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Leiharbeit im Spannungsfeld unterschiedlicher Interessen in Baden-Württemberg und Thüringen

Eine vergleichende empirische Datenanalyse unter Berücksichtigung der neuen gesetzlichen Regelungen des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes (AÜG)

AutorTina Dutschmann
VerlagGRIN Verlag
Erscheinungsjahr2008
Seitenanzahl140 Seiten
ISBN9783640120017
FormatePUB/PDF
Kopierschutzkein Kopierschutz
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis36,99 EUR
Magisterarbeit aus dem Jahr 2006 im Fachbereich Politik - Politische Systeme allgemein und im Vergleich, Note: 2,0, Eberhard-Karls-Universität Tübingen (Institut für Politikwissenschaft), Sprache: Deutsch, Abstract: Leiharbeit ist eine flexible Beschäftigungsform, die in Deutschland immer mehr zu einer festen Größe am Arbeitsmarkt wird. Mit der vorliegenden Untersuchung konnten eine Fülle von praxisnahen Informationen zum Einsatz der Leiharbeit im Landkreis Reutlingen und in der kreisfreien Stadt Erfurt gewonnen werden. Leiharbeit erlaubt den Unternehmen ihren Personalbedarf an die Konjunkturlage anzupassen, d. h. in Zeiten des wirtschaftlichen Aufschwungs den Personalbestand durch Leiharbeitnehmer zu erhöhen, ohne sich an das Personal binden und somit die Arbeitgeberpflichten übernehmen zu müssen. Dieser Flexibilitätsaspekt ist der größte Vorteil der Leiharbeit für die hier befragten Entleihunternehmen. Weitere wesentliche Ergebnisse der vergleichenden empirischen Untersuchung sind: • Der Dienstleistungssektor gewinnt an Bedeutung. • Der Einsatz von Leiharbeitnehmern ist für einen Großteil der Erfurter (50 Prozent) und Reutlinger (63,6 Prozent) Entleihunternehmen nicht mehr aus ihren Unternehmen wegzudenken. • Der Einsatz der Leiharbeit wird in den nächsten Jahren in diesen Regionen weiter wachsen. • Leiharbeitnehmer werden überwiegend für Routine- und Hilfsarbeiten eingesetzt. • Leiharbeit wird weiblicher. • Der Gleichstellungsrundsatz hat die Unterschiede zwischen Leiharbeitnehmern und Beschäftigten im Normalarbeitsverhältnis in Bezug auf die Entloh-nung nicht gleichgestellt. Bei der Literaturrecherche fiel auf, dass die Meinungen bezüglich der Leiharbeit sehr stark differieren. Weder die Arbeitnehmer vertreten eine einheitliche Position noch die Arbeitgeber. Die Meinungen der Regierung und Gewerkschaften sollen hier keine Berücksichtigung finden. Die vorliegende Arbeit hat sich daher zur Aufgabe gemacht, empirisch zu untersuchen, ob und inwieweit Leiharbeit von den Akteuren, den Entleihunternehmen, den Verleihunternehmen und den Leiharbeitnehmern im Landkreis Reutlingen (Baden-Württemberg) und in der kreisfreien Stadt Erfurt (Thüringen) ökonomisch genutzt wird. Dabei werden die Meinungen derer zwischen Oktober 2005 und März 2006 widergespiegelt. Wo liegen also die Möglichkeiten und Grenzen der Leiharbeit, als Beschäftigungsform am Arbeitsmarkt, aus Sicht der Leiharbeitnehmer, Verleihunternehmen und Entleihunternehmen im Landkreis Reutlingen und in der kreisfreien Stadt Erfurt?

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Leseprobe

3 Das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz


 

Grundlage des Vertragsverhältnisses zwischen Verleihunternehmen und Entleihunternehmen ist der AÜV[8]. Dieser ist schriftlich abzuschließen und von beiden Vertragspartnern zu unterschreiben. Dies und noch weitere rechtliche Rahmenbedingungen für die Leiharbeit in Deutschland gibt das AÜG vor.

 

Unter Berücksichtigung der Zielsetzung dieser Arbeit erscheint es zunächst unerlässlich, das AÜG näher vorzustellen. In Kapitel 3.1 werden die neuen gesetzlichen Regelungen, die seit dem 1. Januar 2004 gelten, berücksichtigt.

 

Das Auseinanderfallen von Arbeits- und Beschäftigungsverhältnis in der Leiharbeit führt zu einem besonderen Regulierungsbedarf zum Schutz des Leiharbeitnehmers. Dies hat der Gesetzgeber bereits früh erkannt. 1972 übernahm das AÜG die Regulierung der Leiharbeit in der BRD. Bis heute dient es der Ordnung und Kontrolle der Verleihpraxis, indem es einen rechtlichen Ordnungsrahmen für die Akteure vorgibt.

 

Gemäß § 1 AÜG unterstehen die Verleihunternehmen, durch die Vergabe von Konzessionen, einer staatlichen Kontrolle. Die damalige Bundesanstalt für Arbeit bzw. heutige Bundesagentur für Arbeit (BfA) fungiert als Erlaubnis- und Kontrollbehörde, indem sie den Verleihunternehmen die Erlaubnis zur gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung erteilt (Vgl. Vitols 2003, 7).  

 

Durch ein Befristungs-, Wiedereinstellungs- und Synchronisationsverbot sowie eine Begrenzung der Überlassungshöchstdauer sollten die Leiharbeitnehmer arbeits- und sozialversicherungsrechtlich geschützt werden.

 

Das Befristungsverbot untersagte den Abschluss eines befristeten Beschäftigungsverhältnisses zwischen Verleihunternehmen und Leiharbeitnehmer. Die Befristung war „nur erlaubt, wenn die Gründe dafür in der Person des Leiharbeitnehmers lagen, z. B. Studierende oder Wehrpflichtige vor der Einberufung, die nur eine vorübergehende Tätigkeit aufnehmen wollen oder können“ (Hansen/Kanstinger, 2001, 14). Diese Regelung wurde durch das Verbot der unzulässigen Wiedereinstellung ergänzt. Zwischen Kündigung und Wiedereinstellung eines Leiharbeitnehmers mussten mindestens drei Monate liegen. Es sollte gewährleisten, dass das Arbeitsverhältnis mit dem Verleihunternehmen den Einsatz beim Entleihunternehmen überdauert.

 

Das s. g. Synchronisations- und Deckungsverbot besagte, dass die Dauer des Arbeitsvertrages nicht auf die Zeit der erstmaligen Überlassung an ein Entleihunternehmen beschränkt werden darf.

 

Die höchstzulässige Überlassungsdauer wurde zunächst auf drei Monate begrenzt.  

 

Diese gesetzlichen Restriktionen und Verbote sollten dazu dienen, dass die Verleihunternehmen das Beschäftigungsrisiko, das die saisonal und konjunkturell stark schwankende Nachfrage von Leiharbeitnehmern mit sich brachte, mittragen und nicht ausschließlich an die Leiharbeitnehmer weitergeben. Als Folge wuchs der Leiharbeitssektor nur eingeschränkt.

 

In den Jahrzehnten nach 1972 unterlag das AÜG zahlreichen Novellierungen. 1982 wurde die gewerbsmäßige Arbeitnehmerüberlassung in Unternehmen des Baugewerbes verboten. 1985 wurde die zulässige Überlassungshöchstdauer von drei auf sechs Monate erhöht. 1989 erklärte das AÜG die Arbeitnehmerüberlassung für Kleinunternehmen mit weniger als 20 Beschäftigten zwar als erlaubnisfrei, aber anzeigepflichtig bei der BfA. 1994 wurde die zulässige Überlassungshöchstdauer erneut auf nun 9 Monate verlängert. Außerdem wurde das Synchronisationsverbot für schwer vermittelbare Arbeitslose aufgehoben. 1997 wurde die höchstzulässige Überlassungsdauer von 9 auf 12 Monate ein weiteres Mal verlängert. Sowohl das Befristungs-, als auch das Wiedereinstellungs- und das Synchronisationsverbot wurden gelockert. 2002 wurde die Überlassungshöchstdauer von 12 auf 24 Monate ein letztes Mal verlängert. Außerdem sollten ab dem 13. Überlassungsmonat bei einem Entleihunternehmen für den Leiharbeitnehmer gleiche arbeitsrechtliche Bedingungen gelten, wie die der Stammmitarbeiter in vergleichbaren Positionen beim Entleihunternehmen. Damit war das s. g. equal-treatment-Prinzip eingeführt (Vgl. Vitols 2003, 7ff.). Dieses Prinzip besagt, dass die Leiharbeitnehmer den Stammmitarbeitern im Entleihunternehmen gleichgestellt sind - gleiche Arbeitsbedingungen und Bezahlung.     

 

3.1 Die Novellierung des AÜG zum 1. Januar 2004


 

Norbert Blüm sagte einmal: „Während die rechte Hand noch an der letzten Zeile eines Gesetzes arbeitet, radiert die linke schon wieder in den ersten Zeilen herum.“[9] Es ist nicht überliefert, ob diese Erkenntnis des früheren Bundesarbeitsministers dem AÜG galt. Dennoch passen diese Worte sehr gut auf das AÜG, weil es, in den Jahrzehnten seit Inkrafttreten, zahlreichen Änderungen unterlag, welche, mit Ausnahme des im Jahr 1982 erlassenen Arbeitnehmerüberlassungsverbots für das Baugewerbe, deregulierend wirkten.

 

Der Gleichstellungsgrundsatz gilt nun bereits ab dem ersten Einsatztag des Leiharbeitnehmers im Entleihunternehmen (Vgl. Schwarzkopf/Schöne 2004, 39). Dadurch wurde der Schutz des Leiharbeitnehmers erhöht. Im Gegenzug entfielen das besondere Befristungsverbot, das Wiedereinstellungsverbot, das Synchronisationsverbot, die Beschränkung der Überlassungsdauer sowie die Pflicht des Verleihunternehmens, seinen Leiharbeitnehmern nach Ablauf des zwölften Überlassungsmonats die Arbeitsbedingungen und Bezahlung des Entleihunternehmens zu gewähren.

 

Im nachfolgenden Kapitel soll besonders auf die grundlegende Neuregelung des bereits oben erwähnten equal-treatment-Prinzips eingegangen werden.  

 

3.1.1 Der Gleichstellungsgrundsatz


 

Wie bereits oben erwähnt, enthält das AÜG seit dem 1. Januar 2004 einen Gleichbehandlungsgrundsatz, auch Equal Pay oder Equal Treatment genannt. Die wesentlichen Arbeitsbedingungen sowie die Entlohnung von Leiharbeitnehmern sollen dem entsprechen, was im Entleihunternehmen für das Stammpersonal in vergleichbarer Stellung gilt. Abweichungen von dieser grundsätzlichen Gleichstellung des Leiharbeitnehmers gegenüber dem Stammpersonal sind u. a. durch den Abschluss eines Tarifvertrags möglich.

 

Der Gesetzgeber wollte erreichen, dass die Unterschiede zwischen Leiharbeitnehmern und Beschäftigten im Normalarbeitsverhältnis vor allem in der Entlohnung geringer werden.

 

Da der Gleichbehandlungsgrundsatz durch die wechselnden Einsatzorte der Leiharbeitnehmer in der Verleihpraxis nicht durchführbar ist, haben die Verleihunternehmen mit dem Abschluss von Tarifverträgen reagiert.

 

3.1.2 Ausnahme vom Gleichstellungsgrundsatz: Der Tarifvertrag


 

Vom Gleichbehandlungsgrundsatz darf abgewichen werden, wenn ein verbindlicher Tarifvertrag vorliegt, der für Verleihunternehmen und Leiharbeitnehmer gilt.[10] Dieser abweichende Tarifvertrag muss zwei Voraussetzungen erfüllen: Zum einen darf der Tarifvertrag erst nach dem Stichtag 15. November 2002 in Kraft getreten sein. Damit ist sichergestellt, „dass der Tarifvertrag in Kenntnis und unter Berücksichtigung des Gleichstellungsgrundsatzes abgeschlossen wurde“, weil an diesem Tag „der [Deutsche, Anm. d. Verf.] Bundestag den Gesetzentwurf in dritter Lesung verabschiedet hat“ (Schwarzkopf/Schöne 2004, 54).

 

Seit Februar 2003 wurden insgesamt sechs Flächentarifverträge für die Leiharbeit abgeschlossen. Beispielsweise hat der Bundesverband Zeitarbeit Personal-Dienstleistungen (BZA)[11] mit der Tarifgemeinschaft des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB), darunter IG Metall, Ver.di und IG BCE, einen Tarifvertrag abgeschlossen (Vgl. Schwarzkopf/Schöne 2004, 57).

 

Welche weiteren Folgen die Reform des AÜG hatte, wird im nächsten Kapitel beschrieben.   

 

3.1.3 Folgen der Neuregelungen des AÜG


 

Die Neuregelungen des AÜG haben dazu geführt, dass die Leiharbeit in Deutschland weitgehend tarifiert ist.

 

Abbildung 1 belegt einen weiteren Anstieg der Beschäftigung in der Leiharbeit, als 2004 die Neuregelungen des AÜG in Kraft traten.

 

3.1.3.1 Bedeutung der Neuregelungen des AÜG für die Verleihunternehmen

 

Mit Aufhebung des Befristungsverbots gilt für alle Leiharbeitsverhältnisse, wie für alle anderen Arbeitsverhältnisse auch, ausschließlich das Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG). Das besagt, dass für eine Befristung eines Arbeitsvertrages immer ein Sachgrund erforderlich ist. Somit bleibt die auf den jeweiligen Einsatz bezogene Befristung des Arbeitsvertrages mit dem Leiharbeitnehmer für das Verleihunternehmen weiterhin riskant (Vgl. Schwarzkopf/Schöne 2004, 40).

 

Durch tarifvertragliche Regelungen kann das Verleihunternehmen vom Gleichbehandlungsgrundsatz abweichen. Eine weitere Abweichung ist möglich, wenn das Verleihunternehmen einen vormals Arbeitslosen einstellt. Diesem Leiharbeitnehmer muss das Verleihunternehmen nur ein Nettoarbeitsentgelt in Höhe des letzten Arbeitslosengeldes zahlen.    

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