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Großreinemachen im Osten

Feindbilder in deutschen Feldpostbriefen im Zweiten Weltkrieg

AutorMichaela Kipp
VerlagCampus Verlag
Erscheinungsjahr2014
Seitenanzahl493 Seiten
ISBN9783593422688
FormatPDF
KopierschutzWasserzeichen/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis46,99 EUR
Warum beteiligten sich normale deutsche Männer an Kriegsverbrechen gegen die Bevölkerung der osteuropäischen Länder? Einblick in die Beweggründe der Wehrmachtsangehörigen bieten Briefe, die sie aus dem Krieg nach Hause schrieben. Gestützt auf eine qualitative Auswertung von ca. 7000 Feldpostbriefen untersucht Michaela Kipp das Denken der Protagonisten des Vernichtungskriegs und das Funktionieren der militärischen Apparate aus einer alltagsweltlichen Perspektive mit großer Nähe zu den »ordinary men«. Dabei zeigt sich, dass die Soldaten kaum auf ideologische Argumente rekurrierten, sondern eher damit beschäftigt waren, ihre Eindrücke im Einsatzgebiet dem eigenen Erfahrungshorizont anzuverwandeln. In diesem Zusammenhang entfaltete insbesondere das zivilisatorische Grundmotiv der »Reinlichkeit« eine mörderische Wirkung.

Michaela Kipp, Dr. phil., ist wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Universität Göttingen.

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Leseprobe
Dank

Die vorliegende Arbeit wurde von der Fakultät für Geschichtswissen-schaft, Philosophie und Theologie der Universität Bielefeld 2009 als Dissertation angenommen. Für die Drucklegung habe ich sie entsprechend überarbeitet und gekürzt. Meinem Doktorvater Heinz-Gerhard Haupt danke ich für sein unerschütterliches Vertrauen und dafür, dass er mir eine großartige Zeit am European University Institute in Florenz ermöglichte; Willibald Steinmetz für anschauliche Übungen im strategischen Denken und für sein sehr hilfreiches Zweitgutachten; Sven Oliver Müller für intensive und kundige Begleitung und nicht zuletzt für die Überlassung einiger hundert Feldpostbriefe; Frank Werner für das gemeinsame Nachdenken und Streiten; dem Evangelischen Studienwerk Villigst für die großzügige Gewährung eines Promotionsstipendiums und die fortgesetzte mentale Förderung auf allen Ebenen; Klaus Holz für seinen fachlichen Rat und die konstruktive Zusammenarbeit; Martin Humburg und Klaus Latzel für die sofortige Bereitschaft, ihre Expertise mit mir zu teilen; Andreas Ruppert (Landesarchiv NRW, Abteilung Ostwestfalen-Lippe) und Thomas Jander (Museum für Kommunikation, Berlin) stellvertretend für die vielen hilfsbereiten ArchivmitarbeiterInnen; Katja Kosubek für Briefkopien; der Geschwister Boehringer Ingelheim Stiftung für Geisteswissenschaften für die Gewährung eines Druckkostenzuschusses; Arnd Reitemeier, weil er mir als verständnisvoller Chef für die letzte Phase der Überarbeitung den Rücken freigehalten hat; sowie zahlreichen weiteren Gesprächspartnern und Unterstützern, die nicht alle persönlich genannt werden können. Eberhard Ortland danke ich für sein erfahrenes Lektorat - und für so viel anderes mehr, das hier nicht in Worte zu fassen ist. Danke.

Hildesheim, im Dezember 2013,Michaela Kipp

Einleitung: Schreiben im Krieg - sinnstiftende Aneignung von Wirklichkeit

'Das Schönste hier ist, daß alle Juden vor uns den Hut ausziehen. Wenn ein Jude uns schon von 100 m sieht, zieht er schon seinen Hut aus. Wenn er es nicht tut, dann bringen wir es ihm bei. Liebe Ellen, hier fühlst du dich als Soldat, denn hier haben wir das Wort', schreibt der Soldat Dieter S. am 17. Mai 1942 von der Ostfront an seine Frau. Der knappe Auszug aus diesem Brief wirft Fragen auf. Woher nimmt der Schreiber seine Überlegenheitsempfindung? Auf welcher Grundlage fühlt er sich im Recht, Gewalt anzuwenden, sobald er seine Machtansprüche nicht entsprechend respektiert sieht? Wieso beschreibt er das Soldatentum als sozialen Status, der Handlungsoptionen eröffnet, und nicht etwa im bindenden Verständnis einer allgemeinen Wehrpflicht? Warum erscheint die Diskriminierung als natürlich - ohne Erklärungsbedarf? Überhaupt: Was kann aus den wenigen Worten schon geschlossen werden? Einerseits sind sie nicht mehr als die subjektive Äußerung eines einzelnen Soldaten in einer bestimmten historischen Situation, doch zugleich auch ein Dokument kollektiver Vorstellungen der deutschen Gesellschaft im Nationalsozialismus. So oder ähnlich haben Millionen Deutscher sich geäußert. Die den Formulierungen zugrundeliegenden Deutungsmuster sind nicht nur in der Feldpost omnipräsent. Aus dem Spannungsverhältnis zwischen individuellen und kollektiven Komponenten erhalten Selbstzeugnisse ihren besonderen Wert. Sie können helfen, durch die Rekonstruktion der zentralen Koordinaten im geistigen Orientierungssystem ihrer Verfasser Rückschlüsse auf kulturell normiertes Vorwissen zu ermöglichen.

Diese kulturelle Matrix des Kriegshandelns offenbarte sich in alltäg-lichen Dingen. So wurden gesellschaftliche Überzeugungen, die aus den Wechselbeziehungen des Alltags - teilweise unter Aufnahme von Sprach-regelungen und Sichtweisen, die durch die propagandistisch instrumenta-lisierten Massenmedien verbreitet wurden - entstanden waren, in Selbst-zeugnisse direkt und unwillkürlich eingeschrieben. Feldpostbriefe, Kriegs-tagebücher und private Fotografien der Soldaten, aber auch Zensurakten geben Auskunft über das Bewusstsein der Deutschen im Zweiten Welt-krieg. Gegenüber der oft erst mit erheblichem zeitlichem Abstand und im Hinblick auf einen grundlegend anders sich verstehenden Adressatenkreis geschriebenen Erinnerungsliteratur zeichnen diese Quellen sich durch ihre Nähe zum Geschehen aus. Sie liegen auf der Blickhöhe der Akteure und sind kaum durch den Filter des Gedächtnisses gelaufen. Zensurakten do-kumentieren, wo die Grenzen des unter dem nationalsozialistischen Regi-me offen Kommunizierbaren verliefen, wie sie gegebenenfalls unterlaufen oder überschritten wurden und wann sich Wehrmachtssoldaten zu Formen der Kritik hinreißen ließen. Andere Egodokumente wie Kriegstagebücher einfacher Soldaten sind rar gesät. Im Medium der Feldpost hingegen hinterließ der Krieg massenhaft Spuren von Alltagskommunikation unter räumlich getrennten Vertrauten, die alle gesellschaftlichen Gruppen erfasste. Es wird geschätzt, dass die deutsche Feldpost im Zweiten Weltkrieg ca. 33 Milliarden Postsendungen beförderte. Auch wenn der größte Teil der Briefe nicht überliefert wurde, liegen heute Millionen davon in deutschen Archiven, unzählige weitere existieren noch in Privathaushalten. Auch als aussagekräftige Quelle zur Kriegsgeschichte sind Feldpostbriefe bereits mehrfach herangezogen worden; Sammlungen von Feldpostbriefen wurden verschiedentlich publiziert.

Die vorliegende Untersuchung wendet sich den Spuren, die die Solda-ten in ihren Briefen hinterlassen haben, zu, um daraus die psychosozialen Voraussetzungen massenhaften Gewalthandelns zu rekonstruieren. Das erscheint umso notwendiger, als die empirischen Fakten des Vernichtungskriegs eine deutliche Sprache sprechen: Bis heute ist für den Zweiten Weltkrieg kein einziger Fall nachgewiesen worden, in dem ein deutscher Soldat, Polizist oder SS-Mann seine Weigerung, auf Zivilisten zu schießen, mit dem Leben bezahlt hätte. Dagegen sind zahlreiche Beispiele dokumentiert, in denen sich Befehlsempfänger den Mordeinsätzen entzogen, ohne dafür gravierende Sanktionen in Kauf zu nehmen. Das von NS-Tätern nach 1945 strapazierte Argument des ?Befehlsnotstands? greift daher bei der Erklärung von Verbrechen gegen die Zivilbevölkerung zu kurz: Die Möglichkeiten, 'Befehle in Weltanschauungssachen' nicht zu befolgen, waren größer als von den Beteiligten im Nachhinein eingestanden. Der Nachweis von Handlungsspielräumen fordert die Frage nach den überindividuellen Motiven der Täter im Vernichtungskrieg heraus, die im Zentrum der vor-liegenden Untersuchung steht. Dabei ist der Fokus auf Soldaten der Wehrmacht gerichtet, die in Kooperation mit den Einsatzgruppen der SS die Massenvernichtungen von Juden, sogenannten ?Bolschewisten? und mutmaßlichen oder angeblichen Partisanen durchführten. Sie repräsentierten einen Querschnitt durch die männliche deutsche Bevölkerung: Als Wehrpflichtigenarmee hatte die Wehrmacht bis zum Mai 1945 rund 18 Millionen Männer, knapp ein Viertel der Gesamtbevölkerung, zum Kriegseinsatz herangezogen.

Die Tatsache, dass unterschiedliche Reaktionen auf verbrecherische Befehle möglich waren, aber die Ausnahme blieben, verweist auf gemeinsame Bedingungen des Gewalthandelns, die sich nicht in situativen und personenorientierten Faktoren erschöpfen. Wenn das Prinzip von Befehl und Gehorsam nicht den Generalschlüssel zur Erklärung der extrem hohen Gewaltbereitschaft liefern kann: Welche kollektiven Wahrnehmungs- und Deutungsmuster waren es dann, die entscheidend zur Brutalisierung des Krieges beigetragen haben? Welche alltäglichen Überzeugungen haben eine Entwicklung ermöglicht und erleichtert, die aus normalen Soldaten Massenmörder machte? Die Frage, unter welchen Voraussetzungen ?Normalität? in verbrecherische Gewalt umschlägt, ist von ungebrochener Relevanz: Sie trägt nicht nur zur Erklärung des NS-Vernichtungskrieges bei, sondern liefert auch darüber hinaus relevante Hinweise auf die Bedingungen menschlichen Gewalthandelns.

Erkenntnisleitende Hypothesen und Begrifflichkeit der Untersuchung

Die Hypothese, von der die vorliegende Untersuchung sich leiten lässt, besagt, dass es möglich ist, sich den kaum explizierten, 'verdeckten' Gründen für die Beteiligung durchschnittlicher Deutscher am Massenmord zu nähern durch die Entschlüsselung gemeinsamer Wahrnehmungs- und somit auch Handlungsbedingungen von Wehrmachtssoldaten. Dabei ist davon auszugehen, dass neben und vor der gezielt kalkulierten Wirkung nationalsozialistischer Ideologie und Propaganda, die bereits gut untersucht ist, gerade auch kulturell genormte, unreflektierte Alltagsüberzeugungen in diesem Zusammenhang eine nicht zu unterschätzende Rolle spielten. Zwischen privaten Motiven, fraglosen Selbstverständlichkeiten und Alltagsroutinen der Soldaten auf der einen Seite und den politischen, machtstrategischen Motiven der NS-Führung auf der anderen Seite muss es zumindest gewisse Überschneidungen gegeben haben, wenn abstrakte Ideologien im Alltag handlungsrelevant werden konnten. Ideologische Konzepte und Denkgebäude wurden für die ?kleinen Leute? erst plausibel, wenn sie im Raum ihrer persönlichen Erfahrung Sinn machten. Nur insoweit als sie an verbreitete Alltagsvorstellungen anschließen konnten, wurden politische Ideologien für das Gewalthandeln der Soldaten an der Front in konkreten Situationen handlungsrelevant.

Unter ?Alltagsvorstellungen? werden die meist wenig reflektierten oder gänzlich unbewussten Annahmen über das Sosein der Welt und der inner-weltlichen Gegebenheiten verstanden, mit deren Hilfe die sozialen Akteure ihren Zugriff auf die alltäglich sie umgebende und ihre Reaktionen herausfordernde Umwelt entwickeln. Um die einströmenden komplexen Umgebungsreize im Prozess der Wahrnehmung aufnehmen, sortieren und deuten zu können, ist es notwendig, diese in ein reduktionistisches Raster zur Orientierung im sozialen Raum einzupassen. Der Mensch wäre verloren und handlungsunfähig, besäße er nicht die Fähigkeit zur sinnstiftenden Vereinfachung seiner konkreten, oft widersprüchlichen Erfahrung, um daraus Weltbilder zu konstruieren, die den Anschein von Konsistenz erwekken und die Möglichkeit eröffnen, Lebensläufe darin zu verorten, Rollenvorstellungen zu entwickeln und das Verhalten der Anderen einzuschätzen, respektive das eigene Handeln darauf abzustimmen. Wenn solche welterschließenden Vorstellungen im Alltag auch typischerweise fraglos als gegeben angenommen werden, handelt es sich doch nicht um anthropologische Invarianten. In ihrer je spezifischen Ausprägung ergeben sich diese Alltagsvorstellungen vielmehr aus den Erfahrungen und Interaktionen der Menschen in der Gesellschaft, in der sie jeweils leben. So sind sie auf ihre soziale Konstruiertheit wie auf ihre jeweilige normative Funktion zu befragen.

Gerade den unspektakulär alltäglichen, durch Kinderstube, peer group und institutionalisierte Erziehung aufgenommenen und vielfach in eigener Erfahrung bewährten Annahmen über Sachverhalte und deren Wirkungs-zusammenhänge sollte im Rahmen einer Untersuchung lebensweltlicher Orientierungen besondere Aufmerksamkeit geschenkt werden, weil sie für die Akteure unmittelbare Evidenz produzieren und intuitiv hervorgebracht werden, mithin selbstverständliche Geltung beanspruchen. Die Alltagsvorstellungen umfassen damit den Bereich dessen, was im unkomplizierten Tisch-, Zaun- oder auch Stammtischgespräch ohne viel Umschweife als ?normal? oder ?natürlich? bezeichnet wird, weitgehend unabhängig von der sozialen Stellung, kognitiven Reflexionsfähigkeit oder dem allgemeinen Bildungsstand des Sprechers. Entscheidender sind die Funktionalität der Annahmen für die kulturelle Selbstversicherung der Akteure und ihr Grad der kollektiven Internalisierung.

Als lebensweltliche Überzeugungen über ?Normalität? fungieren Deu-tungsmuster und Ordnungskategorien, indem sie die vorgefundene Welt mit Sinn versehen, der intersubjektiv vermittelbar ist und seinerseits impli-zite Anforderungen an den Einzelnen als Teil der Gemeinschaft kommuniziert. Insofern besteht ihre soziale Funktion darin, den gemeinsamen Spielraum, in dem gesellschaftliches Handeln stattfindet, auszudrücken und zu bemessen. Problematisiert werden müssen allerdings zwei unvermeidbare, methodisch kontrolliert zu überwindende Bruchkanten des Untersuchungsdesigns. Für die hier interessierende Fragestellung wird auf schriftlich übermittelte Sprache zurückgegriffen, während etwas über die dahinter stehenden Denkmuster und die möglicherweise daraus resultierenden Gewalthandlungen ausgesagt werden soll. Nun ist Sprechen aber nicht gleich Denken, ebenso wenig, wie Sprechen jederzeit in adäquates Handeln umgesetzt werden muss oder das Handeln der Beteiligten notwendigerweise in Feldpostbriefen einen Niederschlag hinterlässt. Vieles wird von den Soldaten verschwiegen, manches chiffriert, wenig offen ausgesprochen, gerade wenn es um die Beobachtung von oder gar die Beteiligung an gewalttätigen Aktionen geht. Dennoch geben die Briefe ein nicht zu unterschätzendes Zeugnis von später totgeschwiegenen Gewaltzusammenhängen, weil die Soldaten sich vor ihren Angehörigen - meist indirekt - rechtfertigten und positionierten. Im kommunikativen Prozess konstituiert sich eine Wirklichkeit, die zwischenmenschlich anerkannt und subjektiv angeeignet wird. Insofern formt das gemeinsame Reden über die Welt die soziale Realität der historischen Akteure ebenso nachhaltig wie die vorgefundenen materiellen Bedingungen - die ihrerseits zwar ohne Interpretation wirkmächtig sein mögen, aber nur vermittels eines je eigenen Verständnisses von den Betroffenen handelnd ergriffen und gegebenenfalls beeinflusst werden können. Das Verhältnis von materieller und geistiger Welt wird daher als ein wechselseitiges verstanden.

Verfahren der historischen Diskursanalyse zeigen, wie das Denkbare vom Sagbaren abhängt, welches dann in einem weiteren Schritt das Mach-bare vorstrukturiert. Bereits aus der Perspektive der Zeitgenossen haben Victor Klemperer und Dolf Sternberger auf die besondere Bedeutung instrumentalisierter Sprache für das nationalsozialistische Herrschafts-system aufmerksam gemacht. Gerade weil die Besetzung sprachlichen Handelns so zentral für das Funktionieren dieses Herrschaftssystem war, empfiehlt sich im vorliegenden Zusammenhang ein diskursanalytischer Ansatz. Allerdings wird dabei nicht das ursprüngliche Projekt Foucaults verfolgt. Denn nicht nur das Wie, sondern auch das Warum sprachlicher Äußerungen soll, soweit möglich, erfragt werden, weil die Vorstellungen hinter den Diskursen interessieren. Der zugrundeliegende, weit geöffnete Diskursbegriff bezieht soziale Praktiken ein und beschränkt sich prinzipiell nicht auf den kleinen Kreis der Intellektuellen, sondern versucht, die Gesamtgesellschaft zu fassen. Zu beachten ist hierbei, dass die Wehrmachtssoldaten zwar einen repräsentativen Teil der Gesellschaft darstellten, der jedoch spätestens innerhalb der Kameradschaftsgruppen im Feld nach eigenen Regeln funktionierte.

Neuere Studien zur Gewaltsoziologie stützen die Perspektive auf Gewalt als ein nicht nur physisch erfahrbares, sondern zugleich diskursiv konstituiertes Phänomen, das durch sinngebende Vorstellungen ebenso wie durch konkrete Gewaltakte ermöglicht wird. Gewalt - egal ob körperlich, symbolisch oder institutionell vermittelt - wird im Rahmen der vorliegenden Untersuchung daher immer auch als ein Produkt kultureller Definitionsprozesse und sozialer Definitionsmacht verstanden, die an die Welt der körperlich spürbaren Tatsachen gekoppelt sind. So wird der Raum möglicher Gewalthandlungen durch das Spektrum des Kommunizierbaren strukturiert. Dieser methodische Ansatz darf nicht mit einer relativistischen Auflösung des Phänomens Gewalt verwechselt werden. Es geht darum, einen alternativen Rahmen für die Analyse von Gewalt als sozialer Praxis zu entwickeln. Obwohl sich Handeln nicht auf vorgängige Diskurse reduzieren lässt, kann die Bedeutung von kulturell geprägten Überzeugungen für individuelle Entscheidungen nicht geleugnet werden: Beide beeinflussen sich gegenseitig.

Das gleiche Grundprinzip kommt in Bezug auf die geschlechtlichen Rollenbilder der Soldaten zum Tragen. ?Männlichkeit? wird im Rahmen dieser Arbeit in erster Linie verstanden als ein sozialer Code in einem be-stimmten historischen Kontext, nicht zu verwechseln mit dem körper-lichen Geschlecht. Es wird nicht der Versuch unternommen, Männern eine prinzipiell höhere Gewaltdisposition als Frauen zu unterstellen; damit mögen sich Biologen und Anthropologen beschäftigen. Das Ziel ist viel-mehr die Rekonstruktion mentaler Strukturen unter dem ?Gender?-Aspekt, weil der Zusammenhang von Männlichkeitsmodellen und Enthemmung im Vernichtungskrieg interessiert. Der die Innenwelt mentaler Strukturen und die Außenwelt der materiellen Umstände integrierende Erklärungsansatz macht heterogene Einzelbeispiele in einem kohärenten Sinn lesbar, ohne den spezifischen historischen Kontext aus den Augen zu verlieren. Eine weitere analytische Vorentscheidung beim Umgang mit dem Phä-nomen Gewalt betrifft die Frage, wessen Sicht der Dinge eingenommen wird. Jenseits aller relativierenden Diskussionen um ?Grauzonen?- und ?Bystander?-Probleme kann hier aufgrund der Methodik und Quellenauswahl von einer 'Täterperspektive' gesprochen werden. Die Methode der Textinterpretation basiert auf der Annahme, dass sprachlich konstituierte Wahrnehmungsschemata das Verhältnis der Individuen zu ihrer Umwelt und zu sich selbst vor jeder individuellen Komponente bestimmen. Die Sprechweise und die verwendeten Begriffe geben also Denk- und Verhaltensmuster vor, die der persönlichen Entscheidung weitgehend entzogen sind. Damit stellen sie sozial konstituierte, dennoch objektive Gegebenheiten dar, die für eine Strukturanalyse von Gewalt und Täterdispositionen geeignet sind. Sowohl kulturell normierte Formen symbolischer Verständigung als auch historisch variable Semantiken gewinnen in diesem Kontext eine handlungsleitende Relevanz.

Das Aufschlüsseln unbewusster Mitteilungen in den brieflichen Formulierungen ermöglicht es, schlummernde soziale Wissensbestände aufzuspüren. Dazu dient eine Sprachanalyse, die nach Leitvokabeln, Schlag- und Schlüsselwörtern fragt, um zugrunde liegende Bewertungsschemata sichtbar zu machen. Die Inhaltsstrukturen der Texte werden nach expliziten und impliziten Aussagen zu den relevanten Themenbereichen durchleuchtet, etwa nach Formulierungen der Selbst- und Fremdwahrnehmung, der eingenommenen Distanz oder Nähe zum Geschehen, nach Feindbildern, Gewaltbeschreibungen, Legitimierungsstrategien oder auch Sinnstiftungen. Konkrete semantische Indikatoren sind dabei die Oppositionsbegriffe ?schmutzig?/?sauber? und ?geordnet?/?chaotisch? sowie mögliche Ableitungen davon, denn in der privaten Korrespondenz der Soldaten, die sich immer wieder gegen 'ekelhafte' Ostjuden, 'verlauste Russenweiber' und 'stinkende Räuberhöhlen' rhetorisch abgrenzten, spielt der Bedeutungskomplex der Reinlichkeit eine bemerkenswerte Rolle. Hier verdichtete sich das an ein positives Selbstbild gekoppelte negative Russlandbild der Wehr-machtssoldaten zu einem umfassenden Feindbild. Die Untersuchung der Spezifik von Ordnungs- und Sauberkeitsvorstellungen dient im Folgenden als eine Sonde, die es ermöglicht, das Denken der Protagonisten des Ver-nichtungskriegs und das Funktionieren der militärischen Apparate aus einer alltagsweltlichen Perspektive mit großer Nähe zu den ordinary men zu studieren.

Eine systematische Definition des interessierenden Deutungsmusters stellt allerdings eine Herausforderung dar, weil ?Ordnung? und ?Sauberkeit? mit den Gegenbegriffen ?Chaos? und ?Dreck? sowie die Qualifizierungen als ?ordentlich?, ?sauber? oder ?rein? über eine immense semantische Spannweite verfügen. Um nicht zu verstellen, welche spezifischen Ausprägungen diese Vorstellungen in den Soldatenbriefen annahmen, soll daher keine Vorabfestlegung vorgenommen werden. Einzig der physische Dreck und reale Seuchengefahren sind zu trennen von den moralischen Implikationen von Schmutz und Sauberkeit, den Formen höherer Reinheit oder auch der rhetorischen Überwindung von Dreck und Gewalt. Denn abhängig davon, ob die Verwendung metaphorisch oder konkret ist, ergeben sich andere Bedeutungsgehalte. Damit rücken auf der einen Seite übergeordnete Konzeptionen von ?Sauberkeit? und ?Ordnung?, auf der anderen Seite Alltagsphänomene mit den dazugehörigen Kulturtechniken des Reinigens, Aufräumens und Aussortierens in den Blick. Um, wo nötig, diesen Gesamtkomplex zu bezeichnen, wird auf den Begriff ?Reinlichkeit? zurückgegriffen, bei dem die bürgerlich-moralischen Implikationen von Wohlanständigkeit und Tugendhaftigkeit anklingen, wie Manuel Frey in anderem Zusammenhang zeigt. Die Fokussierung auf das Sauberkeitsdenken der Soldaten ist nicht als monokausaler Erklärungsansatz gedacht, sondern steht exemplarisch für die Bedeutung von Alltagsvorstellungen überhaupt, die als notwendiges Gegenüber politischer Ideologie verstanden werden. Mit ?Reinlichkeit? rückt ein zentrales Deutungsmuster in den Blick, dessen Potential groß genug schien, die Macht des Alltagsdenkens und der normativen Vorstellung davon, was ?normal? sei, abzubilden, wobei zu beachten ist, dass es wegen seiner großen Selbstverständlichkeit häufig im Verborgenen wirkt und sich einer Kontrolle weitgehend entzieht. Konkurrierende Deutungsmuster wie Kameradschaft und Pflichterfüllung sind in ihrer offenen Anschlussfähigkeit für weltanschauliche Vorgaben leichter analysierbar und in der Forschung längst bedacht worden. Hier aber soll gerade jenem spezifischen Verhältnis zwischen ideologischer Propaganda und diskretem gesellschaftlichen Vorwissen nachgegangen werden.

Neben dem zentralen Feld Reinlichkeit werden auch Äußerungen zu ideologisch einschlägigen Begriffen der NS-Propaganda gesammelt, um deren Relation zu den Alltagsvorstellungen zu erfassen. Dabei werden radikal nationalistische und antisemitische, rassistische, sozialdarwinistische und antikommunistische Äußerungen sowie Erwägungen zur 'Lebensraumerweiterung' als politisch-ideologische Elemente identifiziert. Dies dient nicht zuletzt als Korrektiv gegen die Gefahr einer einseitigen Überschätzung der Wirkmächtigkeit des ?Reinlichkeitsdenkens?. Gefragt wird nach einem analysierbaren Zusammenhang zwischen ideologischen Wirklichkeitsdeutungen im Sinne des NS, privaten Überzeugungen über das selbstverständlich Richtige und der gesteigerten Gewaltbereitschaft gegenüber dem ?Unnormalen?.

Wege der Täterforschung: Forschungsstand und Anknüpfungspunkte

Während der sogenannte Trickle-down-Effekt nationalsozialistischer Soziali-sation und Propaganda in der bisherigen Forschung ausführlich behandelt wurde - in Bezug auf die Reichweite zwar kontrovers diskutiert, doch spätestens seit Omer Bartovs Wehrmachtsstudie nicht mehr grundsätzlich bezweifelt -, steckt die analytische Suche nach den tieferliegenden gesellschaftlichen Ursachen für die hohe Beteiligung deutscher Soldaten an Kriegsverbrechen in osteuropäischen Einsatzgebieten noch in den Anfängen. Es sind zwar interessante Mikrostudien vorhanden, die akribisch versuchen, die situativen Handlungszwänge anhand einzelner Fallbeispiele zu rekonstruieren und individuelle Täterdispositionen herauszuarbeiten. Auch finden sich Bemühungen, soziale Makroprozesse aufzuzeigen und Strukturprobleme der deutschen Gesellschaft zu skizzieren, die das NS-Regime vorbereiteten. Aber die Beschäftigung mit kollektiven Vorstellungen, die mit politischer Ideologie nicht direkt verbunden waren und trotzdem eine Entgrenzung von Gewalt unterstützten, ist demgegenüber deutlich im Rückstand. Deutungsmuster wie Zivilisiertheit, Effizienz und Pflichterfüllung werden in der Regel als nationalsozialistische Sekundär-tugenden abgehandelt oder Phänomenen des weltanschaulichen Themen-kreises wie Kameradschaft und Nationalismus zugeschlagen, ohne ihre all-tagsweltliche Herkunft zu beachten.

Diese Forschungssituation mag einerseits dem Unbehagen geschuldet sein, einer kulturellen Prägung, der alle Deutschen - unabhängig davon, ob sie überzeugte Nationalsozialisten waren, ob sie zu Kriegsverbrechern wurden oder nicht - mehr oder weniger intensiv unterlagen, pauschal gewaltförderndes Potential beizumessen. Andererseits macht sich hier sicher auch die Tatsache bemerkbar, dass mentale Strukturen gegenüber institutionellen oder materiellen Zwängen generell schwerer zu erfassen (?Black-box-Problem?) und kaum mit ?harten? Daten zu beweisen sind. Trotzdem finden sich im bisher erschlossenen Quellenmaterial deutliche Anzeichen dafür, dass eine Radikalisierung alltäglicher Einstellungen - parallel zur Entgrenzung von Gewalt im Kriegsverlauf - stattgefunden hat. Das verlangt nach einer näheren mentalitätsgeschichtlichen Untersuchung.

Die Kardinalfrage 'Was hat normale Männer zu Massenmördern ge-macht?' motivierte bereits Christopher Browning und Daniel Jonah Gold-hagen, sich mit den mentalen Dispositionen deutscher Täter im Vernich-tungskrieg als Bedingung für die Durchführung des Holocaust zu beschäftigen. Aber beide Autoren liefern Antworten, die letztlich nicht befriedigen können. Goldhagens Theorie des 'eliminatorischen Antisemitismus' beseitigt vor allem eins: die Möglichkeit zur Differenzierung. Sowohl die Motivlage als auch die Ausprägung und die Funktion des Antisemitismus werden auf eine einzige Variante reduziert, obwohl Antisemitismus nicht automatisch mörderisch war und in Selbstzeugnissen eine eher untergeordnete Rolle spielte. Immerhin ist es Goldhagen zu verdanken, dass die Täter erneut in den Fokus der Forschung rückten. Brownings sozialpsychologischer Ansatz bietet demgegenüber zwar ein multikausales Erklärungsmodell, verlangt aber nach Historisierung: Browning unterschätzt den Einfluss zeitspezifischer Vorstellungen auf das Täterverhalten. Er lässt stets wirksamen Gruppenfaktoren den Vortritt vor den spezifischen historischen Mo-tivationskomplexen wie Nationalismus oder Antibolschewismus. Auch die viel diskutierten Arbeiten des Sozialpsychologen Harald Welzer konzen-trieren sich auf solche situativen Handlungszwänge. Der Sog geordneter Abläufe, Welzers zentrales Erklärungsmoment, bildet einen Anknüpfungspunkt für die vorliegende Untersuchung, während allerdings auch bei Welzer die Frage nach der Relevanz langfristiger Einstellungen unbeantwortet bleibt.

An der Entschlüsselung solcher Sinngebungen arbeitet seit den 1990er Jahren die kulturgeschichtlich informierte Forschung, die aber teilweise erst am Anfang steht: So blieb zum Beispiel der Gender-Aspekt in den meisten Arbeiten zur Täterforschung bisher weitgehend unberücksichtigt. Dabei stellt er einen kulturell normierten Vergemeinschaftungsfaktor ersten Ranges dar, der eng mit der sozialen Legitimierung von Macht und Gewaltausübung verknüpft ist. Zwar werden Männlichkeitsvorstellungen bei Browning implizit thematisiert, erhalten allerdings keinen eigenen Erklärungsrang, sondern werden unter die sozialpsychologischen Modelle subsumiert. Bei Goldhagen verschwinden sie hinter der Omnipotenz des Antisemitimus. Auch Bartov übersieht diese Erklärungsdimension und hebt ausschließlich auf die ideologische Durchdringung der Wehrmachts-soldaten ab. Anders stellt sich das bei zwei jüngeren Monographien über Kriegsheldentum und völkischen Antisemitismus dar: Im Gegensatz zu den erwähnten Standardwerken der Täterforschung thematisieren sie explizit die soziale Konstruktion der Geschlechter in Beziehung zu ihrem jeweiligen Untersuchungsgegenstand, verzichten aber auf eine Rückkopplung der Ergebnisse an die manifeste Handlungsstruktur - die soziale Praxis von Krieg und Gewalt. Das entspricht der Tendenz, die mentalitätsgeschichtliche Studien bislang vielfach gekennzeichnet hat: es bei der bloßen Beschreibung von Vorstellungen, Verhaltensdispositionen und Gefühlszuständen zu belassen. Auch Klaus Theweleits psychoanalytisch orientierte Studie über faschistische Männlichkeitsbilder in deutscher Freikorpsliteratur ist hier problematisch, weil in ihr Phantasie und Tat, Erfahrung und Wunsch eins sind. Als Literaturwissenschaftler begreift Theweleit das Schreiben selbst als destruktiven Akt; insofern stellt sich ihm die Frage nach der Handlungsrelevanz nicht. Trotzdem bleibt seine Studie wegweisend für die Geschichte soldatischer Männlichkeit. Frank Werner will - ebenfalls gestützt auf Feldpost-Untersuchungen - an dieser Stelle weiter gehen und in der Verbindung von rassistischen Feinbildern und NS-Männerideal den Schlüssel für die Beteiligung gewöhnlicher Soldaten am Genozid suchen.

Feldpostbriefe als Quelle für das gesellschaftliche Vorwissen wurden durch die bisherige Forschung vielfach ohne Anspruch auf Repräsentativität mit rein illustrativer Funktion zitiert. Eine Ausnahme bilden die in vielerlei Hinsicht wegweisenden Feldpost-Studien von Klaus Latzel und Martin Humburg sowie die kulturgeschichtlich ambitionierten Beiträge zum Thema Kameradschaft von Thomas Kühne. Deren zentrale Einsicht, dass die Soldaten in Einklang mit den zentralen Normen des Dritten Reichs standen, ging über die Militärgeschichtsschreibung 'von unten' der letzten zwanzig Jahre weit hinaus, die das alltägliche Erleben und Leid der Menschen in den Vordergrund stellte. Latzel interpretierte dieses Ergebnis als 'Teilidentität der Motive' von Soldaten und Nationalsozialismus, während Kühne die Integrationswirkung der Kameradschaft hervorhob. Allerdings bleiben die Arbeiten bei der Rekonstruktion von kollektiven Deutungsmustern stehen, ohne die Frage nach ihrer Auswirkung auf die Gewaltbereitschaft explizit zu stellen und damit die Handlungsrelevanz mentaler Strukturen in den Blick zu nehmen.

Diesen Schritt versucht die vorliegende Studie zu gehen. Sie schließt dabei an mehrere Forschungsstränge zugleich an: Einerseits an die Militär-geschichte, die sich mit dem Aufbau der Wehrmacht, der Entwicklung ihrer Kriegsführung im Zweiten Weltkrieg, den Befehlen und der mentalen Verfassung der Soldaten befasst. Dazu gehören die grundlegenden Wehrmachtsstudien von Wette oder Förster und die neuerdings zahlreichen Untersuchungen zu den osteuropäischen Kriegsschauplätzen ebenso wie die bereits erwähnte Feldpostforschung und einige kommentierte Quelleneditionen. Mit Hilfe dieser Literatur ist es möglich, die grundsätzlichen Bedingungen der Kriegserfahrung von Wehrmachtssoldaten im Zweiten Weltkrieg zu erfassen. Allerdings zielen sie, wie die bereits erwähnten Studien, nicht auf den Kern der Täterfrage. Oliver Müllers Rekonstruktion des nationalistischen Feindbilds in Feldpostbriefen und dessen Wirkung im Vernichtungskrieg stößt in diese Lücke, ordnet allerdings die Spezifika der soldatischen Reinlichkeitsvorstellungen dem Großprojekt Nationalismus unter.

Blick ins Buch
Inhaltsverzeichnis
Inhalt6
Dank10
Einleitung: Schreiben im Krieg – sinnstiftende Aneignung von Wirklichkeit12
Teil I – Die Sauberkeits- und Ordnungsdiskurse in Feldpostbriefen aus dem Osteinsatz46
1. Die zwiespältige Rolle der Hygiene48
Die soziale Konstitution von ›Schmutz‹ und ›Sauberkeit‹48
Hygienische Gefahren und rassistische Feindbilder51
Sauberkeit als ›kulturelle Matrix‹ des Nationalsozialismus62
Schreiben über Hygiene: Ventil für Verzweiflung und kulturelles Bindemittel71
Standortgebundenheit der Wertmaßstäbe74
2. Drei Fallbeispiele: Einfache Soldaten über den ›schmutzigen Osten‹78
Forschungskontroverse: Grausamkeitsbereitschaft oder Gleichgültigkeit?78
›Sauberkeit‹ als Aufhänger einer vergleichenden Analyse84
Entwicklung der Einstellungen zur Gewalt während des Einsatzes100
Unterschiedliche Wahrnehmungsweisen vom Krieg im Osten110
3. Ordnungswille, Kriegschaos und die Dimension der Angst113
Bedürfnis nach Übersichtlichkeit und Kontrolle113
Soldatische Erfahrungen: Unordnung im Ostfeldzug120
Soldatenängste: Schlachtgetümmel und Körpervermischung128
Der Status von Ordnungssicherheit im NS-Staat132
Instrumentalisierung der Angst: Krieg gegen das Chaos136
Handlungsabsicht der Besatzer: Ordnung herstellen140
Legitimation von Sondereinsätzen: Außerordentliche Gegner146
4. Ein General berichtet seiner Familie: »Besatzungsmacht schafft Ordnung«148
Biographische Prägung: Ostpreußisch-protestantischer Militarismus149
Gotthard Heinricis Utopie einer Verbesserung des Ostens152
Schlechte Erfahrungen mit der neuen Art der Kriegsführung169
Motiv: Koloniale Kulturmission im unterentwickelten Osten177
Teil II – Gesellschaftlicher Kontext: Radikalisierung des Sagbaren im Nationalsozialismus182
1. Darstellung des ›sauberen‹ Kriegs unter Benutzung von Feldpost184
Stiftung gemeinsamer Kriegsdeutungen im Dritten Reich184
Der ›Krieg im Osten‹ in den Massenmedien186
Instrumentalisierung soldatischer Zeugnisse vom Kriegsgeschehen200
Briefe als Propagandamittel: Flugblätter und Frontzeitschriften216
2. Antwortbriefe von Ehefrauen, Kindern und Müttern als Resonanzraum der Feldpost220
Einfühlung in soldatische Perspektiven in den Antwortbriefen223
Klischees vom Osten: Gemeinsame Perspektive auf den Feind235
Grenzen des Sagbaren: Ehepaar Ernst und Irene Guicking239
Kinderbriefe: Bindeglied und Selbstbestätigung für die Eltern243
Stille Teilhabe247
3. Wurzeln des Ordnungs- und Sauberkeitsdenkens im Ersten Weltkrieg251
In Feldpost vorherrschend: Nationalsozialistische Weltkriegsdeutung254
Noch moderat: Der Osten in der Feldpost des Ersten Weltkriegs261
›Turning point‹ 1918: Enttäuschung im Osten270
4. Reinlichkeitsvorstellungen und die Wirkung von Geschlechternormen273
Reinheit als Gegenentwurf zum Soldatischen275
Männlichkeit, Emotionalität und (Besatzungs-)Ordnung278
Geschlechtliche Codierung des Politischen: ›weibliches Chaos‹285
Besatzungstechniken: Zerstörung von Geschlechtsidentität288
Männlichkeiten, Weiblichkeiten und das Deutungsmuster Reinlichkeit296
5. Identifikationsmuster: National, schichtspezifisch, religiös?300
Ordnung und Sauberkeit als deutsche Tugenden300
Verschiedene Gebrauchsweisen des Deutungsmusters in Feldpostbriefen306
Ambivalente Rolle der Religion321
Anverwandlungen: Radikalisierung der Topoi im Nationalsozialismus331
Teil III – Gewaltpraxis im Vernichtungskrieg: Radikalisierung des Machbaren am Einsatzort336
1. Truppenschulung, Befehle und Appelle: Aktualisierung der Reinheitsnorm338
Positive Kampfmotivation durch das Ordnungsphantasma338
Reinlichkeitsnormen auf dem Prüfstand – Soldatische Sexualität342
Wehrmachtspropaganda: Antisemitismus als Dienstpflicht350
PR-Kampagne: Feindbildaktualisierung auf dem Vormarsch354
Befehlssituation: Zwischen Zugzwang und Ermächtigung360
2. Einübung der Gewalt: Praxisbeispiele für die Wirksamkeit der Sprachmuster373
Sprachübertragung: Insektenvernichtung im Vernichtungskrieg374
Partisanenkampf und Judenvernichtung im Kriegsgeschehen376
Vorläufer des Vernichtungskriegs: Der Polenfeldzug387
Die Bedeutung von Kampfzonen und -phasen395
Zur falschen Zeit am falschen Ort403
Seuchenbekämpfung im Besatzungsgebiet409
Theorie und Praxis der Heeresentseuchung422
Ausblick428
Überprüfung des deutschen Autostereotyps durch den Blick von der anderen Seite430
Die Forschungsperspektive in Raum und Zeit erweitern430
Den Spieß herumdrehen: ›Russen‹ sehen Deutsche434
Fazit: Der Reinlichkeitsdiskurs als funktionaler Bestandteil der Kriegsführungsmaschinerie450
Mythenbildung kompakt: Vor- und Nachlauf zum »Großreinemachen im Osten«455
Quellen und Literatur464
Archivalien464
Bibliografie470

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Als Peter Scholl-Latour in einer Kolumne den 'Steinzeit-Islam' der Taliban anklagte und die CIA beschuldigte, diesen menschenverachtenden 'Horden' die Herrschaft über Afghanistan zugesprochen zu…

Der Fluch des neuen Jahrtausends

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Drei Mal Stunde Null?

E-Book Drei Mal Stunde Null?
1949 - 1969 - 1989 Format: ePUB/PDF

1949 entstanden aus dem Deutschen Reich zwei Republiken. Der tiefste Einschnitt in unserer Geschichte führte uns hart an eine Stunde Null. Für vier Jahrzehnte war die Teilung Deutschlands und Europas…

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Der Gral

E-Book Der Gral
Mythos und Literatur (Reclam Literaturstudium) Format: PDF

Der Gral ist der faszinierendste, fruchtbarste der aus dem Mittelalter überkommenen Mythen. Sein Ursprung verliert sich im Dunkel der keltischen Vorzeit, was folgte, war eine jahrhundertlange…

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