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Geborgen im Schatten deiner Flügel

Die wahre Geschichte eines jüdischen Mädchens, das auf der Suche nach seiner Mutter durch Hitlers Hölle ging.

AutorAnita Dittman, Jan Markell
VerlagGerth Medien
Erscheinungsjahr2018
Seitenanzahl256 Seiten
ISBN9783961223312
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis13,99 EUR
Deutschland, 1933: Die heile Welt der sechsjährigen Anita Dittman gerät aus den Fugen. Juden sind in Hitlers nationalsozialistischem Reich nicht länger erwünscht. Mit ihrer Mutter und Schwester wird sie Opfer der Judenverfolgung. In ihrer Schule wird Anita drangsaliert, ihr Vater lässt sie im Stich. Doch Mutter und Tochter setzen in dieser dunklen Zeit ihr ganzes Vertrauen auf Jesus Christus. Und sie erleben Wunder um Wunder, die kleine Hoffnungsschimmer auf ein Leben in Freiheit sind. Bis beide jäh auseinandergerissen werden: Unter den Tausenden Juden, die in das tschechische Konzentrationslager Theresienstadt deportiert werden, ist auch Anitas Mutter. Auf eigene Faust begibt Anita sich dorthin - mitten durchs Kriegsgebiet. Wird sie ihre Mutter finden? Dieses Buch erzählt die zutiefst bewegende Geschichte einer Holocaust-Überlebenden, die als junge Halbjüdin Hitlers Schreckensherrschaft ausgeliefert war.

Anita Dittman ist Jüdin und glaubt seit ihrem achten Lebensjahr an Jesus Christus. Von dem, was sie im Krieg erlebt hat, erzählt die 92-Jährige heute noch in vielen Kirchen und auf Veranstaltungen. Sie lebt im US-amerikanischen Bundesstaat Minnesota. Jan Markell ist Moderatorin, Schriftstellerin und Leiterin von 'Olive Tree Ministries', einer Nachrichtenagentur.

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Leseprobe

2.

RASSENSCHANDE

Im Frühjahr 1937 erblühte der Wald bei Breslau mit Farben und Düften. Jeden Morgen genoss ich die fast zwei Kilometer lange Strecke zur lutherischen Bethanien-Schule. Ich war mittlerweile zehn Jahre alt und in der fünften Klasse. Nur weil ich zuvor eine schwere Prüfung bestanden hatte, war ich überhaupt an dieser Schule aufgenommen worden. Hella war dort bereits Schülerin, deswegen mussten wir für mich und aufgrund meiner bestandenen Prüfung keinen zusätzlichen Beitrag zahlen. Vater hatte sich damals bereit erklärt, für Hellas Schulgeld aufzukommen. Für mich aber hätte er das nie getan. Er wäre damit zufrieden gewesen, hätte ich nach der Grundschule aufgehört. Daher hatte ich viel gebetet, Jesus möge mir helfen, die Aufnahmeprüfung ja zu bestehen.

Die Lehrerinnen an dieser Schule waren lutherische Diakonissen, die alle ganz wunderbar und sehr freundlich zu uns waren. Und da ich mich nun geliebt und nicht mehr bedroht und eingeschüchtert fühlte, wurde ich zu einer hervorragenden Schülerin, die alle überraschte, einschließlich Mutter und Hella.

An der Bethanien-Schule erklang weder die Nationalhymne noch wurde die rechte Hand zum Hitlergruß gereckt. Auch die Morgenandacht enthielt keinerlei Huldigungen gegenüber dem Führer. Man fand auch nirgends ein finster dreinblickendes Porträt von ihm und keins der Kinder gehörte der Hitlerjugend an. Für mich war diese Schule eine Oase in der Wüste des Antisemitismus, die es mir erlaubte, ein wenig mehr Selbstwertgefühl zu entwickeln und das Leben Jesu näher kennenzulernen.

Doch noch aufregender als die Bethanien-Schule war es, von der lutherischen St.-Barbara-Kirche in Breslau zu hören. Ihr Pastor, Ernst Hornig5, und seine Vikarin Katharina „Käte“ Staritz, waren besonders bemüht, jüdischen Gläubigen zu helfen. Sie versuchten auch, sie für ein Leben mit Jesus Christus zu gewinnen und ihnen zu helfen, Deutschland zu verlassen. Durch eine zum christlichen Glauben konvertierte jüdische Familie in unserem Haus hatten wir von dieser Kirche erfahren. Und selbst Mutter war einverstanden, diese Kirche einmal zu besuchen, da sie eine winzige Hoffnung auf Freiheit bot.

Um zur St.-Barbara-Kirche zu gelangen, die sich in einem ärmeren Viertel Breslaus befand, mussten wir eine lange Straßenbahnfahrt in Kauf nehmen. Doch die Aussicht auf ein wenig Freiheit lohnte jeden Aufwand und so machten sich Mutter, Hella und ich eines Sonntags auf den Weg. Und ich staunte über Gottes Güte, dass ich nach einer Woche in der Schule nun auch noch am Sonntag in der Kirche mehr über Jesus erfuhr.

Pastor Hornig war ein ergrauender Mann in den Vierzigern, der von seinem mageren Gehalt sechs Kinder ernähren musste. Jedes Mal, wenn er über die Juden sprach, traten ihm Tränen in die Augen. Dass seine Sicht der Dinge die meine bei Weitem überstieg, war mir als Kind natürlich nicht bewusst.

Mutter und Hella waren damit einverstanden, jede Woche zur Kirche zu gehen und mehr über Jesus zu erfahren. Vielleicht auch deswegen, weil meine Mutter die Kirche als Mittel zum Zweck sah, dass sie uns alle eines Tages außer Landes bringen würde. Wie dem auch sei, Jesus fand trotzdem Gelegenheit, ihr Leben zu berühren.

Pastor Hornig wurde für mich zum Ersatzvater. Wann immer ich ihm begegnete, sah er mich mit seinen sanften grauen Augen liebevoll an. Doch in seinen Augen erkannte man auch Furcht, denn er ahnte, dass seine Heimat in Blut baden würde. Dennoch sprach er auch über Hitler, dessen SS-Männer und die Gestapo mit Mitgefühl. Er hielt uns dazu an, dafür zu beten, dass Gottes Geist ihr Leben berühren möge.

Es dauerte nicht lange und in Zivil gekleidete Gestapo-Männer besuchten den Gottesdienst. Pastor Hornig wusste, wer sie waren. Wir hatten gehört, dass einer der führenden protestantischen Kirchenmänner Deutschlands eine Bewegung ins Leben gerufen hatte, um den christlichen Glauben mit der Naziideologie in Einklang zu bringen, auch den Antisemitismus. Er ging sogar so weit, das Alte Testament aufgrund seiner jüdischen Herkunft aus der christlichen Lehre auszuschließen. Pastor Hornig erklärte uns, diese neue Nazikirche sollte „Deutsche Christen“ heißen. Einige deutsche protestantische Pastoren schlossen sich ihr an, doch die meisten weigerten sich und formierten sich zur „Bekennenden Kirche“, die weiterhin die gesamte Bibel lehrte, einschließlich der frohen Botschaft von Jesus und der wichtigen Rolle des jüdischen Volkes im ewigen Plan Gottes. Die Bekennende Kirche weigerte sich auch, Hitlers Porträt auf dem Altar aufzustellen.

Mein Leben hatte eine Kehrtwendung erlebt und eine ganz neue Dimension bekommen: Ich fühlte mich von meinen Lehrerinnen, Klassenkameraden, Pastor Hornig und Vikar Staritz angenommen und geliebt; sogar mein geistlicher Hunger wurde gestillt. Und wir sahen einen Hoffnungsschimmer, denn wir spürten, Pastor Hornig würde einen Weg finden, der uns aus dem Albtraum entkommen ließe, der vor Nazideutschland lag.

„Vergiss nicht, auch über die kleinsten Bedürfnisse mit Jesus zu reden, Anita“, erinnerte mich Pastor Hornig eines Morgens nach dem Kirchgang. „Er ist nie zu beschäftigt, um dir zuzuhören. Er sorgt sich um all unsere Probleme, nicht nur um die großen.“

An diesem Tag schien die Mittagsonne besonders hell, und ich musste blinzeln, als ich zu Pastor Hornig aufsah.

„Ich rede mit Jesus, seit ich sechs Jahre alt bin, Herr Pastor“, erwiderte ich.

Mutter und Hella gingen ein Stück voraus, doch ich blieb zurück, denn ich liebte jede Sekunde, in der ich die Warmherzigkeit und Aufmerksamkeit dieses Mannes genießen konnte.

„Jesus ist mein bester Freund.“

„Aber ist er auch dein Erlöser, Anita?“, fragte Pastor Hornig, während er sich leicht zu mir herabbeugte und mir in die Augen sah. „Hast du ihn wirklich gebeten, in dein Leben zu kommen, um dein himmlischer Erlöser und dein Retter von deinen Sünden zu sein?“

„Ich weiß es nicht“, gab ich verlegen zu, sagte allerdings weiter mit voller Begeisterung: „Aber wenn nicht, dann möchte ich das tun.“

„Dann bitte ihn einfach darum, Anita. Es ist ganz einfach. Bitte Jesus heute darum, dein Retter zu sein. Morgen ist es vielleicht zu spät. Er hat allen, die ihn in ihr Leben aufnehmen, ewiges Leben versprochen. Dann wird er dich nie mehr verlassen oder aufgeben. Er wird immer dein Tröster und Beschützer sein, egal wie schlimm die Dinge werden. Denk daran, Anita, selbst wenn sich die Lage hier in Deutschland verschlimmert, wenn alles dunkel und unsicher ist und du dich ganz allein fühlst, ist er da. Wenn du Jesus im Herzen hast, wird er dich durch alles hindurchtragen.“

Mutter signalisierte mir, dass wir die Straßenbahn verpassen würden, wenn ich jetzt nicht kommen würde. Also verabschiedete ich mich von Pastor Hornig, den ich so lieb gewonnen hatte. Ich lief die Straße hinunter, sah mich aber noch mehrmals um. Pastor Hornig winkte mir nach – mit einem ganz besonderen Lächeln, von dem ich überzeugt war, dass es nur mir galt. Es war der glücklichste Tag meines jungen Lebens, denn auf dem Heimweg bat ich Jesus, auf neue und besondere Weise in mein Leben zu kommen. Und ich wusste, dass er es tat. Er war mir von da an näher als je zuvor. Und dass er nun immer bei mir sein würde, war mir sonnenklar.

Auf meinen bislang schönsten Tag im Leben folgte am nächsten wieder eine erschreckende Nachricht. Meine wundervollen Tage an der Bethanien-Schule schienen vor einem jähen Ende zu stehen. Wir hörten nämlich im Radio von den Planungen Hitlers, sämtliche Konfessionsschulen aufzuheben, da sie die Naziideologie außen vor ließen und auch Juden aufnahmen. Zwar wurde kein Datum für die Schließung genannt, aber es wurde erneut streng davor gewarnt, Juden in irgendeiner Weise zu helfen. Christen, die Juden halfen, liefen Gefahr, besondere Repressalien zu erleiden, darunter auch die Inhaftierung in einem Konzentrationslager.

An einem grauen Morgen im März 1938 riss mich plötzlich störendes Rauschen, das aus dem Radio dröhnte, aus dem Tiefschlaf. Dann erklärte der Sprecher mit überschwänglichen Lobesworten für den Führer, Österreich sei nun Teil des Deutschen Reiches. Hitler hatte immer den Wunsch gehegt, sein Heimatland dem Deutschen Reich hinzuzufügen, und so hatte er der Wehrmacht befohlen mit 65 000 Soldaten in Österreich einzumarschieren, um den „Anschluss“ zu vollziehen. Nun konnten etwa sieben Millionen weitere deutsche Bürger die Wehrmacht unterstützen.

„Deutschland wird sich bald im Krieg befinden“, sagte Mutter, während ich noch im Bett lag. Es war an diesem Morgen so kalt, dass ich am liebsten gar nicht aufgestanden wäre. Unser kleiner Kohleofen wärmte die Wohnung nur mäßig, zudem mussten wir mit unserem Vorrat sorgfältig haushalten, da wir kein Geld mehr für weitere Kohlen hatten.

Meine lutherische Schule war zum Glück noch immer nicht geschlossen worden, doch letztlich war das nur eine Frage der Zeit. Vielleicht war Hitler einfach zu sehr mit seinen Kriegsvorbereitungen beschäftigt, als dass er sich hätte um Schulen kümmern können, die Juden aufnahmen und diese freundlich behandelten – obwohl ihm das letztlich nicht ähnlich sah. Ich jedenfalls genoss es, mich jeden Tag in Gottes Güte zu sonnen. Ich mochte meine Lehrerinnen, die Kirche und Pastor Hornig.

Mutter wurde immer stiller. Sie schien zu spüren, dass wir unmittelbar in Gefahr waren. Natürlich hätte man sie leichtfertig als Schwarzmalerin bezeichnen können, doch sie war bei allem sehr realistisch und hatte meistens recht. Auch stellte ich an ihr...

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