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Herzogin Anna Amalia von Sachsen-Weimar (1739-1807)

Reflexionen zum Mythos einer Regentin

AutorMaria Moeßner
VerlagGRIN Verlag
Erscheinungsjahr2009
Seitenanzahl63 Seiten
ISBN9783640250479
FormatPDF/ePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis11,99 EUR
Examensarbeit aus dem Jahr 2008 im Fachbereich Geschichte Europa - and. Länder - Neuzeit, Absolutismus, Industrialisierung, Note: 1-2, Universität Leipzig, 59 Quellen im Literaturverzeichnis, Sprache: Deutsch, Abstract: Joachim BERGER beschreibt Anna Amalia in seinem Epilog als eine von vielen Herzoginnen im Alten Reich des 18. Jahrhunderts, ihre Leistungen seien nicht 'bedeutsamer' als die einer anderen Herzogin - das dynastische Denken der Herzogin bleibt uns fremd . Er bezeichnet sie als eine in allen ihren Facetten faszinierende Standesperson aus der Spätphase des Ancien Régime . BERGER ist in diesem Punkt uneingeschränkt zuzustimmen, denn der Braunschweiger Herzogin gelang es, sich durch ihre Hochzeit mit Ernst August II. Constantin im Jahr 1756, aber auch durch ihre eigene vormundschaftliche Regentschaft im Herzogtum Sachsen-Weimar zu etablieren und zu repräsentieren. Anna Amalia erhielt in ihrer Jugend eine fundierte Ausbildung zu einer Fürstentochter und wurde auf ihre zukünftigen Aufgaben am Hof vorbereitet: 'Meine Erziehung zielte auf nichts weniger, als mich zu eine(r) Regentin zu bilden. Sie war, wie alle Fürstenkinder erzogen werden. [...]' . Als ihr Ehemann Ernst August II. Constantin bereits zwei Jahre nach der Hochzeit starb, musste Anna Amalia nun die vormundschaftliche Regentschaft für ihren minderjährigen Sohn Carl August übernehmen und die Regierungsgeschäfte führen. Bereits nach ihrer Hochzeit hatte Anna Amalia den Titel 'regierende Herzogin' erhalten, aber bis zum Tod des Herzogs keinen politischen Einfluss gehabt. Nun wurde von der Regentin die 'Bildung eines ideell und administrativ einheitlichen Staatswesens' erwartet. Das Testament Ernst August II. Constantins legte fest, dass die Herzogin bezüglich des Weimarer Staates zu bewahren und zu konsolidieren hatte . Doch Anna Amalia fühlte sich zunächst überfordert mit der alleinigen Regentschaft: 'Die schnellen Veränderungen, welche Schlag auf Schlag kamen, machten einen solchen Tumult in meiner Seele, dass ich nicht zu mir selber komen konnte. [...] Ich fühlte meine Untüchtigkeit, und dennoch musste ich alles in mir selber finden. Wenn man die Gefahr vor Augen sieht oder der Mensch viele leiden hat, so nimmt er seine Zuflucht zum Gebeht. [...] In denen Jahren, wo sonst alles blühtet, war bei mir nur Nebel und Finsternis.' . Die Regentin erhielt daraufhin durch den braunschweigischen Vizekanzler Georg Septimus von Praun indirekte Unterstützung von ihrem Vater Karl I. von Braunschweig-Wolfenbüttel.

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Leseprobe

2. Die Person Anna Amalia von Sachsen-Weimar

 

Die braunschweigische Prinzessin Anna Amalia wurde als zweitälteste Tochter Herzog Karls I. von Braunschweig-Lüneburg und der Prinzessin von Preußen und Schwester Friedrichs II., Philippine Charlotte am 24. Oktober 1739 im Schloss zu Wolfenbüttel geboren[21]. Nachdem die Herzogin ihre Jugend zum größten Teil in Braunschweig verbrachte, wurde sie im Jahr 1756 mit Ernst August II. Constantin zu Sachsen-Weimar verheiratet, ein Schritt, der ihr ganzes zukünftiges Leben bestimmen und ihre Persönlichkeit prägen sollte.

 

2.1 Herkunft – Das Haus Braunschweig-Wolfenbüttel

 

Karl I. war seit 1735 der regierende Herzog Braunschweig-Wolfenbüttels und lehnte das mit 70 Quadratmeilen eher kleine und stark zersplitterte Fürstentum seitdem außenpolitisch eng an Preußen an[22]. Die wichtige Beziehung zu Preußen wurde mehrfach befestigt: zum einen durch die eigene Heirat Karls I. mit Philippine Charlotte, zum anderen durch die Ehe seiner Schwester Elisabeth Christine von Braunschweig mit Friedrich II. von Preußen und schließlich durch die Verbindung seiner Schwester Luise Amalie mit dem Preußenprinzen August Wilhelm[23].

 

Karl I. bemühte sich, die Staatsverschuldung in seinem Fürstentum, welche hauptsächlich durch eine übergroße Armee verursacht wurde, im Sinne des Merkantilismus durch die Ansiedlung von Unternehmen, Etablierung von Manufakturen und die Vereinheitlichung des Steuerwesens einzudämmen[24]. Jedoch konnten die Schulden erst unter Karl Wilhelm Ferdinand von Braunschweig, welcher von 1780 bis 1806 regierte, mit Hilfe englischer Subsidien endgültig beseitigt werden.

 

Das Fürstentum Braunschweig-Wolfenbüttel wurde im 18. Jahrhundert das Zentrum der nordwestdeutschen Aufklärung, so lehrten unter anderen die Professoren Johann Friedrich Wilhelm Jerusalem, Johann Joachim Eschenburg, Karl Christian Gaertner, Justus Friedrich Wilhelm Zachariae und Johann Arnold Ebert am Collegium Carolinum in Braunschweig. Jerusalem und Ebert waren zudem als Lehrer der späteren Herzogin Anna Amalia tätig.

 

Heinrich Wall schreibt in seiner Dissertation über „Die Entwicklung der deutschen Dichtung im 18. Jahrhundert und die Männer des Braunschweiger Kreises“[25] und führt die wichtigsten, wenn auch nur die gedruckten Quellenschriften und die Forschungsliteratur zur Interpretation des Verhältnisses des Abtes Johann Friedrich Willhelm Jerusalem zu Anna Amalia auf. Seit Wall gibt es keine weitere Schrift, die noch einmal die Frage nach dem Einfluss des Abtes auf Anna Amalia im Zusammenhang der Beziehungen des Braunschweiger Hofes auch zu Weimar thematisiert hätte[26]. Die Quellen stellen nur eine dürftige Überlieferung der Zeugnisse über die Beziehung Anna Amalias zum Abt Jerusalem dar, so existiert kein überlieferter Briefwechsel zwischen Anna Amalia und Jerusalem – mögliche Briefe sind entweder verloren gegangen oder mit weiteren Familienpapieren des herzoglichen Hauses beim Brand des Schlosses zu Braunschweig im Jahr 1830 vernichtet worden[27]. Nur zwei überlieferte Briefe vom 6. Februar 1772 und vom 9. März 1772 des Abtes an Anna Amalia befinden sich im Staatsarchiv Weimar, und wurden bereits 1901 von Carl Schüddekopf im Braunschweigischen Magazin veröffentlicht[28]. Diese Briefe gelten seither als die zentralen Belege für den erzieherisch-beratenden Einfluss Jerusalems auf Anna Amalia[29]. Jedoch zweifelt Gotthardt Frühsorge „ein enges, im kontinuierlichen beratenden Austausch begründetes Vertrauensverhältnis zwischen dem Braunschweiger Prinzenerzieher und der Herzogin nach ihrem Weggang“ an[30].

 

Johann Friedrich Willhelm Jerusalem (1709-1789) wird als ein „Mann des Überganges, an der Wende zweier Epochen“ bezeichnet[31]. Er tritt im Juni 1742 in den Dienst des braunschweigischen Herzogs Karl I., wird zunächst als Erzieher des Erbprinzen Karl Wilhelm Ferdinand verpflichtet und zudem mit verschiedenen Aufgaben zum Predigtamt berufen. Neue Quellenbefunde lassen die Funktion des „Gelehrten als Hofmann“[32] deutlich hervortreten. Jerusalem übernahm seitdem auch die Erziehung Anna Amalias, noch vor ihrem dritten Lebensjahr[33]. In den von ihm jährlich verfassten Berichten an Herzog Karl I.[34] wird deutlich, dass der Unterricht der Fürstenkinder nicht nur aus einer schematischen Wissensvermittlung bestand, sondern individuell und situativ angepasst wurde. „Das Ziel dieser Erziehung war, ganz im Sinne einer aufgeklärten Pädagogik, die Vorbereitung auf die Pflichten des Erwachsenenlebens durch die Entwicklung und Förderung der jeweiligen Möglichkeiten des Kindes.“[35].

 

Ein genauer Stundenplan für Anna Amalia ist nicht überliefert, sie wurde aber im Lesen, Schreiben, Rechnen, in Religion, Geographie und Latein unterrichtet, zudem in englischer und deutscher Sprache, Geschichte, Naturwissenschaften und Mathematik sowie in Zeichnen, Tanzen, Instrumenten- und Kompositionslehre[36].

 

Über die ersten zehn Lebensjahre der Prinzessin ist nicht viel mehr bekannt, da aus dieser Zeit nur sehr wenige Quellen erhalten sind[37]. Ab 1748 wurde Anna Amalia gemeinsam mit ihrer zwei Jahre älteren Schwester Sophie Caroline Marie unterrichtet[38]. Im Oktober 1748 wurden die Prinzessinnen dem neuen Wolfenbütteler Hofkaplan Matthias Theodor Christoph Mittelstaedt[39] anvertraut. Einen eigens besoldeten Lehrer für die Prinzessinnen konnte oder wollte sich das herzogliche Haus nicht leisten. Die Funktion des Oberaufsehers über die Erziehung der Prinzessinnen übernahmen keine adligen Hofmeister, wie allgemein üblich, sondern diese Funktion wurde von den Gouvernanten übernommen[40]. Mittelstaedt löste den Abt Jerusalem vor allem in der religiösen Unterweisung ab, die in der Prinzessinnenerziehung traditionell den höchsten Rang einnahm[41]. Ab dem Jahr 1748 erhielt Anna Amalia zudem Klavierunterricht vom Kapellisten und Kammermusikus J. Gottfried L. Schwanenberger[42].

 

Im Jahr 1754 berichtete der Abt Jerusalem über Anna Amalia: „Glauben Sie aber jetzt nicht, dass ich Ihnen dieserwegen Recht gebe, Ihre Schwester Amélie ihr nachzusetzen. Sie müssen wissen, dass diese von ihrem 2en Jahre an meine heroine gewesen ist. Sie sollen auch Ihren caracter kennen. Sie hat die brillante Lebhaftigkeit nicht, aber eben den soliden Verstand, die feine Empfindung, das edele Hertz. [...] Sie wird daher vielleicht nie von allen gekannt werden, den sie wird auch ihre Wolthaten verbergen, aber denen, die das Glück haben ihr nahe zu seyn, wird sie allemal unendlich schätzbar seyn.[...][43]. Diese Beschreibung klingt zunächst positiv, vergleicht man sie jedoch mit der älteren Schwester Sophie Caroline Marie, so wird deutlich, dass diese die eigentlich favorisierte Schülerin des Abtes Jerusalem war, da sie in allen höfischen Verhaltensweisen brillierte, während Anna Amalia wesentlich unsicherer und zurückhaltender war[44].

 

Anna Amalias Vater, Herzog Karl I., wohnte dem Unterricht nicht bei, ihre Mutter Philippine Charlotte hingegen kontrollierte zumindest den Tanzunterricht[45]. Daneben nahmen die Kinder einmal am Tag eine gemeinsame Mahlzeit mit der Mutter ein, eine Sitte, die auch Anna Amalia später als Mutter weiterführen sollte[46]. Karl I. verabschiedete im Jahr 1748 lediglich einen von Jerusalem entworfenen Unterrichtsplan[47] als verbindliche Vorgabe[48].

 

Aus der Kindheit der späteren Herzogin sind zwei von Anna Amalia eigenhändig verfasste Dokumente überliefert. Aus dem Jahr 1746 existiert im Niedersächsischen Staatsarchiv Wolfenbüttel ein Brief an ihren Vater in französischer Sprache[49]. Dieser Brief ist eine Rechtfertigung für mangelhafte Lernerfolge und gleichzeitig eine Versicherung ihrer kindlichen Liebe: Sie liebe den Vater nicht weniger als ihre Geschwister, auch wenn ihre Leistungen mit denen derselben noch nicht Schritt halten können. Der zweite Brief vom 1. August 1748 ist ein Glückwunschschreiben der neunjährigen Prinzessin zum Geburtstag ihres Vaters[50]: „Mon très chèr Papa. Je ne puis vous présenter les prémices de ma plume dans un tems plus favorable, qu’en vous rendant les justes devoirs digne de l’honneur que j’ai d’être un très profond respect, Mon très chèr Papa,[…].[51].

 

Die wenigen vorhandenen Quellen zu Anna Amalias Kindheit und Jugendzeit lassen nur ein unvollständiges Bild von der Herzogin entstehen. Sie deuten jedoch nicht auf eine außergewöhnliche und dramatische Jugend hin, wie dies überwiegend in der älteren biographischen Literatur als Tatsache berichtet wird[52].

 

Am 28. Dezember 1754 wurde Anna Amalia in der Schlosskirche zu Wolfenbüttel von Mittelstaedt[53] konfirmiert und tat damit einen wichtigen Schritt in die Mündigkeit[54].

 

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