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Gewalt an Schulen. Ein Beitrag zur Prävention im schulischen Kontext

ein Beitrag zur Prävention im schulischen Kontext

AutorVerena Starowiecki
VerlagGRIN Verlag
Erscheinungsjahr2005
Seitenanzahl162 Seiten
ISBN9783638424899
FormatPDF/ePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis23,99 EUR
Examensarbeit aus dem Jahr 2005 im Fachbereich Pädagogik - Pädagogische Soziologie, Note: 1,0, Pädagogische Hochschule Heidelberg, Veranstaltung: Zulassungsarbeit / erstes Staatsexamen, 65 Quellen im Literaturverzeichnis, Sprache: Deutsch, Abstract: Bereits im Alten Testament sind Aggression und Gewalt sowohl von den Menschen als auch von Gott ein Thema. Adam und Eva versündigen sich gegen Gott. Gott vertreibt diese daraufhin aus dem Paradies (vgl. Gen 3, 23-24) und wenig später erschlägt Kain seinen Bruder Abel (vgl. Gen 4, 8). Am deutlichsten wird der alttestamentarische, zornige und aggressive Gott, wenn er fordert: 'Auge um Auge, Zahn um Zahn' (Ex 21, 24). Nach DARWIN muss eine Art um ihr Überleben kämpfen, denn nur der Stärkere überlebt (vgl. 1963, S. 120). Um überleben zu können, ist natürlich Gewalt im Spiel. Es gilt, in der Konkurrenz zu bestehen und sich durchzusetzen. Dies hatte DARWIN damals in erster Linie auf die Tierwelt bezogen, doch diese Aussage ist durchaus auch auf den Menschen zu übertragen. Ein Blick auf die Literatur bestätigt das, wenn z. B. EIBL-EIBESFELDT konstatiert, dass sich Tiere einer Art sehr oft bekämpfen. Die Geschichte der Menschheit ist nach der Autorin eine Geschichte von Gewalttaten. Dieses aggressive Verhalten bestimmt auch die heutige Zeit. Gewiss bestehen kulturelle Unterschiede. Jedoch scheint die 'Aggressivität als Disposition zur Aggression vielmehr auf der ganzen Erde verbreitet', was diese aber keineswegs rechtfertigt. Gewalt ist demnach tief in den Instinkten des Menschen verwurzelt. Kriege ziehen sich durch die ganze Menschheitsgeschichte und galten lange Zeit 'als eine bloße Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln' (CLAUSEWITZ, 1963, S. 22). Doch im Gegensatz zu den Tieren hat der Mensch die Macht, sich gegen seine Instinkte und Triebe zu entscheiden. In der heutigen freien und aufgeklärten Gesellschaft besitzt der Staat deshalb ein alleiniges Gewaltmonopol, welches besagt, dass 'allein staatliches Handeln die Anwendung physischer Gewalt legitimieren kann' (WEBER, http, 21.11.2004). Die Anwendung physischer Gewalt ist also außer in Notwehrsituationen nicht erlaubt.

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Leseprobe

2.2 Verschiedene Arten


Aggression lässt sich auf verschiedene Arten systematisch klassifizieren. „Eine Systematik der Aggression kann äußerlich-formal und/oder mehr inhaltlich-motivational geschehen“ (SELG et al., 1997, S. 11). Zunächst sollen die äußerlich-formalen Unterteilungen näher erläutert werden. Die offene Aggression wird in verbale und körperliche getrennt (vgl. BUSS, 1961; in SELG et al., 1997, S. 11). Direkt körperliche Aggression führt meist zu Verletzungen und Schmerzen. Verbale Angriffe dagegen können genauso verletzend sein, werden von der Umwelt jedoch nicht so explizit wahrgenommen, da keine offensichtlichen Verletzungen zurückbleiben (z. B. blaue Flecken, Schwellungen oder Kratzer).

Die verdeckte Aggression kommt in Worten, Zeichnungen, vereinzelt auch in Mimik und Gestik zum Vorschein (vgl. SELG et al., 1997, S. 11-12). Eine weitere Unterteilung kann in die direkte und indirekte Aggression erfolgen. Die direkte Aggression ist unmittelbar gegen das Opfer gerichtet, während die indirekte Aggression meist auf das abwesende Opfer zielt (z. B. Verbreitung von Gerüchten oder Sachbeschädigung). SELG et al. beschreiben auch eine Unterteilung in direkte und verschobene Aggression. Bei der verschobenen Aggression kann sich zum einen ein Zuschlagen-wollen noch in ein Schimpfen verschieben, zum anderen kann das eigentliche Zielobjekt durch ein anderes ersetzt werden. Ein weiterer formaler Unterscheidungsfaktor sind Aggressionssubjekt und -objekt. Eine Aggression kann von einer Einzelperson oder von einer Gruppe ausgehen und sich gegen andere oder sich selbst richten (Autoaggression) (vgl. SELG et al., 1997, S. 12-13).

In einer Gruppe wird zwischen aktiver und passiver Aggression unterschieden. Ein aktiver Gewalttäter ergreift bei einer Tat die Initiative. Passiv sind die Gruppenmitglieder, die als „passive Gewalttäter, Mitläufer oder Gefolgsleute“ bezeichnet werden können, also jene, die bei einer Gewalttat durchaus mitwirken, aber nicht die Initiative ergreifen (vgl. OLWEUS, 1996, S. 44). Die

Gewalt bei Heranwachsenden - ein Beitrag zur Prävention im schulischen Kontext Mitläufer können unsicher und/oder ängstlich sein, müssen es aber nicht. Aktive Gewalttäter haben i. d. R. Freunde, die hinter ihnen stehen und sie mögen 3 (vgl. OLWEUS, 1996, S. 45).

Bei der inhaltlich-motivationalen Differenzierung werden vor allem zwei Grundtypen unterschieden: affektive und instrumentelle 4 Aggressionsformen. Die affektiven Aggressionsformen beinhalten in der Tat ein Aggressionsbedürfnis. Sie kommen aus Ärger und Wut zum Vorschein und finden ihre Befriedigung erst, wenn dem Opfer geschadet, Leid und Schmerz zugefügt wurde. Die instrumentellen Aggressionsformen entstehen aus einer Berechnung heraus. Sie sind auf ein Ziel wie Gewinn oder Anerkennung ausgerichtet. Es wird versucht, mit dem Instrument Aggression Aufgaben oder Probleme zu lösen. Schädigungen und Schmerzzufügung werden nicht direkt angestrebt, aber auch nicht unmittelbar übergangen. Schädigung und Schmerzzufügung sind Mittel zum Zweck. Sie finden ihre Befriedigung, wenn der Zweck erreicht wurde (vgl. SELG et al., 1997, S. 13-14; NOLTING, 2004, S. 148). Diese beiden Grundtypen treten in den folgenden Unterteilungen mehr oder weniger in reiner Form auf: Unmutsäußerung, Vergeltung, spontane Aggression, Abwehr- und Erlangungs-Aggression. Zwischen den Typen können auch Mischformen auftreten (vgl. NOLTING, 2004, S. 151). Innerhalb der affektiv-aggressiven Reaktionen gibt es die Unmutsäußerung und die Vergeltung. Die Unmutsäußerung ist reaktiv und wird nicht als eine Aggression im engeren Sinn angesehen. Der Affektausdruck gestaltet sich impulsiv, jedoch wenig zielgerichtet und ist nicht darauf aus, eine Person zu verletzen. Es ist vielmehr eine Selbstbekundung. Unmutsäußerungen können auch in Situationen erfolgen, in denen eine andere Person keine (große) Rolle spielt. Dass der Ausbruch anschließend oft gerne als ungeschehen abgetan werden würde, ist keine Seltenheit (vgl. NOLTING, 2004, S. 151-153). FÜRNTRATT schlägt vor, von einer „Pseudo-Aggression“ zu sprechen, da

3 OLWEUS weist in diesem Zusammenhang auf CAIRNS et al. (1988) hin.

4 siehe hierzu auch BUSS (1961) (vgl. SELG et al., 1997, S. 13-14)

Gewalt bei Heranwachsenden - ein Beitrag zur Prävention im schulischen Kontext die beabsichtigte Schädigung nicht gegeben ist (vgl. 1974; in NOLTING, 2004, S. 153). Von der Entwicklungspsychologie her gesehen entwickelt sich die ausgereifte Aggression aus der Unmutsäußerung, welche sozusagen die Urform darstellt. Dazu ist die Vergeltung zu zählen. Sie ist reaktiv und durch Provokation wie Ärger oder Hass motiviert. Der Ärger und die Wut richten sich gegen eine Person. Dem Verursacher wird i. d. R. eine inakzeptable Motivation, z. B. eine böse Absicht, mangelnde Rücksichtsnahme oder Unachtsamkeit unterstellt. Dem Provozierenden sollen Schmerzen und Schaden angetan werden. Diese gezielte Schmerzzufügung verschafft eine innere Befriedigung, wodurch das Selbstwertgefühl und/oder die Gerechtigkeit wieder hergestellt wird. Der Schmerz wirkt als Anreiz und nicht als Hemmung wie bei der instrumentellen Aggression. Bei der Vergeltung steht die Rache im Vordergrund, auch noch lange nach der provozierenden Handlung. Die reine Vergeltung ist intrinsisch motiviert und daran zu erkennen, dass der Schädigende keinen Nutzen verfolgt, sondern dagegen Nachteile und Selbstschädigungen akzeptiert (vgl. NOLTING, 2004, S. 153- 155).

Innerhalb der instrumentellen Aggression gibt es zwei weitere Formen: die Abwehr-Aggression und die Erlangungs-Aggression. Aggressives Verhalten, das zur Abwehr eingesetzt wird, ist in erster Linie primär nichtaggressiv motiviert. Das Hauptziel ist, den Schaden von sich abzuwenden bzw. Schutz. Als Mittel zum Zweck dient hier die Schmerzzufügung, die parallel mit Emotionen verbunden ist. Das Abwehren von Gefahr, Belästigung oder Störung ist eine Variante der Motivation. Je nachdem wie das Empfinden der aversiven Erfahrungen ist, wird zusätzlich zwischen einer ärgerlichen und einer angstvollen Abwehr unterschieden. Der aggressive Akt wird beendet, wenn das Ziel erreicht ist. Hier wird der Unterschied zur Vergeltung deutlich, die erst nach der Provokation einsetzt. Während die Abwehr-Aggression auf eine akute Bedrohung oder Belästigung agiert, reagiert die Vergeltung auf die Kränkung. Eine Aggressionsverminderung ist bei der Abwehr-Aggression durch den Verzicht auf bedrohendes oder belästigendes Verhalten, bei der

Gewalt bei Heranwachsenden - ein Beitrag zur Prävention im schulischen Kontext Vergeltung durch eine Entschuldigung gegeben (vgl. NOLTING, 2004, S. 156-158).

Die Erlangungs-Aggression ist aktiv und ebenfalls nichtaggressiv motiviert. Das Ziel besteht darin, durch aggressives Verhalten Vorteile zu erlangen. Als Mittel zum Zweck dient auch hier die Schmerzzufügung. Diese erfahren die Menschen, die als Gegner gesehen werden, in Form von kämpferischer oder kühler Aggression. Das Durchsetzen im Konflikt, das Erlangen von materiellem Gewinn oder Machtgewinn, außerdem von Beachtung und Anerkennung, sind Varianten der Motivation (vgl. NOLTING, 2004, S. 158-159). Die Neigungen mancher Menschen, „ohne erkennbaren Zweck und Anlaß Streitereien und gewalttätige Kämpfe zu suchen oder gar das aggressive Tun bis ins Grausame ‚auszugestalten’“ (NOLTING, 2004, S. 160), lässt sich nur schwer eingliedern und hat auch keinen allgemein verwendeten Begriff gefunden. NOLTING hat sich hier für die Bezeichnung „spontane Aggression“ entschieden 5 (vgl. 2004, S. 160). Die Literatur ist sich insofern einig, dass die spontane Aggression intrinsisch motiviert und sie nicht von außeraggressiven Zielen bestimmt wird. Der Unterschied zur intrinsischen Vergeltung besteht darin, dass die Aggression spontan entsteht. Die spontane Aggression ist aktiv. Emotionale Befriedigung wird erlangt, wenn einer anderen Person Schmerz zugefügt wird. Varianten sind hier Streit- und Kampflust sowie Sadismus. Motivation für eine solche Streit- und Kampflust bilden die Erhöhung des...

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