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E-Book

Kunst als Beruf

Käthe Kollwitz und Elena Luksch-Makowskaja

AutorMaria Derenda
VerlagCampus Verlag
Erscheinungsjahr2018
Seitenanzahl562 Seiten
ISBN9783593438719
FormatPDF
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis52,99 EUR
Was zeichnete eine professionelle bildende Künstlerin um 1900 aus? Käthe Kollwitz gehörte zu den wenigen Frauen, die schon von ihren Zeitgenossen als Künstlerin anerkannt wurden. Auch die aus Russland stammende Elena Luksch- Makowskaja verfolgte zielstrebig ihre künstlerische Karriere. Maria Derenda untersucht anhand zahlreicher Briefe, Tagebücher und autobiografischer Notizen die Vorstellungen von Arbeit und Beruf bei Kollwitz und Luksch- Makowskaja. Der Vergleich der beiden Künstlerinnen zeigt nicht nur deren unterschiedliches Berufsideal, sondern auch die Strategien, die beide nutzten, um sich innerhalb des männlich dominierten Kunstbetriebes zu etablieren.

Maria Derenda promovierte an der Universität Hamburg.

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Leseprobe
1. Einleitung Im Rückblick auf ihre künstlerische Laufbahn beantwortete Käthe Kollwitz 1923 in ihren Erinnerungen die Frage, warum sie selbst und nicht ihre künstlerisch ebenfalls begabte jüngere Schwester Elisabeth Kollwitz professionelle Künstlerin geworden wäre, folgendermaßen: 'Ich war ehrgeizig und Lise nicht. In mir war die Zielrichtung.' Ihre elf Jahre jüngere Kollegin Elena Luksch-Makowskaja notierte in ihren autobiographischen Aufzeichnungen, für die sie den Titel Mnemosyne ausgewählt hatte: 'Ich habe mich sehr früh entschlossen, Künstlerin zu werden, und glaubte an mich.' Beide Frauen schrieben diese Zeilen als professionelle bildende Künstlerinnen und blickten damit auf die vergangenen Jahrzehnte ihres Schaffens zurück. Beide sahen ihre Laufbahn durch den bereits im Kindesalter ausgeprägten Wunsch motiviert, Künstlerin zu werden. Die Bedeutung der Kindheit für die künstlerische Laufbahn ist nur eines der Leitmotive in den autobiographischen Schriften, in welchen Elena Luksch-Makowskaja und Käthe Kollwitz alle ihre beschriebenen Erinnerungen auf ihre spätere Entfaltung hin ausrichteten. Das Werden der Künstlerin steht hier als übergeordneter Sinnzusammenhang im Mittelpunkt. Die Autobiographie dient dem Anliegen, sich als Künstlerin zu konstruieren. Luksch-Makowskaja und Kollwitz richteten die Struktur ihrer Argumentation ganz auf diesen übergeordneten Sinnzusammenhang aus. Aus ihrer Sicht hatten die beiden Frauen ihr Vorhaben bis zum Zeit-punkt der Niederschrift ihrer autobiographischen Aufzeichnungen verfolgt. Die aktive Phase ihres Schaffens dauerte von der Mitte des 19. bis ins zweite Drittel des 20. Jahrhunderts. In dieser Zeit konnten sich Berufskünstlerinnen erstmals gesellschaftlich etablieren. Sie traten nicht nur in einer bedeutsamen Zahl an die Öffentlichkeit, sondern waren auch zunehmend in institutionalisierte Netzwerke wie Künstlerinnenvereine oder Ausstellungsgemeinschaften eingebunden. Gemeinsam war diesen Institutionen der Einsatz für die Anerkennung des Kunstschaffens von Frauen in der Öffentlichkeit und damit die Verbesserung ihrer Ausbildungs- und Ausstellungssituation. Dennoch standen Frauen, die sich um 1900 für das Berufsfeld der bildenden Kunst entschieden, vor immensen Herausforderungen, da der Künstlerberuf primär männlich konnotiert war. Es gab kaum weibliche Vorbilder und somit auch keine etablierten beruflichen Orientierungsmuster und Handlungsspielräume. In der Ausbildung waren die Möglichkeiten für Frauen im Vergleich zu ihren männlichen Künstlerkollegen stark eingeschränkt. Ihnen war das Studium an den Kunstakademien, also eine anerkannte, qualifizierende Ausbildung, verschlossen. Deshalb mussten sie auf Anstalten ausweichen, die auf private Initiative hin gegründet worden waren und deren Besuch kostspielig war. Diese standen jedoch im Ruf, primär auf den eigenen Profit und weniger auf die Qualität des Unterrichts und das künstlerische Talent der Schülerinnen zu achten, was die Repräsentanten des Kunstbetriebes bestärkte, die Kunstwerke von Frauen von vornherein als dilettantisch beurteilten. Und dennoch gab es professionelle Künstlerinnen, die an den Institutionen des Kunstbetriebes partizipierten. Zu ihnen gehörten Käthe Kollwitz und Elena Luksch-Makowskaja, die trotz der gesellschaftlichen Widrigkeiten eine entsprechende Ausbildung erhalten hatten, sich selbst als Künstlerinnen bezeichneten, von der Außenwelt als solche gedeutet wurden und an den Netzwerken des zeitgenössischen Kunstbetriebes partizipierten. Die vorliegende Untersuchung stellt den beruflichen Werdegang dieser beiden Frauen in den Mittelpunkt. Es wird danach gefragt, welche Vorstellungen Käthe Kollwitz und Elena Luksch-Makowskaja vom Künstlerinnenberuf und von künstlerischer Arbeit hatten. Ziel der Untersuchung ist es, am Beispiel von Käthe Kollwitz und Elena Luksch-Makowskaja die Vorstellungen von Arbeit und Beruf professioneller Künstlerinnen verschiedener Sozialisationsräume in einer zeitlichen Periode zu untersuchen, in der sich der Beruf der bildenden Künstlerin im öffentlichen Diskurs und auch auf der institutionellen Ebene - im Bereich von Kunstvereinen, Ausstellungswesen, Kunstkritik und Kunstgeschichte - etablierte. 1.1 Untersuchungsgegenstand Die Lebensläufe der beiden Frauen weisen Parallelen auf. Kollwitz und Luksch-Makowskaja waren annähernd gleich alt und gehörten einer Generation an, in der es im Vergleich zu vergangenen Jahrzehnten zwar mehr professionelle Künstlerinnen gab. Im Vergleich zu ihren männlichen Kollegen im russischen und deutschen Kunstbetrieb waren sie jedoch deutlich unterrepräsentiert. Beide Frauen wurden in ihren Ambitionen durch das Elternhaus gefördert und erhielten eine künstlerische Ausbildung. Mit der Heirat, die unmittelbar nach dem Ende der Ausbildungszeit folgte, wechselten Kollwitz und Luksch-Makowskaja den Wohnort und entfernten sich damit von ihren Elternhäusern. Ihre Ehemänner trugen in beinahe der gesamten Ehedauer den hauptsächlichen Anteil an dem Lebensunterhalt der Familie. Somit stellte der Verdienst aus der künstlerischen Arbeit von Kollwitz und Luksch-Makowskaja einen Zuverdienst dar, der unregelmäßig erfolgte. Diese finanzielle Absicherung erlaubte es den beiden Frauen, künstlerisch frei zu arbeiten und bei kommerziellen Aufträgen wählerisch zu sein. Die Kinder von Kollwitz und die älteren beiden Söhne von Luksch-Makowskaja wurden in den ersten Jahren der Ehe geboren, in denen die Künstlerinnen sich im Kunstbetrieb zu etablieren suchten. Das Thema der Mutterschaft als Motiv ihrer Arbeiten spielt bei Kollwitz und bei Luksch-Makowskaja eine herausragende Rolle. Beide bewegten sich in Kreisen, die sich von den Vorgaben der akademischen Kunstvorstellungen lösten, Luksch-Makowskaja mit ihren kunstgewerblichen Arbeiten und Kollwitz mit der Druckgraphik. Beide Künstlerinnen - Elena Luksch-Makowskaja in Wien und St. Petersburg und Käthe Kollwitz in Berlin - partizipierten an der Secessionsbewegung, die ab dem Ende des 19. Jahrhunderts die Kunstmetropolen Westeuropas und Russlands erfasste. Käthe Kollwitz und Elena Luksch-Makowskaja waren also annähernd gleichaltrig, waren verheiratet und hatten Kinder. Sie genossen eine Förderung bei ihren beruflichen Bestrebungen im Elternhaus und anschließend eine professionelle künstlerische Ausbildung. Sie verorteten sich während ihrer beruflichen Etablierung in den modernen Strömungen des Kunstbetriebes und sie behaupteten im letzten Lebensdrittel, ein Leben als professionelle Künstlerin verbracht zu haben. Diese Parallelen bewegen sich jedoch - schon allein durch die primär männlich dominierte Deutung und Ausgestaltung des Kunstbetriebes - jenseits der 'Normalerwerbsbiographie' einer Künstlerin und verweisen auf die Möglichkeiten der Verknüpfung zwischen künstlerischem Beruf und Leben, künstlerischer Arbeit und Familie für Frauen. Es geht dabei also um die historischen Bedingungen der Profession und Professionalisierung und die Nutzung dieser Handlungsspielräume durch die Individuen. Genau gesagt wird danach gefragt, wie Käthe Kollwitz und Elena Luksch-Makowskaja angesichts der individuellen Voraussetzungen ihre Handlungsspielräume nutzten, um sich als Künstlerin zu verstehen und verstanden zu werden. Diese Zugänge sind bei den beiden Frauen insbesondere im Hinblick auf die Ausbildung, die Vernetzung innerhalb und die Partizipation an den Institutionen des Kunstbetriebes unterschiedlich. Während Elena Luksch-Makowskaja als Tochter eines angesehenen Künstlers in eine St. Petersburger Aristokratenfamilie hineingeboren wurde, hatte das bildungsbürgerliche Königsberger Elternhaus von Käthe Kollwitz keinen direkten Bezug zur bildenden Kunst. Luksch-Makowskajas Ehemann, den sie während ihres Auslandsaufenthaltes in München kennengelernt hatte, war ein Wiener Künstler, Richard Luksch. Käthe Kollwitz heiratete den Arzt Karl Kollwitz, einen ebenfalls aus Königsberg stammenden Jugendfreund. Somit wurden die beiden Frauen durch ihre Familien im unterschiedlichen Maße mit dem Kunstbetrieb konfrontiert. Kollwitz bewegte sich bereits von ihrem Elternhaus her in einem politischen Umfeld und ließ es später zu, dass ihre Kunst von der SPD und teilweise der KPD programmatisch vereinnahmt wurde. War die Politisierung der Kunst von Kollwitz im Kaiserreich ein Grund für die Ablehnung ihrer Kunst von offizieller Seite, fand die Künstlerin durch den Regimewechsel in der Weimarer Republik Anklang bei dem staatlichen Kunstbetrieb. Elena Luksch-Makowskaja stammte aus einer Familie, deren Ansehen von der Nähe zur Zarenfamilie herrührte. Ohne spezifisches politisches Interesse war sie an der Aufrechterhaltung der traditionellen Ordnung interessiert und stand daher den revolutionären Ereignissen in St. Petersburg 1905 und 1917 auch aus Sorge um ihre Familie ablehnend gegenüber. Zugleich beteiligte sie sich jedoch noch 1905 an künstlerischen Projekten, die die Anliegen der Revolutionäre hochhielt. Die Bedeutung, die die beiden Künstlerinnen innerhalb des Kunstbetriebes spielten, war unterschiedlich ausgeprägt. Kollwitz wurde bereits in den Gründungsjahren ein Mitglied der Berliner Secession, beteiligte sich aktiv an der Jury und wurde sogar zum Vorstandsmitglied gewählt. Ihr Vorsitz innerhalb des Frauenkunstverbandes und insbesondere die Mitgliedschaft und die Lehrtätigkeit an der Akademie der Künste verdeutlichen ebenfalls, dass Kollwitz gestalterisch auf die Strukturen des Kunstbetriebes Einfluss nahm. Luksch-Makowskaja engagierte sich dagegen nicht aktiv in der Vereinsarbeit und war lediglich in den Ausstellungen mit ihren Arbeiten vertreten. Gerade diese unterschiedliche Einbindung in den Kunstbetrieb trug im entscheidenden Maße dazu bei, dass Kollwitz Ende der 1920er Jahre zu den berühmtesten Künstlerinnen Deutschlands zählte, während Luksch-Makowskaja um jeden einzelnen Auftrag kämpfen musste, um ihre Lebenshaltungskosten zu decken. Die Wahl der Untersuchungsperioden und -orte resultiert unmittelbar aus den Lebensläufen der beiden Künstlerinnen. Konkret wurden die Zeiten und Orte fokussiert, die Kollwitz und Luksch-Makowskaja selbst in Zusammenhang mit ihrem beruflichen Werdegang brachten. So spielen bei Luksch-Makowskaja St. Petersburg, München und Deutenhofen als Ausbildungsorte eine Rolle, während Wien, St. Petersburg und Moskau in der Phase der beruflichen Etablierung bedeutsam sind. Hamburg steht für die Stagnation der künstlerischen Karriere und Paris wird als Ort für potenzielle künstlerische Entfaltung von Luksch-Makowskaja in ihren Selbstzeugnissen hervorgehoben. Kollwitz verbrachte ihre Ausbildungszeit in Königsberg, Berlin und München und war die meiste Zeit ihres Lebens in Berlin tätig. Ihre Arbeiten wurden in Russland, den USA, China und Frankreich gezeigt. Wie auch bei Luksch-Makowskaja spielte Paris für Kollwitz als Kunstmet-ropole und die Stadt der künstlerischen Entfaltung eine herausragende Rolle. Der Beginn des Untersuchungszeitraumes setzt an den Zeitpunkten an, an denen Käthe Kollwitz und Elena Luksch-Makowskaja ihre jeweilige Entwicklung als Künstlerin festschreiben. In beiden Fällen ist es, wie in den einleitenden Zitaten bereits angedeutet, die frühe Kindheit im Elternhaus. Da der Fokus auf die Vorstellungen zu Arbeit und Beruf der Künstlerinnen gerichtet ist, bieten sich diese Zeiträume - nämlich die 1870er Jahre für Kollwitz und 1880er Jahre für Luksch-Makowskaja - als Ausgangspunkte der Untersuchung an. Das Ende des Untersuchungszeitraumes wird mit dem Beginn des Nationalsozialismus gesetzt, da dieser politische Wechsel für die berufliche Laufbahn beider Künstlerinnen bedeutsam war. Kollwitz erlebte vor Machtantritt der Nationalsozialisten den Höhe-punkt ihrer künstlerischen Karriere. Ihre Nähe zur Sozialdemokratie war für das nationalsozialistische Regime der Anlass, sie gelegentlichen Repressionen auszusetzen. Gewöhnt an den öffentlichen Zuspruch, den sie über mehrere Jahrzehnte bekommen hatte, ertrug Kollwitz die künstlerische Isolation recht schwer und war ihrerseits bemüht, Ausstellungsmöglichkeiten zu finden. Das zentrale Ziel und der Lebensinhalt von Kollwitz war die künstlerische Arbeit, zu der für sie eine öffentliche Resonanz unbedingt dazugehörte. Somit arrangierte sie sich ein Stück weit mit den neuen Machthabern. Die empfundene Ohnmacht und die Angst um ihre Angehörigen spielten bei dieser Entscheidung ebenfalls eine Rolle. Eine direkte Zusammenarbeit mit dem nationalsozialistischen Regime lehnte sie jedoch ab. Ob der NS-Staat jemals mit einem solchen direkten 'Angebot' auf sie zukam, ist nicht bekannt. Luksch-Makowskaja dagegen befand sich Ende der 1920er Jahre in einem beruflichen Tief. Während des Ersten Weltkrieges verminderten ihre offenen Bekundungen patriotischer Gesinnung für Russland ihre Verkaufsmöglichkeiten in Deutschland. Mit dem Tod von Richard Dehmel 1920 verlor sie einen ihrer einflussreichsten Fürsprecher. Nach ihrer Scheidung 1921 finanzierte sie sich überwiegend durch 'eher durchschnittliche Porträtarbeiten' und konnte sich dadurch 'nicht mehr für öffentliche Aufträge empfehlen' . Der politische Umbruch von 1933 gab ihr zunächst neue Hoffnung auf Erfolg. Doch bemühte sie sich vergebens, Anschluss innerhalb der nationalsozialistischen Ausstellungspolitik zu finden. 1.2 Forschungsstand In der bisherigen Kollwitz-Forschung ist der Schwerpunkt vorwiegend auf ihre Position als politische Künstlerin und als Verfechterin des Pazifismus gelegt worden. Yvonne Schymura betont in ihrer kürzlich erschienenen Biographie von Kollwitz nachdrücklich, dass die umfassende Mythen-bildung die Rezeption der Künstlerin nach 1945 bestimmte. Beide deutschen Staaten suchten Kollwitz als Heldenfigur für sich zu vereinnahmen. Dieser Umstand leitete bis in die letzten Jahre die Kollwitz-Forschung und stand einer wissenschaftlich fundierten Auseinandersetzung mit ihrer Lebensgeschichte im Wege. In jüngerer Zeit sind einige Monographien und Aufsätze erschienen, die durch akribische Auswertung von Originalquellen die gängige Narration hinterfragen. Von der älteren Forschung noch nicht im ausreichenden Maße gewürdigte neue Aspekte wie der Parisaufenthalt von Kollwitz und die Beziehung der Künstlerin zu Russland werden inzwischen nicht nur in Ausstellungen thematisiert, sondern auch durch innovative Aufsätze in den dazugehörigen Ausstellungskatalogen ausgewertet. Auch Themen wie die politische Verortung von Kollwitz, mit denen sich die Forschung nach 1945 ausgiebig befasst hat, werden in kürzlich erschienenen Publikationen neu bewertet. Geschlechtergeschichtliche Fragestellungen spielten bisher jedoch kaum oder nur am Rande eine Rolle. Dies ist umso erstaunlicher, als dass Kollwitz neben Paula Modersohn-Becker im zeitgenössischen Diskurs als Symbol der gesellschaftlichen Etablierung von Berufskünstlerinnen inszeniert wurde. Eine Ausnahme stellt hier der Aufsatz von Ute Seiderer dar, die für die Zeit der Weimarer Republik den Mythos um die Person und das Werk von Käthe Kollwitz aus geschlechtergeschichtlicher Perspektive dekonstruiert. Seiderer zeigt, wie eng die zeitgenössische Rezeption des Werkes und der Person von Käthe Kollwitz an die Debatte um den kulturellen Beitrag der Frau mit (geistiger) Mutterschaft als Schöpfungsquelle gebunden war. Zu Person und Werk von Luksch-Makowskaja existieren nicht nur im Vergleich mit der Kollwitz-Forschung bisher wenigere Publikationen. Ihren Arbeiten schenkte die kunsthistorische Forschung erst in den letzten dreißig Jahren Beachtung, als die Kunstrichtung des Jugendstils sich erneut großer Popularität erfreute. Der umfassende Nachlass von Luksch-Makowskaja wurde erstmals im Jahr 2000 im Rahmen einer Dissertation und einer Magisterarbeit ausgewertet. Bei der Dissertation von Athina Chadzis handelt es sich um eine biographische Studie mit starker kunsthistorischer Fokussierung. Chadzis hat mit der Auswertung großer Teile des bildlichen und schriftlichen Nachlasses das Leben der Künstlerin sorgsam rekonstruiert. Russischsprachige Quellen, die einen beträchtlichen Anteil innerhalb des schriftlichen Nachlasses von Luksch-Makowskaja ausmachen, wurden von Chadzis jedoch kaum berücksichtigt. Ganz unbeachtet blieben die Archivalien zu Person und Werk von Luksch-Makowskaja, die sich außerhalb von Hamburg und Bremen befinden. Die Untersuchung von Chadzis hat eine Grundlage für weiterführende Fragestellungen gelegt. So übernahm Julie M. Johnson bei ihrer Publikation über die Künstlerinnen Wiens um 1900 im Wesentlichen die Ergebnisse, die Chadzis herausgearbeitet hat. Die geschlechterhistorischen Perspektive hat Chadzis lediglich bei der Auseinandersetzung mit der Wiener Kunstszene und dem Eheleben der Künstlerin aufgegriffen. Ein erwachendes Interesse am Leben und Werk von Luksch-Makowskaja zeigt sich in der Ausstellungspraxis der letzten Jahre, durch die ihre Person und Teile ihres künstlerischen ?uvres einem kunstinteressierten Publikum näher gebracht werden. Maike Bruhns erweiterte mit ihrer Publikation anlässlich des 100-jährigen Jubiläums des Hamburger Stadtparks die Forschung zu Luksch-Makowskaja, indem sie quellenbasiert die Hintergründe zur Entstehung ihrer Plastik Frauenschicksal thematisierte. Trotz der bisherigen Rezeption ist der Name Elena Luksch-Makowskaja in der kunstinteressierten Öffentlichkeit Österreichs, Deutschlands und Russlands kaum präsent. In der kürzlich erschienenen kommentierten Übersicht der 'erinnerungswürdigen' Künstlerinnen um 1900 von Katja Behling und Anke Manigold hat Luksch-Makowskaja keinen Eingang gefunden, obwohl die Autorinnen mit ihrer Publikation das 'Leben und Werk berühmter wie gänzlich unbekannter Malerinnen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz' darstellen wollten. Nach meiner Erfahrung wird der Name Luksch-Makowskaja entweder in Deutschland mit dem Ehemann Richard Luksch oder in Russland mit dem Vater, Konstantin Makowskij, oder dem Onkel der Künstlerin, Wladimir Makowskij, assoziiert. 1.3 Theoretische Grundlagen und methodisches Vorgehen Die explizite Frage nach dem professionellen Selbstverständnis wurde weder von der Kollwitz-Forschung noch in den Publikationen zu Luksch-Makowskaja gestellt. Zur Beantwortung dieser Leitfrage greife ich auf drei Ansätze zurück, die im ersten Schritt als theoretisches Gerüst vorgestellt werden und dabei die leitende Fragestellung in den Forschungskontext einbetten: die russische und deutsche Künstlerinnenforschung , die Selbstzeugnisforschung und schließlich die Berufsgeschichte. In der wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit dem Berufsfeld der bildenden Künstlerin werden einige Charakteristika der künstlerischen Arbeitswelt hervorgehoben. Bis heute bestehen besondere Produktions-bedingungen, eine spezifische Rezeption und Institutionalisierung kunst-tätiger Frauen fort, die sich von denen der männlichen Kollegen unterscheiden. Die für Kunstschaffende zentralen Faktoren ihrer Karriere - ihre Ausbildung und die Teilhabe am Ausstellungswesen - orientieren sich bis heute an der Norm des männlichen Künstlers. Die Situation der Künstlerinnen ist somit als ein eigenes Thema zu behandeln, sie kann 'nur in dieser Form angemessen theoretisiert werden'. Die Künstlerinnenforschung umfasst und fordert seit ihren Anfängen in den 1970er Jahren in den USA und Westeuropa eine geschlechterorientierte Perspektive. Dabei begreift und hinterfragt sie die Männlichkeit(en) und die Weiblichkeit(en) als Konstruktionen und kritisiert die Weise, wie deren Festschreibung den Inhalt und die Strukturen der ideologisch-institutionellen Ebene bestimmt. Der Beruf der bildenden Künstlerin institutionalisierte sich gegen Ende des 19. Jahrhunderts zunehmend im Rahmen von Künstlerinnenvereinigungen und Ausbildungseinrichtungen für Frauen. Dabei wurde der männliche Künstler in den zeitgenössischen Institutionen des Kunstbetriebes und im von ihnen getragenen öffentlichen Diskurs als Beurteilungsmaßstab gesetzt. Genie, Originalität sowie unermüdlicher Schöpfungsdrang waren Bestandteile eines rein männlich konnotierten Künstlermythos, der seine Ursprünge bereits in der Frühen Neuzeit hatte. Dieses Narrativ stützten männlich dominierte Kunstvereine und Kunstakademien und instrumentalisierten es sogar, um die Ansprüche der Frauen auf ein Studium abzuwehren. Ihnen wurde die Fähigkeit zum genialen Schaffen abgesprochen. Künstlerische Bestrebungen von Frauen hatten in öffentlichen Auseinandersetzungen entweder gar keinen Raum oder wurden mit dem Hinweis auf vermeintlich geschlechtsspezifische Fähigkeiten marginalisiert. Im öffentlichen Diskurs stand die Künstlerin als ein vorgeblich minderwertiges Subjekt, das nur bedingt an der Gemeinschaft der Künstlerschaft partizipieren sollte. Die Künstlerinnenforschung verlangt als 'korrigierende Instanz' die aktive Reflexion dieser Ideologie. Sie will die auf geschlechtsspezifischen Konnotationen basierende Konstruktion der künstlerischen Realität dekonstruieren und damit die 'Normalität' der als männlich gedachten Strukturen hinterfragen. Die Reichweite geschlechtlich determinierter Handlungs- und Wahrnehmungsräume von künstlerisch tätigen - oder eben nicht tätigen - Frauen soll so untersucht werden.
Blick ins Buch
Inhaltsverzeichnis
Inhalt6
1. Einleitung10
1.1 Untersuchungsgegenstand12
1.2 Forschungsstand16
1.3 Theoretische Grundlagen und methodisches Vorgehen20
1.4 Quellengrundlage und Überlieferungssituation30
1.5 Aufbau der Untersuchung38
2. Künstler – Professionelle Identifikationsangebote42
2.1 Künstler innerhalb der deutschen Gesellschaft45
2.2 Institutionen und Netzwerke des deutschen Kunstbetriebes57
2.3 Ausbildung von Künstlerinnen in Deutschland62
2.4 Künstlerinnen-Organisationen in Deutschland und Österreich69
2.5 Künstler innerhalb der russischen Gesellschaft77
2.6 Ausbildung und Netzwerke von Künstlerinnen in Russland97
2.7 Beurteilung weiblicher Kunst in Deutschland und Russland104
3. Rezeption als Künstlerin118
3.1 Käthe Kollwitz119
3.1.1 Außergewöhnliches Talent – außergewöhnliche Person125
3.1.2 Vertreterin weiblicher Kunst130
3.2 Elena Luksch-Makowskaja135
3.2.1 Zielstrebigkeit und Talent138
3.2.2 Die Ehefrau eines Künstlers – Element einer Künstlergemeinschaft145
3.3 Zusammenfassung: Rezeption146
4. Selbstdarstellung in der Öffentlichkeit148
4.1 Käthe Kollwitz149
4.1.1 Autobiographische Skizzen151
4.1.2 Politische Haltung154
4.1.3 Fachpublikum und »Durchschnittsbeschauer«159
4.2 Elena Luksch-Makowskaja164
4.2.1 Autobiographie – Legitimation des künstlerischen Schaffens165
4.2.2 Inszenierung der Kontinuitäten169
4.3 Zusammenfassung: Selbstdarstellung175
5. Professionalisierung178
5.1 Käthe Kollwitz181
5.1.1 Königsberg, Berlin, München182
5.2 Elena Luksch-Makowskaja191
5.2.1 Gesellschaft zur Förderung der Künste193
5.2.2 Ilja Repin und die Akademie der Künste196
5.2.3 Auslandsjahr in München und Dachau207
5.3 Zusammenfassung: Professionalisierungen216
6. Professioneller Handlungsraum219
6.1 Käthe Kollwitz221
6.1.1 Große Berliner Kunstausstellung224
6.1.2 Künstlerinnennetzwerke233
6.1.3 Berliner Secession243
6.1.4 Kunstmarkt und Vermarktungsstrategien259
6.1.5 Akademie der Künste269
6.1.6 Internationaler Kunstmarkt282
6.1.7 Zusammenfassung: Professionelle Handlungsräume296
6.2 Elena Luksch-Makowskaja300
6.2.1 Wiener Secession, Ver Sacrum und Wiener Werkstätte303
6.2.2 Mir Iskusstwa, Sojus Russkich Chudoschnikow und St. Petersburger Kunstzeitschriften317
6.2.3 Hamburger Jahre 1907–1920334
6.2.4 Hamburger Jahre 1920–1933345
6.2.5 Zusammenfassung: Professionelle Handlungsräume364
7. Familie und Profession370
7.1 Käthe Kollwitz371
7.1.1 Voraussetzungen im Elternhaus372
7.1.2 Familie als finanzielle Absicherung374
7.1.3 Einbindung der Familie in den künstlerischen Alltag379
7.1.4 Ehe, Mutterschaft und Beruf382
7.1.5 Zusammenfassung: Familie und Profession391
7.2 Elena Luksch-Makowskaja393
7.2.1 Konstantin Makowskij als künstlerische Bezugsgröße395
7.2.2 Mutter als Mäzenin400
7.2.3 Sergej Makowskij als Förderer414
7.2.4 Künstlerehe428
7.2.5 Scheidung als berufliche Zäsur455
7.2.6 Mutterschaft473
7.2.7 Zusammenfassung: Familie und Profession480
8. Fazit484
9. Quellen und Literatur507
9.1 Archivbestände507
9.2 Verzeichnis gedruckter Quellen511
9.3 Literatur523
10. Anhang: Lebensläufe – tabellarisch558
11. Danksagung562

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