vom Hörensagen kennen.

 

David Fassmann[20] hatte wegen der Umgangsformen, wegen der groben Art Friedrich Wilhelms und seiner Verachtung für alles Gelehrte den Berliner Hof schon 1731 verlassen. „Faßmann entkam mit Mühe der Gefahr, ein gelehrter Hofnarre zu werden“, schreibt Beneckendorf. „Er ging nach Leipzig, schrieb daselbst seine Totengespräche, die damals Lieblingslektüre wurden, und nebenher Friedrichs Wilhelms Leben, welches in den preußischen Staaten fiskalisch verbothen, oder wohl gar verbrannt ward, desto eifriger aber aufgesucht und gelesen wurde.“[21] So kommt Fassmann nicht umhin, in seiner Einleitung sich dafür zu entschuldigen, das Werk schon zu Lebzeiten Friedrich Wilhelms verfasst zu haben. Er führt viele andere Biografien auf, die schon zu Lebzeiten der Herrscher erschienen seien. „Ja wann er sich schuldig wüste, daß ein Wort aus seiner Feder geflossen, in der Absicht, diesen Großen Potentaten damit zu beleidigen, so würde er, herzlich gerne, einen solchen Frevel mit seinem Blute verbüssen und bezahlen“, versichert Fassmann.[22] Er begründet seine Arbeit damit, dass in den Ländern außerhalb Brandenburg-Preußens „recht seltsame Meynungen“ über das Preußen Friedrich Wilhelms verbreitet wären.[23]

 

Seine Einblicke in den Berliner und Potsdamer Hof sieht Fassmann dabei positiv: „Von rechtswegen solle die Historie grosser Herren und mächtiger Fürsten allemal ein solcher Mann schreiben, der bey Hofe, und in ihrem Lande wohl bekannt, sich darinnen und daselbst umgesehen, ja die Gnade hat selber um die höchste Person des Hn. zu seyn, oder daß er doch solche Gnade gehabt habe. (...) Mir meines Orts nun hat es vor etlichen Jahren an einiger Känntnis des Königl. Preußischen Hofes eben nicht gemangelt.“[24] Wilmont Haacke meint in der Neuen Deutschen Biografie, Fassmanns Werke hätten vor allem kulturhistorischen Wert. „Sie sind wie später Voltaires Porträts mit Anekdoten, eigenem Erleben und Informationen...

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