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E-Book

Johann Gottlieb Naumann

Der Dresdner Amadeus

AutorRomy Petrick
VerlagDonatus Verlag
Erscheinungsjahr2017
Seitenanzahl212 Seiten
ISBN9783946710103
FormatePUB
KopierschutzDRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis18,99 EUR
Der Komponist Johann Gottlieb Naumann (1741-1801) ist heute weitgehend unbekannt, obwohl der gebürtige Dresdner zu Lebzeiten in Europa gefeiert wurde. Reisen führten ihn nach Italien, Schweden und Dänemark. Dort feierte er als Opernkomponist große Erfolge und wurde von den Königshäusern heftig umworben. Naumann blieb aber zeitlebens am Dresdner Hof angestellt, wo er 1786 auf Lebenszeit als Hofkapellmeister verpflichtet wurde. Aus einfachsten Verhältnissen stammend, erlebte Naumann eine fulminante Karriere, die ihn mit bedeutenden Persönlichkeiten seiner Zeit zusammenbrachte - neben Christian Gottfried Körner, Johann Gottfried Herder, Klopstock, Elisa von der Recke und Friedrich Schiller seien hier vor allem weitere Dresdner Persönlichkeiten, wie der Maler Anton Graff oder Hans Moritz von Brühl zu nennen. Auch sein Wirken als Freimaurer hinterließ Spuren. Naumanns Schaffen umfasst zahlreiche Opern, Oratorien, Messen, Lieder und Instrumentalmusik, die auf eine Wiederentdeckung warten.

Die Musikwissenschaftlerin und Sängerin Romy Petrick gibt einen auf bisherigen Quellen basierenden, fundierten Überblick zum Leben und Schaffen dieses bedeutenden Dresdner Komponisten, der zu weiteren Forschungen und zur Verbreitung der Werke Naumanns beitragen soll. Umfassendes Bildmaterial ergänzt die Ausführungen, die einen Einblick in die Lebenswelt Dresdens im 18. Jahrhundert gewähren.

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Leseprobe

Erste Italienreise 1757 bis 1764


Ein Zufall brachte eine völlig neue Wendung in Naumanns Leben: Im Frühling 1757 kam der schwedische Geiger Anders Wesström (1720–1781) nach Dresden und kehrte bei seinen Spaziergängen mehrmals in der Kaffeestube von Naumanns Mutter ein. Dort soll er das Klavier mit den Noten der Bach’schen Werke entdeckt, und sich nach dem Spieler erkundigt haben.21 Wesström konnte kaum glauben, dass ein 15-jähriger Jüngling in so ärmlichen Verhältnissen ein derartiges Talent für Bach besitzen sollte. Er soll an den folgenden Tagen zurückgekehrt sein, um Naumann persönlich kennenzulernen und bot dem Jungen an, mit ihm nach Italien zu reisen. Wesström erhoffte sich vermutlich, in ihm einen preiswerten Begleiter für seine Violinkonzerte zu finden.

Anders Wesström (1720–1781)

Schwedischer Kapellvirtuose auf Reisen

Der Mann, der Naumanns Leben eine entscheidende Wendung brachte, war zu Lebzeiten der bekannteste Geiger Schwedens. Er wurde vermutlich in Sala (in der Provinz Västmanlands Iän) geboren, wo sein Vater als Organist und Musiklehrer tätig war. 1726 zog die Familie nach Hudiksvall (Provinz Gävleborgs Iän), wo der Vater als Organist und Lehrer arbeitete. Er bildete seinen talentierten Sohn aus, der bereits 1734, im Alter von 13 Jahren, nach dem plötzlichen Tod des Vaters dessen Posten übernahm. Wesström blieb über zehn Jahre als Organist in Hudiksvall und studierte währenddessen zusätzlich Jura in Uppsala. 1744 schloss er sein Studium mit dem Magister ab. Danach zog er nach Stockholm, wo er 1744 als Geiger in die Königliche Kapelle eintrat, der er bis 1773 angehörte. Zusätzlich arbeitete er als Lehrer am Berufungsgericht. Beide Tätigkeiten wurden allerdings sehr schlecht bezahlt und Wesström musste zusätzlich unterrichten. 1748 wurde er zum Hofmusiker befördert und erhielt dadurch ein höheres Gehalt. Seine finanzielle Situation soll jedoch in diesen Jahren insgesamt sehr schlecht gewesen sein.

1756 erhielt Wesström den Auftrag, sich bei einer Studienreise durch Europa musikalisch weiterzubilden. Die Reise sollte ursprünglich zwei Jahre andauern, verlängerte sich aber aufgrund von Krankheiten und anderen Umständen auf eine Dauer von vier Jahren. Er reiste zuerst nach Berlin und anschließend nach Dresden, wo er bei dem Geiger Francesco Maria Cattaneo (1697–1758) studierte. Hier lernte er den jungen Naumann kennen, mit dem er die Stadt Richtung Hamburg verließ. Im Sommer 1758 gelangten beide nach Padua, wo Wesström bei Giuseppe Tartini in die Lehre ging. Nach dem Bruch mit Naumann kehrte Wesström im Herbst 1760 nach Stockholm zurück. Hier trat er nun als Solist in öffentlichen Konzerten auf, in denen er seine Werke und Stücke italienischer Meister zu Gehör brachte. Im Sommer 1761 gastierte er in Hamburg, Göteborg und Lübeck. 1766 unternahm er eine Konzerttournee durch England. 1770 bewarb er sich um die vakante Stelle des Domorganisten in Stockholm, wurde jedoch abgelehnt. 1773 gewährte ihm die Hofkapelle eine kleine Rente auf Lebenszeit. Ab 1774 zog er sich aus der Öffentlichkeit zurück, da er zunehmend Probleme mit übermäßigem Alkoholgenuss gehabt haben soll. Es wird vermutet, dass Wesström durch den Alkoholmissbrauch auch zwischenmenschlich sehr schwierig geworden war. Zudem kassierte er illegal trotz seiner Pensionierung 1773 weiter ein volles Gehalt. Der Betrug wurde entdeckt und Wesström erhielt daraufhin keine Bezüge mehr, bis die Schuld getilgt war. 1774 bat er nochmals um Urlaub für eine Konzerttournee, doch es ist nicht nachweisbar, dass er tatsächlich reiste. 1776 bewarb er sich in Gävle als Musiklehrer am dortigen Gymnasium. Da es keine anderen Bewerber gab, erhielt er die Stelle. Man kündigte ihm jedoch bereits ein Jahr später, weil er nicht zur Arbeit erschien und stets ungepflegt auftrat.

In Stockholm soll er Naumann nochmals getroffen haben.

Wesström verstarb am 7. Mai 1781. Es kann vermutet werden, dass sein Schaffen sehr umfangreich war. Erhalten sind lediglich sechs Streichquartette, zwei Sinfonien, Ouvertüren und Stücke für Orgel. Seine Werke zeichnen sich durch eine fantasievolle und kontrastreiche Instrumentierung aus.

Naumann hingegen sah in diesem Angebot eine Möglichkeit, dem Kriegstreiben in Sachsen zu entgehen, sich musikalisch weiterzubilden und die Welt kennenzulernen. Italien galt besonders für Künstler und Musiker als wichtiges Studienland, und es war unabdingbar für eine Musikerkarriere dort zu lernen und Erfahrungen zu sammeln. So kam es, dass Johann Gottlieb Naumann mit Anders Wesström Ende Mai 1757 Dresden verließ.22 Naumanns Vater soll sich auf der Moritzstraße in unmittelbarer Nähe zum Hotel de Saxe von seinem Sohn verabschiedet haben; er gab ihm 18 Groschen für Reiseproviant mit auf den Weg.23 Mit dieser geringen Wegzehrung legte Naumann sein Schicksal nun gänzlich in die Hände des schwedischen Geigers und verließ Sachsen für mehrere Jahre.

Naumann in Hamburg

Die erste Station der beiden Musiker auf der Reise nach Italien war Hamburg, wo Wesström finanzielle Zuschüsse aus Schweden erwartete. In der florierenden Handels- und Hafenstadt erhoffte sich der Geiger höchstwahrscheinlich gute Auftrittsmöglichkeiten und versprach Naumann weitere Unterrichtsstunden im Generalbass bei bekannten Lehrern. Am 4. Juni 1757 kamen sie in der Hafenstadt an, doch die Situation entwickelte sich keinesfalls wie erhofft: Die Gelder aus Schweden, von denen Wesström notdürftig lebte, blieben aus, und er verfiel in eine „anhaltende Unpäßlichkeit“.24 Dadurch wurde auch die Beziehung zwischen Wesström und Naumann zunehmend belastet. Wesström war nicht in der Lage, für die Versorgung oder zumindest ausreichende Nahrung von Naumann aufzukommen. Die Beziehung verlief somit nicht so harmonisch und vorteilhaft für Naumann, wie es Wesström vermutlich den Eltern zuvor in Blasewitz geschildert hatte; vielmehr benutzte er den Jungen als billigen Diener, der für alle Aufgaben zu gebrauchen war und dafür nicht einmal entlohnt werden musste. Von diesen Umständen berichtete Naumann allerdings nichts in seinen Briefen nach Hause, um seine Eltern nicht zu beunruhigen.25

Hamburg im 18. Jahrhundert, Stich von 1760.

Indes lernte der junge Musiker in der Hafenstadt einen anderen Schweden namens Brismann [?]26 kennen, der eine Erziehungsanstalt leitete und bei dem Naumann zeitweise Klavier üben durfte.27 Briß-mann half dem talentierten Jüngling, indem er ihm einige seiner Schüler zum Klavierunterricht überließ. Im Gegenzug bot er ihm Kost und Logis an. Naumann selbst erhielt Unterricht in Zeichnen und Mathematik und erlernte das Bratschenspiel. Somit war sein Lebensunterhalt notdürftig gesichert.

Der Aufenthalt in Hamburg, der ursprünglich nur wenige Wochen dauern sollte, währte insgesamt über zehn Monate. Der Aufbruch nach Italien kam unverhofft im Frühjahr 1758, indem Wesström ohne ein Wort an Naumann einfach ohne ihn gen Süden abreiste. Erst acht Tage später erhielt Naumann einen Brief, in welchem Wesström ihm mitteilte, dass er nachkommen solle.28

Titelblatt einer Sonate von Wesström, 1778.

Der genaue Reiseweg von Hamburg aus läßt sich nicht rekonstruieren. Meißner vermutete, dass die Reise über Lübeck oder Braunschweig führte.29 Wesström, der selbst mit der Postkutsche reiste, ließ seinen Zögling die Strecke allerdings zu Fuß zurücklegen. Die Strapazen der Reise schilderte Meißner sehr genau, wobei Naumann zeitweise mit starken Erschöpfungszuständen zu kämpfen gehabt haben soll.30 Ein Erlebnis, von dem Naumann noch vierzig Jahre später berichtete, war besonders einprägsam: Eine stattliche Kutsche mit einer einzelnen Dame soll ihn trotz flehentlichen Bittens nicht hinten aufsitzen lassen haben, sondern fuhr ungeachtet (oder gerade aufgrund) seines schlechten Zustandes weiter.31

An bestimmten Zwischenstationen traf Naumann mit Wesström wieder zusammen, der den schlechter werdenden Zustand des Jungen bald nicht mehr verdrängen konnte. Deshalb zahlte er letztendlich für Naumann den Betrag für die Postkutsche, und sie reisten einen Teil der Strecke gemeinsam.32 Auch wenn die drastischen Schilderungen Meißners relativiert werden müssen, so wird diese Reise nach Italien mit Wesström Naumann deutlich vor Augen geführt haben, dass er der untersten gesellschaftlichen Schicht entstammte.

Student bei Tartini in Padua

Die Musiker kamen vermutlich Ende Mai 1758 in Italien an. Besonders die Stadt Venedig soll auf Nauman einen ungeheuren Eindruck gemacht haben.33 Allerdings blieb er mit Wesström nur wenige Tage in der Lagunenstadt und reiste nach Padua weiter, wo der damals berühmte Geiger Giuseppe Tartini (1692–1770) unterrichtete.

Die massiven Geldprobleme Wesströms hielten in Italien weiter an. Er erhielt über lange Zeiträume keine Zahlungen aus Schweden und benutzte Naumann deshalb nicht nur als Diener und Koch, sondern ließ ihn auch Noten...

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